Cancún: WTO entgleist

GATS made me do it 09.09.2003 21:02 Themen: Bildung Biopolitik Globalisierung Kultur Soziale Kämpfe Weltweit Ökologie
Der nächste Zug fährt nach Genf
Die WTO-Konferenz in Cancun ist gescheitert! (Bericht). Bei der letzten Großdemonstration in Cancun waren nach unterschiedlichen Angaben 10.000 oder bis zu 15.000 auf der Strasse. DPA/Reuters, zwei Global Player des Nachrichtenbusiness, die die Weltpresse mit Kurzzusammenfassungen beliefern, trauten sich ans Geschehen wohl nur von der Polizeiseite heran, bemerkten sie ganze 2000 davon. Dies entspricht ungefähr der Zahl der Menschen die in die Roten Zone eindrangen (Panorama-Bild). Sie wollten u.a. eine Trauerfreier für den Agrar-Aktivisten Lee Kyung-Hae, der zuvor den Freitod als Protestform wählte, abhalten. Eine mit Bolzenschneidern ausgerüstete internationale Frauengruppe ermöglichte zuvor diesen Durchbruch.
Immer wieder wurde während der Aktionstage die "Rote Zone" angegriffen (Bericht). Auch innerhalb des Sperrgebietes fanden die gesamte Woche über Blockaden und andere Aktionen statt. (Bericht). Bei der Konferenz selbst protestierten Angehörige von Nichtregierungsorganisationen (NGO's). Weltweite Aktionstage sorgten dabei zusätzlich für Bewegung... Allein in Indien protestierten Hunderttausende landesweit.
Letztlich scheiterte die Konferenz am Widerstand der Länder der Mehrheitswelt, Kenia verließ demonstrativ die Verhandlungen als Reaktion auf unannehmbare Vorschläge der USA/EU. Offenbar sollen diese in Genf "bis zum 15.12" auf administrativer Ebene mit weniger Öffentlicheit wieder aufgenommen werden. Dort soll auch der Einfluß der "Entwicklungsländer" vermindert werden.

Während ein prominenter "Globalisierungskritiker" die Globalisierung schon für beendet erklärte, trafen sich die Eliten der WTO- (Welthandelsorganisation/World Trade Organization) Mitgliedsstaaten in dem mexikanischen Badeort Cancun und entschieden über die Zukunft der Welt.Diese "Experten" und Diplomaten entscheiden in "informellen Gesprächen" ohne Protokoll und oftmals ohne Delegierte der betroffenen Länder über Leben und Tod von Millionen von Menschen. Dies wird am erschreckendsten am Beispiel der von der Pharmaindustrie betriebenen Kampagne gegen erschwingliche Aids-Medikamente für die armen Länder sichtbar. Doch ist dies nur ein Teilaspekt der von der WTO erlassenen "Abkommen" wie TRIPS und GATS.Durch GATS wird öffentliches Allgemeingut wie Wasser, Bildung, Gesundheitsversorgung, Kultur privatisiert und Profitinteressen untergeordnet.


Hintergründe:
Ausverkauf unserer Ernährung?,Was kostet die Umwelt? (PDF),Patente und der Zugang zu Arzneimitteln (PDF), Neoliberal Globalization: Cancún and Beyond (PDF)


Chronologie der Anti-WTO-Proteste:
1999: Seattle, USA |2001: Doha, Katar |
Aktuell vor Ort:
Indymedia Cancun |Indymedia Mexico |Mexican Solidarity | Radio-Stream - Live! Cancún Tagebuch | Cancún Updates


Seattle - Doha - Cancun

Diesmal beging die WTO den Fehler sich in der Nähe einer der Hauptursprungsgebiete der weltweiten Bewegung der Bewegungen zu treffen: Chiapas, anders als zuletzt in der unzugänlichen Wüste der Monarchie Katar, in der jeglicher Protest verboten ist. Diesmal wurden erstmals an einem globalen Aktionstag weltweit Blockaden und direkte Aktionen geplant um die Abreise der Delegierten zu markieren. In Cancun werden gelichzeitig vor Ort Zehntausende der WTO ein zweites Seattle bereiten.
Einer der Aufrufe lautet "Protestiert gegen die WTO solange sie es noch gibt", denn sie in einem Zustand des Krisenmanagements und Kommentatoren meinen sie laufe Gefahr von selbst zu zerfallen.

