Repressionswelle in Karlsruhe

Solidaritätskomitee Villa Zapata 18.10.2003 02:21 Themen: Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Dieser Beitrag beschreibt die Repressionswelle gegen AktivistInnen und UnterstützerInnen der Villa Zapata und der Ex-Steffi in Karlsruhe. Eine symbolische Besetzung am 18. Januar 2003 war Ausgangspunkt der Kriminalisierungen. Indymedia berichtete bereits mehrmals.
Redebeitrag Solidaritätskomitee "Villa Zapata"

Mit der Ex-Steffi und der „Initiative Villa Zapata“ ist in Karlsruhe seit einiger Zeit wieder etwas Bewegung in die politische Szene gekommen. Es geht darum, der Vermarktung des öffentlichen Raumes etwas entgegen zu setzen. Es darum, zu zeigen wem die Stadt gehört: nämlich nicht denen, die sie verkaufen, sondern uns, die in ihr wohnen.

Als Reaktion auf das neue widerständische Projekt „Villa Zapata“ findet seit einem Jahr eine beispielslose Kriminalisierungskampagne statt. Knapp 30 Strafprozesse, mehrere Haus-durchsuchungen und allerhand weitere Schickanen sind die Folgen.

Den Anlaß gab ein politischen Teekränzchen am 18.Januar. Die Behörden griffen sich wahllos 25 BesucherInnen heraus, und schickten ihnen Strafbefehle über jeweils 500 Euro. Wir werden am Ende mehr als 8.000 Euro Strafgelder bezahlen. Für eine harmlose Aktion gegen leerstehenden Wohnraum.

Hier die Vorgeschichte:

Anfang Januar ließ die K‘her Stadtverwaltung die Wohnungen neben der Ex-Steffi zum widerholten Male zerstören. Die Räume waren im Falle eines Leerstands vertraglich der Ex-Steffi versprochen worden. Statt der Übergabe der 18 Wohnräume, wurden sie von einer Polizei-Hundertschaft verwüstet, Fenster herausgeschlagen, Wasserversorgung demoliert, Stromleitungen herausgerissen.

So kam es am 18. Januar zur Potestkundgebung und anschließend wurde für wenige Stunden das leerstehende Wohnhaus in der Reinhold-Frank-Str.52 symbolisch besetzt. Der Besitzer läßt es seit 15 Jahren leerstehen. Dagegen wurde protestiert - Tee und Butterbrezeln waren unsere Waffen.

Nach der Kundgebung kamen dazu etwa 250 Personen. Nachdem die Aktion anfangs geduldet wurde, riegelte die Polizei dann aber plötzlich und ohne Vorwarnung das Haus ab. Alle 25 Personen, die sich in diesem Moment zufällig im Eingangsbereich befanden, mußten ihre Personalien abgeben und erhielten später ausnahmslos Strafbefehle. Darunter auch einige 13 , 14 und 15 -järhige. Mehr als 10.000 Euro sollten wir bezahlen!. Der absurde Vorwurf: gemeinschaftlich geplanter Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung.

Seit Anfang Mai finden nun nach und nach die Prozesse statt und sie enden jedesmal mit einer Verurteilung. Obwohl sich der friedliche Charakter der Aktion von allen Seiten bestätigte. Obwohl es keinerlei Aufforderung gab, das Gelände zu verlassen und trotz der anfängliche Duldung durch die Polizei. Eine Sachbeschädigung konnte in keinem einzigen Fall festgestellt werden. Unter solchen Voraussetzungen wird normalerweise das Verfahren eingestellt. Das wurde aber von der Staatsanwaltschaft kategorisch abgelehnt. Letztendlich war es immer wieder dasselbe: Allein die bloße Anwesenheit im Eingangsbereich des Hauses wurde als Hausfriedensbruch gewertet. Jeder und jedem einzelnen Angeklagten wurde unterstellt, sich bewußt an einer rechtswidrigen Besetzung beteiligt zu haben, und dafür wurden sie zu jeweils 15 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Die Richter hatten sich abgesprochen, so daß kein einziger mit einem Freispruch rauskam.

Im Ergebnis eine maßlose Kriminalisierung von Sympathisanten der Villa Zapata.

