Sind Sie ein "Raubkopierer"? Nein?

FFS 05.12.2003 12:57 Themen: Medien Netactivism
Sind Sie ein "Raubkopierer"? Nein? Dann holen Sie sich Ihr Geld zurück!
-Hexenjagd auf "Raubkopierer"?

Die Filmindustrie hat in Deutschland eine undifferenzierte
Hetzkampagne gegen so genannte "Raubkopierer" gestartet. Darin wird
auch der sexuellen Mißbrauch von Häftlingen durch ältere Mitinsassen
thematisiert und offensichtlich als "harte, aber gerechte" Sanktion
gutgeheißen.[0]

Damit versucht die Filmwirtschaft auch, ihren Kampf zur weiteren
Demontage des europäischen Urheberrechts massenwirksam
aufzubereiten. Denn die Berufsträumer der Unterhaltungs- und
Softwareindustrie weiten aktuell mit der "Richtlinie zur zwangsweisen
Durchsetzung Geistigen Eigentums"[1] den Kampf gegen ihre Kunden
deutlich aus: Die Richtlinie sieht Informations- und
Durchsuchungsrechte vor, die bisher - und zwar verfassungsrechtlich
garantiert - Polizei und Gerichten vorbehalten waren. Damit wäre der
Weg frei, auf bloßen Verdacht jeden Anwender von
Informationstechnologie vor Gericht zu zerren. Die Industrie will damit
den direkten Zugriff auf die Computer und Wiedergabegeräte aller
Unternehmen und Konsumenten erreichen, realisiert durch das so
genannte "Digital Rights Management" - und unter Abschaffung der
Verwertungsgesellschaften.


-Leerkassettenvergütung: Schmarotzer Filmindustrie

"Mit den von uns vorgestellten Tipps, die Unternehmern und Konsumenten
helfen sollen, unnötige Mehrkosten einzusparen, ergreifen wir also
keineswegs Partei für professionelle Raubkopierer" so Georg Jakob,
Vorsitzender des Vereins zur Förderung Freier Software.[2]
"Wir möchten vielmehr die schweigende Mehrheit auf ihre gesetzlichen
Rechte hinweisen und vor Kriminalisierung sowie der laufenden
Gehirnwäsche durch eine Unterhaltungsindustrie, die den Hals nicht
voll kriegt, schützen" so Jakob weiter. Denn "Es geht nicht an, dass
die Herrn Filmproduzenten jedesmal, wenn eine riskante Geschäftsidee
nicht aufgeht dem bösen Internet die Schuld geben und heulend zum
Gesetzgeber rennen und alles daran setzen, das geltende Urheberrecht
durch ein drakonisches Copyright nach US-Muster zu ersetzen - und
sich dabei keinen Deut um Künstler oder Konsumenten scheren."

Denn: Die sogennante Leerkassettenvergütung wird inzwischen auch auf
CD- und DVD-Rohlinge bereits auf den Kaufpreis aufgeschlagen, den sie
häufig sogar verdoppelt. Auch dann, wenn die Rohlinge in
Wahrheit für Urlaubsfotos, Geschäftsdaten oder sonstige vom Käufer
selbst erstellte Inhalte verwendet werden.

Da diese Abgabe von den Verwertungsgesellschaften nicht einbehalten,
sondern an die Film- und Musikindustrie abgeführt wird, tragen auch
Wirtschaftstreibende und öffentliche Institutionen zur indirekten
Subventionierung des letzten Blockbusters bei - ungefragt, meist ohne
es überhaupt zu wissen und auf Kosten der lokalen Filmindustrie.

Auch wer GNU/Linux, StarOffice oder andere Programme, deren Lizenz ein
uneingeschränktes Kopieren erlaubt, auf CD oder DVD brennt, bezahlt auf
diesem Weg unfreiwillig für Filme, die er möglicherweise nie zu sehen
bekommt.