Auf dem Weg nach Cancun

Der weltweite Widerstand einer Koalition aus fast allen gesellschaftlichen Bereichen von Anarchist/inn/en über NGO's ( Greenpeace allein entsendet 24 Fachleute) bis Zapatistas sich dieser globalen Gefahr, die die WTO darstellt auf allen Ebenen entgegenstellen.Der Zug des Neoliberalismus soll entgleisen (engl.: derail), dabei wird nicht nur von theoretischen Analysen aufgezeigt, wie dieser und seine Institutionen nur eine neuere Form des Kapitalismus sind.

Direkte Auswirkungen der Globalisierung, also Flüchtlingsströme werden unterdrückt. Daher finden in Fürth Aktionstage gegen staatsrassistische Abschiebelager.Bei der europäische Demonstration im Vorfeld protestierten 20 tausend Menschen in Riva. Außerdem fand eine Konferenz zu dem Thema statt an der TU-Berlin. Bericht hier und hier. Zuvor waren in Larzac in Frankreich über 250 000 Protestierende zusammengekommen.

Beiträge auf de.Indymedia:
WTO: Zapatistas mobilisieren nach Cancun |Was plant die WTO in Cancun? |Perspektiven für Cancun 2003 |Larzac-D'autres mondes sont possible |Montreal: Proteste gegen die WTO |Auf dem Weg nach Cancun: WTO und GATS

Medikamente den Reichen, Tod den Armen, der Pharmazid der WTO

Bis zur
letzten Minute ging das Feilschen um die Millionen von Menschenleben die von den billig herzustellenden Aidsmedikamenten abhängen. Während realistische Schätzungen davon ausgehen, daß innerhalb weniger Jahre 68 Millionen Menschen an AIDS sterben werden, können sich gerade mal 4% der im globalen Süden (z.B. Afrika oder Südamerika) HIV-Infizierten die hoffnunglos überteuerten Präparate leisten die von den westlichen Pharma-Monopolisten vertrieben werden. Es können vor allem die wenigen weißen Kranken in reichen Ländern wie den USA oder BRD.
Mit Hilfe von sogenannten Generika, Präparaten die ohne die horrenden Lizenzgebühren zu zahlen hergestellt worden waren in Ländern wie Indien, sollte zumindest ein Teil der Kranken in den armen Ländern der Mehrheitswelt versorgt werden. Doch die Patentinhaber, die monopolistischen Pharmakonzerne wollen das mit aller Macht verhindern. Zuerst klagten sie (Liste der 39 Kläger/Pharmakonzerne, darunter Firmen wie Bayer, Hoechst, Novartis, Schering) gegen Südafrika weil Nelson Mandela ein Gesetz erlassen hatte das die Einfuhr solcher Mittel erlauben sollte. Erst nach massiven weltweiten Protest ließ die Pharmaindustrie einen Kompromiss zu.
Doch es war nur ein kurzer Pyrrhussieg, denn die Pharma-Lobby brachte das Thema vor die von den Konzernen gestützen Regierungen dominierte WTO. Dort sollten aufgrund des TRIPS-Abkommens das Patente regelt Generika weltweit verboten werden. Nur unter äußerstem Widerstand der weltweiten Öffentlichkeit und besonders starken Ländern der Mehrheitswelt wie Indien konnte ein Kompromiß abgerungen werden. Dieser wurde jedoch in letzter Minute von den westlichen Pharma-Lobbyisten in der WTO zuungunsten der globalen Bevölkerung geändert.Hilfsorganisationen sind sich darüber einig: Es hat sich gezeigt Patente kosten unzählige Menschenleben.
Hierbei handelt sich nicht nur um millionenfache unterlassene Hilfeleistung, ein Straftatbestand in der Bundesrepublik schon in Einzelfällen, nein, es ist viel mehr, es ist die Verhinderung von Hilfeleistung. Um sich die Dimension der Absurdität dieser todbringenden Haltung zu vergegenwärtigen ist ein Vergleich nötig: Es ist geradezu so
als würde ein Sanitäter bei einem Autounfall von anderen daran gehindert werden das Opfer zu versorgen weil sein Verbandszeug kein Markenartikel aus der Apotheke ist, sondern lediglich ein "No Name"-Produkt aus dem Supermarkt.
Der Umstand, daß sich die WTO-Delegierten dieser Situation bewußt sein müssen steht außer Frage, doch angeführt von der amerikanischen Lobby setzen sie den Wert des sogenannten "geistigen Eigentums" höher als das unzähliger Menschenleben.
Die Abkürzung WTO kann also getrost als Welt Todes Organisation gedeutet werden, darauf laufen deren Regeln des TRIPS hinaus.
Das Hauptgegenargument der Pharmaindustrie läuft auf folgendes aus: "Wir können ohne die hohen Lizenzgebühren keine Forschung finanzieren."
Was einerseits relativ einleuchtend klingt und andererseits nach Erpressung, wirft einige Fragen auf.
- Ist die Pharmaindustrie derzeit nicht die profitabelste Branche überhaupt?
- Warum ist diese Entwicklung so teuer und was wird entwickelt?
- Warum ist eine für Millionen Menschen überlebenswichtige Forschung in privater Hand und dient lediglich Profitinteressen?