Wir halten auch vor allem die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft für einen Skandal. Staatsanwalt Bogs kriminalisiert seit Januar jeglichen Bezug zur symbolischen Besetzung und er hält es für gerechtfertigt, 25 mal die selbe lächerliche Veranstaltung am Amtsgericht durchzuführen, egal ob gegen die 13-jährige Schülerin oder den 36 jährigen Angestellten.

Doch die Behörden gehen noch viel weiter: Da wurden schon mehrmals Wohnungen durchsucht, weil nach vermeintlichen Führungsstrukturen gefahndet wird, da werden wahllos Leute mit bunten Haaren nach den Geschehnissen am 18. Januar befragt, da werden Handys und email-Zugänge überprüft, Eltern angerufen, mit der Behauptung, ihre Tochter hätte Kontakte zu einer kriminellen Vereinigung. Das alles, wegen einer harmlosen symbolischen Besetzung.

So haben wir mit dieser Karlsruher Repressionswelle ein weiteres Beispiel dafür, wie die politische Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Richter Hand in Hand arbeiten. Wie sie versuchen eine neu entstehende, kleine und feine Protestbewegung zu kriminalisieren. Wie sie uns mit Einschüchterungen und Ermittlungsverfahren bis hin zu politischen Anklagen, zwingen wollen, ruhig zu bleiben. Sie werden damit aber nur das Gegenteil erreichen. Sie beweisen damit, wie sie ihre Politik nur mit staatlicher Gewalt durchsetzen können, und sie zeigen damit, wie richtig wir mit unserer Kritik liegen.

Wir erklären, dass wir diese Gerichtsverfahren nicht akzeptieren.
Wir erklären: Sozialer Widerstand bleibt notwendig und ist die richtige Antwort auf den Ausverkauf der Innenstätdte.
Wir erklären uns auch zukünftig zu wehren, gegen Wohnraumvernichtung, gegen private und öffentliche Spekulanten.

Viva Villa Zapata

Spenden für Prozesskosten an:
Verein alternatives Wohnen, Kto: 622 396 03 Blz: 661 900 00 (Volksbank Karlsruhe) unter Verwendungszweck: "Teekränzchen"
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Ergänzungen

Repression durch Gesetze

Gudrun 18.10.2003 - 12:59
§ 123 Strafgesetzbuch (Hausfriedensbruch):
(1)Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

§ 124 StGB (Schwerer Hausfriedensbruch):
Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewlttätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in die abgeschlossenen Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher an dieser Handlung teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Eine paar rechtliche Anmerkungen...

