Aktionstag der Gesellschaft für Legalisierung

brack 26.10.2003 17:32 Themen: Antirassismus Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Am Freitag fand der erste Aktionstag der "Gesellschaft für Legalisierung" in Berlin statt. Das vor einiger Zeit gegründete Bündnis verschiedener Antirassistischer Gruppen (u.A. Kanak Attak, RESPECT-netzwerk, Medizinische Flüchtlingshilfe, Zapo, Mujeres Sin Rostro, Frauen-Lesben Bündnis, Flüchtlinsinitiative Brandenburg..) hatte zur einer ganztägigen Bustour durch Berlin geladen. Es ging Ihnen darum Legalisierungsstrategien sichtbar zu machen. Hier ein kurzer überblick über ein Paar, der Zahlreichen Aktionen an diesem Tag.
Zur absolut untypisch frühen Stunde (6.30 Uhr) sammmelten sich zahlreiche AktivistInnen auf einem Kreuzberger Parkplatz, um von dort die Tour mit dem Reisebus durch Berlin anzutreten. Angesichts des Luxus, den ganzen Tag ein beheiztes Fuhrwerk zu haben, dass in dem mensch sich zwischen den Aktionen aufwärmen konnte, und dass einem viel Fußweg abnahm, breitete sich eine tolle Stimmung aus.

Zur gleichen Zeit versammlten sich einige AktivistInnen an der berühmt, berüchtigten Berliner Ausländerbehörde. Ihr Ziel war es die in der Schlange stundenlang warteten Menschen mit heißem Tee und Kaffee, sowie mit Infobroschüren, wie dem Heiratsradgeber "Welche Farbe hat Deine Zahnbürste.". Das Sicherheitspersonal verweigerte den Zutritt zum Gelände, so dass die Aktion vor dem Grundstück statt finden musst (womit alle schon gerechnet hatten.)

Kurz vor 8.00 Uhr, Messegelände ICC, ein weiterer Tag des ersten Ver:di Bundeskongresses, der jedoch ein wenig anderes als sonst begann: Ca. 50-70 Menschen gekleidet in "Ver:di Legalisierungsgesellschaft" Plastiktüten (wie sie sonst von Streikenden oft getragen werden) und bewaffnet mit großen Plastiktaschen (diese karierten, wie mensch sie in ?gut sortierten? Import Export Geschäften bekommt) verteilen sich vor dem Eingang des ICCs. Aus einigen der Taschen tönen Redebeiträge von Menschen ohne geregeltem Aufenthaltsstatus, sowie die Ansage, das diese sprechenden Taschen jene Menschen symbolisieren, die sich auf Grund der repressiven "Ausländergesetztes" hier nicht öffentlich auftreten können. Mehrer tausend DelegeirtInnen von strömen an den in die Messehalle. Es kommt immer wieder zu Diskussionen mit Verdi-VertreterInnen, bis durchgesetzt wird, dass eine Deligation von 20 AktivistInnen in die Halle gelassen wird, und 5 Minuten Redezeit eingeräumt wird.


Was in der Halle geschieht können die anderen auf einem Kleinen Fernseher Live beobachten. Drei Frauen von ?Respect? steigen auf Podium und halten eine entschlossene und eindringliche Rede, in denen sie von der Gewerkschaft Unterstützung für ArbeiterInnen ohne Aufenthaltstatus vordern, im Kampf um fairen Lohn, sowie Schutz vor Willkür sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz. Die Rede wurde mit viel Beifall begegnet und später auch vom Vorstand aufgegriffen und befürwortet. Hieraus ergeben sich einige Anknüpfungspunkte für zukünftige Aktionen.

Der nächste Busstopp war an den Rathauspassagen am Alexanderplatz. Auf dieser Großbaustelle wurden mehrere Arbeiter systematisch um ihren Lohn betrogen. Die Berliner Wohnungsbaugesellschaft fühlte sich durch ihr Netz von Subunternehmen geschützt, nicht zu ständig, was sich in den letzten Wochen jedoch auf Grund mehrere Demonstrationen vor ihrem Hauptsitz änderte. Einzelne anwesende Arbeiter, sowie AktivistInnen von Elexir A und der Flüchtlingsinitative Berlin Brandenburg, konnten einen Teilerfolg verkünden: Einige Arbeiter werden wohl ihren Lohn bekommen. Darauf wurde mit Sekt angestoßen. Da mensch aber nicht nur zum Feiern gekommen war, und verdeutlicht werden sollte, dass nicht locker gelassen wird, bis alle Arbeiter ihren Lohn bekommen, startete ein Demozug zur Hauptsitz der WBV (die Bullen gestatteten jedoch keinen Lauti, da sie wohl nur mit einem "Spaziergang" einverstanden waren.) In der Dirksenstr. Gab es nochmals eine laute Kundgebung mit einigen Redebeitragen und Musik ("I want my money").

