Bushs freier Handel: Zweierlei Maß

Luis Hernández Navarro; Übersetzung: Kh. 27.08.2003 17:16 Themen: Globalisierung Weltweit
- Die Anderen sollen die Regeln einhalten

Bei der bevorstehenden WTO-Konferenz in Cancún wird der US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick eine Schlüsselrolle spielen. Hier ein kurzer Abriß seines Werdegangs (er war übrigens auch an den 2+4-Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands beteiligt), seine Verquickungen als Staatsbediensteter mit den Interessen von Großunternehmen wie Viventures/Vivendi Universal, SAID, Goldman-Sachs, Allianz Kapital -
Zweierlei Maß: während die USA im Rahmen ihrer Kampagne für den freien Handel andere Länder zur Aufgabe ihrer Zollschranken, Schutzmaßnahmen für ihre nationalen Unternehmen und Subventionen drängen, behalten sie ihre Protektionsmaßnahmen vor allem im Bereich der Landwirtschaft bei, die sie auch in den nächsten 8 - 10 Jahren nicht abschaffen wollen.
Quelle:  http://colombia.indymedia.org/news/2003/08/5226.php
von Luis Hernández Navarro - Sunday August 17, 2003 at 05:51 am

Im politischen Poker der Vereinigten Staaten halten die großen Unternehmen ein As. Sein Name ist Robert Zoellick und er hat den Posten eines Handelssekretärs inne, im Rang eines Botschafters des bedeutendsten Marktes der Welt.

Er ist Hauptberater des Präsidenten George W. Bush in Angelegenheiten des Handels und sein Chefunterhändler in solchen Fragen. Auf dem 5. Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún wird er eine der Schlüsselfiguren sein.

Als Fundamentalist der Ideologie des freien Marktes, Absolvent der Harvard-Universität, dessen Funktionen als Staatsbediensteter und Geschäftsführer eines Unternehmens sich verwischen, hat es Robert Zoellick verstanden, in der Handelspolitik des Staates ganz eindeutig die Interessen der großen Gesellschaften zu vertreten. Während der Amtszeit von George Bush sen. war er Untersstaatssekretär unter James Baker, aber er arbeitete auch als Berater des Unternehmens Enron, dessen Aktionär er war, bis er wieder in den Staatsdienst trat. Von 1985 bis 1988 war er Beamter des State Department und einige Jahre später Mitglied des Aufsichtsrates von Viventures/Vivendi Universal, eines der Giganten, die das Trinkwasser in der Welt beherrschen, außerdem Waffen produzieren und einen privilegierten Platz in der Medienindustrie einnehmen, der auch Druck ausübt, daß die Telefongesellschaften der armen Länder privatisiert werden.

Zoellick arbeitete auch bei SAID, einer Firma auf dem Gebiet der Sicherheit von Kommunikationssystemen, die ihre Geschäftsbasis in Südafrika hat, aber auf den Bermudas registriert ist. Zu ihren Aktivitäten gehört die Verteidigung des intellektuellen Eigentums wie Patente und Autorenrechte, speziell von solchen, die sich im Besitz von US-Gesellschaften befinden. SAID kämpft auch gegen Piraterie im Internet.

Der heutige Handelssekretär arbeitete für den Giganten Goldman Sachs und für Allianz Kapital, einem Unternehmen, das bei globalen Investitionen führend ist und über ein Vermögen von 430 Mrd. Dollar verfügt. So verwundert es nicht, daß die Handels-Agenda, die er als Chefunterhändler seines Landes bei den Handelsbesprechungen durchsetzte, genau den Ansprüchen der großen Konsortien entspricht. Zoellick war bemüht, bei den mit anderen Ländern unterzeichneten Handelsverträgen oder bei der Regulierung multilateraler Organisationen solche Maßnahmen einzubeziehen, wie die Weigerung, daß andere Länder irgendeine Art der Kapitalkontrolle ausüben dürfen, das Verbot, daß ausländische Regierungen bei ihren Käufen nationale Unternehmen bevorzugen und die Verpflichtung der Regierungen, US-Gesellschaften zu entschädigen, falls deren Gewinne durch die Politik beeinträchtigt werden.

Wie er selbst einmal gesagt hat: ?Beim freien Handel geht es um die Freiheit. Er ist wichtig für unsere Wirtschaft, aber auch für unsere Interessen und Werte in der ganzen Welt. Ich habe immer daran geglaubt, daß die Öffnung (des Handels) die Trumpfkarte der Vereinigten Staaten ist. Sie macht uns stärker als Volk und dynamischer als Nation.?

Das ist der Mann, mit dem sich der Rest der Welt in Cancún auseinandersetzen muß.

