Utopie-Camp: Verbot aufgehoben!!! (+Berichte)

AbwehrspielerIn der Ordnung 29.08.2003 17:50 Themen: Soziale Kämpfe
Seit zwei Stunden ist das Verbot des UtopieCamps in Giessen durch das Verwaltungsgericht Giessen aufgehoben!!! Die „erlaubte Phase“ beginnt in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 0 Uhr!!! Drei Tage gibt es dann Umsonstladen, Umsonst-Frisörladen, Umsonstessen, Musik und mehr (siehe Presseinfo am Ende dieses Textes). Jetzt wäre es schön, wenn noch viele kommen!!! Auch der Tag morgen ist gut angefüllt mit Ideen – vom Umsonstladen im ALI-Cafe bis zu direkten Aktionen, denn die ParteisoldatInnen sind wieder mit ihren Ständen in der Stadt ...
Die vergangenen Tage ware mit vielen Aktionen ausgefüllt – mal war es bunt und schön, mal sorgte der autoritäre Staat für Streß. Immer aber trafen die herrschaftsförmige Realität und die Utopie eines anderen Gießen aufeinander. Im folgenden eine kleine Chronologie, zusammengesetzt aus den persönlichen Eindrücken der Beteiligten.
27.08.03
Utopie-Pavillon „unterwegs“ und weg!
Am Mittwoch, also am 2. Tag des Utopiecamps, wurde trotz aller Verbote am Eingang der Fußgängerzone ein Pavillon hingestellt, in dem der Direct Action Workshop statt fand. Nachdem dieser vorbei war und sich nur noch wenige Personen im Pavillon befanden kamen flux Ordnungsbeamte, um uns nochmals darüber zu informieren, daß es ohne entsprechende Sonderbenutzungsgenehmigung verboten sei, einen Pavillon aufzubauen, so daß wir jetzt 15 Minuten Zeit hätten, bevor wir geräumt würden, die Personailien festgestellt sowie Anzeige erstattet würde. Um dieser Aufforderung Folge zu leisten und nicht weiter an diesem Ort zu werweilen wanderten alle mit Pavillon weiter in die Fußgängerzone hinein zu einem zentralen Platz („drei Schwätzer“). Langsam vergrößerte sich die Anzahl der Leute auch wieder, zudem kam es zu Diskussionen mit Bürgis, die teils ablehnend, teilweise aber auch zustimmend reagierten. Doch schon bald besuchten uns wieder die Wachtmeister, die bei Nichtabbau wieder mit Beschlagnahmung und Anzeigen drohten. Da die Aufforderungen und die inzwischen auch sehr zahlreich gewordenen Beamten (2 Wannen, 2 Streifenwagen und ein Motorrad) ignoriert wurden und diese ja immer im Mittelpunkt stehen müssen, wurde begonnen, von allen Beteiligten die Personalien festzustellen (auch von zufällig dabeistehenden Menschen). Unter dem Jubel und Beifall der Aktivistinnen wurde von einigen Beamten der Pavillon abgebaut und sichergestellt. Außerdem wurden noch zwei Menschen mitgenommen, um deren Personalien festzustellen. Ein überraschend großer Teil der Passanten schimpfte auf die Polizei und die Sinnlosigkeit dieser Aktion, immerhin wurde auf das Ausstellen von Platzverweisen für den Innenstadtbereich verzichtet.
Bilder vom Pavillon und Räumung siehe 1. Fotocollage.
Nett verziert wurden die Figuren der „Drei Schwätzer“ (siehe 2. Fotocollage).

