"Luther"ein Film in Deutschland

Max Brym 23.11.2003 22:28 Themen: Kultur Medien
"Luther" ein reaktionärer Film im Kino

Erstveröffentlichung
Luther ein Film in Deutschland


Äußerst erfolgreich läuft in den Kinos in Deutschland der Film „Luther“.
Uwe Ochsenknecht, der in dem Film Papst Leo den X. spielt erklärte anläßlich der Filmpriemire in München: „In Deutschland fehlen uns Personen mit dem Mut und der Charakterstärke eines Martin Luther". Das paßt in die gegebene politische Landschaft. Versuchen doch gerade jene die den sozialen Kahlschlag in Deutschland durchsetzen, sich selbst mit Attributen wie „reformstark“ ,“ mutig“, und „charakterstark“ hervorzutun. Wenn in diesem Kontext die Geschichte benützt, verklärt, und entstellt wird, so ist das im Sinne der politischen Kaste. Gut gemachte Verklärung garniert mit Halbwahrheiten zeichnen den Film „Luther“ aus.

Luther war kein theologisch inspirierter Held

In dem Film wird der Bauernsohn und spätere Professor Luther zum deutschen Helden, der sich in der Tat dem widerwärtigen Ablaßhandel der römischen Kirche entgegenstellte. Der Ablaßkrämer Tetzel wird in dem Film demaskiert und die Werbetechniken des katholischen Klerus in Sachen Seelenheil plastisch dargestellt. Der Protest dagegen war im damaligen Deutschland völlig gerechtfertigt. Papst Leo der X. hatte einen Ablaß ausgeschrieben, der ihm die ungeheure Summe von 50.000 Dukaten einbringen sollte. Als Haupteinkommensquelle sah der Vatikan das feudal zersplitterte Deutschland vor. In den ökonomisch fortschrittlichen, absolutistischen Monarchien Spanien, Frankreich und im österreichische Kernimperium, war der Katholizismus nur noch in der Funktion, den Absolutismus ideologisch abzusichern oder wie in Spanien, die Ideologie mit polizeilichen Repressalien zu ergänzen. In diesen Ländern hatte der König das entscheidende Wort bei der Besetzung der höheren geistlichen Stellen. Gelderhebungen für den Papst ohne Zustimmung des Königs waren verboten. Diese Länder hatten sich von der römischen Ausbeutung zu befreien gewußt und sich nunmehr vom Papsttum loszureißen lag ihnen um so ferner, als sie daran denken konnten, den Papst selbst zu ihrem Werkzeug zu machen und durch ihn über die ganze Christenheit zu herrschen. Als Herren des Papstes wollten sie die christlichen Völker ausbeuten. Der damalige deutsche Kaiser eroberte zuerst Rom um dann um so unerbittlicher den Katholizismus zu verteidigen. Relativ breiten Handlungsspielraum hatte die katholische Kirche im fürstlich dominierten Deutschland. Die frühbürgerlichen Zustände hatten über die verallgemeinerte Ware Geld Beziehung, die Bauern in maßloses Elend gestürzt. Die Ausbeutung auf der Basis von Naturalabgaben hatte natürliche Grenzen, mit der entscheidenden Rolle des Geldes war der Ausbeutung keine Grenze mehr gesetzt. Das Land hungerte, sowohl der weltliche wie der klerikale Adel griff nach den Gemeindewiesen und den Wäldern der Bauern. Grund und Boden