Die Neuziehung der Grenzen
Das Land mit dem Sternenbanner hat beschlossen die Konturen der nationalen Grenzen neu zu ziehen. Die Stunde des Unilateralismus Uncle Sams ist gekommen. Kurz nach dem 11. September 2001 hat George W. Bush es klar gesagt: "Die Geschichte hat uns die Gelegenheit gegeben, die Freiheit zu verteidigen und die Tyrannei zu bekämpfen, und genau das werden wir tun. Wir werden nicht aufhören wachsam zu sein, bis wir am Ziel sind. Einige werden nachlassen, andere müde werden, aber das wird weder bei mir der Fall sein, noch bei der Regierung der Vereinigten Staaten, noch bei meinem Land."

Der Krieg spielt eine Schlüsselrolle bei der Errichtung der neuen Ordnung. Er ist Teil des Zyklus der Expansion und Konsolidierung eines neuen Zyklus neoliberaler Reformen und kein bloßer, von einer Gruppe religiöser Fundamentalisten begünstigter Zufall. Sein Ziel ist die Einsetzung einer Regierung der autoritären Globalisierung, die Errichtung eines neuen Imperiums, oder mit den Worten William Kristols und Robert Kagans ausgedrückt, eine "gütige globale Hegemonie".

Der Mann im Weißen Haus drückte es ein anderes Mal so aus: "Die Terroristen haben das World Trade Center angegriffen, und wir werden sie besiegen, indem wir den Welthandel ausdehnen und fördern." Sein Handelsbeauftragter sekundierte ihm: "Die Feinde von heute werden lernen, daß die Vereinigten Staaten der wirtschaftliche Motor der Freiheit, der Chancen und der Entwicklung sind. Zu diesem Zweck ist es für die Führung der Vereinigten Staaten lebenswichtig, das Wirtschaftssystem und den internationalen Handel zu fördern. Der Handel ist mehr als bloße wirtschaftliche Effizienz. Er fördert die zentralen Werte dieses langen Kampfes."

Die Passion der Vereinigten Staaten für den freien Handel ist nicht von Großzügigkeit geleitet, sondern von der Ambition, neue Märkte für ihre Produkte und ihre Unternehmen zu erschließen. Washington hat Proben davon gegeben, daß der Unilateralismus, den er in der Diplomatie verfolgt, sich auch auf viele andere Bereiche erstreckt, darunter auch auf seine Handelspolitik. Die neue Farm Bill (Landwirtschaftsgesetz), die Erhöhung der Zolltarife für Erzeugnisse der Eisen- und Stahlindustrie anderer Länder, die Trade Promotion oder Fast Track, die Abstimmung des Repräsentantenhauses gegen den Herkunftsnachweis von Rindfleisch sind einige ?Perlen? aus diesem Collier.

Unilateraleralismus und Multilateralismus auf dem Gebiet des Handels -
Aber vielleicht kollidiert diese einseitige Berufung zur Errichtung eines neuen Imperiums gar nicht mit der Bereitschaft, seine eigenen Märkte zu öffnen, den internationalen Warenaustausch zu fördern und sich am Aufbau eines Welthandelssystems zu beteiligen?

Der Appetit der US-Gesellschaft für den Konsum scheint kein Ende zu nehmen. Weit davon entfernt, sich angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten abzuschwächen, wächst im Gegenteil noch ihre Fähigkeit, Waren aus der ganzen Welt zu konsumieren. Das Defizit ihrer Handelsbilanz ist enorm und anhaltend. Während es 1972 noch kaum 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts betrug, erreichte es 2000 4,5 % und 2002 betrug das Defizit 435 Mrd. Dollar.*

Seit 1935 haben die Vereinigten Staaten allmählich ihre Grenzen für gewisse Erzeugnisse spezieller Geschäftspartner geöffnet. Die derzeitigen Durchschnittszölle auf die gesamten Einfuhren liegen bei etwa 2 %, der Durchschnittszoll auf alle nicht zollfreien Erzeugnisse bei 4 %.

Seit dem Ende des 2. Weltkriegs hat die Regierung in Washington ein Schlüsseldokument zur Förderung und für das Funktionieren des Welthandelssystems ausgearbeitet. Fast alle großen Verhandlungsrunden zur Liberalisierung des Handels wurden von ihr angestoßen. Auf diesem Gebiet gibt es keine Macht, die sie ersetzen könnte, wenn auch die Europäische Union zeitweise ein gewisses Gegengewicht zu ihren Plänen darstellte.

Die Vereinigten Staaten haben akzeptiert, sich dem System der Streitlösungen der WTO zu unterwerfen, obwohl sie in diesem Forum in mehreren wichtigen Fällen unterlagen. Sie haben außerdem ein wichtiges Dokument bei den post-Doha-Verhandlungen ausgearbeitet.

