Europäisches Sozialforum Paris

Übersetzung Günter Melle 05.11.2003 12:30 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Zwei Beiträge des Sozial Forum von Saint Denis zum ESF-FSE.
Die Einwohner von Saint Denis sind bereit, das ESF zu empfangen




Euch, die ihr aus allen Teilen Europas zum Europäischen Sozial Forum nach Saint Denis kommen werdet, bitten wir Blumen oder Samen von Pflanzen mitzubringen, die ihr am schönsten findet oder die für euer Land, bzw. eure Region, repräsentativ sind. Das wird für uns eine wichtige Geste sein und wir können so ein Zeugnis eures Aufenthaltes bewahren. Wir möchten euch diesbezüglich eine Anekdote erzählen: In Saint Denis lebt ein Bienenzüchter, dessen Bienen sich an unzähligen Blumen laben, denn die Einwohner unserer Stadt kommen aus aller Welt und pflanzen auf ihren Balkonen Blumen ihrer Herkunftsländer.

Wir bitten euch daher, zur Bereicherung dieses Honigs beizutragen, genauso wie ihr euren Beitrag in den organisierten Debatten leisten werdet, um unsere Ideen reicher werden zu lassen. Bringt uns also Blumensamen oder den von Gemüse, oder von Bäumen, die für eure Region charakteristisch sind. Schenkt sie den Einwohnern von Saint Denis, die bereit sind euch auf die beste Weise zu empfangen. Nehmt also in euer Reisegepäck die Samen und die Pflanzen, die ihr vielleicht in Stoffresten aus eurem Land aufbewahren solltet. Die Samen pflanzen wir in unseren Parks und zusammen werden wir aus den Stoffresten eine riesige Fahne nähen. So bewahren wir das Zeugnis eures Aufenthaltes.

Der Ort, an dem ihr die Samen abgeben könnt, ist der Platz vor der Basilika (Metro Basilique, Linie 13). Treffpunkt am 12 November, 19 Uhr, in der Nähe der Registrierungsstelle für eure Akkreditierung.

Seit Monaten bereiten wir uns auf euren Empfang für das Forum vor und wir erwarten euch ungeduldig, damit wir euch auf das herzlichste Willkommen heißen können. - Einwohner von Saint Denis -




Die Einwohner von Paris sind bereit, das ESF zu empfangen

Willkommen in Saint Denis

Willkommen in Saint Denis - Adrian Cossic -


Die Stadt Denis wurde durch das Komitee des Weltsozialforums in Porto Alegre 2002 zusammen mit Paris ausgewählt, um das Europäische Sozialforum 2003 zu empfangen. Unsere Sorge war sofort, dass dieses Ereignis nicht ein UFO wird, das für drei Tage gelandet ist, ohne dass es zu Begegnungen mit der Bevölkerung gekommen ist. Wir wollten, dass die Einwohner von Saint Denis nicht nur passive Zuschauer dieses Treffens bleiben, sondern auch aktiv daran teilnehmen.

Die Stadt Saint Denis ist eine Stadt der einfachen Leute. Ein Dichter meinte einmal, sie sie "die Stadt der toten Könige und des lebendigen Volkes" sei, da in der Basilika von Saint Denis die toten Könige Frankreichs bestattet, und die Einwohner der Stadt zum guten Teil Nachkommen von Immigranten sind. Die Stadt ist noch jung und zeigte immer, dass sie von der Solidarität lebt. Ihre Einwohnerschaft leidet stark durch die Trümmer, die der Neoliberalismus verursacht (Arbeitslosigkeit, Präkarität, Abbau der der öffentlichen Dienstleistungen...). Aber sie hat ständig den Beweis ihrer Fähigkeit gebracht, Widerstand zu leisten: gewerkschaftliche Kämpfe, Unterstützung der Immigranten ohne Aufenthaltserlaubnis, Solidaritätsaktionen für die Länder des Südens und sie verfügt über ein sehr aktives assoziatives Netz. Diese Bevölkerung kann also nicht darauf limitiert werden als Studienobjekt für die Spezialisten des Forums zu gelten. Deshalb haben wir gewünscht, dass sie aktiv an diesem Ereignis teilnehme.

Zur Organisation und Geographie der Orte der Debatte, welche die Teilnahme der Bevölkerung begünstigen.