Weiter ging es vor der Charite mit einer Kundgebung. Es wurden einige Fälle vorgelesen, die sich in diesem Hause ereignet hatten: Eine vietnamesische Frau, im 5. Monat Schwanger, mit Verletzungen die Hinweis auf gezielte körperliche Gewalt boten, wurde von der Gynäkologie in Handschellen abgeführt. Eine weitere Frau wurde in der Ersten Hilfe nicht behandelt und von der Polizei abgeführt. Später tauchte sie mit einem gebrochnen Arm, den sie in der Charite noch nicht hatte, in einem anderen Krankenhaus auf ?) Aber auch hier ging es nicht nur das bloße Anprangern von Missständen. Menschen in weißen Kitteln verteilten vor der Charite Krankenkassenkarten der TK (Transkontintalkasse, mit großer ähnlichkeit zur Karte der Techniker Krankenkasse.) Auf diesen wurde hingewiesen, dass Menschen ohne Aufnethaltsrecht durch die Weitergabe von Krankenkassenkarten sehr geholfen werden kann. Zeitgleich gingen einige AktivistInnen in weißen Kitteln durch die Stationen, und verteilten Flugblätter an das Personal, mit dem Hinweis dass es niemand in einem Krankenhaus zu einer Meldung an die Ausländerpolizei verpflichtet ist (wohl ein verbreiteter Glaube in diesem Haus.)

Gegen 13:00 Uhr begann an der Friedrichsstraße die nächste Demo, die von der Polizei kurzer Hand drastisch eingeschränkt wurde: Geplant war wohl ein Auto Hochzeitskorso unter dem Motto ?Heiraten um hier zu bleiben?, der aber nicht gestattet wurde (angeblich wegen der Verkehrsbehinderung). So mussten die wunderschön dekorierten Autos (darunter ein Porsche), sowie der Bus hinter dem Demozug herfahren (was den Verkehr natürlich deutlich weniger behindert hat, als wenn sie 100m weiter vorne gefahren wären.). So liefen die Brautpaare in Schleiern und Anzügen vorne im Demozug. Es wurde darauf hingewiesen, dass dies nicht eine Gutheißung der Institution Ehe bedeuten soll: Es geht um Papiere! Die bunte Hochzeitsgesellschaft immer noch ausgestattet mit zahlreichen Plastiktaschen wollte so gar nicht ins gewohnte Friedrichsstraßenbild passen.

Am Check Point Charlie genauer am Museum gab es die nächste Kundgebung. Hier wurde versucht zu verdeutlichen, wie wandelbar der Begriff der ?Fluchthilfe? ist. Dieser Ort dient schließlich auch dem Gedenken der ?heroischen? HelferInnen und den ?mutigen? Menschen die die Deutsche Grenze überschritten. In dem Beiträgen ging es unter anderem darum, den Begriff der Fluchthilfe im öffentlichen Diskurs wieder in einen positiven Kontext zu stellen.

Nach einem weiteren Zwischenstopp am Moritzplatz sammelten die Anwesenden noch ihre Kräfte für die Abschlussdemo über die Oranienstraße zum Kotti. Gezeichnet von den zahlreichen Aktionen, aber mit guter Stimmung versammlten sich die DemoteilnehmerInnen um den Bus der jetzt als Tee und Gebäckausschank diente. Über den Lauti liefen weitere Beiträge, sowie Musik, und mehrere Fernsehgeräte strahlten zur Aktion produzierte Filme aus.

Nur einige Zeit, nachdem die letzten AktivistInnen den Kotti hinter sich gelassen hatten, endete aprupt die stille auf der Sendefrequenz 95,1 im UKW Radio. Die nächsten 2 Stunden waren in den innerstädtischen Bezirken viele Informationen zur Legalisierung über einen Piratensender zu vernehmen. Gegen 19:00 Uhr stellte der Sender wieder seinen Betrieb ein.

Die Abendveranstaltung zum Aktionstag im SO36 begann für viele mit einer angenehmen Überraschung. Für den Preis von 2,5 Euro hat mensch wohl diese alt erwürdigen Hallen wohl das letzte mal in den 80ern betreten können.