Was vergessen wird zu sagen, ist, daß die Pharmaindustrie doppelt soviel Geld für Werbung wie für Forschung ausgibt. Darüberhinaus wird auch vergessen zu erwähnen, daß wichtige Arzneimittel wie AZT eines der Hauptmittel gegen AIDS ein Ergebnis staatlich finanzierter Forschung sind.
Die Profite amerikanischer Pharmaunternehmen betragen momentan das vierfache des Durschnitts im Vergelich zu den Top 500 aus der Liste von Fortune.-> Quelle
Eins der Hauptprobleme ist, daß Kranke in armen Ländern unprofitabel sind un nur ein Bruchteil der Forschungsgelder dafür aufgewendet wird einen für die Ärmsten bezahlbaren AIDS-Impfstoff zu finden. Lebensverlängernde Medikamente von denen AIDS-Patienten teilweise zig Tabletten pro Tag einnehmen müssen sind eine dauerhafte und äußerst lukrative Einnahmequelle für die Pharmakonzerne.-> Quelle
Ferner werden von den USA auch lieber Milliardenschwere Biowaffenprojekte finanziert statt der Forschung nach Impfstoffen.

Dabei sind besonders bei AIDS nicht wirklich die "ärmsten Länder" betroffen, sondern Studien zufolge die Rohstoffreichsten.
In den Regionen südlich der Sahara, wo sich Aids rasch ausbreitet, besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Verbreitung von HIV und der Art, wie die Menschen ihren Lebensunterhalt sichern. Am stärksten betroffen sind die Gebiete mit den meisten Bodenschätzen, wie vor allem Gold, Diamanten, Kobalt, Chrom, Eisen und Uran.Anders als häufig behauptet, ist Aids nicht in den ärmsten, sondern gerade in den reichsten Ländern am meisten verbreitet, genauer gesagt, in den weniger armen, die dank ihrer Rohstoffvorkommen erste Anzeichen eines wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts verzeichnen. ( Quelle)
Die Produktionsbedingungen die schlimmer sind als um 1900 verursachen eine überbordende Verbreitung von HIV-Infektionen. Arbeiter in der Rohstofförderung arbeiten meist weit weg von Familien und angestammten Umfeld und "nutzen" wiederum die Sexarbeiterinnen vor Ort. Diese übertragen massenhaft den AIDS-Virus.
So ist der Kampf gegen AIDS ein Kampf vor Allem gegen Ausbeutungsverhältnisse solcher Art. Auch die katastrophale Lage der Bildung verhindert großteils die bisher Wirkunsvollste Waffe gegen AIDS: Prävention.


Links

International:
PGA: Stop WTO | Education is not for Sale |Ärzte ohne Grenzen | Greenpeace (de)
Lokal:
Attac: Stoppt die WTO |GATS stoppen | Pharma-Kampagne |Biopiraterie
Berlin:
Fatal global?! |European Education Forum |WTOpoly
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Ergänzungen

es gibt nicht nur Google

nach Alternativen suchen 05.09.2003 - 00:38
mittlerweile gibt es ja schon das Verb "ich google", "gegoogled", aber das muss indymedia nicht auch noch weiterverbreiten. Es gibt eine Extra- AktivistInnensuchmaschine, wo die indymedia-Seiten zuerst erscheinen - probierts mal aus! Suche auf AktivistInnen- Webseiten:  http://search.resist.ca/search?q=stop+wto+cancun&ps=10&fm=off


Aktionen/Veranstaltungen in Berlin

Mr.X 05.09.2003 - 03:19
Ab dem 9.September sind weltweite Blockade-Tage angesetzt. Sogar im verschlafenen Berlin sind zahlreiche Aktionen geplant. In Leipzig mobilisieren derweil Kirchenvertreter und ehemalige DDR-Oppositionelle zur größten Demonstration seit der Wende. Thema: Hartz, Agenda2010, Sozialabbau - also Themen, die mit Cancun zusammenhängen.
Was in Berlin genau passiert, kann ich nicht sagen. Einfach kurzfristig auf Ansagen achten!

