IG Auschwitz aufgelöst. Proteste in FfM

Initiative gegen IG Farben 10.11.2003 18:31 Themen: Antifa
Der seit nunmehr 58 Jahren "in Auflösung befindliche" größte Chemiekonzern Nazideutschlands IG Farben bzw. seine Nachfolgeorganisation IG Farbenindustrie AG in Abwicklung meldet Insolvenz an, ohne dass die überlebenden SklavenarbeiterInnen des IG Farben-Konzentrationslagers Auschwitz-Monowitz entschädigt worden wären. In Frankfurt demonstrierten 40-50 Menschen gegen diesen letzten in einer unendlichen Reihe skandalöser Vorgänge.
Mit dem Saalbau Frankfurt-Bornheim stellte heute die Stadt Frankfurt wohl zum letzten Mal der IG Farben i.A. Räumlichkeiten zur Verfügung. Nicht aber weil ihr zur Einsicht gekommen wäre, dass es sich bei der IGF um eine Firma handelt, mit der noch heute Profit aus der Shoah gezogen wird, sondern weil die IGF wohl tatsächlich in kürzester Zeit abgewickelt wird. Damit ist zwar eine der zentralen Forderungen der GegnerInnen der IGF erfüllt, die Umstände dieses Vorgangs lassen ihn aber in weitaus schlechterem Licht erscheinen. Die Liquidatoren der IGF Bernhardt (Rendsburg, MdB) und Pollehn (Hamburg) wollen Insolvenz anmelden.

Der Konzern Interessengemeinschaft Farben (zusammengesetzt aus BASF, Bayer, AGFA...) war der größte deutsche Konzern vor und während der Nazi-Zeit. Er profitierte vom Krieg (Sicherung des alleinigen Rechtes auf die Belieferung der Wehrmacht mit Benzin etc.), profitierte an der Herstellung des in den Vernichtungslagern eingesetzten Gases Zyklon B durch Beteiligungen an dessen Herstellerfirma Degesch, und ließ in der Nähe des größten Vernichtungslagers Auschwitz (Birkenau) mit dem Lager Auschwitz III- Monowitz ein eigenes Konzentrationslager betreiben, dessen Insassen in den IG Farben-eigenen Buna-Werken Sklavenarbeit verrichten mussten. Allein in Monowitz wurden schätzungsweise 30.000 Menschen ermordet. ?Bei sinkender Leistung, Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer längeren Krankheit oder Invalidität ließen I.G. Farben-Angestellte Häftlinge bei den regelmäßigen Selektionen durch die SS nach Birkenau zur Vernichtung abschieben.? (aus: Hans Frankenthal - Verweigerte Rückkehr, Fischer)
Nach dem Krieg wurde die IG Farben von den Alliierten zerschlagen: Es entstanden die Firmen BASF, Bayer und Hoechst (heute: Aventis), die alle heute größer sind als es der einstige IGF-Konzern je war. Zur Regelung von ?offenen Vermögensfragen? wurde die IG Farbenindustrie AG in Abwicklung gegründet, die sich nach dieser Regelung auflösen sollte. Sie war keineswegs dazu bestimmt sich, wie sie es tat, 58 Jahre lang "abzuwickeln", Renten an ehemalige Angestellte auszuzahlen (!) und für den Profit ihrer Aktionäre, die sich mitunter sogar aus alt- und neonazistischen Kreisen rekrutierten, zu sorgen.

