Unbelehrbar.

frbrgr 23.09.2003 19:03
Ein Interwiev Filbingers mit der Badischen Zeitung in Freiburg (Dokument)
Badische Zeitung vom Montag, 15. September 2003

"Über alles andere kann man reden"
BZ-INTERVIEW - mit dem früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger über
seine Vergangenheit und die Aufregung um seinen heutigen 90. Geburtstag





FREIBURG. Vor 25 Jahren musste er als baden-württembergischer Ministerpräsident zurücktreten. Ihm war vorgeworfen worden, er habe als
Marinerichter noch in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs Deserteure zum Tode verurteilt und darüber die Unwahrheit gesagt. Heute wird Hans Filbinger 90 Jahre alt. Mit ihm sprachen an seinem Wohnsitz in Freiburg-Günterstal unsere Redakteure Thomas Hauser und Stefan Hupka.



Der frühere Baden-Württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger
mit dem Buch "Hans Filbinger - Aus neun Jahrzehnten", in dem zwölf
Autoren seine Lebensleistung würdigen. FOTO: DPA

BZ: Herr Filbinger, Sie sagten neulich, Ihr Geburtstag sei eine Chance,
mit politischen Gegnern Frieden zu schließen und mit diesen "ins Gespräch
zu kommen". Wie stellen Sie sich das vor?

Filbinger: Als Gesprächsangebot an die SPD, an diejenigen in der SPD, mit
denen man reden kann, zum Beispiel Bürgermeister Hans Koschnik aus Bremen.

BZ: Worüber wollen Sie da sprechen?

Filbinger: Ich würde noch einmal die Fakten schildern, aber auch
eingestehen: Ich habe damals Fehler begangen.

BZ: "Damals", heißt das 1945 oder 1978?

Filbinger: 1978! Ich hätte damals im Juli statt auf eine Bergtour in die
Schweizer Alpen auf die Leute zugehen müssen und sagen, nun schaut euch
mal die Fakten an. Aber ich war so fest überzeugt, dass ich keinen
Menschen umgebracht habe, sondern im Gegenteil, dass ich Menschen gerettet habe. Deshalb bin ich nicht in die Offensive gegangen, sondern habe darauf vertraut, dass die Wahrheit sich durchsetzt.

BZ: Haben Sie das Gefühl, man wollte damals von Ihnen eine Demutsgeste?

Filbinger: Man wollte, dass ich etwas zugebe, das ich nicht getan habe.
Erst sollte ich bekennen, ich hätte einen Soldaten umgebracht. Als dieser
Vorwurf nicht mehr zu halten war, sollte ich zugeben, Urteile gefällt zu
haben, die für Soldaten tödliche Folgen hatten. Aber auch das stimmt
nicht. Es waren nur Abwesenheitsurteile. Und ein Sacrificium intellectus (Geständnis wider die eigene Überzeugung, d. Red.) ist von mir nicht zu
haben. Ich bin übrigens von Natur aus kein Rechthaber.

BZ: 1945 haben Sie keine Fehler gemacht und keine Schuld auf sich geladen?

Filbinger: Jedenfalls nicht das, was man mir vorwirft. Das Entscheidende
ist leider gar nicht gewürdigt worden: Es ging damals um die Rettung von
vier Millionen Deutschen, die an den Küsten der östlichen Ostsee von der
vorrückenden Roten Armee eingeschlossen waren. Das war die größte
Rettungsaktion aller Zeiten über See und es war Aufgabe der deutschen
Marine. Wenn in der Marine nicht Disziplin gehalten worden wäre, wären
weitere Hunderttausende umgekommen. 2,5 Millionen konnten gerettet werden, eine unerhörte Leistung.

BZ: Rechtfertigt das Todesurteile gegen Deserteure?

Filbinger: Ich habe keine Todesurteile gegen Deserteure gefällt; es waren bekanntlich Phantomurteile. Das damalige Militärstrafgesetzbuch stammte
aus dem Jahre 1874, war also kein Nazi-Gesetz. Es drohte für Fahnenflucht
die Höchststrafe an.

BZ: Hatten Sie kein Verständnis für Soldaten, die in den letzten Kriegstagen ihr Leben für dieses Regime nicht mehr hingeben wollten?

Filbinger: Es ging doch nicht mehr um das Regime, sondern darum, Menschen
zu retten. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, und war enttäuscht,
gelegentlich verzweifelt, dass dieser Gesichtspunkt nicht aufgegriffen
worden ist: Auftrag der Marine war die Rettung von vier Millionen
Flüchtlingen, die im Januar 1945 bei 20 bis 25 Grad minus im Osten zu
erfrieren drohten. Wer meuterte, gefährdete das Ganze. Wäre die Fahnenflucht ausgeufert, hätte die ganze Aktion nicht durchgehalten werden können.

BZ: Sie billigen also diese drakonischen Strafen, waren auch an ihnen
beteiligt, behaupten aber dennoch, durch sie sei kein Soldat zu Tode
gekommen?