Im Mehringhof finden auf jeden Fall Informationsveranstaltungen zu Freihandel, Biopiraterie usw statt:

Anfang September finden WTO-Verhandlungen in Cancun statt. Weltweit gehen hunderttausende gegen die Politik der transnationalen Konzerne und der reichen Länder auf die Straße. Vor diesem Hintergrund erzählen wir mit Dias und anhand konkreter Beispiele von den Auswirkungen dieser zerstörerischen Politik und den Kämpfen dagegen. Stichworte sind genetische/natürliche Ressourcen und Biopiraterie, Freihandel und Plan Puebla Panama, Zapatisten und indigene Kämpfe um ihre Rechte.

Freitag, 12.9.03 Allgemeiner Überblick
Ökonomische und politische Rahmenbedingungen in Mexiko und Zentralamerika (NAFTA, ALCA, Plan Puebla Panamá)
Fragen und Diskussion

Chiapas/Südliches Mexiko

- Biodiversität und Biopiraterie in Chiapas
- Folgen für die traditionelle Maya-Medizin

Fragen und Diskussion
(2) Freitag, 19.9.03 Honduras
Kurzüberblick über die aktuellen ökonomischen und politischen Entwicklungen in Honduras mit Schwerpunkt auf der Situation von Indígenas, Garífunas und Campesinos

Widerstand und Repression: Der Kampf um natürliche Ressourcen und Land am Beispiel von Montaña Verde

Ausblick: Zentralamerikanische Treffen verschiedener NROs und Basisorganisationen zu biologischer und kultureller Diversität und zum Plan Puebla Panamá

Fragen und Diskussion
(3) Donnerstag, 25.9.03 Biologische Ressourcen und Widerstand am Beispiel der zapatistischen Bewegung
Kurzer Überblick über die Geschichte der ZapatistInnen
Aktuelle Situation der zapatistischen Bewegung
Zapatistische Autonomiebestrebungen und der Widerstand gegen Biopiraterie
Montes Azules - Kurzgeschichte und aktueller Stand

Fragen und Diskussion

Kurzüberblick Plan Puebla Panamá (Wiederholung aus Veranstaltung 1)
Film über die Autonomiebestrebungen der ZapatistInnen und deren Bedrohung durch den Plan Puebla Panamá

Fragen und Diskussion

mehr:  http://www.fdcl.org/aktivit/aktuell.htm

Über den Tisch gezogen

Dokumentation 06.09.2003 - 00:51
Die Agenda 21 hat sich zum wichtigsten Leitfaden für die Globalisierungskritiker entwickelt. von roland röder

Das gerade beendete Weltsozialforum (WSF) in Porto Alegre hat eine Vorgängerkonferenz, die dem Forum und den Diskussionen mancher Globalisierungskritiker näher steht, als es viele gerne zugeben: die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von 1992 in Rio de Janeiro.

Auf den ersten Blick mag dieser Eindruck täuschen. Während sich in Porto Alegre die Vertreter sozialer Bewegungen trafen, versammelten sich in Rio die Repräsentanten von Regierungen und zahlreichen NGO. Aber das in Rio verabschiedete Dokument Agenda 21 prägt bis heute mit dem zentralen Begriff der »Nachhaltigkeit« die globalisierungskritische Diskussion. Auch für den Umstand, dass ausgerechnet staatliche Institutionen zu Trägern der Veränderung und Umverteilung avancierten, ist dieses Dokument mitverantwortlich.

Während die Agenda diese Ziele klar benennt, sind sie bei den Globalisierungskritikern nicht immer direkt erkennbar. Die vielfältigen Appelle an staatliche Stellen mit der Bitte um eine keynesianische Umverteilungspolitik, wie sie bei Attac beliebt sind, sind jedoch keine Zufälle.

Seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von Rio haben sich, von vielen Linken unbeachtet, bis in die letzten Winkel der Republik Diskussionszirkel zur Agenda 21 gebildet. Für zahlreiche Umweltgruppen und Dritte-Welt-Organisationen gilt die Agenda als Leitfaden für eine ökologische und soziale Entwicklung im neuen Jahrhundert.

Verfasst wurde das Dokument im Wesentlichen von den Regierungen der wirtschaftlich führenden Staaten, der USA und Deutschlands. Im Zusammenhang mit dem dem zweiten Golfkrieg, der von der USA propagierten Neuen Weltordnung und dem von der Bundesrepublik betriebenen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung »unserer Rohstoffe« war die Agenda 21 ein Befriedungsangebot für die Vertreter der Zivilgesellschaft, um die Auswirkungen der Globalisierung abzufedern.