Es wurde die Bühnenshow ?Papers royal?geboten, eine Video-Bühnen-Performance über Heirat (und die Braut die sich nicht traut), über subversive Strategien im Emergency Room und ähnliches. Dazu gab es Aufnahmen vom Tage.

Die anschließende Party brachte ging bis in die frühen Morgenstunden und brachte das SO36 fast zum Platzen.

Ende November gibt die nächsten mit Freude erwarteten Aktionen, diesmal in Hamburg. Weitere Städte werden folgen. Mehr dazu unter w
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Ergänzungen

verdi news ticke

verda 26.10.2003 - 18:54
ver.di Newsticker
24.10.2003

10:00 Uhr


Grußwort von Initiative: Arbeit in Deutschland
legalisieren!

Sie sind ohne Papiere und leisten doch Arbeit in
Deutschland - Hausarbeit, Pflegearbeit, Sexarbeit,
Transportarbeit. Für die Rechte dieser Migrantinnen
und Migranten setzen sich Susanne Schulz von der
ver.di-Gesellschaft für Legalisierung und Barbara
Miranda vom Netzwerk RESPECT ein.

Der Bundeskongress erlaubte den Beiden ein Grußwort.
Sie baten um praktische Unterstützung statt
Lippenbekenntnissen, zum Beispiel Rechtsberatung.

Susanne Schulz verlangte, dass diese Menschen endlich
ganz legal Gehalt am Ende ihrer Arbeit erhalten, nicht
sexuell missbraucht werden und nicht zu wenig bezahlt
bekommen.

Auf Spanisch rief Barbara Miranda den Delegierten zu:
"Wir sind Arbeiterinnen, wir brauchen die
Unterstützung der Gewerkschaft, und wir möchten auch
Mitglied der Gewerkschaft werden. Deswegen sind wir
hier."

Herausgeber/verantwortlich:
Internet-Redaktion der Vereinten
Dienstleistungsgewerkschaft
Hermann Schmid
Potsdamer Platz 10
10785 Berlin

Taz interview

taz 26.10.2003 - 18:56
"Der subjektive Faktor der Migration"

Sandy Kaltenborn von "Kanak Attak" will erreichen, dass wie in Frankreich auch hier Migranten gegen
ihre Kriminalisierung demonstrieren. Dafür soll ihr täglicher Überlebenskampf als Ausgangspunkt dienen

taz: Um wen geht es, wenn Sie von Menschen sprechen, die in Deutschland ohne Papiere leben?

Sandy Kaltenborn: Illegal können im Prinzip alle werden, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben und ohne Ticket fahren, unangemeldet in einer Wohngemeinschaft leben oder ganz einfach am Sonntag auf der falschen Baustelle arbeiten. Illegalisierung ist ein Zustand und Prozess der Entrechtung, der alle Menschen ohne deutschen Pass betreffen kann. Jede Migrantenfamilie kann eine Geschichte der Illegalisierung erzählen.

Warum initiieren Sie gerade jetzt die Tour "Wir sind unter euch" und die "Gesellschaft für Legalisierung"?

Das geplante Zuwanderungsgesetz wird tausende von MigrantInnen illegalisieren, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten hier leben. Geplant ist beispielsweise die Abschaffung der so genannten Duldung. Aber viele derer, die davon betroffen sind, werden lieber ohne Papiere hier leben, als sich von den Innenministern abschieben zu lassen. Während in Frankreich die zweite Generation der "Sans Papiers" für ihre Rechte auf die Straßen geht, bleibt in Deutschland die Kriminalisierung von MigrantInnen mit irregulärem Aufenthalt weitgehend unwidersprochen. Das wollen wir ändern.

Euer Schwerpunkt unterscheidet sich von den klassischen Ansätzen antirassistischer Gruppen wie Pro Asyl.

Immer nur auf Gesetzesverschärfungen zu reagieren ist defensiv, schränkt die Handlungsräume ein und hat wenig Chancen auf Erfolg. Der subjektive Faktor der Migration, die Organisierung des alltäglichen Überlebens von MigrantInnen, muss zum Ausgangspunkt einer antirassistischen Politik werden. Wir gehen davon aus, dass das Asylrecht seine zentrale Bedeutung für Migrationsprozesse längst verloren hat.

Andere EU-Staaten reagieren mit "Stichtagsregelungen" auf die Einwanderung von "Papierlosen". Sind eure Forderungen daran angelehnt?