Filbinger: Nein, ich kenne keine drakonischen Strafen, die damals gefällt
worden waren, schon gar nicht durch mich. Ich betone, es waren
Abwesenheitsurteile. Die Verurteilten waren längst nach Schweden
abgehauen. Mit dem Tod des Matrosen Gröger hat der Filbinger null zu tun
gehabt im Sinne einer Verantwortung. Er war nur Statist am Ende des
Verfahrens, wie der Verteidiger Grögers betonte.

BZ: Warum ist es Ihrer Generation nicht gelungen, etwas von ihrer
Zerrissenheit und ihren Konflikten im Krieg zu vermitteln. Da war doch vor allem Sprachlosigkeit anschließend.

Filbinger: Wir hatten nach dem Krieg nur einen Gedanken: ein Dach über dem Kopf und einen Arbeitsplatz. Um die Frage der Rechtfertigung des
Vergangenen haben wir uns nicht gekümmert. Das haben die späteren getan,
die mit der ,Gnade der späten Geburt'.

BZ: War das ein Fehler?

Filbinger: Diese Sprachlosigkeit war sicher nicht gut. Aber es fehlte auch eine parlamentarische Kraft, die sich eindeutig vor die Soldaten gestellt hätte. Niemals ist einer, der in einem totalitären Regime gezwungen wird, Soldat zu sein, im persönlichen Sinne schuldig am Krieg. Ich war 19, als Hitler an die Macht kam. Ich konnte ihn nicht wählen und hätte ihn auch nicht gewählt. Als ich aus dem Krieg zurück nach Freiburg kam, sagten sie, Gott sei Dank ein Unbelasteter, wir brauchen Leute für die Entnazifizierungskommissionen. Ich habe mich aber dem entzogen, ich fand das Verfahren zu primitiv.

BZ: Sie waren Mitglied im NS-Studentenbund.

Filbinger (lacht): Ja, im ersten Semester. Aber ich habe mich immer dünn
gemacht, und mich an keiner diese Pflichtorganisationen beteiligt. Ich
sehnte mich nach der Freiheit, ging nach Paris, verdiente meinen Unterhalt als Hilfsarbeiter.

BZ: Im Zuge Ihrer Verteidigung 1978 haben Sie die Öffentlichkeit und auch
Teile Ihrer Partei mit dem Ausspruch geschockt: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein." Würden Sie das heute wieder noch so sagen?

Filbinger: Ich habe diesen Satz in einem Spiegel-Interview geäußert, aber
nicht, um das NS-Unrechtsregime zu rechtfertigen, wie damals und seither infamerweise immer wieder behauptet wird. Sondern der Satz betraf die
Tatsache, dass Fahnenflucht damals in Deutschland und allen anderen
Nationen, sogar in der Schweiz, unter Höchststrafe stand. Mein damaliger
Pressesprecher, der spätere EnBW-Chef Goll, hat das bezeugt und sogar in
der Zeit vom 10. Januar 1992 eine Berichtigung durchgesetzt.

BZ: Glauben Sie immer noch, Ihre Kritiker damals seien vor allem von der
Stasi munitioniert worden?

Filbinger: Davon bin ich fest überzeugt. Aussagen früherer
Stasi-Mitarbeiter belegen das. Und die "Rosenholz"-Datei gibt uns sicher noch eine Chance zu weiteren Beweisen.

BZ: Was bezweckte die Stasi Ihrer Meinung nach damit?

Filbinger: Es ging der Stasi darum, prominente Persönlichkeiten des
Westens, die der DDR politisch missliebig waren, abzuschießen. Ich war für die DDR eine besondere Reizfigur, vielleicht auch wegen meines Wahlslogans "Freiheit statt Sozialismus" von 1976. Auch stand 1980 eine
Bundespräsidentenwahl an, und Filbinger wurde als Kandidat gehandelt. Da
wollte man Einfluss nehmen.

BZ: Ähnlich müsste es ja einem anderen bekennenden Konservativen, Ihrem
damaligen Kollegen Franz Josef Strauß, mit der Stasi ergangen sein. Warum
hat dem das nie ernstlich geschadet?

Filbinger: Der hatte eben eine Partei, die zum Schulterschluss
zusammensteht, wenn einer von ihr in Gefahr kommt.

BZ: Das hat die Landes-CDU nicht getan?

Filbinger: Wir sind da zarter besaitet als die CSU. Aber auch die CDU hat
sich mehrfach solidarisch vor mich gestellt. Auch hatten die Kollegen aus
Hessen um Dregger damals Angst um ihre Landtagswahl und verlangten ein
Ende der Querelen bei uns.

BZ: Sie waren jahrzehntelang Politiker. Doch über einige Wochen im
Frühjahr 1945 und im Sommer 1978 wird bei weitem mehr geredet als über das politische Handeln während Ihrer Amtszeit. Ärgert oder bedrückt Sie das?

Filbinger: Nein. Ich weiche dem nicht aus. Wenn man so stark von
gegnerischer Seite beansprucht wird, dann muss man versuchen, das mit
aller Kraft zu widerlegen. Und das versuche ich.