wurden dem Wertgesetz unterworfen was bedeutete, Grund war am ertragreichsten wenn möglichst wenig Personen einen möglichst großen Ertrag erbrachten. Massenhaft wurden Bauern von ihren Höfen vertrieben und einer schrecklichen Blutgesetzgebung unterworfen. Längst hatte sich die mittelalterliche „Gemütlichkeit“ (der Begriff blauer Montag stammt aus dieser Zeit) in Luft aufgelöst. Unter dem Gesetz der Profitmaximierung war der Spruch „ unterm Krummstab ist gut leben“ obsolet geworden.. Die katholischen Feudalherren waren mit dem Handelskapital verwoben, die Ware Geld Beziehung senkte die katholische Armenfürsorge dramatisch, jene wurde jedoch nie ganz eingestellt. Bestimmte Dinge sind sehr langlebig, die christlichen Feiertage wurden später ein Ärgernis für die liberalen „ Manchester- Kapitalisten. Aber zurück in die Vergangenheit und zum Film. Der Film zeigt einen Martin Luther wie er zum Teil wirklich war. In seiner Zeit war er ein glänzender Redner, der Herr Professor aus Wittenberg vergaß über den Professor den Bauern nicht. Seine Vorlesungen an der Universität waren tatsächlich ein Renner. Mit beißender Ironie und Schärfe geißelte er die Doppelmoral der katholischen Kirche, eine Zeitlang sympathisierte er mit den revolutionären Bestrebungen der Bauernschaft. Letzteres zeigt der Film nicht. Statt dessen werden seine 95 Thesen die er im Herbst 1517 an die Kirche in Wittenberg nagelte, zur revolutionären Tat verklärt. In Wirklichkeit waren diese Thesen nur eine bescheidene Anklage „gegen die mißbräuchliche Handhabung des Ablaßhandels.“ Die päpstliche Autorität stellte Luther mit diesen Thesen nicht in Frage. Nach den Thesen zu Wittenberg entwickelten sich die Kämpfe der damaligen politischen Lager in Deutschland in einer neuen Dimension. Der Kurfürst Friedrich von Sachsen war für seine Person ein sehr frommer, gläubiger, ja selbst bigotter Katholik, aber auch damals schon hörte in Geldsachen die Gemütlichkeit auf und er verbot den Ablaßkrämern das Betreten seines Landes. Die Krämer wollten sich ursprünglich mit besonderem Eifer auf das Kurfürstentum Sachsen stürzen, das damals durch den Segen seiner Bergwerke, das reichste Land in Deutschland war. Dieser sächsische Kurfürst wird in dem Film zum liebenswerten alten Mann mit Sinn für den Reformator Luther . Nirgendwo wird gezeigt, dass es bei dieser Unterstützung um nichts anderes als den schnöden Mammon ging. Der „Held“ Luther hatte deshalb einen bestimmten Mut,
weil die Fürstenbande selbst ihre Bauern schröpfen wollte und deshalb dem in Eisleben geboren Luther unter ihre Fittiche nahm. Dennoch hat Luther mit seiner Bibelübersetzung in das Deutsche entscheidenden Anteil an der Herausbildung der deutschen Sprache. In dem Film wird nur gezeigt wie die Übersetzung der Bibel den sächsischen Kurfürsten erfreute. Das die Übersetzung dadurch auch urchristliche Texte bekannt machte und damit den Bauernaufstand von 1525 befruchtete, verschweigt der Film dezent.