Während die internationale Politik immer häufiger mit offener Gewalt verbunden ist, geht es in der Agenda um freundliche Diskussionsrunden, in denen alle das Gleiche wollen. Eine Vorstellung, die auch auf der Nachfolgekonferenz in Johannesburg im vergangenem September gepflegt wurde.

Die große Resonanz ist umso erstaunlicher, wenn man sich näher mit dem Inhalt des Dokuments beschäftigt. So wird im Kapitel 22 beispielsweise die uneingeschränkte Nutzung der Atomenergie befürwortet und ein »sicherer und umweltverträglicher Umgang mit radioaktiven Abfällen« für möglich gehalten. Ähnliche Aussagen werden dort auch über die Nutzung der Gentechnologie getroffen.

Unverblümt wird in den nachfolgenden Kapiteln von der Überlegenheit des europäischen Entwicklungsmodells gegenüber den Gesellschaften in der so genannten Dritten Welt gesprochen. Die Fähigkeit indigener Gesellschaften »zur uneingeschränkten Mitwirkung an einem auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichteten Umgang mit ihrem Land« habe sich wegen historischer, ökonomischer und sozialer Faktoren »als begrenzt erwiesen«, heißt es im Kapitel 26.

Beim Lesen fühlt man sich in die Anfangszeit der entwicklungspolitischen Diskussion zurückversetzt. Die Industriestaaten zeigen den unfähigen Gesellschaften im Süden den (ökologisch) richtigen Weg und richten ihn auf die Bedürfnisse der reichen Länder aus. Eine kolonialistisch gefärbte Haltung, die längst überwunden schien, erlebt mit der Agenda eine neue Auflage. Das Dokument affimiert den vorherrschenden technologischen Entwicklungsweg und die bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Das europäische Entwicklungsmodell soll ein Vorbild für alle sein, lautet das Credo der Agenda.

Nach der Konferenz wurde die Abschlusserklärung sowohl von der internationalen Presse wie auch von den meisten renommierten Umweltorganisationen heftig kritisiert. Vor allem die Tatsache, dass die Regierungen der führenden Industriestaaten an der Formulierung beteiligt waren, weckte damals große Skepsis. »Die Bundesregierung spricht von einem Erfolg. Internationale Umweltverbände wie Greenpeace oder die Freunde der Erde aber beklagen, dass eine historische Chance verpasst worden sei, dass die Politik sich auf globaler Ebene dem Druck mächtiger Wirtschaftsinteressen gebeugt habe«, kommentierte damals die Frankfurter Rundschau.

Bereits wenige Jahre später änderte sich diese Wahrnehmung. Insbesondere die Grünen begannen, sich positiv auf das Dokument zu beziehen, mit etwas zeitlichem Abstand folgte die SPD. Und auch der Bund Umwelt und Naturschutz (Bund) vergaß seine anfängliche schroffe Kritik und entdeckte nur noch Gutes.

Gleichzeitig verlor die Umweltbewegung die Fähigkeit, die Öffentlichkeit für ihre Themen zu interessieren und Vorstellungen jenseits der Realpolitik zu formulieren. Ihre Politik institutionalisierte sich, während die sozialen Bewegungen an Bedeutung verloren. In den Kommunen wie auf Landesebene wurden nun »runde Tische« installiert und die enge Kooperation mit Parteien und Organisationen wurde angestrebt.

Wer nach weiteren Gründen für die positive Resonanz der Agenda sucht, sollte die zahlreichen Personalstellen und Haushaltsposten, die im Rahmen der Agenda-Prozesse geschaffen wurden, nicht vernachlässigen. Die Botschaft war nur allzu deutlich. Wer mitmacht, bekommt etwas vom Kuchen.

Wer heute eine öffentliche Förderung für ein Projekt beantragen will, kommt nicht umhin, Begriffe wie »Nachhaltigkeit« oder »Bürgerbeteiligung« zu verwenden. Und wenn es mal nicht zum Geldsegen reicht, dann gibt es zumindest öffentliche Anerkennung im medialen Diskurs der Zivilgesellschaft. Gemäß der Agenda reicht es aus, sich mit Industrievertretern an einen runden Tisch zu setzen und mit Argumenten zu überzeugen.

Dabei weiß jeder Gewerkschafter, dass sich kein Unternehmer durch gute Worte beeindrucken lässt, sondern nur von der Bereitschaft, notfalls auch zu streiken. Ebenso wenig wird es einen realen oder gar »nachhaltigen« Ausstieg aus der Atomenergie geben, der durch bloßes Zureden oder im Konsens erfolgt.