Umsonstessen in Gießens Fußgängerzone
Ein Element des von der Stadt Gießen verbotenen Utopiecamps war das Umsonstessen. Da die Stadt Giessen es untersagt hatte, das Camp auf dem Kirchplatz aufzuschlagen, wurde das Essen auf dem Gelände der FH (Fachhochschule Gießen-Friedberg) zubereitet und anschließend zum Kirchplatz transportiert. Das Essen bestand ausschließlich aus containerten oder gepflückten Lebensmitteln. Es gab ein 3-Gänge-Menü, welches aus einem Salat, einer Gemüsesuppe und einem Obstsalat bestand, alle drei Gänge waren vegan. Für Vegetarier gab es auch noch Käse, aber das Essen schmeckte auch ohne selbigen vorzüglich. Als wir das Menü am Kirchplatz platzierten blieben wir („Oh Wunder!“) von der anwesenden Polizei (eine Wanne und ein Streifenwagen) unbehelligt. Alle Passanten wurden herzlich dazu eingeladen an dem Umsonst Essen teilzuhaben. Meistens kamen nur skeptische Blicke zurück, manche aber interessierten sich sehr dafür, was wir dort machen würden und welche Hintergründe das habe. Einige (vor allem Obdachlose) aßen auch einen oder 2 Teller mit. In einer stets größer werdenden Runde kam es zu einigen teils politischen Gesprächen & Diskussionen und als sich noch ein Straßenmusiker dazu gesellte, war die Atmosphäre perfekt. Die Polizei beobachtete den Vorgang mit einigem Argwohn. Mit „Freude“ begrüßt wurde das bei der Wachablösung auftauchende Polizeiaufgebot, welches aus 2 Wannen und 2 Streifenwagen bestand. Alles in allem war die eine sehr gelungene Aktion, die gezeigt hat wie das Leben in Giessen auch aussehen könnte.

Polizeischikane in Gießen geht weiter
Am 28.8 gegen 23.30 Uhr bewegten sich drei Aktivisten des Utopiecamps den Anlagenring hinunter in Richtung Berliner Platz. Nachdem diese kaum 200 Meter vom Camp entfernt für ein paar Minuten stehen geblieben waren, war es auch schon so weit: Das erste Zivilfahrzeug hielt mit einer spektakulären (? möglichst einschüchternden ?) Vollbremsung nach einer Fahrt gegen die Fahrbahnrichtung vor den verdutzten „Terroristen“ an. Diesen wurde sofort klargemacht, dass es sich hierbei um eine Personenkontrolle handele. Als Begründung wurden die in den letzten Nächten von Unbekannten verschönerten Wahlplakate angegeben.
Also ging man das ganze Procedere durch: Personalienfeststellung, Durchsuchung, begleitet von einem pseudo-autoritären Gehabe der Polizisten, die mittlerweile mit drei weiteren Zivilfahrzeugen und zwei Gefangenentransportern angerückt waren.
Währenddessen kamen bei den „potenziellen Straftätern“ die ersten Theaterszenen mit unterschwelliger Kritik am Verhalten der Polizisten auf. Die Zahl der Interessierten aus dem Camp nahm gleichzeitig auch zu, so dass die Polizei weitere Fahrzeuge und den Einsatzleiter für diese Nacht kommen lassen „musste“. Dies hatte zwar den Effekt, dass die Aktion öffentlichkeitswirksam wurde, allerdings nicht zum Vorteil der Schikanierten: Wer mit dem Auto vorbeifuhr, sah nur Blaulicht und ein paar Personen. Kurzzeitig waren zwar auch Transparente zu sehen, die die aus dem Camp Nachkommenden mitgebracht hatten; diese wurden aber (wahrscheinlich zur Revierverschönerung) beschlagnahmt.
Kurze Zeit später wurden bei einer kontrollierten Person Spuckis gefunden, welche zwar noch nie auf Wahlplakaten zu finden gewesen waren, aber trotzdem beschlagnahmt wurden. Als das Sahnehäubchen einer jeden Personenkontrolle in Gießen wurde allen Anwesenden noch ein Platzverweis für den Anlagenring im Bereich vom Berliner Platz bis zum Amtsgericht erteilt. Letzter Kommentar des Einsatzleiters: „In fünf Minuten fährt hier die nächste Streife vorbei. Wer dann noch da ist, wird mitgenommen!“ Als Begründung für den Platzverweis mussten wieder mal beschädigte Plakate und „Schmierereien“ herhalten.
Was die wahre Begründung dafür war, ist allgemein bekannt: Wer politisch anders denkt als die Herrschenden, darf sich nicht frei bewegen ...