?Jahr für Jahr konnten sich die alten Nazimörder auf ihren Aktionärsversammlungen treffen, sich darüber unterhalten, dass früher alles besser gewesen sei und mit ein wenig Geld, das den Überlebenden des Nationalsozialismus und deren Nachkommen gehört, herumwirtschaften.
Seit 15 Jahren werden sie dabei von Protesten gestört , die von Überlebenden und Angehörigen derjenigen, die in Auschwitz ermordet wurden, begonnen wurden. Von Anfang an ging es bei diesen Protesten um die endgültige Abwicklung dieser Nazinachfolgefirma und um die Verwendung des Restvermögens für Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter und für eine Gedenkstätte in Auschwitz-Monowitz. Überlebenden, die als kritische Aktionäre auf diesen Versammlungen sprechen wollten, wurde mit unverhohlener Aggression begegnet.
Der Überlebende von Monowitz, Hans Frankenthal, hatte die Proteste von Anfang an vorangetrieben. Als er im August 1999 in einer Hauptversammlung der IG-Farben AG daran erinnerte, was ihm, seiner Familie und Millionen Menschen angetan wurde, warf ihn der Saalschutz auf Anweisung der Versammlungsleitung aus der Aktionärsversammlung. Hans Frankenthal ist Ende 1999 verstorben.? (aus einem Flugblatt des Marburger Büdnisses gegen IG-Farben)

Die letzten Liquidatoren der IGF hatten angekündigt, das Unternehmen bis Ende 2004 abzuwickeln und einen Fonds zur ?Entschädigung? der IGF-Sklavenarbeiter mit 500.000 ? eingerichtet, was angesichts der Dimensionen des Leides und der von IGF begangenen Verbrechen ansich schon eine Verhöhnung der Opfer darstellt. Der Liquidation kam nun die Insolvenz zuvor, die, laut Bernhardt und Pollehn, aufgrund der Zahlungsunfähigkeit einer anderen Firma, der WCM AG, die in Verpflichtungen gegenüber der IGF stand, notwendig geworden war. Die WCM war bis 1993 Tochter der IGF. Nach Drängen eines IGF-Großaktionärs, so die Liquidatoren, sei die WCM, eine Immobilienfirma, zur Mutter der IGF geworden und das Kapital der IGF deutlich geschrumpft. Die WCM bekundete, laut Pollehn und Berhardt, aber 2001, eine andere Firma der IGF zu erwerben und damit der IGF wiederum finanzielle Mittel zufließen zu lassen. Durch die Insolvenz der WCM sei nun auch die IGF gezwungen gewesen, Insolvenz anzumelden.

Undurchsichtige Transaktionen und möglicherweise sogar Aktienbetrug kennzeichnen (nicht nur) das Ende der IGF. So ist den Beteuerungen der Liquidatoren wohl auch nicht zu glauben, dass zumindest der spärliche Entschädigungsfonds erhalten bleibe. Ihre Unverfrorenheit und ihren (notwendigen) Unwillen, sich auch nur irgendwie mit der Geschichte der IGF kritisch auseinanderzusetzen, offenbarten die beiden Liquidatoren in ihrer Pressemitteilung, in der die Geschichte der IGF ohne Hinweis auf Auschwitz oder auch nur den NS abgehandelt wird und in ihrem Bekunden, die Übernahme der Aufgabe der Liquidation sei eine ?ungewöhnlich reizvolle und verantwortungsvolle Aufgabe zugleich gewesen?, die ihnen ?Höhen und Tiefen des ehemals größten deutschen Konzerns vor Augen geführt habe.?

?Die Proteste gegen das alljährliche Nazitreffen der IG-Farben standen unter der Parole: ?IG-Farben auflösen!?. Die permanente Beleidigung für die Opfer des Nationalsozialismus und die Überlebenden der Konzentrations- und Vernichtungslager, welche schon allein die Weiterexistenz einer Firma mit diesem Namen bedeutet, die bis heute für die enge Komplizenschaft zwischen deutschen Unternehmen, deutschem Staat und den ganz gewöhnlichen Deutschen steht, sollte beseitigt werden. Mit einer Auflösung, wie sie nun aus finanziellen Gründen anzustehen scheint, gelänge es der Nazi-AG, ihren Namen verschwinden zu lassen und ihre Opfer gleichzeitig ein letztes Mal zu schmähen.? (aus dem Flugblatt des Marburger Bündnisses)

Die etwa 40-50 anwesenden Protestierenden wurden auch dieses Mal (wie in den Jahren zuvor nicht zur Aktionärsversammlung) nicht in den Veranstaltungssaal gelassen, sondern von der Frankfurter Polizei (die auch dieses Mal wieder ihren Job im Sinne der IGF und wohl auch der Stadt Frankfurt bestens erfüllte) rüde des Hauses verwiesen. Dennoch ließ sich der Protest nicht überhören. Die Liquidatoren der IGF verließen den Ort der Pressekonferenz mit gesenktem Kopf unter Polizeischutz und in einem Mannschaftswagen der Polizei.