Schluss mit lustig

Doch das Gesetz sieht in diesen Fällen die Rückersattung der
Urheberrechtsabgabe vor: Werden die Leerdatenträger nämlich für
Kopien verwendet, für die der Urheber seine ausdrückliche Einwilligung
erteilt hat, so hat man laut § 42 Abs. 6 cif. 1 Urheberrechts-Gesetz
den Rechtsanspruch auf Rückerstattung der beim Kauf eingehobenen
Summe. In der Praxis wird von diesem Recht allerdings kaum Gebrauch
gemacht, obwohl es eigentlich völlig unkompliziert ist, zu seinem
Recht und vor allem Geld zu kommen: Ein einfaches Fax und die
Übermittlung entsprechender Kassenbelege ist völlig ausreichend.

Die detaillierte Vorgehensweise wird unter
 http://www.ffs.or.at/projekte/freedom2use/lkv.html
erläutert; auch ein Musterformular ist dort als pdf verfügbar.


[0]  http://www.hartundgerecht.de/hag/indexe5cc.html?id=20
[1]  http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/indprop/piracy/index.htm
[2]  http://www.ffs.or.at


Über den Verein zur Förderung Freier Software:

Der Verein zur Förderung Freier Software ( http://ffs.or.at) wurde im
Jahre 2001 als gemeinnützige Organisation gegründet, um als Ergänzung
zu den international agierenden Organisationen die Interessen der
Anwender und Entwickler von Freier Software in Österreich zu vertreten.
Neben der Mitwirkung in verschiedensten Projekten zur Unterstützung des
Einsatzes Freier Software im privaten, geschäftlichen und öffentlichen
Bereich sieht sich die ständig wachsende Anzahl von Mitgliedern auch
zunehmend dazu berufen, die rechtlichen Grundlagen für die Erstellung,
Verwendung und Weiterentwicklung Freier Software in Österreich zu sichern
und auszubauen.

Diese Pressemeldungung finden Sie online unter
 http://www.ffs.or.at/presse/pm-20031205.txt
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Ergänzungen

mal im ernst

cdrw 05.12.2003 - 14:14
... wer kauft sich den spindelweise rohlinge und kopiert dann "nur" geschäftsdateien und urlaubsfotos. hmmmmm ? also alle leute die ich kenne ( die einen brenner ihr eigen nennen ) brennen hin und wieder bzw. ausschliesslich "illegal".
und wenn die, die nicht "raubkopieren" ihr geld zurückbekommen sollen - wie will man das nachweisen ? es wird ja wohl keiner sagen "hallo, ich zahl die zusatzsteuer, da ich raubkopiere".

das rohlinge massiv durch die zusätzliche abgabe verteuert werden, halte ich für schwachsinn ... beim media-markt gehen gerade 50 rohlinge in der spindel für unter 15 euro über den ladentisch. macht weniger als 30 cent ( !!! ) pro rohling ( 700 mb, cd-r ).
aus dem umkehrschluss heraus müssten dann rohlinge im ausland ( weil es dort ja keine "raubkopier" abgabe gibt ) wesentlich billiger sein ...
sind sie aber nicht. in frankreich zahlst du im günstigsten fall an die 60 cent pro rohling ( gut - die haben eine höhere mwst - aber keine "raubkopierabgabe" ). in der schweiz, österreich und den niederlanden sind die scheiben auch nicht billiger als in D.

@cdrw

ak 05.12.2003 - 14:50
Der Artikel ist etwas oesterreichlastig (da at.indymedia.org derzeit faktisch offline ist), auf  http://www.ffs.or.at/projekte/freedom2use/lkv.html wird allerdings auch kurz die Situation in Deutschland behandelt - da ist naemlich die Datentraegerabgabe viel geringer, dafuer gibt's noch zusaetzlich eine Geraeteabgabe.