Die Orte der Debatte (Plenarsitzungen, Seminare, Workshops) wurden nach dem Gesichtspunkt ausgewählt, dass sie öffentliche Orte sind, welche die Einwohner für gewöhnlich frequentieren. Wir wollen nicht, dass eine symbolische Barriere an den Orten, zu denen nur die Initiatoren Zugang haben (die schon in Seattle, Porto Alegre und Genf dabei waren), verhindert, dass dieses Ereignis mit der Bevölkerung geteilt wird.

So werden darüber hinaus an drei Plätzen der Stadt Zelte errichtet werden, die als Orte der Bewirtung, theatralischer und musikalischer Aufführungen, ecc. dienen. Ein kleiner Bauernhof mit 15 Haustieren (Kühe, Hühner, Ziegen, Schafe, Esel, Hasen etc.) wird die Bauernkonföderation des José Bové mitten in der Stadt errichten. Ein Markt und eine Bauernwirtschaft werden den Einwohnern der Stadt und den Teilnehmern am FSE die Möglichkeit geben, zu entdecken, was verträgliche Landwirtschaft bedeutet.

Das Europäische Sozialforum wird so in den Straßen sichtbar sein und auf diese Art werden sich Teilnehmer und Einwohner auf ganz natürliche Art begegnen. Die Vielzahl öffentlicher Strukturen steht uns darüber hinaus zur Verfügung: Festsäle, das Gemeindehaus, Museen, Theater, Kino, Gymnasien, der Zirkus Fratellini... kurz, die Orte, an denen die Einwohner sich aufhalten. Die Türen der Debatte zu sprengen ist so eher möglich als wenn es sich um Orte handelte, die allein den Spezialisten des Forums vorbehalten sind.

Wir haben weiterhin die Treffpunkte für Fest und Kultur in unmittelbarer Nähe der Orte der Debatten gelegt, damit diese mit ihren teilweise "ein wenig geschraubten Titeln" die Nichtspezialisten nicht abstoßen. Für Mittwoch den 12. November (Ferientag in ganz Frankreich) wurde das Kinderforum in der Akademie des Zirkus Fratellini organisiert. Sie ist wie ein wunderschönes Zelt aus Holz und wird auch der Veranstaltungsort von Plenarsitzungen und Seminaren sein (dort haben bis zu 2500 Personen Platz). Die Kinder werden auf ihrem Forum mit ihren Eltern erscheinen und sie können ein Programm erleben, das von einem Kollektiv internationaler Assoziationen und Zirkusgruppen aus der ganzen Welt (Brasilien, Marokko etc...) erarbeitet wurde. Es ist auch die Funktion der Farm der Bauernkonföderation, ein familiäres Publikum in den Umkreis der Diskussionsorte zu bringen.

Schließlich wird innerhalb der Basilika am 13. November eine Filmvorführung und am 14. November ein Choral stattfinden. Eine Vielzahl von Organisation (augenblicklich 30) ist seit zwei Jahren aktiv, um der Bevölkerung die Problemstellungen des Forums näher zu bringen. Mehr als hundert Einwohner von Saint Denis sind im vergangenen Jahr nach Florenz gefahren, um an Ort und Stelle zu erfahren, was es heißt, solch eine Veranstaltung zu organisieren. Dutzende von Versammlungen wurden in den Vierteln abgehalten, um die Bedeutung des Sozial Forums zu erklären. Im Oktober 2003 wurde ein lokales Sozialforum organisiert, um einen Vorgeschmack auf das FSE zu geben.

Ein Schauspiel der Offenheit, um sich zu entdecken.