Und auch der häufige Verweis von Befürwortern der Agenda, es komme nicht darauf an, was in dem Dokument stehe, sondern was daraus gemacht werde, ist nicht sehr schlüssig. Wer sich in einem lokalen Arbeitskreis engagiert, kann sicherlich an sinnvollen Projekten beteiligt sein. Doch gleichzeitig wirbt man damit auch für eine Agenda, die auf einem affirmativen Verhältnis zur bestehenden Herrschaft beruht, und übernimmt deren analytische Kategorien von Staat, Ökonomie und (Zivil-) Gesellschaft.

Die Agenda 21 ist ein aktuelles Beispiel dafür, wie moderne Herrschaft im 21. Jahrhundert funktioniert. Die von den Regierungsapparaten formulierten politischen Inhalte und Begriffe werden von den NGO aufgenommen und anschließend mit Unterschriftensammlungen, runden Tischen und Appellen populär gemacht. Mit einer grundlegenden ökologischen oder gar sozialen Umorientierung hat die Agenda so viel zu tun wie die Nato mit einer friedlichen Politik. Sie ist eine mit viel Geld finanzierte Konsensmaschinerie, die mit dem Anschein von Bürgerbeteiligung soziale Proteste integriert und damit zur Modernisierung des bestehenden Verteilungsmodells von gesellschaftlichem Reichtum beiträgt. Ein Hamsterrad für (Nicht-) Regierungsorganisationen.

Die Agenda 21 hat die aktuellen Diskussionen zur Globalisierung stark beeinflusst und mit ihrer Ideologie des Konsenses und Mitmachens bei gleichzeitigem Erhalt des Bestehenden vielen Globalisierungskritikern näher, als es häufig wahrgenommen wird. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Ideologie der Agenda 21 auch zur politischen Sozialisation vieler der heute aktiven Globalisierungsgegner beigetragen hat.

Die Aktivisten in den Agenda-Arbeitskreisen wirken zwar im Vergleich zu Globalisierungskritikern in ihrer Wortwahl und in ihrem Auftreten meist etwas bieder. Doch auch wenn in diesen Kreisen keine Fahnen geschwenkt werden, gibt es doch viele Gemeinsamkeiten.

Während die Agenda 21 den ökonomischen Status quo beibehalten will, nur eben ökologisch und sozial abgefedert, möchten viele Globalisierungsgegner zu einer keynesianistischen Verteilungspolitik zurück. Beide blenden Herrschaftsverhältnisse aus und sehen die USA als Hindernis gegen eine mögliche Weltordnung des »Guten«. Mit utopischem Denken im Sinne einer sozialen Umgestaltung hat das so viel zu tun wie das Programm einer beliebigen Bundestagspartei oder das Konsenspapier, das der Deutsche Gewerkschaftsbund und Attac entworfen haben.

Dass die Delegierten auf dem Attac-Kongress Anfang Januar dieses Papier zwar ablehnten, gleichzeitig aber den einmal vereinbarten Konsens nicht mehr zurückweisen wollten, ist eine beeindruckende geistige Leistung und zeugt vom selbst produzierten Anpassungsdruck. Im Vergleich dazu erscheint in gewisser Weise sogar die Agenda 21 noch sympathisch. Ein nachhaltiges »Weitermachen wie bisher« wird darin wenigstens ohne den verbalradikalen Gestus vieler Globalisierungsgegner propagiert, die doch nur das Gleiche wollen.

Der Autor ist Mitarbeiter der Aktion 3. Welt Saar ( a3wsaar@t-online.de), die auch im Bundeskoordination Internationalismus (Buko) mitarbeitet.

kongresse

nico 12.09.2003 - 00:01
ich finde es gut, dass es diese kongresse überhaupt gibt. der dgb und die stiftungen schreiben zwar ihren namen hin und geben etwas geld aber es ist sache von uns wie ein solcher kongress aussieht und nicht der "geldgeber".
Wenn du so Kritik an den Kongressen übst frag ich mich, ob du selber nicht mal versuchen solltest daran etwas zu ändern ? Ein Forum um sich einzubringen in der orga ist ja immer gegeben.
Klar suchen wir helfer für solche sachen, warum nicht ? Wer will denn auf einem kongress einen bezalten typen der die tickets abreißt und kein plan von irgendwas hat und froh ist wenn er feierabend hat ?!

hmm naja jedem seine Menung meine ist halt anders

WTO Quiz: Last Minute FLug nach Cancun gewinn

zapata 12.09.2003 - 18:10
SEATTLE und RiotAir bieten heute einen LAST MINUTE FLUG nach CANCUN!
Als spezielles Bonus von unserem Partner, der Bloco Negro de Cancun, dürfen wir hier auch 2 Eintrittskarten zu den WTO Verhandlungen anbieten!