@CDRW

Zapata 05.12.2003 - 15:21
Ist aber Fakt.
Hast du dir nie überlegt warum früher Audio-Rohlinge bis zu das zehnfache so teuer waren, wie Daten-CDs?
Ganz einfach weil da zum Beispiel GEMA-Abgaben drauf waren.
Und jetzt bekommst du kaum mehr ein 10er Pack Rohlinge unter 5 Euro.
Das darauf jetzt auch Gebühren erhoben werden, weil niemand mehr so blöd ist und die teuren Audio-Rohlinge kauft wäre doch stimmig, oder?
Ziemlich sicher ist dass du zumindest einen gewissen Anteil immer schon an Verwertungsgesellschaften gezahlt hast.
Wenn du dir einen Brenner für gewerbliche Zwecke kaufst (zum Beispiel zuum Daten-Backup von digitalen Aufnahmen im Tonstudio) dann zahlst du trotzdem an die Scheiß-GEMA. Und selbst wenn man sich dann vielleicht 10x im Jahr urheberrechtlich geschützte Musik brennt, ist das immer noch nicht legitim, dass man damit ganze Wirtschaftszweige finanziert.

Basta!

Zapata

verkappte Subvention

Peter Lustig 05.12.2003 - 15:33
Diese Abgabe auf Rohlinge und die Geräteabgabe sind versteckte Subventionen. Der Staat sichert somit den Konzernen einen Mindestumsatz. Das zeigt auch wieder, wessen Interessen der Staat vertritt - und zwar nicht die der "Wähler". Der Staat ist ein Instrument der herrschenden Klasse - nichts weiter, egal wer gewählt wird. Es ist also eine verkürzte Kritik, wenn "nur" gegen diese Subvention gewettert wird. Selbst wenn diese Kritik mal Erfolg haben sollte, sucht sich der Staat eine neue Repression, denn das ist sein Wesen. Kurzum, der Staat ansich muß abgeschafft werden und nicht nur diese Subvention und Zwangsabgabe.

nich so ganz..

Künsler 05.12.2003 - 15:33
Die Argumentation stimmt nicht so ganz.
Man muß zwischen den Krokodilstränen der Industrie und den Abgaben an die Verwertungsgesellschaften unterscheiden.
Das sind zwei ganz unterschiedliche Sachen.

Das Geld der Verwertungsgesellschaften geht zum Großen Teil direkt an die Künstler zurück.
Ich bin nicht der Meinung, daß wir Künstler ordentlich leiden sollen, damit wir unsere Kunst absondern. Ich denke, es steht mir zu, daß ich mir auch mal n Bier inner Kneipe leisten können sollte. Daher finde ich das mit den Abgaben voll ok.

Urheberrecht, Patente und Studiengebühren

Daniel Rödding 05.12.2003 - 19:58
Das ganze Themenfeld "Durchsetzung geistigen Eigentums" und "Neuordnung des Rechtesystems für geistiges Eigentum" muß man sehr differenziert betrachten.

Ausgangspunkt hier war die Kampagne gegen Raubkopierer. Die Durchsetzung faktisch vorhandener Eigentumsrechte ist nachvollziehbar - die Methodik allerdings mehr als fragwürdig.

Ein weiterer - leider nur am Rande angesprochener - Bereich ist wesentlich kritischer: Die Neuordnung der Urheber- und Patentrechte, wie sie hier in Deutschland und auch auf EU-Ebene gerade stattfindet.

Insbesondere im Bereich der Software-Entwicklung droht hier Böses: Während Computerprogramme heute primär auf dem Wege des Urheberrechts geschützt werden, wird über eine weitgehende Patentierungsmöglichkeiten im EDV-Terrain nachgedacht.

Lesetipp hierzu (Vorsicht Faktenflut!):  http://swpat.ffii.org/

Da (Software-)Entwicklung im EDV-Bereich in der Regel aus vielen kleinen Innovationsschritten besteht, die zusammen neue Produkte und Lösungen ergeben, droht auf der Patentschiene eine Innovationsblockade errichtet zu werden. Besonders kritisch dabei ist, daß durch die niedrigen Hürden bzgl. einer patentwürdigen "Erfindungshöhe" unzählige Trivialpatente auf einfache Algorithmen entstehen bzgl. bereits in der Patentrolle verzeichnet sind. Dabei ist a) längst nicht alles Innovation, was als Innovation angemeldet wird und b) gibt es Unmengen an Parallelerfindungen, weil eben die Einzelschritte in der Software-Entwicklung doch recht elementar und überschaubar sind.