Wahlplakate verschönert
Wer von einer späten Party zurück kehrte, konnte sich Mittwoch Nacht an zahlreichen veränderten Wahlplakaten erfreuen, u.a. auf Süd- und Ostanlage. PassantInnen berichten von Totenköpfen, „Arschgesichtern“ und unterschiedlichen Antiwahl-Sprüchen („Freiheit ist nicht wählbar“, „Selbstbestimmung statt StadtParlamenten“) und Detailveränderungen, welche sich auf die Stadtpolitik oder Handlungen der KandidatInnen bezogen. Der leere Slogan der Schläger-Grünen Angela Gülle „Stimmt für Gießen“ wurde in „Prügeln für Gießen“ verändert, CDU-Haumann's „Gießen bewegt sich“ in „Gießen schlägt sich“. Allerdings konnte sich bereits am nächsten Tag keineR mehr an den umgestalteten Plakaten erfreuen – die Parteien hatten alles neu plakatiert ... gibt es möglicherweise eine Art parteiübergreifende KleberInnengemeinschaft? In den Tagen und Wochen zuvor sind in subversiver Tradition inzwischen einige hundert Wahlplakate in Gießen und umliegenden Städten verschönert worden ( http://www.wahlquark.de.vu, siehe auch 3. Fotocollage).


28.08.03
Kontrolle! (ein persönlicher Berich)
3 Personalienkontrollen in 3 Tagen inkl. 2 Platzverweisen ohne ersichtlichen Grund und Begründung mußte ich in Gießen bis jetzt ertragen ...
„Herzlich Willkommen in Gießen!“ steht auf einem Schild am Ortseingang von Gießen. Wie dieses Willkommen gemeint war, habe ich wie folgt erfahren.
Kaum eine Stunde in der Stadt, wurde ich von 4 Uniformierten freundlich um meine Personalien gebeten. Dazu gab ich Ihnen meinen Paß und mündlich meine Meldeadresse. Nachdem auch das Kennzeichen meines Motorrades von Ihnen notiert wurde, durfte ich meine Weg in die Stadt fortsetzen. Diese Szene ähnelte sehr dem Anfang von Rambo I.
Einen Tag später hatte ich erneut das Vergnügen, in eine große Polizeikontrolle in der Fußgängerzone zu geraten. Wieder bekam ich Herzliches Willkommen und durfte nach so langer Zeit wieder meine Personalien zum Besten geben.
Nun dachte ich, die Helfershelfer würde mich kennen. Da lag ich falsch. Heute, am 28.8., wurde ich wieder Objekt einer polizeilichen Maßnahme genannte Personalienkontrolle. Diesmal interessierten sie sich allerdings nicht nur für meine Personalien, sondern auch für den Inhalt meines Rucksackes. Dazu sollte ich sogar noch meine Mund halten während dieser Maßnahme. Auch den Verweis auf mein verfassungsmäßig verbriefte Recht der Meinungsäußerung wollte der Rechtsstaatsverteidiger nicht gelten lassen. Das hielt mich allerdings nicht ab, mein Recht wahrzunehmen.
Die beiden letzten Kontrollen waren mit einer herzlichen Aufforderung verbunden, den Platz zu verlassen - sprich Platzverweis.
Ihr seid alle Herzlich Willkommen in Gießen. Das verbotene Utopiecamp findet noch bis zum 4.9. statt.
Bruno