Wenn wir von Legalisierung sprechen, geht es nicht um eine rein administrative Bereinigung. Sondern um die ganze Spannbreite der Entrechtung von Migrantinnen und Migranten. Die "Sans Papiers" sind nur die Spitze des Eisbergs. Wenn wir von Legalisierung reden, greifen wir auch die Ideologie der Integration an, die einem Teil der Migranten und Migrantinnen verspricht, es entgegen allen Unkenrufen über Diskriminierung und Rassismus trotzdem schaffen zu können.

Aber was könnte denn an die Stelle des Integrationsversprechens treten?

Die Frage der Rechte statt der Kulturalisierung der Debatte um Migration muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Seit über vierzig Jahren wandern de facto Menschen aus anderen Ländern in die Bundesrepublik ein. Seit etlichen Jahrzehnten existiert eine Gruppe von Menschen in diesem Land, die - und das ist nur ein Teil des Problems - nicht einmal wählen dürfen. Statt diese simple Tatsache endlich anzuerkennen, werden immer neue Modalitäten gefunden, die Kanaken draußen zu halten.

Ihr startet gemeinsam mit einem breiten Bündnis eine "Offensive". Was unterscheidet diesen Ansatz von der üblichen Kampagnenpolitik?

Der Kampf für ein Recht auf Legalisierung kann keine Ein-Punkt-Kampagne mit Stichtagsregelung für "Sans Papiers" sein. Er versucht stattdessen an den Lebensverhältnissen anzusetzen, in denen MigrantInnen sowieso schon für individuelle oder kollektive Rechte kämpfen. Dazu gehört eine breite Mischung von Kämpfen und Forderungen: für Bleiberecht, Free Movement und gegen Residenzpflicht, für bessere Löhne, für Wahlrecht, gegen Abschiebung, für Green Cards für SexarbeiterInnen, für Selbstverteidigung und allgemein gegen Ausbeutung.
INTERVIEW: HEIKE KLEFFNER

nochmal taz

taz 26.10.2003 - 18:57

Mehr Rechte ohne Papiere

Mehrere antirassistische Initiativen wollen heute mit Aktionen denjenigen Gehör verschaffen, die sonst als "Illegale" kaum wahrgenommen werden. Mitleid will niemand, sondern "gleiche Rechte"
von HEIKE KLEFFNER

Sekt gibt es auf Baustellen im Regelfall nur bei der Grundsteinlegung oder bei der Fertigstellung. So weit ist der Umbau der Rathauspassagen am Alexanderplatz noch lange nicht. Aber einen prickelnden Sektempfang soll es heute dennoch geben. Die Getränke und weitere Überraschungseinlagen hat die "Gesellschaft für Legalisierung" angekündigt. Zu der haben sich antirassistische Initiativen wie Kanak Attak, der Polnische Sozialrat, die Medizinische Flüchtlingshilfe oder das Respect-Frauennetzwerk zusammengeschlossen. Mit ihrer Tour "Wir sind unter euch" wollen sie heute die Probleme hier in der Illegalität lebender Migranten sichtbar machen und Legalisierungsstrategien promoten.

Die Rathauspassagen, die zurzeit im Auftrag der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) ausgebaut werden, scheinen dafür ein passender Ort. Denn auf der Baustelle werden offenbar regelmäßig Migranten ohne Arbeitsgenehmigung beschäftigt - und dann um ihren Lohn betrogen. Doch die Betroffenen setzten sich zur Wehr. Nach ihren ersten Protesten im Juni gab die WBM den Druck an ihre Subunternehmer weiter. Zwanzig afrikanische Arbeiter erhielten anschließend insgesamt rund 13.500 Euro Nachzahlungen.

"Seither wurden wir von 21 weiteren Lohngeprellten von derselben Baustelle um Unterstützung gebeten", berichtet die Flüchtlingsinitiative Brandenburg. Daraus ergebe sich ein Bild "von systematischem Lohnbetrug über einen Zeitraum von mindestens sieben Monaten". Auf einer Postkarte werden potenzielle Lohnbetrugsopfer nun in Englisch über ihre Rechte informiert. "Die meisten wissen nicht, dass sie Lohnforderungen auch dann beim Arbeitsgericht einklagen können, wenn sie einen prekären Aufenthaltsstatus haben und ohne Arbeitsgenehmigung arbeiten."