Da nun das Patentrecht ein "Privileg des Ersten" ist, droht also insbesondere für Software-Entwickler, daß sie durch Patente auf Programme bzw. Algorithmen (oft "Softwarepatente" oder nur kurz "Swpat" genannt) um die Verwertung ihrer ureigenen Erfindungen gebracht werden können. Wir erreichen hier also einen Punkt, an dem tatsächlich eine neue Form der geistigen Enteignung Realität zu werden droht.

Durch die Öffentlichkeitsarbeit von FFII und der "Eurolinux"-Allianz gibt es mittlerweile eine Unterschriftsliste gegen Softwarepatente mit einer hübsch sechsstelligen Zahl an Unterzeichnern. Da sich in der Softwarepatent-Diskussion aber neben den Politikern vornehmlich Patentanwälte tummeln hat die breite Front, die letztendlich nur Grundrechte auf die Freiheit ihres eigenes geistigen Eigentums einfordert, nur mäßig viel Erfolg. Auch ist es nur wenig hilfreich, wenn die sachliche Zulieferarbeit für die Umgestaltung bei den staatseigenen Forschungsanstalten Fraunhofer und Max-Planck-Institut erbracht werden, die letztendlich nach Staatswillen primär durch Patente ihr Geld verdienen sollen. Da sind so manche Zwischenergebnisse im Meinungsfindungsprozeß natürlich vorprogrammiert.

Auch sonst sind die Politiker anscheinend bisher nur sehr teilweise in der Lage, das Themenfeld so weit zu überblicken, daß sie die Auswirkungen der aktuell in Diskussion befindlichen Positionen abschätzen können.

Auf der Ebene der (deutschen) Politik rennt man dem Traum hinterher, staatliche Bildungskosten zu senken, indem man Hochschulen im Drittmittelbereich "stärken" will (d. h. sie stärker zur Eigenfinanzierung zu zwingen), und eine Schiene der Hochschulfinanzierung sollen auf lange Sicht wohl auch Patente auf Ergebnisse von hochschulseitiger Forschungsarbeit werden. Deswegen ist der deutschen Politik auch die Ausweitung von Patententierungsmöglichkeiten so wichtig. Denn die sollen im Traumszenario der Regierung wohl neben z. B. Studiengebühren zu einer Säule der Hochschulfinanzierung werden.

Immerhin war der Widerstand gegen Softwarepatente bisher nicht völlig wirkungslos. Auf EU-Ebene sollte bereits mehrfach eine Beschlußfassung erfolgen, was aber immer wieder verzögert werden konnte. Der aktuelle Zustand ist allerdings auch nicht tragbar, weil er für Software-Entwickler nicht kalkulierbare Risiken in der Zukunft offen läßt.

Da jetzt von studentischer Seite auch massiver berechtigter Widerstand aufkommt zeichnet sich ab, daß das gesamte Rahmenkonzept der Regierung blockiert werden kann. Die starken Studentenproteste stellen die Regierung vor ein großes Problem. Allerdings wissen die Protestierenden offenbar noch nicht, daß das Problem aus mehr als nur den Studiengebühren besteht.

Es wäre durchaus hilfreich, wenn von studentischer Seite das Thema "Studiengebühren" nicht nur als Inselthema, sondern integriert in den Gesamtkontext der aktuellen Neuordnungsversuche aufgegriffen würde.

Das Thema heißt nicht nur "Freiheit der Bildung", sondern auch "Freiheit, sich mit Bildung entfalten zu dürfen". Und beides ist - wie oben dargestellt - über die Hochschulfinanzierungsfrage und das Patentwesen aktuell sehr eng miteinander verwandt.

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