Umsonstladen
Umsonstladen trotz Räumungsandrohung „durchgesetzt“ - Stadtorberen wollten Verbot
Skurile Umzüge und umherwandernde Pavillons gehören irgendwie zum Utopiecamp dazu (Nachtausflug am Dienstag und Beschlagnahme eines Pavillons am Mittwoch). Am Donnerstag nutzen einige Leute eine eh angemeldete Demo (ca. 10 verschiedene Demos waren im Vorfeld angemeldet worden, um legale Plattformen zu haben), um vom Zeltplatz auf dem Anlagenring in die Innenstadt zu latschen. Während am Marktplatz der Umsonstladen (Infos zum Konzept:  http://www.alltagsalternative.de.vu und  http://www.umsonstladen.info) aufgebaut wurde, behaupteten sofort auftauchende Polizisten (waren nur Typen), dass uns die Sondernutzungsgenehmigung fehle und das Straßenverkehrsamt dafür zuständig sei. Am Tag zuvor hatte eine Aktivistin vom Ordnungsamt mündlich die Zusage bekommen, dass es wohl keine Probleme mit dem Infostand und Umsonstladen gäbe. Ein paar Leute besuchten mit Polizisten diese Behörde. Trotz angedrohter Räumung wurde der Umsonstladen weiter aufgebaut – mit Kreide wurden auf dem Vorplatz Sprüche gemalt, welche die Situation thematisierten. Zusammen mit der Polizeipräsenz entstand so einige Aufmerksamkeit ... viele Leute blieben stehen, es entwickelten sich Diskussionen über den Sinn des Polizeieinsatzes, das Verbot des Utopiecamps, Eigentumslogik usw. Interessant war das, was die zurückkehrenden Menschen vom Gespräch mit dem Straßenverkehrsamt erzählten: Bis heute morgen hätte alles gut ausgesehen – durch die Blume wurde angedeutet, dass es eine Intervention der Stadtoberen gab, die den Umsonstladen verboten wissen wollten. Daran definitiv beteiligt sein soll Magistratsmitglied Rausch. Vor dem Umsonstladen wurde daraufhin eine Spontankundgebung abgehalten, bei der neben dem Umsonstladen-Verbot auch auf den allgemeinen Trend zu autoritärer, neoliberaler Stadtpolitik hingewiesen wurde. Ein Mensch aus dem Obdachlosen- und BerberInnen-Umfeld berichtete über die fortschreitende Ausgrenzung von Randgruppen, die nicht der Vision eines klinisch reinen Gießens passen. Beispiele: So wurden an diesem Tag Obdachlose vom Ufer der Lahn vertrieben – ein anderer Treffpunkt wurde mit Gittern umstellt und so der öffentlichen Nutzung entzogen. Während des gesamten Zeitraums entstanden immer wieder Debatten mit neugierigen bis kritischen oder ablehnenden PassantInnen, die z.B. mehr über den Umsonstladen oder die Ideen herrschaftsfreien Lebens wissen wollten. Insgesamt scheinen die absurde Polizeipräsenz und die durchgeknallten Aktionen der OrdnungshüterInnen doch bei einigen BürgerInnen Zweifel an deren Sinnhaftigkeit zu wecken und den UtopiecamperInnen manche Sympathie einzuheimsen ... tja, was wären „wir“ ohne die Polizei. (Beispiel für abstruses Vorgehen gegen Umsonstladen-Aktive aus der Vergangenheit:  http://www.projektwerkstatt.de/gav/texte/pm120703.html.
Fotos:
Die 4. Foto-Collage zeigt den zweiten Utopie-Pavillon (der erste war ja schon beschlagnahmt) auf dem Weg in die Innenstadt. Schon diese Umzüge boten ein nettes Bild – meist mitten auf größeren Straßen.
5. Fotocollage oben: Bullen bedrängen den Umsonstladen.
6. Fotocollage: Nach der Duldung ... mehrere nette Stunden mit Musik, Umsonstladen, Umsonst-Frisör, Info- und Büchertisch usw.


Polit-Presse-Polizei-Filz am Abend: Meisterprüfung?
Am Abend des 28.8. fand im “Kultur-Cafe” der Karstadt AG (Gießens fettestes Kaufhaus mit Anspruch, die Innenstadt auch kulturell prägen zu wollen) eine Veranstaltung der Gießener Allgemeinen mit den vier OberbürgermeisterkandidatInnen statt. Wie erwartet war das Karstadt umfassend und rundherum von Polizeieinheiten gesichert (also die typische Konstellation: Politik, Polizei, Presse und Wirtschaft Hand in Hand). Notgedrungen gab es zwei Aktionen: Die drinnen, von den wenigen Menschen, die reinkamen. Und die draußen, von denen, die alle gar nicht reingelassen wurden.