Alfons Kilad 18.10.2003 - 14:01
Ihr seid offenbar nach §123 STGB verurteilt worden. Und die Richter haben euch wahrscheinlich gesagt, dass im Falle von Hausfriedensbruch die Motivation (symbolisch) unwesentlich ist. Was mir allerdings unklar ist, ist der genauere Hintergrund, d.h. wie es dazu kam.
Scheinbar beginn die Polizei ja einen noch schweren Hausfriedensbruch, wenn sie zuvor Fenster usw. zerstörte. Natürlich wird der Besitzer diese Art exekutiven Hausfriedensbruch nicht anzeigen. Da Hausfriedensbruch strafrechtlich nur auf Antrag verfolgt wird, hat der Besitzer offenbar in einem Fall, der Polizei, keinen Strafantrag gestellt, im anderen, bei euch schon. Damit geht es jedoch nicht um einen Schutz vor Hausfriedensbruch, sondern offensichtlich um etwas Anderes. Nach BGB § 226 ist die Ausübung eines Rechtes nur zur Schikane unzulässig. Ihr konntet eigentlich völlig zurecht gar nicht davon ausgehen, dass hier wegen Hausfriedensbruch geklagt wird, weil der Besitzer im Falle der Polizei dies sichtbar zu ließ. Bei einem Besitz, der ohne Reaktion des Besitzers, ja, evtl. sogar mit dessen Zustimmung, demoliert wird, entfällt meiner Ansicht nach die Basis für einen Strafantrag nach STGB § 123, gibt es doch – sogar mit Duldung des Besitzers - , weder Wohnung, Geschäftsräume usw., da er dessen Zerstörung offensichtlich mit Zustimmung bereits geschah.
Natürlich bleibt der Umstand eines Schutzes „befriedeten Besitztums“. Hier hätte jedoch eine „Aufforderung des Berechtigten“ vorausgehen müssen. Man kann auch sagen, dass Ihr mit eurer Aktion gerade zum Erhalt von Wohnraum beitragen wolltet. Auch dies widerspricht ebenso einer Verurteilung nach STGB 123. Schließlich soll nach der STPO der Richter alle Umstände berücksichtigen. Politische Entscheidungen sollen auch politisch und nicht durch Strafgesetzbuch entschieden werden.„Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln“ (STGB § 15). Hier habt nicht vorsätzlich gehandelt, weil ihr weder aus dem Verhalten des Besitzers zum Vorgehen der Polizei, noch aus dem Aufenthalt zu symbolischen Zwecken, auf Hausfriedensbruch schließen konntet.
Eure Aktion richtete sich ja nicht gegen den Besitzer, dem keinerlei Schaden entstehen konnte, sondern gegen die Politik, welche nicht dagegen einschreitet, die nichts dagegen unternimmt, dass benötigter Wohnraum über zehn Jahre einfach leer steht. Bei einer anderen Politik, wäre es eben überhaupt nicht zu dieser Situation gekommen. Wem die Stadt gehört, ist genau der entscheidende Punkt. Allerdings hat der Grundstücksbesitzer trotzdem auf sein Grundstück einen rechtlich garantierten Besitztitel. Das Grundstück gehört ihm und nicht euch. Hier sehe ich eine Schwäche in eurer Position. Der Eindruck, dass ihr der Meinung seid, der Besitzer hätte eigentlich keinerlei Anspruch darauf, auch wenn er sein Besitz verkommen lässt, verstärkt beim Gericht u.U. die Ansicht ihr wolltet Eigentumsdelikte begehen. Ein rein symbolische Aktion, die dem Eigentumsanspruch des Besitzers nicht unverhältnismäßig belastet und sich noch dazu gegen die Politik richtet, kann und darf nicht strafbar sein. Andernfalls bestünde zwar eine mit allen Mitteln garantierte Freiheit des Eigentum, dieses Grundrecht würde jedoch unverhältnismäßig alle anderen Grundrechte außer Kraft setzen.
In Wahrheit ist es leider so: Eigentumsinteressen bestimmen weitgehend die Politik. Nur gerade weil dies so ist, wäre es sogar denkbar sich auf BGB § 229 (Selbsthilfe) zu berufen. Es ist eine Art Selbsthilfe, die erstens darauf fußt, dass „obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist“ und zweitens noch dazu rein symbolischer Natur ist. Auch strafrechtliche Organe müssen sich hier übrigens fragen lassen, wofür sie da sind: Zur Durchsetzung egoistischer Besitzinteressen oder zum Gemeinwohl? Es erscheint unglaubwürdig, dass den Richtern nicht aufgefallen ist, dass es sich hier primär um eine politische und keine strafrechtliche Frage handelt. Und der Weg mit Strafrecht Politik machen zu wollen – nun ja, der ist politisch gefährlich.
Verfassungsrechtlich stehen sich hier sowie so zwei Arten der Auslegung des gleichen Grundrechtes (GG Art.2) gegenüber: die Freiheit des Eigentums und die Freiheit politischer Betätigung zum Erhalt sozialer Freiheit. Da Deutschland – nach GG Art. 20 – ein demokratischer Sozialstaat ist – ist die Freiheit des Eigentums bestimmt nicht übermäßig durch symbolische Besetzung eingeschränkt. Es verstößt im Übrigen gegen die Sitte (vgl. Art. 20 (1)) Wohnraum über zehn Jahre einfach ungenutzt und verkommen zu lassen.

Kameradschaft Gudrun

magnum p.i. 19.10.2003 - 00:09
Die Karlsruher Kameradschaft gilt laut Verfassungsschmutz als die gefährlichste faschistische Organisation in Baden und Württemberg. Die Karlsruher Polizei stellte bereits drei Stadträte der Nazi-Partei "Die Republikaner". Die beschauliche Stadt im sonnigen Baden, mit einem Rechtsbrecher (der gerichtliche Demo-Auflagen verletzt) als Chef der kommunalen Polizeibehörde, ist leider ein ziemlich braunes Nest. Noch in den Achtzigern wurden Kinder in Straßenbahnen von Alt-Nazis zur Vergasung vorgeschlagen.

LEISTET WIDERSTAND, BLEIBT MUTIG!