Für die Tour-Organisatoren macht das Beispiel der Rathauspassagen zwei wesentliche Aspekte ihrer "Offensive" für Legalisierung deutlich. Die Arbeiter halten sich legal in Deutschland auf, sind also keine "Sans-papiers". Aber ohne Arbeitserlaubnis sind sie der Willkür der Arbeitgeber ausgesetzt. "Die Grenzen zwischen legal und illegal werden ständig überschritten. Umso wichtiger ist es, die verschiedenen Formen von Widerstand aus den migrantischen Communities zusammenzubringen", sagt Sandy Kaltenborn von Kanak Attak. Deshalb habe man auch den Bundeskongress von Ver.di im ICC als Auftakt für die Tour genommen. "Wir wollen die Mitgliedschaft in Gewerkschaften für illegalisierte ArbeiterInnen erstreiten", sagt die "Arbeitsgemeinschaft für Legalisierung in Ver.di".

Weitere Punkte der Tour (siehe Kasten) sprechen zentrale Stolpersteine für Migranten und Menschen ohne gesicherten Aufenthalt an: Der Ausschluss von jeglicher staatlichen Gesundheitsversorgung, schikanöse Behördenpraktiken und Versuche, die eigene Situation mit Hilfe von Freunden und Familienangehörigen zu verändern.

So lebt etwa die 25-jährige Kolumbianerin Isabella seit drei Jahren in Berlin. Wohnen kann sie bei ihrer Schwester, Arbeit fand sie als Reinigungsfrau in einer Putzkolonne. Dass sie keine Arbeitsgenehmigung hat, interessiert nicht. Der Lohn ist so niedrig, dass niemand dort "legal" arbeitet. Weil Isabella Kontrollen in der U-Bahn fürchtet, fährt sie mit dem Fahrrad zur Arbeit. "Ich verhalte mich viel angepasster als alle Deutschen, die ich inzwischen kennen gelernt habe", sagt Isabella.

Wie viele Menschen in Berlin als so genannte Illegale leben, kann niemand genau sagen. Manche Schätzungen gehen von rund 100.000 Männern, Frauen und Kindern aus. Bernd Knopf, Sprecher der Bundesbeauftragten für Integration, Marieluise Beck, sagt: "Die Gleichsetzung illegal gleich kriminell spiegelt nicht die Realität wider." Doch alle Vorschläge für das Zuwanderungsgesetz klammern die Gruppe der "clandestinos" aus. Es mangele an einer politischen Mehrheit, heißt es quer durch alle Parteien.

nochmal taz 2

taz 26.10.2003 - 18:59
"Wir sind es den Illegalen schuldig, ihre Lage zu verbessern", sagt Dieter Oberndörfer

Hunderttausende von illegalen Migranten leben unter uns. Wir brauchen sie - doch Rechte geben wir ihnen nicht

taz: Wer sind die Illegalen, die in Deutschland leben?

Dieter Oberndörfer: Leute, die ihre wirtschaftliche Lage verbessern wollen - genau so wie die Auswanderer aus Europa im 19. Jahrhundert. Bei uns wird das Wort Wirtschaftsflüchtling heute allerdings mit negativem Akzent benutzt - als Bezeichnung für Leute, die an unserem Wohlstand teilhaben wollen.

Wer sind die typischen illegalen Migranten?

Die meisten von ihnen arbeiten mit ungeheurer Zähigkeit darauf hin, hier zu leben. Hier haben sie meist ein zentrales Interesse: bloß nicht mit der Polizei in Kontakt kommen, weil sie dann sichtbar werden. Es gibt unter den Illegalen natürlich auch Kriminelle, aber nach allem, was wir aus Untersuchungen wissen, sind diese die Ausnahme. Wir müssten die beeindruckenden Energien der illegalen Migranten positiv kanalisieren - also sie legalisieren.

Das Gegenargument lautet, dass der Staat so einen Rechtsbruch akzeptiert. Was antworten Sie darauf?

Dass dies zum Teil richtig ist - vor allem aber eine Perspektive ist, die nicht weiterhilft. Illegale Zuwanderung ist eine Tatsache. Kein westlicher Staat hat es geschafft, seine Grenzen abzudichten und Migration zu unterbinden. Wenn wir also den Fakt anerkennen, dass wir illegale Migration nicht verhindern können, verstehen wir das zentrale Problem: Wollen wir zulassen, dass diese Leute unsere Gesellschaft kriminalisieren - oder nicht?

Wieso?