Luther der Fürstenknecht.

Am 2. April 1525 erhoben sich in vielen Teilen Deutschlands die Bauern. Die wachsende Not, die mit der Umwandlung der Natural- in die Geldwirtschaft über die bäuerliche Klasse gekommen war, hatte seit dem Jahre 1476 eine Reihe von bäuerlichen Aufständen, namentlich in Süddeutschland hervorgerufen. Darunter die Bauernverschwörungen, die unter dem Namen des Bundschuhs und des armen Konrads historischen Ruf gewonnen hatten. Aber sie alle blieben örtlich beschränkt und wurden bald niedergeschlagen. Erst als die Reformationsbewegung das ganze Land in seinen Tiefen aufwühlte, gelang eine Bauernverschwörung über das ganze Reich hin. In dem Reformationsstreit spielte Luther als Getriebener eine positive Rolle. Trotz aller Protektion durch bestimmte Fürsten, kokettierte Luther eine Zeit lang relativ offen mit den bäuerlichen Anliegen. Das änderte sich fast schlagartig, als der Bauernaufstand, begann. Luther wand sich in einer klösterlichen Zelle in „religiöser Pein“ (das wird in dem Film gezeigt) um dann geläutert gegen den Bauernaufstand Front zu machen. Letzteres unterschlägt der Film komplett, in dem Film bedauert Luther nur die Opfer und das Blutbad. In Wahrheit riet Luther zunächst seinen fürstlichen Brotgebern, mit den Bauern zu verhandeln um Zeit zu gewinnen. Ein Gedanke den der Adel selbst hatte, denn der Aufstand überraschte den Adel ziemlich. Nachdem die Starre gewichen war, veranstalteten die „Blaublütler“ ein entsetzliches Bauernmassacker. Am 6. Mai 1525 veröffentlichte Luther seine Schrift „Wider die räuberischen und mordenden Bauern“. In dem Phamplet animierte Martin Luther die Fürsten dazu, „zu hängen zu schlagen“ und „zu töten“. Doch diese Schrift im blutrünstigen Henkerstone, war nur eine leere Prahlerei, denn die Fürsten, evangelische wie katholische, bedurften seiner Mahnung gar nicht um ein grausames Gemetzel unter den Bauern anzurichten. Einen wirklichen Dienst im Bauernkrieg leistete Luther dennoch seinen Brotgebern, er denunzierte mehrmals den bäuerlich- plebejischen Revolutionär Thomas Münzer (1490- 1525). Luther war ein kriechender Fürstenknecht geworden. Aus seiner Bibelübersetzung machte er nunmehr einen Fürstenkatechismus. Die evangelischen Fürsten reformierten in ihrem Sinne, indem sie sich zu obersten Bischöfen ihrer Landeskirche erklärten, das Luthertum durch ihre Hofpfaffen zu einer Religion des beschränkten Untertanenverstandes ausbilden ließen und namentlich die reichen Kirchengüter in ihre Tasche steckten. Der Protestantismus setzte sich im wesentlichen in den rückständigsten deutschen Landesteilen fest und wurde zur Haus und Hofreligion des späteren preußischen Adels.

Luther der Antisemit

Der späte Luther war ein erklärter Antisemit. Um es genauer zu sagen, der erste völkisch „moderne“ Antisemit auf deutschem Boden. Luther erweiterte den christlichen Antijudaismus der katholischen Kirche. Nicht ohne Grund verteidigte sich Julius Streicher im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess mit Zitaten von Martin Luther. Der Film „Luther“ verschweigt diese Tatsache vollständig. Damit entspricht der Film dem Zeitgeist, denn man kennt zwar Antisemiten oder ist gar selbst einer aber man spricht nicht darüber. Die Person Luther begann seine Karriere nicht als Antisemit. In einigen seiner Reden an der Universität zu Wittenberg wandte sich der junge Luther gegen die Exzesse des christlichen Antijudaismus. Ungeachtet dessen, wollte Luther stets die Juden bekehren. Nachdem er sich in einen vollständigen Fürstenknecht verwandelte und sein Lob auf die abstrakte Arbeit zugunsten der Fürsten sang, entwickelte Luther massiv Elemente des „modernen“ Antisemitismus. Luther adelte die Arbeit als solche und verklärte sie zur höchsten Tugend des Christenmenschen. Die Verausgabung von Schweiß ohne nach dem Sinn des Ganzen zu fragen, erklärte Luther zur höchsten Tugend des Christenmenschen. Im Gegensatz zum Kalvinismus hatte Luther einen extrem engen Arbeitsbegriff, der Schweiß an sich, ohne nach dem Gebrauchswert der Glocke zu fragen, war für Luther das non plus ultra. Selbstverständlich verband er dies mit einem extremen Untertanengeist gegenüber der „gottgegebenen Obrigkeit“. Zudem verstand sich Luther als „deutscher Patriot“. Er konstruierte zu seinem Nationalismus und seinem Arbeitsbegriff ein Gegenvolk. Dieses Gegenvolk waren die Juden, Luther schrieb: „daß das deutsche Geld und Gut durch den schmarotzenden und wucherischen Juden bedroht sei“. Weiter schrieb Luther über den angeblichen Gegner : „ Sie faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, saufen, leben sanft und wohl von unserem erarbeiteten Gut“. Luther entwarf ein Konzept der Zwangsarbeit für Juden, war aber zugleich skeptisch bezüglich des Erfolgs. Deshalb plädierte Luther für ihre Vertreibung: „ dass man ihre Synagoge oder ihre Schule mit Feuer anstecke und was nicht verbrennen will mit Erde überhäufe“. Der moderne Antisemitismus des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, konnte sich stark auf den reaktionären Antijudaismus der katholischen Kirche stützen. Wesentlich stärker allerdings auf den offenen Antisemitismus eines Martin Luther. In der Endphase der Weimarer Republik, erwiesen sich neben den roten Arbeiterzentren die mehrheitlich katholischen Gebiete als wesentlich resistenter gegen die nazistische Ideologie, als das protestantische Milieu. Es geht nicht an einen vollkommen unkritischen Lutherfilm in den Kinos zu tolerieren. Luther war kein Heiliger, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut in einer konkreten historischen Situation. Ein Mensch in seinem Widerspruch, wer die reaktionären und barbarischen Seiten von Luther nicht kritisiert, von dem ist in der Gegenwart nichts gutes zu erwarten.

