Aktionstag gegen Sozialabbau 20.10. in Göttingen

einfreunddesmaquis 30.10.2003 00:00 Themen: Soziale Kämpfe
In Göttingen hatte sich im Vorfeld des Aktionstages eine kleine Koordination (Vernetzung, Bündnis???) zusammengefunden. Beteiligt haben sich: Attac, DKP, Erwerbslosengruppe ver.di, Internationale Jugend, MLPD, PDS, Runder Tisch Armes Göttingen, Schöner Leben, SDAJ. Wie in anderen Städten auch, haben in Göttingen also nicht nur Attacis protestiert, auch wenn sich das - typisch Attac - auf der zentralen Webseite der Großorganisation anders anhört. Der DGB und die Gewerkschaften haben sich nicht beteiligt, aber Material wie etwa die Anlage zur Verfügung gestellt.
Die Veranstaltung der Koordination war ein kleiner Aktionstag, der ab 16 Uhr bis etwa 18 Uhr auf dem Kornmarkt (Gänseliesel) stattgefunden hat. In den letzten Wochen gab es in Göttingen zudem einige Veranstaltungen zu den geplanten Reformen Agenda 2010, Hartz etc., die von einigen Gruppen aus der Koordination (unter dem Dach des DGB) ebenfalls mitinitiiert wurden. Die Attac-Zentrale hatte zudem dazu aufgerufen, SPD-Büros zu besuchen. Die Göttinger SPD hat darauf mit einer kurzfristigen Einladung der Attac Gruppe in Göttingen reagiert, vorerst erfolglos.
Der Aktionstag am Montag war relativ bunt. Ich zähle mal auf, was es so gab:
- Die meisten oder sogar alle Gruppen hatten reichlich Flugblätter dabei und haben einen Infostand bzw. Büchertisch aufgebaut, so dass am Markt eine lange Reihe Büchertische stand und überall Leute ansprechbar waren.
- Viele Gruppen haben im Laufe der zwei Stunden einen Redebeitrag gehalten.
- Bei der Internationalen Jugend gab es ein Dosenwerfspiel, wobei man mit den Titeln der Sozialreformen beschriftete Dosen abfeuern durfte.
- Attac Gö hatte eine Aktion, bei der drei Leute (ein CDUler, ein Grüner, ein SPD-Modernisierer; jeweils mit Schildern gekennzeichnet) um die soziale Sicherung (großer Kubus) tanzten und diese mit Agenda 2010-Knüppeln peinigten.
- Die PDS hat einen "Sozial-Quiz" gemacht, bei dem mit Mikro PassantInnen befragt wurden zu sozialstaatlichen Regelungen, Preise waren z.B. Reisen in die Südsee (Bounty-Schokoriegel).
- Die Erwerbslosengruppe ver.di hat einen Wanderarbeiter eingeladen, der durch die Lande zu solchen Aktionen reist, sein Hab und Gut ausstellt und u.a. gegen die Zumutbarkeitsklauseln des Arbeitsamtes agitiert.
- Die Nicht-Arbeits-Gruppe von Schöner Leben Göttingen hat unter dem Motto ?Proletarier aller Länder, legt die Beine hoch!? Sofas, Stühle und Decken für glückliche Arbeitslose aufgebaut und den Film ?Moderne Zeiten? (Charlie Chaplin) gezeigt. Dazu wurden gemeinsam mit anderen Waffeln gebacken und gratis zur Verfügung gestellt.
Bewertung I (außen): Ich war überwiegend an den Tischen von Schöner Leben beschäftigt und habe daher sicher nicht alles mitbekommen. An dem Büchertisch von Schöner Leben war viel los, was teilweise auch durch den ausgestellten, provokanten Spruch mit Bezug auf die Arbeitskritik kam (es gab auch noch ein Transpi "Endlich geht die Arbeit aus, doch die Gesellschaft macht nix draus."). Auch die anderen Gruppen hatten aber wohl viele Kontakte an den Ständen. Die Redebeiträge fanden etwas Aufmerksamkeit, aber nur so viel, wie man erwarten kann, wenn man sich an PassantInnen wendet und nicht gerade ein tolles Bummelwetter herrscht (es war nicht geplant, eine große "Showkundgebung" zu machen). Von vielen wurde Interesse an einem Bus zur Demo in Berlin geäußert, so dass nun ein eigener Göttinger Bus organisiert wird (Karten im Buchladen Rote Strasse, Nikolaikirchhof 7). Das Göttinger Tageblatt (GT) hatte den Aktionstag angekündigt, hinterher aber nur einen versteckten Miniartikel veröffentlicht. Mehr habe ich von den zwei Stunden nicht erwartet, teilweise wurden meine Erwartungen sogar übertroffen. Soweit zur Wirkung nach außen.
Bewertung II (innen): Mindestens genauso wichtig finde ich aber die Wirkung nach innen und die schätze ich als positiv ein. Was die Organisation angeht, wurden einige angenehme Lösungen gefunden. Um das Aufrufflugi wurde keine nervraubende Debatte entfacht, sondern es wurde mit dem Ziel vorgegangen, überhaupt eines zu haben und dass dann flott zu produzieren. Redebeiträge und Aktionen konnte jede Gruppe nach eigenen Wünschen gestalten - über die jeweiligen Planungen hatte man sich gleichwohl vorher gegenseitig informiert. Bezüglich der Pressearbeit gab es eine Einigung, auf die möglicherweise anstrengende Formulierung einer gemeinsamen Presseerklärung zu verzichten. Stattdessen wurde vereinbart, dass alle Gruppen ab bzw. zu einem bestimmten Termin eigene Presseerklärungen raushauen, die dann zwei Bedingungen genügen sollten: Keine Gruppe sollte sich als ?die Bewegung? darstellen und alle sollten darauf hinweisen, wer noch beim Aktionstag mitmacht. Die beiden GT-Artikelchen geben die Vielfalt wieder. Alle Gruppen sind darin genannt und keine erscheint als die zentrale Instanz. Auch auf dem Aktionstag selbst und am Rande der vorhergehenden Treffen, habe ich die Stimmung untereinander als sehr kooperativ und aufgeschlossen empfunden. Allerdings wurde über Inhalte auch noch nicht diskutiert. Daran gibt es nun aber Interesse und jetzt soll überlegt werden, wie eine inhaltliche Debatte geführt werden kann. Zur gegenseitigen Koordination und Information wurde eine Mailingliste eingerichtet, die weiteren Interessierten offen steht (zum Eintragen leere Mail senden an:  esreicht-subscribe@yahoogroups.de). Die nächste Sitzung der Koordination ist am kommenden Montag (3.11.03).

