Auf nach Mumbay

Übersetzung Günter Melle 06.11.2003 12:15 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Nützliches zum FSM in Indien
Auf nach Mumbay

Laurent Jésover

Der Verfasser des Ratgebers FSM Mumbay ist Mitherausgeber des französischen Attac-Rundbriefes "Sandkorn"

Das Weltsozialforum 2004 wird vom 16. bis 21. Januar in Mumbay (ehemals Bombay), Indien, stattfinden. Die bereitgestellten Strukturen sind in der Lage 75 000 Menschen aufzunehmen und es werden verschiedene Veranstaltungen organisiert, die per se als außerordentlich zu bezeichnen sind. Ein gutes Zeichen für das Gelingen des FSM4. Im Norden der Stadt, die eine Länge von 50 Km aufweist (etwa eine Stunde Fahrt von der Unterkunft "Gate of India" zum FSM), erstreckt sich eine alte Industriefläche, die zum Kongresszentrum umgebaut wurde. Sie wird von einer Allee durchzogen, die dicht mit Bäumen gesäumt wird, die 10 Meter breit und 700 Meter lang ist. An ihrer rechten Seite werden sich die 400 Stands von Organisationen aus aller Welt befinden.

Auf der linken Seite gibt es hunderte Säle, die für Seminare und Ausstellungen bereit stehen. Am Ende befindet sich der offene Raum, der den "öffentlichen Veranstaltungen" vorbehalten bleibt (Veranstaltungen am Abend) und der 25 -30 000 Menschen aufnehmen kann. Im Zentrum, um einen Platz herum, befinden sich ebenfalls Säle. Jeder ist für einige tausend Menschen ausgelegt. Hier werden die Konferenzen und die Begegnungen, die verschiedenen Koordinierungskreise stattfinden, wie auch eine evtl. mediale Wiedergabe der abendlichen Veranstaltungen, die simultan übersetzt werden.

Ein weiterer Saal ist komplett kulturellen Veranstaltungen vorbehalten: Theater, Tanz, Musik etc. Diese Art Veranstaltungen sind äußerst zahlreich während der Tage des FSM zu finden. Dies nicht nur, weil es diesen Theatersaal gibt, sondern auch, weil Dutzende kleinerer Bühnen an verschiedenen Stellen errichtet wurden, von denen einige tausende Zuschauer aufnehmen können, denn tagsüber und abends, nach den öffentlichen Veranstaltungen, finden kulturelle Ereignisse statt.

Im Januar ist es heiß in Mumbay und auch das Wetter ist immer schön. Man braucht nicht die Wettervorhersagen konsultieren: jeden Tag ist der Himmel blau und das ist so seit ewigen Zeiten. Dutzende Stands werden im frischen Schatten der Bäume für die Bewirtung mit Essen und Getränken sorgen. Es gibt dort alles! Auch die Brasilianer werden massenhaft vertreten sein (es wird von einer tausendköpfigen Delegation gesprochen). Sie bieten Cachasa und Caipirinha. Sie werden mit ihrer herzlichen Bewirtung sicherlich viele schöne Erinnerungen an Porto Alegre auffrischen.

Auch die Artikulierung des Programms ist sehr offen und ebenso interessant. Da unsere Kraft die Vielfalt ist, die unterschiedliche mögliche Alternativen aufzeigt, lassen die konkreten Aktionen und Ideen den nötigen Raum für die "autonomen" Veranstaltungen. Diese Selbstorganisierung definiert sich über zwei Kriterien: Das erste bedeutet v.a. die Möglichkeit, Vorschläge einzubringen, das zweite, sich mit anderen rund um die gleiche Interessenslage, innerhalb des gleichen Raums zu bewegen. Die Programmkommission des indischen Organisationskomitees sowie der asiatische Vorbereitungsausschuss wird sich zusammen mit dem internationalen Sekretariat des FSM um die Organisation einer Konferenz (insgesamt zwei) und zweier "Begegnungen" (insgesamt 4) am Vormittag und zweier "Beweiserhebungen" am Nachmittag (insgesamt 4) kümmern. Die Konferenz am Nachmittag stellt sie thematisch frei und für den Abend organisiert sie die öffentliche Veranstaltung. Der Tag ist gefüllt mit Debatten, Reflektionen, mit als besonders notwendig erachteten Aktionen: zum Krieg, den Ausgrenzungen, zur Arbeit, zum herrschenden ökonomischen System, zur Umwelt und der Biosphäre etc... Während des Tages werden sich auch im Zusammenhang mit den behandelten Themen Dynamiken entwickeln, die nicht nur die Initiierung neuer Themen und Kämpfe bedeuten, sondern auch unterschiedliche Gesichtspunkte und Perspektiven erlauben.