* den pdf ausdrucken und selber mitmachen!!
* eine Aktions-tool!!


(ps: sucht indymedia.de und .org, da man hier keine anhänge hochladen kann :-(

WTO-Scheisze und Chile

andreas heiszke 12.09.2003 - 21:27
SAMSTAG, 13. September 2003
ZUM LETZTEN MAL VERANSTALTUNGEN DER
SAARLAENDISCHE LATEINAMERIKANISCHEB TAGE

im Rahmen von WTO-Scheisze und Chile (ZUSAMMENHAENGE)

Lula in der Zwickmuele

Die Wahl Luis Ignazio Da Silva -Lula, eines Gewerkschafters der PT (Arbeiterpartei) zum Präsidenten, hat in großen Teilen der Bevölkerung die Hoffnung auf ein Wechsel der Politik geweckt. Sein "Fame Zero" (Nullhunger-Programm) hat gerade die Armen auf eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage hoffen lassen. Fuer die Mehrheit der Bevölkerung hat sich jedoch seit seinem Amtsantritt nichts geaendert.
Der Jurist Xerxe Guzmao aus Brasilien wird eine kritische Bilanz der bisherigen Regierungspolitik ziehen und moegliche Perspektiven analysieren.
Sparmarkt -Foersterstr.23
66111 Saarbruecken
Sa 13.09. Zeit:16.00h

Bolivien

Soziale Unruhen in dem Andenstaat

Die US Regierung drängt darauf, die Koka Plantagen zu vernichten, was den Bauern dort ihre Lebensgrundlage beraubt. Da in Bolivien viele Menschen von Koka Anbau leben und auch keine Chance sehen, ihren Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen, hat dies den Anstosz zu Massenprotesten gegeben. Diese Protestbewegung hat sich auf die Staatsangestellten und Arbeiter ausgeweitet. Die Regierung antwortete mit Repression, musste jedoch im Endeffekt die verhaengten Masznahmen zurueckziehen.
Der Bolivianer Ramiro Medina wird einen kurzen Abriss der Ereignisse praesentieren.
Sparmarkt -Försterstr.23
66111 Saarbrücken
Sa 13.09 Zeit:18.00h

Lateinamerika

Zur Lage der Frau in Lateinamerika

Die lateinamerikanische Frau ist immer mehrfach belastet, weil sie einerseits unter der Ausbeutung durch das wirtschaftliche System leidet und andererseits durch die soziale Unterdrueckung, die durch den "machismo " entsteht, ausgegrenzt wird. Diese Problematik betrifft allerdings nicht alle Frauen gleichermaszen. Abhaengig von ihrer finanziellen und sozialen Situation, sehen sie sich auszer mit der Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt und der geschlechtsspezifischen Diskriminierung, auch noch mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert.
Die Referentin wird diese komplexe Problemstellung erlaeutern und zeigen welche Probleme sich daraus fuer die Frauen im Alltag ergeben.
Sparmarkt -Foersterstr.23
66111 Saarbruecken
Sa 13.09. Zeit:20.00h
Im Anschluss: Konzert mit DUO AMBIENTE

einen würdigen Partner gefunden

one 15.09.2003 - 22:01
Es ist ja immer äusserst interessant auch zu erfahren was die "anderen" so schreiben und denken ... und vor allem wissen.


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Es scheint, als hätten die Industriestaaten bei der Tagung der Welthandelsorganisation (WTO) einen würdigen Partner gefunden. Eine Koalition aus mehr als 20 größeren Entwicklungs- und Schwellenländern artikuliert im mexikanischen Cancún seit Tagen...
schreibt zB die
Financial Times Deutschland - Politik (15-09-2003 - 17:03 Uhr)
Leitartikel: Showdown in Cancún


Netzeitung - Politik (15-09-2003 - 07:24 Uhr)
Welthandelskonferenz in Cancun an Streit um Agrarsubventionen gescheitert
Der WTO-Gipfel in Cancun ist ohne Ergebnis zuende gegangen. Globalisierungskritiker und Entwicklungsländer feierten das Scheitern, die Industrienationen warnten vor den Konsequenzen. Bundeswirtschaftsminister Clement sprach von einer «vertanen...

