Lohnarbeit in Hitlers Volksgemeinschaft I.

Wal Buchenberg 02.10.2003 12:32 Themen: Antifa
Nachdem die Nazis ab 1933 zehntausende gewerkschaftliche und andere Linke umgebracht oder in Konzentrationslager gesperrt hatten wurden die turnusmäßigen Betriebsratswahlen von den Nazis am 4. April abgebrochen. Im Jahr 1934 wurde von den Nazis die "Deutsche Arbeitsfront" gegründet, deren Mitgliedschaft für alle Lohnarbeiter mehr oder minder Pflicht war. Daraufhin fühlten sich die Nazis in den Betrieben stark genug, um Betriebsratswahlen abzuhalten. Die Ergebnisse dieser Wahlen wurden nie veröffentlicht. Die illegalen Betriebs-Korrespondenten der Exil-SPD gaben damals folgende Einschätzungen:
Lohnarbeit in Hitlers Volksgemeinschaft – Teil 1Nachdem die Nazis ab 1933 zehntausende gewerkschaftliche und andere Linke umgebracht oder in Konzentrationslager gesperrt hatten wurden die turnusmäßigen Betriebsratswahlen von den Nazis am 4. April abgebrochen. Bis dahin war in 1387 Betrieben gewählt worden und linke Gewerkschafter hatten über 75 Prozent der Mandate erhalten, die Nazis knapp 12 Prozent.Im Jahr 1934 wurde von den Nazis die "Deutsche Arbeitsfront" gegründet, deren Mitgliedschaft für alle Lohnarbeiter mehr oder minder Pflicht war. Daraufhin fühlten sich die Nazis in den Betrieben stark genug, um Wahlen zu den Arbeiter-Vertrauensräten abzuhalten. Die Ergebnisse dieser Wahlen wurden nie veröffentlicht. Die illegalen Betriebs-Korrespondenten der Exil-SPD gaben damals folgende Einschätzungen:(Abgedruckt in: Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 1934-1940. Erster Jahrgang 1934. Nachdruck Zweitausendeins 1980, S. 36ff)OSTSACHSEN:Eine Maschinenbauanstalt in Dresden: Wahlberechtigt 836, der Vorsitzende des Angestelltenrates und der Vorsitzende und Stellvertreter des Arbeiterrates sind im Einverständnis mit der Verbandsleitung bei der Gleichschaltung in die NSBO eingetreten, um den freigewerkschaftlichen Einfluß auf diese Weise im Betriebsrat zu erhalten.Bei der Wahl zu dem Vertrauensrat des Betriebes stand der bisherige Betriebsrat, also die drei früheren SPD-Mitglieder und Gewerkschaftler und die NSBO- bzw. Nazimitglieder zur Wahl. Bei der Wahl wurden gestrichen: der ehemalige SPD-Angestelltenratsvorsitzende 46mal, der ehemalige SPD-Arbeiterratsvorsitzende 55mal, der ehemalige SPD-Stellvertreter 76mal und die anderen Nazimitglieder je 200 bis 204mal.Ein Dresdner Metallbetrieb: Hier war kein ehemaliges SPD-Mitglied als Kandidat im Vertrauensrat aufgestellt. Die Liste wurde „mit geringer Mehrheit“ gewählt. Es wird damit gerechnet, daß mindestens 45% der Arbeiter die Vorschläge gestrichen hatten. Unser Gewährsmann versichert, daß er auf Grund der bei ihm eingegangenen Meldungen die Opposition gegen die NSBO-Vertrauensräte auf fast 75% schätzt.WESTSACHSEN:Großbetrieb bei Borna: 700 Mann Belegschaft, 70% ungültige Stimmen. Der NSBO-Vertreter Pfeiffer aus Böhlen äußerte einige Tage vor der Wahl: „Wenn bei euch die Schweinerei passiert wie woanders, werden wir mit dem Radiergummi (Gummiknüppel) ausräumen.