Max Brym


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Ergänzungen

Ergänzung

fluffy 24.11.2003 - 00:18
Luther war "nicht nur" Antisemit, er war auch in anderen Bereichen überhaubt nicht korrekt.
Er hat zum Beispiel über Menschen mit Behinderung gesagt, "daß man sie wie ein reudiger Köter in der Gosse ersäufen sollte".
Eine Schande, daß so viele Menschen immer noch der Meinung sind, daß er ein Humanist gewesen sei, da er das Christentum "verbessert/modernisiert" hat.
Was menschen mit solchen antisemitischen wie Menschen mit Behinderung feindlichen reden machen können, hat sich in der traurigen Wahrheit des NS-Sozialismus gezeigt.
Millionen von ermordeten Juden und Menschen mit Behinderung würden bestimmt nicht der Meinung sein das Luther ein toller Mensch war, wenn sie noch leben würden.

Boykotiert und Sobotiert den Film!!!

O mei

Regner 24.11.2003 - 00:34
O mei.- Max der Münchner Katholik. Tut mir Leid Max, aber daß es ausgerechnet die rückständigsten Gegenden Deutschlands gewesen seien, die protestantisch wurden, ist doch arg verkürzt gedacht. Oder was ist mit Nürnberg? Na ja dort lebt schließlich auch Robert Kurz. Und was Luthers Antisemitismus betrifft: Das war leider weder etwas neues, noch etwas besonderes. Es sei nur daran erinnert, daß kurze Zeit darauf sämtliche Juden aus England vertrieben wurden.