Denken Sie an den Hotelbesitzer oder Bauunternehmer, der Illegale beschäftigt und so mehr Gewinne erzielt als jemand, der legal für Deutsche Steuern und Sozialabgaben bezahlt. Faktisch wird so mieseste Schwarzarbeit honoriert. Deshalb verhalten sich viele EU-Staaten und die USA gemäß der Maxime: Wir bekämpfen illegale Migration. Aber wenn sie nun mal hier sind, bieten wir den Ehrlichen einen legalen Status an.

Legalisierungen sind also der Königsweg?

Nein, das nicht. Die Legalisierung kann für die Betroffenen, wie Erfahrungen in Frankreich und Belgien zeigen, durchaus zwiespältig sein. Sie können zum Beispiel ihren Job verlieren, weil sie als Legale eben keine spottbilligen Arbeitskräfte sind. Aber ich kenne keine bessere Alternative.

Und was gescheht mit jenen, die das Angebot zur Legalisierung nicht nutzen?

Da muss man dann konsequent sein.

Also ausweisen?

Unter Beachtung der geltenden Gesetze - ja.

Herr Oberndörfer, verstehen Sie, warum es im rot-grün regierten Deutschland noch nicht mal den Versuch gibt, eine Legalisierung anzupeilen?

Das liegt wohl an dem gesellschaftlichen Klima. Einwanderer werden als Störfaktoren gesehen, die unsere nationale Identität in Frage stellen, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen. Das macht es für Politiker schwer, dieses Thema anzusprechen.

Aber warum haben die Grünen, die lange für die Legalisierung waren, dies in der Regierung scheinbar vergessen?

Ach, die müssen doch Rücksicht auf die SPD nehmen, und die nimmt Rücksicht auf ihre Klientel in den alten Industrien. Das Thema ist hoch emotionalisiert. Glauben Sie mir, ich kenne das aus eigener Erfahrung von Vorträgen. Sobald Sie erwähnen, dass in Italien und anderswo Legalisierungen möglich waren, kommt das Argument: Sie wollen Kriminelle legalisieren. Es ist immer die gleiche Kette: Illegale Migranten gleich Kriminelle gleich Drogendealer. Da äußern sich Ängste, an denen die Hinweise auf die Realität abprallen.

Wie kann man diesen Angstpanzer durchlässiger machen?

Ich glaube, das einzige Argument, das verstanden wird, ist: Wenn wir den Illegalen helfen, nutzt dies uns auch selbst, weil wir nur so die Schwarzarbeit von Illegalen einschränken können.

Und die Möglichkeiten der Politik halten Sie, angesichts des Klimas 2003, für gering?

Nein, nein, durchaus nicht. Ich glaube daran, dass man mit politischer Führung viel erreichen kann. Wenn eine Regierung entschlossen mit dem Argument antreten würde: Wir sorgen dafür, dass die Wettbewerbsverzerrung durch Illegale endlich aufhört, dann könnte sie zumindest eine Teilamnestie durchsetzen.

Das würde funktionieren?

Es wäre ein Risiko, aber ein lohnendes. Es wäre auch ein Test für die liberale, humane Substanz dieser Gesellschaft. Denn wir schulden doch den Illegalen, die unsere Wirtschaft ja braucht, auch etwas. Denken Sie nur daran, dass der bundesdeutsche Mittelstand ohne mehr oder weniger illegale Pflegekräfte gar nicht in der Lage wäre, die Kranken und Alten zu versorgen. Wer all diese Gründe beharrlich und entschlossen vorträgt, der kann auch politisch profitieren.

Und wie sieht es in Ihrer Partei, der CDU, aus?

Im Moment leider schlecht. Die Offenheit, die es während der Süssmuth-Kommission parteiübergreifend gab, ist im Kampf um das Zuwanderungsgesetz verschwunden. Wer jetzt in der Union aus der Reihe tanzt, wird gekreuzigt. Mir sagen viele Unionsanhänger: Sie haben ja Recht, wir brauchen Zuwanderung, schon um den demographischen Wandel abzufedern. Aber nur privat.
INTERVIEW: STEFAN REINECKE

ups, wo ist das l

brack 26.10.2003 - 19:10
ich wollte nochmlas darauf hinweisen, dass es sich um die gesellschaft handelt und keine geselschaft ist.
liebe mods, wenn ihr mal einen momnet Zeit habt, könntet ihr den titel noch verbessern. Ist schade wenn mensch so viel schreibt, und dann den Titel verhaut. ;0

ausländerbehörde

otto 27.10.2003 - 14:22
es wurden auch drinnen flugis verteilt, mensch muss sich nicht alles gefallen lassen von den bullen