Anti-Wahl-Aktionen bei der OB-Wahl in Giessen

Menschling 29.09.2003 01:04 Themen: Soziale Kämpfe
Heute fanden in Giessen die Stichwahlen zum Oberbürgermeister statt. Die Kandidaten waren Heinz - Peter Haumann (CDU) und Gerhard Merz (SPD). Einige Aktivlinge ließen es sich nicht nehmen, einige lustige, bunte Aktionen in und um die Wahllokale und die Wahlparty, auf der die Auszählungsergebnisse verkündet wurden, zu machen.
Gottesdienste:
In verschiedenen Wahllokalen fanden sich den Tag über einige Aktivlinge ein, um vor den Urnen Gottesdienste abzuhalten. So stellten sie sich in einem Halbkreis um die Urne auf und sangen das "Danke" - Lied in einer umgedichteten Form. Danach knieten sie nieder und beteten sie das "Wahl unser". Die Aktion lief anscheinend sehr überzeugend ab, denn ein Wählling war gar nicht vom Glauben an die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft der Aktivlinge abzubringen.

"Danke" - Lied:
DANKE - für unsre Mitbestimmung
DANKE - für all den Stimmenfang
DANKE - dass wir heut wählen dürfen
damit du herrschen kannst
DANKE -dass wir nicht denken brauchen
DANKE - dass du sagst was läuft
DANKE - dass wir nur Schäfchen bleiben
und du uns leiten kannst

"Wahl unser"
Wahl unser in Gießen
geheiligt sei deine Demokratie
dein Oberbürgermeister komme
sein Wille geschehe
bei Wählern wie auch bei Nichtwählern
unsere tägliche Mitbestimmung gib uns heute
und verbiete unsere Zweifel
wie auch Gülle schlagen wir jeden Zweifler
und führe uns nicht zur Selbstbestimmung
sondern erlöse uns vom freien Denken
Denn dein ist die Stadt und die Macht
und die Herrschaft in Ewigkeit
AMEN


Mars - TV:
In einigen anderen Wahllokalen berichteten einige "Marslinge" hinter einem großen Fernseher - Transpi vom Treiben auf der Erde. Sie erzählten, dass auf der Erde Menschen leben, die sich einem System fügen, in dem sie keine Selbstbestimmung haben und das auch noch toll finden. Durch Wahlen wird ihnen suggeriert, dass sie auf Entscheidungsprozesse der Politiklinge Einfluss nehmen können, und sie merken nicht, dass sie dabei nur jemanden wählen, der sie beherrscht.


Verstecktes Theater:
Die Idee der Schauspiellinge war: Eine Person unter 18 sollte zu den Wahlhelflinge gehen und fordern, dass es wählen darf. Eine weitere Person sollte daraufhin die Diskussion eröffnen, indem sie in dem "Werd doch erst mal erwachsen" - Stil herumpöbelt. Zwei weitere Aktivlinge wollten die Position vertreten, dass Wahlen sowieso nichts ändern und somit Selbstbestimmung verhindert wird.
Die ganze Ausführung klappte aber nicht so ganz. Obwohl der Einstieg nicht schlecht verlief, kippte das Ganze und es ergab sich eine Grundsatzdiskussion über selbstbestimmtes Leben. Die Wahlhelflinge gaben zu, dass Wahlen zwar keine Möglichkeit der Einflussnahme auf gesellschaftliche Entscheidungsprozesse bieten, aber sie blieben der Meinung, es sei die Pflicht eines jeden Bürgerlings, das Amt des Wahlhelfling auszuüben und die Wahlen zu unterstützen.
Nach 20 Minuten verließen die Schauspiellinge entnervt das Wahllokal ohne zu einem zufriedenstellenden Ergebnis der Diskussion gelangt zu sein.


Äußere Veränderung der Wahllokale:
Schon bei den ersten Wahllokalen fiel den Aktivlingen Schablonen - Graffitis an den Eingängen auf. Dort war mit roter Farbe "Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten" gesprüht. Scheinbar sind die Graffitis an fast allen Wahllokalen zu sehen.


Wahlparty:
Nachdem die Wahllokale geschlossen hatten, stieg im Stadthaus noch die Auszählungsparty. Die Aktivlinge ließen es sich natürlich nicht nehmen, auch dort aufzutauchen und die Wahlergebnisse live und in Farbe zu genießen. Nachdem das Ergebnis mitgeteilt wurde (50,5% für Haumann; 49,5% für Merz, Wahlbeteiligung 30,4%) gratulierten die Stresslinge dem neuen Oberbürgermeister auf ihre Art. Sie sangen laut bei der Umarmung von Haumann und Innenminister Bouffier das "Danke" - Lied (siehe oben). Dabei wurden sie leider von den Personenschützern vom persönlichen Händeschütteln abgehalten.


P.S.: Während aller Aktionen wurden auch Antiwahl- Zeitungen und Flugblätter verteilt.
Ach ja: Die Wahlhelflinge scheinen heute etwas übermüdet gewesen zu sein. An vielen Wahllokalen zeigten die Schilder, "Zum Wahllokal", in eine vollkommen falsche Richtung oder waren überhaupt nicht zu finden! Seltsam...
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Ergänzungen

weiter detaeils

frosch 29.09.2003 - 10:25
ein weiteres interessantes detail ist das der ungültigen stimmen in Giessen. Mit knapp 200 Stimmen betrug der Anteil der ungürltigen Stimmen bei der Wahl rund 1,5 % und lag höher als die Stimmdifferenz zwischen den beiden Kandidaten.
Leider ist schon gestern deutlich geworden, dass Haumann seine Mehrheit nun Rücksichtslos ausnutzen wird. Er sprach in einem kurzen Interview davon, dass ja schliesslich alle die Möglichkeit zum Wählen gehabt hätten und er nun die Mehrheit nutzen wolle. Insgesamt werden also auf Giessen unruhige Zeiten mit vielfachen Protestmöglichkeiten zukommen, da die CDU-Stadtregierung ihre Projekte alleine für ihre Klientelgruppen organisiert und sich damit die gute Möglichkeit bietet Protest in weite Bevölkerungsteile zu tragen.

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nett nett! — mushroom