Drinnen
Einige AktivistInnen sind, weil mehr dem äußerlichen Klischee der bürgerlichen Elite entsprechend, reingekommen. Sie hatten eine Theaterszene entwickelt und geübt. Doch das erwies sich zunächst als unmöglich. Denn im Saal herrschte moderne Herrschaft. Alles war locker, eine Talkshow mehr. Eine übermächtige Mikrophonanlage prägte alles. Das Publikum war eher wie die Gäste im Theater. Es war gar nicht vorgesehen, daß sie direkt Fragen stellen konnten. Wer etwas einwerfen wollte, durfte eine Karte schreiben – und daraus wurde dann von den Chefs des Abends (Allgemeine-Redakteure wie Law-and-Order-Populist Tamme und Bildungselite-Typ Möller) am Ende der Veranstaltung ausgewählt, was benannt wurde. Die Laberrunden der PolitikerInnen wurden durch „witzige“ Fragen der Marke „Wie lang ist das Kanalnetz, Frau Gülle?“ eingeleitet.
Ein Aktivist versuchte, das Theater zu beginnen, aber er war nicht zu verstehen und ging. Blieben noch vier. Sie störten mit lauten Zwischenrufen, deplatziertem Klatschen, Überidentifikation usw. Die Anwesenden schienen die Aktion nicht zu verstehen, außer einem barschem Verweis des Veranstalters, sich die Fragen für den Schluss aufzuheben, blieben die Aktivistis unbehelligt. Als der derzeitige OB auf diejenigen einging, die „sich in der sozialen Hängematte ausruhen“ wurde das zum Anlass genommen, aufzustehen und laut vernehmlich gegen Herrschaft und für Selbstbestimmung zu sprechen. Der Aufstand wurde von spontanem Beifall der Umsitzenden bedacht, allerdings ist nicht ganz klar, ob aus Begeisterung oder in Übernahme der Störungsstrategie, indem man die Aktivistis niederklatschen wollte. Dem OB fiel nach einer Weile nichts mehr ein, mit dem er die Campis hätte überstimmen können. Ein junger Mann Typ „Junge Union“ versuchte, den Auszug durch Beinstellen zu verhindern, geistreicheres fiel ihm aber nicht ein. Kurz vor dem Ausgang musste der Veranstalter dann doch noch mal beweisen, wer hier „Herr im Hause“ war und packte die Störerinnen, die sich sowieso schon zum Ausgang bewegten. Die Kaufhaus-Türsteher befanden weitere Repressionsmaßnahmen für überflüssig.

Draußen
Etlichen Personen wurde von vorneherein der Zutritt verweigert. Begründungen wurden nicht genannt. Wie wir beobachten konnten, wurde nach Aussehen gehandelt, denn es kamen auch Menschen rein, die zu den PolitaktivistInnen gehörten (siehe “Drinnen”), aber dem bürgerlichen Ordentlichkeitsklischee entsprachen. Ebenso wurden andere Personen, die nix mit Politgruppen zu tun hatten bzw. uns gänzlich unbekannt waren, nicht hereingelassen, wenn sie nicht entsprechen wie Reiche bzw. Eliten aussahen.
Die erste Phase bezog sich auf das Nichtreingelassenwerden – Gespräche in der Tür, vor der Tür. Anwesend ein Vertreter der Gießener Allgemeinen, der immer bestätigte, dass die Ausgrenzungen gewollt seien. Zudem mehrere Securities von Karstadt sowie eine Handvoll BereitschaftspolizistInnen (später abgelöst durch Polizisten aus der Polizeistation Marburg – inzwischen wird das immer internationaler von den Bullentruppen in Gießen). Bemerkenswert waren zwei Vorgänge. Zum einen ist es ein Unterschied zur Zeit vor 15 oder 20 Jahren. Dort wären auch alle politischen Spektren durchgelassen und bestimmte zu “Randgruppen” Gemachten nicht reingelassen worden. Aber es wäre wahrscheinlich gewesen, daß sich einige, die reinkamen, beschwert hätten über die Ausgrenzungen, für ein Durchlassen aller plädiert hätten usw. Sie hätten sich nicht widerständig verhalten und wären nach erfolglosem Protest reingegangen ohne die draußen. Doch ist der Unterschied zu heute signifikant. Ob Grüne, sozialdemokratische SPDlerInnen oder PDS-Leute ... niemand mehr protestierte, alle bugsierten sich aalglatt durch den Eingang.
Das zweite war ein schöner Vorgang, wie Elite funktioniert. Elite ist eine amorphe, d.h. in sich nicht klar strukturierte Schicht in der Gesellschaft. Sie ist durchlässig in beide Richtungen (in Gießen gehört z.B. ein ziemlich widerlicher, aber wichtiger Immobilienspekulant nicht zu Eliten, weil alle dort ihn hassen). Jedenfalls gehörte einer derer, die nicht reingelassen wurden, zu dem bildungsbürgerlichen Elitezirkel in Gießen, wo auch einige bürgerlich-liberale Redakteure (z.B. Burkhard Möller, der am Abend die Talk-Show leitete, oder der widerständige Gruppen hassende FR-Redakteur von Gießen, Georg Kronenberg), die Grüne Schlägerin Gülle, einige leitende VerwaltungsbeamtInnen in Gießen usw. zugehören. Der rief im Saal seine Leute an und wenig später ging unten die Tür auf: “Herr ..., bitte” und er wurde reingelassen. Die anderen blieben natürlich draußen – sogar Leute aus “seiner” politischen Gruppe. That´s Elite!
Am Ende der Veranstaltung hängten die Ausgrenzten und einige, die von Drinnen schon rausgekommen waren, gegenüber vom Ausgang das Transpi “Politik, Presse, Polizei: Machtfilz in Gießen” auf, verteilten die Anti-Wahlzeitung “Macht Nix!” und sprachen alle Herauskommenden an mit Sätzen wie “Herzlich willkommen außerhalb der manipulativen Zone. Bitte schalten Sie Ihr Gehirn jetzt wieder an!”. Viele Reaktionen waren nett bzw. die Menschen lachten. Viele nahmen die Zeitung mit. Offenbar mit der Nähe zu bestimmten Parteien änderte sich das, jedenfalls fiel auf, daß Menschen, die wir als aktive ParteiarbeiterInnen und –funktionärInnen kannten, aggressiver reagierten. Höhepunkt ein Nachwuchs-Grünenfunktionär (der auch sonst mehr Partei als helle ist). Er hielt einem den Mittelfinger ins Gesicht und preßte wütend heraus “Fick Dich!” Wir waren beeindruckt ...
Unsere Lieblingsobjekte, “Law-and-Order-statt-Lust-und-Laune”-Haumann und Schläger-Gülle, der Gießener-Allgemeine-Law-and-Order-Populist Guido Tamme und andere kamen aber nicht, sie wurden über einen Seitenausgang herausgelotst.