Die Gäste zu den verschiedenen vorbereiteten Veranstaltungen der einzelnen Organisationskomitees sind zahlreich. Es sind Wissenschaftler, Experten und Zeugen, gleiche Anzahl Männer und Frauen. Die bekanntesten sind : Arundathi Roy, Noam Chomsky, Nelson Mandela u.v.a.m. In der Nähe befindet sich das Jugendcamp, das bis zu 25 000 Menschen aufnehmen kann. Es wird seine eigene Dynamik der Debatten und der Diskussion entwickeln. Wie bei den vorhergehenden Editionen des FSM wird dieses Camp nicht nur ein Areal der Unterkunft darstellen, sondern eine Gelegenheit der Debatten, des Koordinierens und der solidarischen Begegnung. Es ist selbst verwaltet und bietet den Jugendlichen, die sich darin wieder erkennen und die volle Teilnahme wünschen, die Möglichkeit, sofort eine Form der möglichen anderen Welt zu konstruieren, eine Welt der kulturellen und politischen Verschiedenheit. Am Ende des FSM wird eine Demonstration vom Zentrum der Stadt aus zum Meer ziehen, wo sicherlich verschiedene Organisationen der Fischer die Demonstranten erwarten werden.

Indien ist nicht weit, und sehr schnell rückt das FSM heran, während wir das FSE in Paris, Mitte November, vorbereiten. Paris - Mumbay ist ein Flug von acht Stunden und kostet ca. 600 Euro (Hin- und Rückflug). Das ist nicht wenig aber Indien ist für uns auch nicht das Ende der Welt. Um so mehr, da auf Grund der nicht weit entfernten Geschichte seiner kolonialen Vergangenheit und der linguistischen Realität dieses Landes (über 15 Sprachen, eine linguistische Minderheit, die 15 Millionen Menschen umfasst), Englisch die einzige gemeinsame Sprache ist, die erlaubt sich mit der ganzen Bevölkerung zu verständigen. Vielleicht nicht sehr tiefgehend, mit eigenem Zungeschlag, der das Verstehen nicht immer gerade leicht macht, aber zumindest ist eine normale Kommunikation auf der Straße mit den Menschen, denen man begegnet, möglich.

Außer dem Flugticket wird auch ein Visa benötigt (ca. 50€). Für die Unterkunft gibt es viele Hotels in der Nähe, die schon über die Internetseite des FSM gebucht werden kann. Für die Nacht und pro Person sind mit 18€ zu rechnen. Es gibt auch ein Übernachtungscamp für 10 000 Personen, das für den gesamten Aufenthalt weniger als 5€ kostet. Die Fahrt aus der Stadt zu den Hotels gewährleisten spezielle Buslinien und kostenlose Schiffslinien führen zu den zwei Stationen, die für eine Verbindung zum Gelände des FSM sorgen. Die Stadt ist voller Taxis (dreirädrige Vespas mit Sitz nach hinten), die interessante Fahrten innerhalb der Stadt zu billigem Preis (nach europäischen Maßstäben) erlauben.

Zum Schluss gilt meine Sorge noch dem Kaffee (dem Frühstückskaffee, dem Kaffee auf einer Sitzbank oder einer kleinen Terasse, einem Kaffee, der in Ruhe genossen werden kann) oder vielleicht auch dem Tee. Er kostet 7 Cents€, in indischer Währung 3 Rupien. Man kann also auch die Preise für Essen erahnen, dessen Reputation bezüglich Vielfalt und Geschmack heute unumstritten ist. Was den Durst angeht, kostet eine Flasche Wasser 28 Cents€, das Bier liegt ähnlich im Preis. Man kann sich also Essen und Trinken leisten.

Das Welt Sozial Forum finanziert sich selbst. Es hat finanzielle Angebote einiger Stiftungen abgelehnt und greift aus politischen Gründen auf keinerlei öffentliche Gelder, weder von Stadt, Staat oder einer Nation, zurück. Bei seinen Ausgaben zählt es also einzig auf die Unterstützung der ONG's, auf die Unterstützung Einzelner, auf die Akkreditierungen, auf individuelle Spenden. Der letzte vorbereitende asiatische Ausschuss (Chennai, September 2003) hat die Tarife auf der Internetseite des FSM modifiziert. Demnach kostet die Einschreibung einer Organisation, inklusive dem ersten Delegierten (200€). 50€ zahlen die anderen (all die, die sich auf eigene Faust akkreditieren). Es soll sehr bald in den wichtigen Zeitungen Europas ein Appell publiziert werden, dass jeder, der nicht die Möglichkeit hat physisch teilzunehmen, dennoch seinen Möglichkeiten entsprechend zum Gelingen des FSM beitragen kann.