“ Wie diese Worte von der Belegschaft aufgenommen wurden, ist aus dem Ergebnis der Wahl zu ersehen.Druckereibetrieb, Leipzig: Bis zur Wahl der Vertrauensmänner war der Vorsitzende des Betriebsrats ein Marxist. Die Liste für die Vertrauensmännerwahl sah diesen Betriebsratsvorsitzenden nur als Stellvertreter vor. In der Wahl erhielt aber der Marxist die absolute Mehrheit. Die Nationalsozialisten fielen durch.Graphischer Betrieb, Leipzig: 50% Nein-Stimmen.Aus Schlesien liegt folgender Bericht vor:Im großen und ganzen haben die NSBO-Bonzen knapp 50% oder gar noch weniger von den abgegebenen Stimmen erhalten. Wo dagegen aus Mangel an braunen Kräften einige frühere Betriebsräte aufgestellt waren, haben diese fast überall 100% Stimmen erhalten. So z. B. Kapagwerke Groß-Särchen, Kreis Sorau: NSBO-Vertreter etwas über 50%, dagegen die alten „Marxisten“ 100%.Glasschleiferei Mäder, Döbern, Kreis Sorau: Alter Betriebsrat 100%, NSBO 55%.Betrieb Petschmann: Liste der NSBO hat keine 50% erhalten, deshalb mußte der Treuhänder den Vertrauensrat berufen.Glasschleiferei Fettke und Ziegler: Früherer Betriebsrat 100%, NSBO knapp 50%.Das gleiche Resultat wird aus der Dorster Textilindustrie gemeldet.Weitere Einzelmeldungen aus Schlesien:Bergwerk Kohlfurt: 38% der Stimmen für die Liste.Eisenbahnwerkstatt Kohlfurt: 54% für die Liste.Waggonfabrik Christoph & Umnack, Niesky: 48% für die Liste.Steinbrüche Königshain: 34%Penzig: Adlerhütte 37%, Phönixhütte 44%Ziegelwerke Kodersdorf: 47%Görlitz, Eisenbahn: 58%Weißwasser, Osramwerke: 32%Lauban, Eisenbahnwerkstätte: 32%Ebersbach, Textilwerke: 42%NORDBAYERNEine Weidener Porzellanfabrik: Als Betriebsvertrauensräte wurdenKandidaten aus dem kaufmännischen Personal, den Werkmeistern(Obermaler, Oberdreher, Oberbrenner usw.) aufgestellt. Also Kandidaten, die nach ihrer wirtschaftlichen Stellung im Betrieb von den Arbeitern als Aufpasser bezeichnet werden. Das Stimmenergebnis war: 259 Stimmen für die Nazikandidaten, 261 gegen die Nazikandidaten, 70Stimmen ungültig. Der Wahlausschuß hat sich einen einfachen Ausweg gesucht und hat das Stimmenverhältnis einfach umgedreht, so daß 261 Stimmen für die Nazikandidaten verkündet wurden. Der Wahlausschuß hat weiter erklärt, daß die Kandidaten mit Mehrheit gewählt sind.Eine andere Porzellanfabrik in Weiden: Hier wurden Kandidaten aus der Belegschaft genommen, Leute, die früher schon Vertrauensfunktionen für ihre Arbeitskollegen im Betriebe innehatten. Diese Kandidaten wurden fast einstimmig gewählt.SÜDBAYERN:Fabrik photographischer Artikel in einem Vorort bei München: Belegschaft 600 Mann. Früher gewerkschaftlich organisiert. Nicht ein einziger der von der Werkleitung und NSBO aufgestellten Kandidaten hatte die notwendige Stimmenzahl. Die Wahl wurde für ungültig erklärt und muß wiederholt werden.„Münchner Neueste Nachrichten“, Verlag Knorr und Hirth, Belegschaft ca. 650 Mann. Größter Zeitungsverlag Süddeutschlands. Freigewerkschaftliche Organisation früher gut, doch auch Indifferente. Vertrauensrätewahlergebnis: 36 Wähler haben die Vorschlagsliste rechtsgültig ganz abgelehnt. 300 Wähler haben ihren Stimmschein ungültig gemacht. Diese Stimmen wurden bei der Auszahlung als nicht abgegeben betrachtet. Eine voraufgegangene Betriebsversammlung, bei der auch der „Führer des Betriebes“, der Hauptschriftleiter anwesend war, hatte eine Beteiligung von 50% der Belegschaft.Münchner Setzereibetrieb: Belegschaft 60 Mann. Für den Vertrauensrat 47 Stimmen, 13 ungültig.MAN-Augsburg, Maschinenfabrik: Vertrauensrat wurde von 60% der Wähler abgelehnt, 10% waren unklar, 30% stimmten zu. Der aufgestellte Vertrauensrat wurde aber vom Treuhänder trotz dieses Wahlergebnisses bestellt.Gummiwarenfabrik Metzeler AG: Belegschaft ca. 350 Personen, darunter viele Frauen. Früher war Metzeler ein gut freigewerkschaftlich organisierter Betrieb. Nach dem März wurden viele unserer Genossen und Genossinnen entlassen und Nationalsozialisten eingestellt. Für die Liste der