2x 2Festnahmen: Tatort Gießen, Ostanlage; gegen 22 Uhr
Nach langem rumsitzen und endlosem angähnen(nein, in wirklichkeit war es nicht so schlimm) schafften es dann am Abend doch noch ein paar Personen ihren Arsch hoch zu kriegen und ihn in die Stadt bzw auf den Ring rund um gießen zu bewegen. Ziel dieser Mission war es das eintönig mit dumpfen parolen auf unschönen wahlplakaten verunstaltete Gießen etwas aufzuhellen.
Doch der anfängliche Elan sollte bald shcon wieder verfliegen. Als die ersten Aktivisten sich an zwei Objeketen der begierde abgearbeitet hatten, ließen die Schergen der Exekutive nicht lange auf sich warten. Zunächst zu zweit, doch bald darauf folgten auch schon weitere kollegen. Allesamt waren Zivilbullen und schienen einen Heidenspass zu haben zwei schwerverbrecher wie die Aktivisten zunächst zu durchsuchen, zu fesseln, und anschließend in die Ferniestraße abzutransportieren. Dort angekommen fing die ganze Prozedur erst richtig an.
Da die netten Jungs vom Team green leider nicht aus Gießen kamen und sich im ganzen präsidium andauernd verliefen, nicht wussten wo was zu finden ist, wer für was zuständig ist, etc. dauerte das schreiben des Zeugen und des Festnahmeberichts ca zwei stunden. Und das ausdrucken dann noch weitere dreißig Minuten. Dann endlich ging es in den Keller der Residenz und die Aktivisten durften es sich in ihren weiß gekachelten, mit leuchststoffröhrenlicht ausgeleuchteten Privatzimmern gemütlich machen. Rauchen und Essen selbstverständlich untersagt.
Am näxten Morgen dann kamen die Verbrecher wieder aus dem Knast um den nächsten Tag voller Aktionen zu planen.
Und die näxte (persönlicher Bericht): Es war 3 Uhr nachts. Eigentlich wollte ich nur Pippi machen, denn ich hatte schon geschlafen –im Zelt. Ich traf eine Frau, unterhielt mich ein bisschen und ging dann über die Ostanlage auf die andere Seite. Als ich wieder zurückkam –die Frau hatte auf mich gewartet- sollte es aber nicht zurück ins Zelt gehen: Nein, in einer aufdringlichen, dennoch vorsichtigen, zugleich unsicheren Fahrweise kam ein Pkw in die falsche Seite (Fahrtrichtung) der Anlage direkt auf uns zu. Die Polizei beschuldigte uns wir hätten Wahlplakate zerstört. Und so haben sie uns abgeholt und jeden einzeln – mich ohne Hose mitgenommen – und in die gleichen Privatzimmer gesteckt. Ein bisschen Angst war mir ja um meinen 9-jährigen Sohn der derweilen noch im Zelt schlief und von der ganzen Sache nichts wußte. Zum Glück wurde ich rechtzeitig freigelassen, so daß mein Sohn noch schlief. Jedoch mußte ich nur in Unterhosen bekleidet, zum Glück noch mit Parka, vom Schiffenberger Tal wieder zurück in die Stadt zu meinem Zelt. Ist das peinlich? –ich fand`s lustig!