Vergesst Luther, denkt an Münzer

Pedder 24.11.2003 - 01:49
Wie drückte es Engels einmal aus? So ähnlich wie, er, Luther hat es geschafft die Macht der Päpste in die Macht der Fürsten zu verwandeln, was in geschichtlicher Nachbetrachtung als sehr real erscheint. Das es uns -den untertänigsten Bürgern- nichts genutzt hat und Päpste wie Fürsten, wobei letztere heute Großgrund- Konzern und Bankbesitzer sind, profitieren weiter an irrationalen Ängsten, Glaube und der Unwissenheit der breiten Masse.
Mensch ist geneigt die ganzen Religionen zu verdammen wenn er begreift, dass ein verharren im Glaube uns dem Wissen nur in soweit näherbringt, dass wir immer erst zu spät erkennen, dass wir der Lüge glaubten und dies weil wir die Wahrheit nicht wussten.
Das Götter nur Metaphern dastellen, dass sich in ihnen Leitbilder wiederfinden, welche eine quasi Bedienungsanleitung Mensch zu bieten haben, schlägt gerade jene in den Bann des Glaubens, welche aus dem eigenen Sein den Sinn des Lebens nicht mehr erkennen, also keiner inneren Wahrheit folgen, womöglich da sie es nie gelernt oder auch aberzogen bekamen auf die Synthese aus Gefühl und Verstand zu vertrauen, welche sich dann genau in der Mitte -dem Herz- jener Daseinsform nähert welche Mensch als innere Harmonie empfinden kann und auf der die Basis des Ich auch nur mit dem Wissen von Ursache und Wirkung ein starkes Fundamet erschafft, welches den Glauben unabdingbar an das Ziel des Wissens und die Wege der Aufklärung bindet.
Dass Luther nur eine Teilreformation im Sinne hatte am römisch-katholischen Imperium aber keinesfalls grundlegend rütteln wollte, also an der Weltmachtfantasie des Monetheismus weiter festhielt, dies verdeutlicht Luthers Umgang mit Thomas Münzer einem einst Weggefährten der
wohl diesec Aufrichtigkeit besaß auf die sich ein Protestantismus noch am realsten beziehen könnte. Dass sie sich auf Luther beziehen macht auch diese Religion zweifelhaft.
Andererseits scheint es den meisten Menschen nicht vergönnt aus innerem Antrieb an sich zu glauben, was auf das Ziel Wissen orientiert dann bedeutet, daran zu glauben das Leben aus eigener Kraft zu bewältigen.
Dass auch dieser Glaube auf ewig Glaube bleiben dürfte wenn Mensch nicht erkennt, dass er garnicht als Individuum mit Einsiedlertendenz beschaffen ist, sondern als ein Kleingruppenwesen, welches nur mit der Bündelung unterschiedlicher Fähigkeit sich gegenseitig im Wachstum befördert, halte ich für real. Unsere unausweichliche Abhängigkeit zu unserem Gegenüber, unsere aufeinander Angewiesensein, es ist so existentiell, dass im Glaube an das Göttliche eine Vermeidungsstrategie zu vermuten ist, welche der Auseinandersetzung mit dem Gegenüber aus dem Weg gehen will, indem er/sie die Abhängigkeit von ihm/ihr durch die einer Gottheit ersetzt, wodurch sie/er dem Menschen und seinem Menschsein nicht näher kommt, als sich viel mehr davon zu entfernen. Zu entfernen von der zweiten Ebene unseres Menschseins- vom Gefühl und Mitgefühl, versucht wird durch geistige Transformation Gefühle in eine Form der Beheerschtheit zu bringen, welche sich, in geschichtlicher Erfahrung, als gescheitert erwiesen hat.
Prowissen scheint die uns verbliebene Alternative, welche sich aus der Vergangenheit aufdrängt und es scheint als müssten alle Religionen die vorgeben die alleinige Wahrheit zu besitzen sich zunächst einmal klären und nähern,ihrer eigenen Vergangenheit und Toten auch als Auswirkung eigener Ursache zu begreifen, bevor sie herab kommen vom selbstgebauten Thron des Allmachtsanspruches, zurück auf die Erde und unserem natürlichen "menschlichen Maß" eines Kleingruppenwesens.
Das Zeitalter des Glaubens es sollte zu Ende gehen bevor der Mensch zu Grunde geht, geglaubt wird genug und schlaue Menschen wissen das sie nichts wissen, was ihren Wissensdurst nur verstärkt entspringt der Erkenntnis, dass sich die Sinnfrage mit der Suche nach dem Wissen was das Ich noch nicht versteht erschöpfend beantwortet.

Mutig und feige

transalpino 24.11.2003 - 03:19
Luther war mutig, als er das berühmte "hier stehe ich, ich kann nicht anders" aussprach.

Damals hatte er gute Chancen auf dem Scheiterhaufen zu enden, wie vor ihm Jan Hus, Savonarola und viele andere.

Luther war feige, als er sich in den Dienst der Fürsten stellte, gegen Schwächere, die aufständischen Bauern, die Juden geiferte.

"Nur wer sich ändert, bleibt sich gleich", hat mal ein großer deutscher Poet und Revolutionär gesagt. Das Traurige ist, dass manche sich zur Unkenntlichkeit ändern. Wie auch Wolf Biermann, von dem dieser Ausspruch stammt.

Und es gab nicht nur Münzer...