Vertrauensräte wurden 85% aller Stimmen abgegeben. Der Betriebszellenobmann erhielt 93,8%.BERLIN:Osram: Belegschaft 13.500 Mann, verteilt auf Hauptverwaltung und drei Werke. Früher wählten die Werke und die Hauptverwaltung ihre Betriebsräte gesondert. Bei der Wahl zu den Vertrauensräten wurde für alle nur eine Liste aufgestellt Die Folge war daß die Wähler jeweils die Vertreter ihres eigenen Werkes durchstrichen weil sie ihnen bekannt waren die Vertreter der anderen Werke dagegen stehen ließen weil sie sie nicht kannten Ergebnis 11.500 gültige Stimmen höchste Stimmen zahl 9000 niedrigste 6000Lindcar-Fahrradwerk Berlin-Lichterfelde (ehemaliges Unternehmen der Freien Gewerkschaften): In einer Versammlung vor der Wahl wurde angekündigt wenn auch eine Mehrheit gegen die Gefolgschaftsliste ist bleibt der Vorschlag doch bestehen Ergebnis Wahlberechtigt 70 Personen 43 Stimmen gegen den Betriebsobmann (NSBO)SCHLESWIG-HOLSTEIN:In verschiedenen Betrieben haben die aufgestellten Kandidaten noch nicht einmal 50% der abgegebenen Stimmen erhalten so bei Bremer & Wegener, in der Norddeutschen Jutespinnerei, an der Autostraße und noch in einigen anderen Betrieben.Bei Blohm & Voß sieht das Ergebnis in runden Zahlen so aus: 3700 Stimmberechtigte, 3300 Stimmen abgegeben (also 400 haben offen demonstriert), 750 Ungültige, 850 durchstrichene, es bleibt also ein Rest von 1700, die aber auch z. T. blanko abgegeben sind und als gültig angesehen werden. So und ähnlich ist es hier in allen Betrieben.Als allgemeine Beobachtung wird aus Sachsen berichtet:„Die Wahlresultate sind schwer zu erfahren, weil selbst in den Einzelbetrieben genaue Stimmenresultate nicht bekanntgegeben werden. Im allgemeinen wird die Vorschlagsliste nur einfach als gewählt bezeichnet Der Wahlvorstand wird meist aus den alten und feigsten Arbeitern des Betriebes gebildet, von denen schwer genaue Zahlenangaben zu erhalten sind.“ (...)Mit diesen Vorbehalten sei eine Mitteilung verzeichnet, die uns von besonderer Seite über die Wirkung der Abstimmungsergebnisse auf die nationalsozialistischen Führer zugegangen ist. Danach sei der Eindruck dieser Ergebnisse selbst auf die maßgebenden Männer außerordentlich deprimierend gewesen: Man müsse allerdings wissen, daß auch in dieser Frage die Gegensätze in der Nazipartei heftig aufeinandergeprallt seien.Goering habe sich mit aller Schärfe gegen „einen solchen Rückfall in demokratische Allüren“ gewendet. Aber Goebbels, der doch sonst eine sehr feine Nase habe, habe sich von der Leitung der Arbeitsfront beeinflussen lassen, die erklärt habe, daß man für die Gesinnung der Belegschaften jede Garantie übernehmen könne. Gewirkt habe aber gegen Goering nur das Argument, daß man ja dann auch keine Reichstagswahl mehr machen dürfe, was doch vom Führer fest zugesagt worden sei. Als dann die Resultate eingetroffen seien, habe Goering zuerst getobt und dann versucht (freilich vergebens) die Sache gegen Goebbels auszuschlachten. Hitler sei äußerst betroffen gewesen. Die Leitung der Arbeiterfront habe zugegeben, daß mehr als 2/3 der Belegschaften gegen die Nazi gestimmt habe. Ley habe versucht, die Schuld den Unternehmern zuzuschieben.Geringfügig gekürzt aus: Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 1934-1940. Erster Jahrgang 1934. Nachdruck Zweitausendeins 1980, S. 36-40Wal Buchenberg, 2.9.03
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Zweiter Teil steht hier:

Wal Buchenberg 02.10.2003 - 17:31

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