Den Haag, NL: De Blauwe Aanslag geräumt

übersetzt + zusammengestellt von Lotti 04.10.2003 03:33 Themen: Freiräume Repression Weltweit
Der "Blauwe Aanslag" [sprich 'blaue anslaach'] in Den Haag, Niederlande, ist eine ehemaliges Finanzamt (Niederländische Steuerbescheide sind blau, daher der Name des Besetzen Hauses. 'Anslag' bedeutet sowohl Anschlag als auch Steuerbescheid), das 1980 besetzt wurde und das älteste besetzte Haus der Niederlande war/ist. In den letzten 23 Jahren ist der 'Blauwe' ein lebhafter selbstbestimmter Ort geworden mit Konzerthalle, Kino, Vokü, professioneller Offset-Druckerei sowie Wohnraum für mehr als 70 Menschen. Die Größe des Gebäudes gemeinsam mit den bunten Malereien außen machten es zu einem der beeindruckendsten besetzen Häuser der Niederlande, und zu einem Symbol des Potentials der BesetzerInnenbewegung.

Acht Jahre lang hat die Stadtverwaltung von Den Haag einen Rechtsstreit um eine Räumung der BesetzerInnen betrieben, um eine zweispurige Schnellstrasse bauen zu können. Das niederländische Recht macht es möglich, Situationen wie diese durch langsame bürokratische Verfahren in die Länge zu ziehen, aber in den letzten zwei Jahren sah es ziemlich schlecht aus.
Es gab Verhandlungen über einen Kompromiss, bei dem die BesetzerInnen ihr Haus gegen ein riesiges Schulgebäude in der 'Waldeck Pyrmon kade' tauschen sollten, das allerdings nur Wohnraum für ein Drittel der ursprünglichen BewohnerInnen des Blauwe bieten würde. Bisher können in dem Haus allerdings weder Menschen noch Projekte untergebracht werden. Die Stadtverwaltung soll auch angekündigt haben, ihre Bankgarantien zurückzuziehen, wenn mehr als 10% der BesetzerInnen bei der Räumung Widerstand leisten. PolitikerInnen zum gern haben!

Die Situation hat in den letzten zwei Jahren nicht gut ausgesehen, obwohl die BesetzerInnen die Hoffnung nicht aufgegeben haben und sich entschieden haben, 'stilvoll zu gehen' indem sie den ganzen September hindurch mit vielen (inter)nationalen Bands, Tanzveranstaltungen und einem Streetrave gefeiert haben.

Unabhängig von den rechtlichen Details hat sich die Stadtverwaltunge keinen Zentimeter bewegt und nun 23 Jahre Besetzungsgeschichte beendet. Heute, am 3.10.03, fand die Räumung statt nachdem die BesetzerInnen um zwei Uhr nachmittags das letzte Gerichtsverfahren verloren haben, was der Verwaltung ermöglichte, das Haus räumen und abreissen zu lassen. Schon während der Woche war das Haus verbarrikadiert worden, und Menschen ketteten sich im Keller an, um deutlich zu machen, dass sie das Haus nicht kampflos verlassen würden. Das Gebäude ist, wie schon beschrieben, sehr groß und sehr düster, was den BesetzerInnen einen kleinen Vorteile gegenüber der Polizei verschaffte.

Mittags wurden dann BesetzerInnen auf dem Dach gesehen - ganz traditionell in Skimasken und schwarzer Kleidung - , die anfingen Schutt auf die Strasse zu werfen. Das lokale BesetzerInnenradio 'Tonka' sendete seit Mittwoch, dem 1.10. ununterbrochen auf UKW und im Internet, und berichtete direkt aus dem Haus.

Draussen sammelten sich UnterstützerInnen und ein Baustellenhäuschen wurde in Brand gesteckt. Die Polizei erschien in großer Zahl, 'normale' wie auch Sondereinsatzkräfte, und es gab einige Verhaftungen. Für die Strassen rund um das Haus wurden Platzverweise für die Öffentlichkeit erteilt, bei Zuwiderhandlung drohte Verhaftung. Diese Situation dauert den größten Teil des Tages an, während aus anderen Teilen des Landes immer mehr Polizei und Ausrüstung nach Den Haag transportiert wurde. Während des Tages war die Atmosphäre ziemlich angespannt, auch weil sich NachbarInnen und örtliche Fussballfans unter die Menge mischten und die Polizei belästigten.

Um 15 Uhr gab es Berichte, dass Amsterdamer Polizei mit Räumfahrzeugen und Hubschraubern nach Den Haag unterwegs sei, um die Barrikaden zu durchbrechen und die Situation zu überwachen. Wasserwerfer wurden eingesetzt um die BesetzerInnen vom Dach zu treiben und damit der Polizei die Möglichkeit zu geben, mit Einsatzkräften gefüllte Container auf das Dach zu transportieren.

Um 18 Uhr war die Polizei auf dem Dach und die Räumung im Gang. Räumfahrzeuge brachen durch die Barrikaden im Parterre und kurze Zeit später wurden die ersten verhafteten BesetzerInnen durch den Eingang nach draußen gebracht.

Um 20 Uhr sollte es eine Demonstration gegen die Räumung geben, aber Den Haag hatte sich in einen Polizeistaat verwandelt, der jede Form des öffentlichen Protestes verbot. Selbst die traditionelle Knast-Demo zur Unterstützung der verhafteten BesetzerInnen wurde verboten und letzte Informationen sagen, dass alle verhaftet werden, die in die Nähe der Demo kommen.


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Übersetzung von  http://www.indymedia.nl/nl/2003/10/14250.shtml

Mehr Info:
 http://www.blauweaanslag.nl
 http://squat.net/tonka.m3u : BesetzerInnenradio 'Tonka'

Feature nl.indymedia.org:
 http://www.indymedia.nl/nl/2003/10/14172.shtml

Fotos:
 http://www.mijnkopthee.nl/photos/blauwe/index.html
 http://www.denhaag.org/~fabio/Images/ontruiming/
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Ergänzungen

Brandwunden und Zerstörungen

solrac 04.10.2003 - 14:42
Brandwunden erlitt einer der Hausbesetzer bei der Räumung. Indymedia.nl berichtet, dass diese auf den Versuch der Polizei zurückgehen, die Vordertür zu öffnen.
Nach der Räumung wurde unverzüglich damit begonnen das Gebäude unbewohnbar zu machen.
Gegen Mitternacht waren die BewohnerInnen des 'blauwe aanslag' immer noch in Polizeigewahrsam.