Spiegel - Wirtschaft (15-09-2003)
GESCHEITERTE CANCUN-KONFERENZ: "Die WTO ist auf der Intensivstation"
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement bedauert den Abbruch der WTO-Ministerkonferenz in Mexiko. Die Chance, ein deutliches Signal aus Cancun zu senden, sei vertan. Eine nächste Konferenz mache "nur Sinn, wenn wir dann ein wenig ideologie-,...

TAZ - Lokales (14-09-2003 - 21:38 Uhr)
CANCÚN: DIE GLOBALISIERUNGSKRITIKER ORIENTIEREN SICH NEU Nach dem Gipfelsturm
Nur ein paar tausend Globalisierungskritiker haben den Weg nach Cancún gefunden. Ist das Zeichen für einen Niedergang der Bewegung? Eher nicht. Die Demo-Abstinenz hat zum einen praktische Gründe: Cancún liegt weit weg von Metropolen auf einer...


TAZ - Lokales (14-09-2003 - 21:38 Uhr)
CANCÚN: DIE GLOBALISIERUNGSKRITIKER ORIENTIEREN SICH NEU Nach dem Gipfelsturm
Nur ein paar tausend Globalisierungskritiker haben den Weg nach Cancún gefunden. Ist das Zeichen für einen Niedergang der Bewegung? Eher nicht. Die Demo-Abstinenz hat zum einen praktische Gründe: Cancún liegt weit weg von Metropolen auf einer...

TAZ - Lokales (14-09-2003 - 21:38 Uhr)
Cancún ist weit, sehr weit weg
Eigentlich sind die Regeln nicht schwer, fast jeder kennt sie: Der Spieler erhält Startkapital, es wird reihum gewürfelt, und wer über Los zieht, bekommt 4.000 Moneten. Nur heißt der Gewinn bei dieser Variante "Ausbeutungsgewinn". Und die Spieler,...

Financial Times Deutschland - Politik (15-09-2003 - 20:22 Uhr)
Leitartikel: WTO - Nicht zurück auf null
Mit Freudengeheul haben einige Globalisierungsgegner auf die Nachricht vom Scheitern der WTO-Konferenz im mexikanischen Cancún reagiert. Wer freien Handel aus Prinzip für schädlich hält, den mag das unrühmliche Ende des Treffens der Vertreter von...

Financial Times Deutschland - Politik (15-09-2003 - 20:11 Uhr)
Luis Ernesto Derbez: Stolzer Neoliberaler ohne Geduld
Die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) im mexikanischen Cancún ist an den Widersprüchen zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen gescheitert. Einige Stimmen geben auch dem Gastgeber und Vorsitzenden die Schuld: Mexikos...

Financial Times Deutschland - Politik (15-09-2003 - 15:21 Uhr)
Schröder dringt auf Wiederaufnahme der WTO-Verhandlungen
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich nach dem Scheitern der WTO-Verhandlungen von Cancún für eine schnelle Wiederaufnahme der Gespräche ausgesprochen. Die deutschen Wirtschaftsverbände reagierten enttäuscht auf das Ergebnis.

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Wirtschaft (15-09-2003)
Aufstand der Entwicklungsländer
Der Jubel war groß, als die Nachricht sich im Foyer des Tagungszentrums der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún verbreitete. Delegierte aus Kenia, umringt von Dutzenden Journalisten, wurden nicht müde zu wiederholen: „Die Konferenz ist zu Ende“....

Stoppt AZT-Propaganda!

Der Nikolaus 16.09.2003 - 03:40
So sieht der übliche Pharmalobbyismus aus, wenn der im philanthropischen und pharmakritischen Gewand daherkommt! Gifte wie AZT, die Patienten zwar nicht helfen, aber sie schleichend umbringen, als "Hauptmittel" gegen AIDS zu propagieren, das bringt die Marketingabteilung der Herstellerfirma GlaxoSmithKline auch nicht besser zustande. Bloß, daß die Antiglobalisierungs-Gutmenschen sich noch besonders kritisch vorkommen, wenn sie diesen Giftmüll zu Dumpingpreisen in den armen Ländern ausschütten möchten! Wo dann entweder die Generika-Konkurrenz ihren Reibach macht, oder der Weg zur Preissenkung - und damit profitablen Marktausweitung - durch GlaxoSmithKline, Boehringer Ingelheim & Co. geebnet wird, untermauert durch horrende Phantasiezahlen über zu erwartende AIDS-Fälle in Ländern, in denen die Menschen real ganz andere Probleme haben.
Info-Empfehlung
 http://www.rethinkingaids.de/

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