30.8. mittags ... Presseinformation: Utopie-Camp-Verbot aufgehoben!!!
Das Verwaltungsgericht Gießen hat am Freitag, 29.8.2003, in einem Eilverfahren das Verbot des Utopie-Camps aufgehoben. Das Totalverbot der Stadt Gießen wurde für rechtswidrig erklärt. Zulässig sei nur die Beschränkung zu Zeiten des Wochenmarktes gewesen. Ab Mitternacht von Samstag auf Sonntag bis zum Mittwochabend wird das Utopie-Camp daher auf der gepflasterten Fläche vor dem Kirchenplatz stehen.
Die AktivistInnen, die mit dem Utopie-Camp Ideen für eine andere Stadtpolitik und –kultur ohne Ausgrenzung, Profitzwang und Ordnungswahn präsentieren wollten, werden die neue Situation auch gleich nutzen wollen: In der Nacht von Samstag auf Sonntag sollen Teile des Utopie-Camps für zwei Stunden öffnen – also bis 2 Uhr nachts. Es werden mit Rücksicht auf die AnwohnerInnen, die gerne als PartnerInnen für die utopischen Ansätze gewonnen werden sollen, keine lärmausstrahlenden Aktivitäten sein, sondern der Umsonst-Frisörsalon, der Umsonstladen und Umsonstessen.
Schon den ganzen Samstag über (ab ca. 11 Uhr) ist der Umsonstladen im ALI-Cafe (im DGB-Haus in der Walltorstraße, Seiteneingang) zu finden. Wie immer können alle Menschen Sachen von dort mitnehmen. Wer was übrig hat, was noch brauchbar ist an Kleidung, Haushaltsgegenständen (keine Möbel) usw., kann es dort abgeben.
Am Sonntag wird es dann mit weiteren Aktivitäten wie Workshops usw. fortgesetzt. Ein genaues Programm wird immer am Kirchenplatz zu finden sein. Zudem finden sich aktuelle Informationen meist auf der Internetseite www.abwehr-der-ordnung.de.vu.

Infotelefone: 0162-1920415 und 0171-8348430.
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Ergänzungen

nazis haben sich in giessen angekündigt

we don´t want no nazi pigs 29.08.2003 - 23:03
das habe ich vorhin beim stöbern gefunden.

Demonstration am 30.August 2003 in Mittelhessen
Motto: "Gegen Gewalt und linke Freiräume ! Stoppt die Gewalt gegen Nationalisten !"
Treffpunkt: Ab 11.00 Uhr - Großraum Mittelhessen (Marburg / Giessen / Alsfeld - Ort wird noch bekanntgegeben)
Beginn: Ab 12:00 Uhr (in der noch bekannt gegebenen Stadt)
Veranstalter: Viele freie Nationalisten und viele freie Aktionsgruppen im MITTELHESSISCHEN AKTIONSBÜNDNIS und im VOLKSTREUEN KOMITEE
Anmerkung für Teilnehmer: Da derzeit noch keine genaue Ortsangabe über die nationale Veranstaltungen gegeben werden kann, möchten wir alle Kameraden bitten, sich am Sonnabend, den 30.August 2003 im Großraum Mittelhessen (Marburg / Giessen / Alsfeld) aufzuhalten und telefonisch Kontakt zu den Kontakttelefonen aufnehmen.
Nähere Informationen zur Rechtslage wie auch zur Anreise erfahrt ihr unter der folgenden Rufnummer. Sie lautet: 0175 - 55 40 440.

halttet mal lieber die augen offen.
kick the nazi scum off the road!!!!