Helmutvan 24.11.2003 - 08:25
Damals gab es keineswegs nur Thomas Münzer, der aufrecht gegen die Herrschenden geblieben ist, sondern auch tausende andere, die zum Teil namenlos geblieben sind. Wer sich für diese Zeit interessiert und keine Lust hat, sich durch trockene Geschichtsbücher zu wälzen, dem empfehle ich wärmstens das Buch "Q" von Luther Blissett. Dessen Verfilmung wird dann hoffentlich kein so triefend-reaktionärer Schmachtschinken.

was oft vergessen wird

elfboi 24.11.2003 - 08:37
Was oft vergessen wird, ist, daß Martin Luther ein weit heftigerer Befürworter der Hexenverfolgung war, als es die meisten Katholiken waren, und daß oft in protestantischen Landstrichen mehr Frauen (aber auch Männer und Kinder) als Hexen verbrannt wurden. Dies mag damit zusammenhängen, daß es tatsächlich noch hier und dort verstreut echte Hexen gab - wenngleich diese Überreste älterer heidnischer Naturkulte, die nebenbei auch noch das Wissen über Heilkräuter und psychoaktive Drogen bewahrten (wenn auch nicht in wissenschaftlicher, sondern in esoterisch-okkulter Form, mit religiösen Elementen vermischt), nur noch sehr vereinzelt anzutreffen waren - und auch damit, daß diese beim Volk schon seit mittelalterlichen Zeiten (in denen die Verfolgung durch die Kirche eher sporadisch und ungezielt stattfand und sich meist auch eher gegen die Klienten der Hexen wandte) gefürchtet waren. Der Katholizismus hatte nur einige wenige Bestandteile der alten heidnischen Kulte Europas wirklich ausgerottet, die meisten hatte er assimiliert und nach und nach ausgehöhlt, so daß sie zu bloßem Brauchtum ohne tiefere Bedeutung wurden (Wieviele Menschen wissen heute noch, daß ein Maibaum ein Phallussymbol ist, oder daß die Maikönigin ursprünglich eine Jungfrau war, die rituell entjungfert wurde, um ihr Jungfernblut als Opfer der Erde zu geben, als Fruchtbarkeitszauber?) - doch im Bereich des uralten Wissens um Heilkräuter und medizinische Methoden lebten Überreste des Heidentums noch lange weiter, da traditionell die Rolle von Heiler, Zauberer und Priester nicht unterschieden waren, wie es auch heute noch in vielen Stammeskulturen der Fall ist. Die katholischen Klöster erforschten zwar ihrerseits die Heilkräuter, bewahrten altes medizinisches Wissen und entwickelten es teilweise auch weiter, wobei die das Wissen um die Kräuter von dem heidnischen Unterbau befreiten - in den Dörfern jedoch, die weitab von jedem Kloster lagen, übernahmen weiterhin die Dorfhexen und Kräuterfrauen die medizinische Versorgung, und dort hielten sich noch lange nach der Christianisierung Überreste heidnischer Kulthandlungen als Geheimreligion im Untergrund.
Für die Christen waren die alten Götter, abgesehen von einigen wenigen, die man zu christlichen Heiligen "umgewandelt" hatte, Dämonen und Masken des Teufels - nicht umsonst ist der Teufel selbst in seiner typischen mittelalterlichen Erscheinungsform eine Karrikatur des Archetypus des Gehörnten Gottes, welcher in vielerlei Variationen in den verschiedenen Regionen auftauchte, etwa als Herne mit Hirschgeweih oder als Pan mit Ziegenhörnern. Für die Kirche waren also die Anhänger alter vorchristlicher Religionen Satanisten, und viele von ihnen mögen später sogar selbst geglaubt haben, sie seien welche. Im Früh- und Hochmittelalter gab es auch nur sehr selten Anklagen wegen Zauberei, und meist mußten diese fallengelassen werden, weil die Standards damals recht hoch waren und halbwegs brauchbare Beweise verlangten; außerdem konnte die Beschuldigung, eine Hexe zu sein, sehr schnell auf den Ankläger zurückfallen, deutete sie doch an, daß er Angst vor heidnischem Zauberwerk hatte und somit wohl an die Wirksamkeit der heidnischen Kulte glauben mußte. Die Hexen selbst wurden auch eher als Anhänger heidnischer Kulte verfolgt, und man versuchte auch eher, sie zu bekehren, als daß man sie hinrichtete.
Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit änderte sich das dann radikal - die Menschen waren von den Veränderungen, die sie überall um sich herum wahrnehmen konnten, verängstigt, und einige große Pestwellen hatten die Menschen umgemäht wie mit der Sense (der Tod als Sensenmann stammt auch aus dieser Zeit, vorher wurde er als Pfeilmann dargestellt), soziale Strukturen brachen zusammen und neue entstanden an ihrer Stelle. Das alles konnte sich niemand so recht erklären, und irrationale Ängste schaukelten sich immer weiter hoch. Es mußte einen Schuldigen dafür geben, und die Ausgegrenzten der Gesellschaft waren schon immer als Sündenbock gut; so glaubte man an eine geheime Verschwörung von Satanisten (insbesondere Hexen, aber auch Schwarzmagiern), Juden und Zigeunern, die unsichtbar hinter den Kulissen ein Chaos anrichtete, um alle guten Christen zu verderben, was zunächst in einzelnen Pogromen gegen Juden und Sinti sowie einzelnen Lynchmorden an Dorfhexen begann, später jedoch, nachdem auch die Heilige Inquisition mit auf den Zug aufgesprungen war, zu der großen organisierten Hexenjagd wurde, die bis in Goethes Zeiten immer wieder aufloderte.
Das anti-heidnische Element dieser Hexenjagd und die allgemeine Gleichsetzung von Heidentum und Satanismus führten dazu, daß Luther und seine Anhänger zu wesentlich fanatischeren Hexenjägern wurden (wobei dieser Jagd alles zum Opfer fiel, was auch nur annähernd nach Hexe aussah, teilweise wurden ganze Dörfer ausgerottet), denn eines der Anliegen der Reformation war ja auch, die heidnischen Elemente aus dem Christentum auszumerzen, die im Katholizismus bis heute noch deutlich sichtbar sind, denn diese waren schließlich das Gift Satans, das sich bis ins Herz des wahren Glaubens eingeschlichen hatten. Am Ende waren es die protestantischen Regionen Deutschlands, in denen das Hexenmorden zu den schlimmsten Exzessen in ganz Europa führte, lange nachdem anderswo schon lange niemand mehr als Hexe verurteilt worden war. Luther selbst hielt flammende Reden gegen das Hexenwesen und schrieb Briefe, in denen er dazu aufrief, Hexen zu töten.