Am 12. November findet um 19 Uhr die Eröffnungszeremonie des FSE statt. Sie wird auf dem zentralen Platz der Stadt Saint Denis organisiert (Place Jean Jaures) und erleichtert Einwohnern und Teilnehmern - vielleicht über die Idee der Blumensamen - die Begegnung. Dutzende Personen aus aller Welt, engagiert in Sozialforen, werden über ihre Erfahrungen berichten und zur historischen Bedeutung dieses Prozesses Stellung nehmen. An der Eröffnungszeremonie werden Menschen aus ganz Europa, der Welt (Indien, Brasilien etc.) und aus dieser Stadt teilnehmen. Mit kurzen Worten ist sie Ausdruck des Geistes mit dem wir den Empfang für das Europäische Sozial Forum in Saint Denis vorbereitet haben. Die große Geschichte, die wir angehen wollen, indem wir diese großen internationalen Veranstaltungen organisieren, darf unserer Meinung nach nicht die kleinen Geschichten des Austausches, die Herstellung von Netzwerken der Bürger, verdrängen. Das Sozial Forum in Saint Denis ist eine Gelegenheit, sie mit den Gesichtspunkten der Experten, die auf das Forum kommen, zu konfrontieren. Das FSE 2003 wird für uns eine große Übung der partizipativen europäischen Demokratie werden, damit sich die Errichtung eines Europa auf anderen Grundlagen erheben kann.

(Adrian Cossic ist Vertreter der französischen Comune Saint Denis, die Gastgeber des FSE ist. Vor zwei Monaten vertrat er die Gemeinde in der "Uno der Völker", deren Plenum zum Thema "Europa und die Zivilgesellschaft" in Perugia, Italien, stattfand)
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Noch ein paar Facts

Maxx 05.11.2003 - 13:44
- Das ESF findet in 4 Städten gleichzeitig statt: Bobigny, Ivry, Paris und Saint-Denis. Alles ist über Regionalverbindungen miteinander zu erreichen.

- Zum offiziellen Programm gehören: 55 große Plenas, 250 Seminare und mehr als 250 Workshops. Mindestens 100.000 Teilnehmer werden erwartet.
Programme in [fr|en|es]:  http://www.fse-esf.org/article827.html
Die Veranstaltungen werden simultan in bis zu 6 Sprachen übersetzt.

- Von Berlin aus kostet eine Busfahrt hin&zurück 55Eur für Studies. Dienstag gehts los, die Fahrt dauert 13 hrs.

Dokument der Prinzipien des ESF:
 http://www.fse-esf.org/article543.html



Im Vorfeld gab es ein bischen Theater wegen der intransparenten und hierarchischen Struktur der französischen ESF-Ableger. Das ist aber ein ziemlich französisches Problem: die sozialen Bewegungen des Landes werden stark von den großen Gewerkschaften und von Parteien kontrolliert. Vieles ist im Gegenteil zum ESF in Italien (wo es starke Basisbewegungen gibt) recht staatstragend, weshalb es weitere Sozialforen gibt, die aber nicht parallel sondern als Zusatz laufen:

- Forum Sociale Libertaire:  http://fsl-sla.eu.org/
Das libertäre Sozialforum in Saint Ouen (Paris) beginnt einen Tag früher und geht einen Tag länger als das ESF.
Programm in deutsch:  http://fsl-sla.eu.org/rubrique.php3?id_rubrique=10
Im Gegensatz zum ESF ist der Eintritt frei und alles selbstorganisiert.
Saint Ouen
Karte der Demonstrationen:  http://fsl-sla.eu.org/IMG/jpg/plan_FSL_-_copie.jpg
Karte der Veranstaltungsorte:  http://fsl-sla.eu.org/IMG/gif/Plan_FSL-SLA.gif

- Wie in Florenz gibt es wieder ein Medienzentrum und ein HUB. Die alternativen Medien wurden vom offiziellen ESF in der Planung aber etwas stiefmütterliche behandelt.
Medialab:  http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/wsf/paris2003/medialab.htm

- Alle weiteren Veranstaltungen (z.B. den Ort der Ungehorsamen, Indymedia...) findet Ihr hier aufgezählt:
 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/wsf/paris2003/summary_esf.htm

Noch 2 Links vergessen

Maxx 05.11.2003 - 14:28
Attac.de hat natürlich auch eine Sonderseite:
 http://www.attac.de/esf2003/

Und es gibt eine deutsche SozialForums-Seite
 http://www.dsf-gsf.org/

ALB und Fels machen einen Workshop

j-lo 06.11.2003 - 14:33
Uner www.antifa.de gibt es ebenfalls infos zum esf. die antifaschistische linke berlin (alb) und fels (für eine linke strömung) haben einen workshopraum für freitag, den 14.11. angemietet. dort wird es eine veranstaltung zu möglichkeiten und perspektiven antikapitalistischer gruppen in der globalisierungsbewegung geben.

einladung und infos unter www.antifa.de