Zum Gelingen tragen sicherlich auch die 11 Sprachen bei, die auf dem Forum offiziell präsent sind. Es sind vier asiatische Sprachen (Bahasa, Koreanisch, Japanisch, Thailändisch), vier indische Sprachen (Hindi, Tamil, Telugu, Urdu), drei europäische Sprachen (Englisch, Spanisch, Französisch). Hinzu kommt eine Weltneuheit: ein Teil der freien Gruppen von Informatik-Experten in Frankreich, in Indien und Japan (in Frankreich ist es die Gruppe APO33), sind dabei ein Übersetzungssystem zu entwickeln, das nicht nur den Teilnehmern in den Sälen erlaubt, die Debatten in ihrer Sprache zu verfolgen, sondern sie auch integral in alle Sprachen übersetzt und per Internet verbreitet. Dieses Nomadensystem hat den Ehrgeiz zum Weltstandard in allen unseren internationalen Konferenzen, Foren und Debatten zu werden.

Simultanübersetzungen werden in den Veranstaltungen durch Freiwillige aus allen 5 Kontinenten garantiert sein. Das bedeutet für sich schon ein symbolischer und realer politischer Wert. Denn es handelt sich nicht nur einfach darum, einen kostenlosen Dienst anzubieten, sondern auch die volle Teilnahme der Übersetzer/innen und Dolmetscher/innen bei der Förderung des Austausches und der Dialoge, die jenseits der einzelnen Veranstaltungen stattfinden. Verschiedene Übersetzergruppen konstituieren sich in Indien, Japan, Korea, Thailand, Indonesien und Malaysia und auch in den europäischen, afrikanischen und amerikanischen Ländern.

Wie sagt das indische vorbereitende Komitee: Eine andere Welt ist möglich!

Schaffen wir sie! Info: www.wsfindia.org

Übersetzungen: www.babels.org

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Ergänzungen

Viel Glück! Und passt auf mit den Superlative

Fabian 06.11.2003 - 15:06
Selbstverständlich freue ich mich überaus, die Dynamik des WSF zu sehen. Auch ist es sicher toll, dieses Ereignis jetzt in Indien zu haben. Doch sollten wir uns nicht ins Boxhorn jagen lassen: Wie die indische Schriftstellerin Arundhati Roy sagt ist es der Gott der Kleinen Dinge,den wir heraufbeschwören wollen, es ist dieser Gott der kleinen Dinge, der uns Kraft gibt, und hat ein solcher Gott der kleinen Dinge Platz zwischen tausend Bühnen und 100000 Menschen, die mit Jumbo Jats aus aller Welt eingeflogen werden? Nichts für ungut, ich wünsche Euch wirklich viel Glück, wäre sicher auch selber gerne dabei, doch denke ich ist es wichtig dies zu überdenken. Verfallen wir nicht in genau die Wachstumsideologie, die wir immer kritisieren, wenn wir das jährliche Wachsen des WSF zusehr feiern und darüber vergessen, das es immer die Summe der kleinen unscheinbaren Schritte war, die etwas bewegt hat?

Und noch kurz zu den sprachen: In Indien gibt es über hundert Sprachen, 18 offizielle Regierungssprachen, englisch ist Amtssprache. "Tribals" und Zigeuner, ethnische Minderheiten mit sehr unterschiedlichen Sprachen und Kulturen, gibt es übet 40 Millionen.

wer kein bock auf attac hat

pw 06.11.2003 - 15:40
Alternativ findet auch ein Mumbai Resistance 2004 Treffen von kommunistischen und antiimperialistischen Gruppen statt, mehr unter:
 http://www.antiimperialista.com/de/view.shtml?category=2&id=1066493712&keyword=+

Genauere Infos???

Anne 31.12.2003 - 07:55
Hallo, bin z.Z. in Indien und wuerde gerne zum WSF, habe aber kein Ticket. Die Seite des WSF ist ziemlich lahm. Weiss jmd., ob es moeglich ist, dort spontan aufzukreuzen, was es in diesem Fall kosten wuerde, und vor allem, wann Arundhati Roy und Noam Chomsky "auftreten"? Vielen Dank!
Anne