produkt der evangelischen kirche

ach du lieber gott 24.11.2003 - 11:34
liebe leute,
ihr regt euch alle so auf... was habt ihr erwartet? der film wurde fast vollständig von der evangelischen kirche bzw. ihr angehörenden institutionen finanziert. ist halt ein großer werbefilm der protestanten. wer wissen will, wie die evang. kirche will, dass luther gesehen wird, der/die soll sich den film anschaun. wer eine "objektive" oder gar linke biografie über luther erwartet, der wird natürlich enttäuscht. is doch normal! kein grund zur aufregung. wichtiger an luther ist doch nicht wie er wirklich als mensch und so war, sondern was mit seinem icon, unter seinem namen heute vertreten wird, finde ich. amen.

-_-

unproduktiver senf 24.11.2003 - 13:48
der autor vergisst das auch luther durch andere religiöse bewegungen geprägt worden war. hier wären zb. die hussiten zu nennen, zu den sich luther schriftlich positiv äusserte und gesteht das sein denken dem von johan hus ähnelt bzw. auf dessen basiert. so sollte man luther nicht überwerten. der film erhebt nicht den anspruch auf vollständigkeit. das kann ein film selten. ausserdem es ist doch auch verständlich wenn evangelen die den film mit gesponsert haben wünschen, dass ihr glaubenvertreter nur im guten licht dasteht. insofern muss man sich nicht so dermaßen darüber aufregen, es gibt schliesslich wichtigere dinge...

Das stimmt nicht alles

Stefan 24.11.2003 - 14:54
Es ist trifft nicht zu, dass sich der Protestantismus angeblich nur in "rückständigen" Gebieten Deutschlands ausgebreitet hat. Das lutherische Sachsen war - anders als die ostelbischen Agrargebiete - aus damaliger Sicht eine besonders fortschrittliche Region, mit weitgehenden Freiheitsrechten in den Städten und Wohlstand für große Teile der Bevölkerung. Ein anderes Beispiel ist Westfalen, dass mit einer rückständigen Region überhaupt nicht zu vergleichen ist. Dort breitete unter 1/3 der Bevölkerung der Protestantismus aus, obwohl die Landesherren im Herzogtum Kleve, Mark, Jülich und Berg, katholisch blieben. Bei dem Film Luther kann man mit guten Argumenten die historische am Film an zahlreichen Stellen kritisieren. Bei diesem Punkt hat der Autor recht. Ansonsten werden hier zu viele historische Halbwahrheiten verbreitet.