Auf Transparenten war zu lesen:. ?IG Farben i.m A.rsch! Jetzt gegen Degussa!?, ?Gegen Degussa, wegen Degesch!? und ?Bleiben: Bayer, BASF, Hoechst?. Dies sollte darauf hinweisen, dass es mit der Beseitigung der IGF i.A. nicht getan ist. Denn aufgelöst wurde die IG Farben nie, sondern existierte in den Nachfolgekonzernen weiter.

? Die Proteste gegen die IG Farben waren deshalb auch immer ein Kampf gegen den Frieden mit den Tätern. (...) Ein Kampf gegen das Verschweigen, Verdrängen, Verleugnen der deutschen Verbrechen.? (Marburger Bündnis)

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Ergänzungen

Saalbau DORNBUSCH!

ergänzerin 10.11.2003 - 19:01
Es war übrigens nicht der Saalbau Bornheim, sondern der Saalbau Dornbusch. Sorry für den Fehler.

ergänzung

ergänzerin 10.11.2003 - 19:46
es waren auch nicht 40-50 leute sondern eher so um die 20...

Ausführlicher Bericht auf www.fau.org

surfer 10.11.2003 - 19:59
Ich habe gerade gesehen, dass auf der Website der FAU ein ziemlich ausführlicher Bericht und die Dokumentation eines Redebeitrags zu finden sind.  http://www.fau.org auf der Startseite direkt die erste Meldung.

garnich wahr

ergänzerin von 1 10.11.2003 - 20:39
nö, ich hab durchgezählt und das realtiv zu beginn und da waren es schon 35 leute.

Fette Dividenden winken

Warhead 11.11.2003 - 12:22
Der Wert dieser "Aktien" duempelte jahrzehntelang zwischen 15 Pfennigen und einer Markfuenfzig.Nach dem Mauerfall stiegen diese Schwindelderivate auf Rekordmarken bis zu vierzig Mark.Da wurde die Phantasie einiger stark strapaziert weil die Leute meinten nun koennten sich die Farben die gesamten Grundstuecke die von den Allierten und spaeter der DDR enteignet wurden wieder einsacken...aber nix wars,sie verloren saemtliche Prozesse und der Boersenwert ging demzufolge gegen Null....
Was sind 25% Verlust bei einem Kurswert von 24 Cent...oder waren es letzte Woche noch 17 oder 9...rechnet es aus...bei aehh Moment...zweieinhalbfacher Ueberzeichnung war da nie viel zu holen.Vielleicht sollte man mal bei der Auergesellschaft anklopfen,deren Geaschaefte laufen praechtig,haben auch nix bezahlt.Vorher sollte man sich allerdings auch ein paar Aktien holen,dann bleibt man auch nicht immer draussen vor der Türe stehen,nein als Aktionär kann man auf den Aktionärsversammlungen mit einigermassen Geschick direkt ins Geschehen eingreifen.Bei günstigen Geschäfts und Kursentwicklungen werden Dividenden ausgeschüttet,Geld das man immer gut gebrauchen kann für die eine oder andere Aktion oder Demo oder so...wer weiss vielleicht ist der Eine oder andere auch moralisch fragil und wird bei den paar Tausendern, die da recht schnell zusammenkommen können, korrupt...wär doch gleich ein guter Test für die ganzen moralingefüllten Gutmenschen ob ein Urlaub auf den Seychellen nicht doch erstrebenswerter ist...na...neugierig geworden