Weiterer Bericht mit Fotos:  http://www.goest.de/sozialabbau2003_aktionstag1.htm

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Berichterstattung im Göttinger Tageblatt
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Göttinger Tageblatt, 20.10.03
Gegen Sozialabbau
Heute Aktionstag
Göttingen (hein). Zu einem "Aktionstag gegen Sozialabbau" am Montag, 20. Oktober, rufen Attac, DKP, Internationale Jugend, MLPD, PDS, Runder Tisch Armes Göttingen, Schöner Leben, SDAJ und die Verdi-Arbeitslosengruppe auf. Die Organisationen und Parteien kritisieren, "alle geplanten "Reformen", von der Arbeitszeitverlängerung in Hessen und Nordrhein-Westfalen, über den Ausstieg aus dem Tarifvertrag in Berlin, bis hin zu den Ergebnissen der Hartz-, Rürup- und Herzogkommissionen oder der vorgezogenen Steuerreform, haben das Ziel, Lohnabhängige stärker zu belasten und Gutverdienende sowie Kapitaleigner zu entlasten".
Kürzungen bei Arbeitslosen
Obwohl die Produktivität in der Bundesreprublik seit Jahrzehnten steige, sollten die Produzenten immer weniger daran beteiligt werden. Dies sei den Vorschlägen von Jartz, Rürup und Herzog gemeinsam. Die Senkung der Gewinnstuern ab 2001 habe bisher 30 Milliarden Euro in die Kassen der Unternehmen gespült, die geplante Senkung des Spitzensteuersatzes werde mit Kürzungen bei Arbeitslosen in Höhe von 6 Milliarden Euro finanziert. Die Demonstration auf dem Markt beginnt um 16 Uhr.

Göttinger Tageblatt, 21.10.03
Protest auf Marktplatz
Gegen die so genannten Hartz-Gesetze, die am Freitag im Bundestag verabschiedet worden sind, sowie gegen die Agenda 2010 organisierten am Montagnachmittag einige Göttinger Gruppen wie die PDS, Attac oder die Verdi-Arbeitslosengruppe eine Kundgebung.
An einem der Infostände auf dem Markplatz bot "Schöner leben Göttingen? Waffeln ?ohne Kapitalismusgeschmack" an, und an einem anderen Stand konnten Passanten beim Dosenwerfen Rente, Zahnersatz oder Soziale Gerechtigkeit durch einen gezielten Wurf zu Boden befördern. Passanten schlenderten an den Ständen vorbei oder blieben kurze Zeit stehen, zwischenzeitlich bis zu 70 Menschen hörten sich an, wie ?Paul? aus Bremerhaven beschrieb, dass das Arbeitsamt ihn nicht mehr arbeiten lassen wolle, obwohl er zu allem bereit sei - sogar zur Weinlese mit kaputtem Rücken. Und bei der PDS gab es Smarties.
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Ergänzungen