Luther Antisemitismus vorzuwerfen ist nun wirklich eine ganz alte "Kamele" (Kamele sind im Rheinland Bonbons, die vom Karnevallwagen geworfen werden und immer dann nicht schmecken, wenn sie noch als Reste aus dem Vorjahr stammen). Der Autor sieht das einseitig mit der Brille von heute, statt die Brille von gestern aufzusetzen.

Mit den Argumenten des Autors kann man übrigens ganz unproblematisch auch Karl Marx in die rechtsradikale Ecke stellen. Gleich im ersten Band der "Marx Engels Werke" (S. 372), gibt es ein Pamphlet mit der Überschrift "Zur Judenfrage". Dort findet man dann z.B. "Suchen wir das Geheimnis des Juden nicht in seiner Religion, sondern suchen wir das Geheimnis der Religion im wirklichen Juden. Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld." Ferdinand Lassalle, den Gründer der Sozialdemokratie, nannte Marx in seinen Briefen an Friedrich Engels z.b. "den jüdischen Nigger Lassalle", was nicht nur antisemitisch, sondern auch noch rassistisch ist.

Das stimmt alles

Alexandra Cohen 24.11.2003 - 16:57
Der Protestantismus dominierte die östlichen und nördlichen Regionen Deutschlands. Der Welthandel drängte diese Gebiete an den Rand der historischen Entwicklung Im Vergleich zu Österreich und vor allem zu Frankreich war das damalige Deutschland zersplittert und rückständig. Die Lutheraner wurden die Ideologen der Zersplitterung und der feudalen Reaktion. Das fortschrittliche Bürgertum im Westen neigte aus gutem Grund zum Kalvinismus. Sachsen war im Rahmen der damaligen Rückständigkeit am weitesten entwickelt, aber weit davon entfernt ein nationales Zentrum abzugeben.Dies ist bekanntlich eine unentberliche Voraussetzung für die moderne kapitalistische Produktionsweise.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

PROTESTANTISM

katholiban 24.11.2003 - 01:29
IS A CAPITALIST THANG

- YO WOULDN`T UNDERSTAND IT

Unsere Besten

Rosen und Kreutz 24.11.2003 - 03:00
Luther hat anfangs ganz allein gegen die mächtige römische katholische Kirche und ihre ausbeuterischen Methoden oppuniert.Luther war mit Sicherheit einer "unserer Besten"

Zu hohe Erwartungen

Muss ausgefüllt werden 24.11.2003 - 08:10
Sind die Erwartung in der Zeit an religöse Toleranz nicht etwas hoch gegriffen? Ich meine, mehr als hundert Jahre später, von 1628 - 1648, hat der, heutzutage in Deutschland milde belächelte, Unterschied zwischen Protestanten und Katholik ausgereicht einen Krieg 30 Jahre am Leben zu halten. Sicherlich waren es nicht allein religösen Gründe die diesen Krieg erhalten haben, aber es ist doch eher unwahrscheinlich zu Luthers Lebenszeit religös tolerante Menschen zu finden. Das der Film sich so etwas nicht beschäftigt, wundert mich nicht im geringsten.

franz blei

ha ragione! 24.11.2003 - 14:09
zur ergänzung ein zitat des schriftstellers franz blei:
...daß ein wütend gewordener Mönch und enger Bauernschädel wie Luther aus des schönen Baumes gefährlichsten Früchten ein ekles Gift zog: eine christliche Moral ohne christliche Voraussetzung, ein Beten mit Erfolgsberechtigung, pastorale Heiligkeit mit gebilligtem Kinderzeugen...Es lebe der Kommunismus und die katholische Kirche! (Franz Blei)
ps: in den zwanziger Jahren gab es schon mal einen luther-film: der war aber in bayern verboten.