BZ: Wie viel Prozent Ihrer Arbeitskraft verwenden Sie auf Ihr persönliches
Projekt "Rehabilitation"?

Filbinger: Die Rehabilitation ist längst erfolgt, wie auch
Ministerpräsident Teufel betont hat. Es gab lange Jahre, wo die Dinge sich gelegt hatten. Aber jetzt, seit der zurückgezogenen Einladung der Stadt zu meinem Geburtstagsempfang beschäftigt mich die Sache wieder täglich zu mehr als 50 Prozent. Das wird aber bald ein Ende nehmen.

BZ: Sind OB Salomon und Sie jetzt geschiedene Leute?

Filbinger: Ach nein. Es wäre besser gewesen, er wäre dabei geblieben,
statt einzuknicken. Aber ich werde ihm auch weiterhin die Hand schütteln,
wenn auch vielleicht mit einem Augenzwinkern.

BZ: Und wie gehen Sie mit den angekündigten Protestaufmärschen um?

Filbinger: Das sind nur ein paar Linksradikale, die auf die Straße gehen, weil sie sonst nichts vorzuweisen haben.

BZ: Wo bleibt das von Ihnen angekündigte Wort der Versöhnung?

Filbinger: Ein Selbstopfer durch Eingeständnis unwahrer Tatsachen kann
keiner von mir verlangen. Über alles andere kann man reden. Dazu bin ich bereit. Ich habe das Schicksal des Matrosen Gröger stets bedauert, und das vor Jahrzehnten schon öffentlich betont. Ich empfinde die Trauer der
Schwestern mit.


 http://www.badische-zeitung.de/1063616686306
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Ergänzungen

Filbingers Ichpanzerung

Fritz Güde 24.09.2003 - 10:11
Das Gefährliche an Filbinger und seinesgleichen ist gerade, dass er wirklich kein nazistischer Gesinnungstäter war wie Freisler,sondern einer von denen, die die Hitlerherrschaft als eine Art Notstandsmaßnahme ansahen zur Zerschlagung des Kommunismus im Innern und des „Bolschewismus“,der das Deutsche Reich von außerhalb bedrohte. Nach erfolgter Beseitigung der Gefahr konnte auf die überlieferten Methoden der Beherrschung zurückgegriffen werden.
In Filbingers Rechtfertigung liegt seine Selbstanklage: das Militärstrafrecht stammt wirklich von 1871 und wurde vom kaiserlichen Reichsgericht, dem der Weimarer Republik und dem in der Zeit des Faschismus immer nur in einem Sinn ausgelegt: im Krieg rechtfertigt das Kriegsziel alles. So wurde Kapitänleutnant Valentiner 1924 vom Reichsgericht freigesprochen, der das schon manövrierunfähige Lazarettschiff ANCONA noch einmal torpedieren ließ.so dass über hundert Passagiere- Zivilisten-ertranken. .
Wie Reichsanwalt- der angebliche Ankläger –vorbrachte, es sei dem Kapitän „ einzig und allein darum gegangen,einen wirkungsvollen Beitrag zur Seekriegsführung zu leisten“.Das Gericht schloss sich dem freudig an.
In diese Tradition der durch den anerkennenswerten Zweck gedeckten Kriegsverbrechen reiht sich Filbinger bekennerisch ein.
Genau mit dieser Haltung konnte er nach 45 wieder die Regie der Öffentlichen Dinge übernehmen: antikommunistisch vorher wie nachher, jederzeit Aufrechterhalter absoluter Unterwerfung der Menschen unter die Erfordernisse des „Ganzen“ ,wie er im Interview so fein bemerkt.
Eins ist dem aufmerksamen Zeitzeugen aber doch entgangen,und zwar nicht aus Altersgründen,sondern aus habitueller Ich- und Hirnpanzerung. Unmittelbar nach 45 gab es eine sehr rege Diskussion über die Verbrechen des Faschismus und des Kriegs.Erst mit dem Willen zur Wiederbewaffnung und zum weitergeführten Antikommunismus im Namen des Kalten Kriegs legte sich Schweigen übers Land über die vorige Etappe in diesem Kampf.Deshalb wohl hat sich Filbinger damals, in Freiburg wiederaufgetaucht, das heute so offenherzige Bekenntnis zu seiner Kriegsrichtervergangenheit vom Mund abgespart


Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Anitdeutsche

)) 24.09.2003 - 09:21
Hier könnten sich die Antideutschen austoben, aber dieses Thema scheint sie nicht zu interessieren. Filbinger scheint unter dem Schutz des Mossad zu stehen.

*tob* *tob aus*

der kleine antideutsche 24.09.2003 - 11:07
ok, habe mich ausgetobt. der vollständigkeit wegen füge ich noch hinzu: also dieser filbinger, so ein reaktionäres altes arschloch, macht hoffentlich bald die riefenstahl oder den jünger *tob*.

und nun erklär mir das doch bitte nochmal mal, was der filbinger mit dem mossad und der mossad mit den antideutschen zu tun hat.