Kann man sie also des Unilateralismus anklagen? Demonstrieren diese Tatsachen nicht, daß ihre antiprotektionistische Rhetorik aufrichtig ist? Eine eingehendere Analyse dieser Tatsachen zeigt jedoch eine andere Wirklichkeit.

Zum Teil gleicht sich das Handelsdefizit bei landwirtschaftlichen Gütern mit dem Geldtransfer aus, den die Randstaaten zur Bezahlung von Patentrechten, Technologie und Hoheitsrechten (? regalías) im allgemeinen tätigen, und wegen des Vorsprungs ihrer Firmen bei Investitionen in anderen Staaten, die dank des Verbots von Nationalitätsindizes bei ausländischen Investitionsprojekten ungehindert erfolgen können.

Gewiß sind die US-Zolltarife im Durchschnitt niedrig, aber bei diesen Durchschnittswerten wird die Tatsache verschleiert, daß die höchsten Tarife auf Waren aus Nichtentwicklungsländern angewendet werden, die für den Verbrauch ihrer armen Bevölkerung bestimmt sind, wie Kleidung und Schuhe. In diesem Betrag verbirgt sich auch die Existenz eines wahren Arsenals von Protektionsmaßnahmen wie Wahrung von Rechten, Antidumping, Ausgleichsansprüche (?) gegen Subventionen, Anforderungen im Bereich der Hygiene und des Pflanzenschutzes, technische Barrieren für Erzeugnisse der Handarbeit, Anforderungen an die Verpackung oder Umweltbeschränkungen. Damit nicht genug: die reichlichen Subventionen, die gewisse Produkte erhalten und die dazu führen, daß ihr Preis künstlich niedrig gehalten wird (vor allem bei einigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen), machen es den ausländischen Exporteuren praktisch unmöglich, Zugang zum imperialen Markt zu finden.

Der multilaterale Handel interessiert die Vereinigten Staaten nur insoweit sie dessen Hauptnutznießer sind. In diesem Rahmen ist es zu sehen, daß die dynamischsten Sektoren ihrer Wirtschaft wie Biotechnologie, Informatik, Genpatente und elektronischer Handel aus den Verhandlungen zur Annahme von Regelungen über bisher nicht einbezogene Themenbereiche als klare Gewinner hervorgehen. Es handelt sich um ein System, das ihren Unternehmen nützt und das ihm erlaubt, seine Macht auf dem Markt auszuüben.

Übrigens ist dieser Multilateralismus eindeutig begrenzt. Seit der Unterzeichnung des ersten Freihandelsvertrages mit Israel im Jahre 1985 hat Washington eine fieberhafte Aktivität zur Konstruktion verschiedenartiger Handelsverträge am Rande der WTO entwickelt. Minister Zoellick zufolge hat Präsident Bush den Schlüssel, ?den er braucht, um die Liberalisierung des Handels global, regional und bilateral voranzutreiben. Indem wir auf mehreren Fronten Fortschritte erzielen, schaffen wir einen Wettbewerb bei der Liberalisierung und plazieren die Vereinigten Staaten ins Zentrum eines Netzwerks von Initiativen zur Öffnung von Märkten. Wenn jemand zur Öffnung seiner Märkte bereit ist, werden die Vereinigten Staaten sein Partner sein. Wenn andere dazu nicht bereit sind, dann werden die Vereinigten Staaten mit den Ländern, die es sind, vorwärts schreiten.?

Die Liste der Freihandelsverträge, die bereits verabschiedet sind oder noch ausgehandelt werden, wächst schnell: Kanada, Mexiko, Chile, Singapur, die fünf Länder des Gemeinsamen Marktes Mittelamerikas, die fünf Nationen der Afrikanischen Zollunion, Marrokko, Australien und allerdings auch die Amerikanische Freihandelszone (ALCA). Bei diesen Verhandlungen vermeidet man jede Konzession in Wirtschaftszweigen wie der Landwirtschaft, mit der Argumentation, daß diese einer globalen und systemischen (?) Übereinkunft bedürften, fordert dagegen jedoch ? wie im Fall der ALCA ? Kompromisse bei eindeutig globalen und systemischen (?) Themen, wie dem intellektuellen Eigentum, Investitionen, Dienstleistungen, Regierungskompetenzen und ?käufen.

Die Regierung in Washington versucht mit ihrem Dogma der von ihr propagierten Liberalisierung des Handels, den Zugang der Handelspartner auf ihren Markt zu dosieren, je nach den von ihren Unternehmen in anderen Staaten erlangten Konzessionen. Nicht umsonst hat der Nobelpreisträger für Ökonomie Joseph Stiglitz betont, daß das neue Landwirtschaftsgesetz ?ein perfektes Beispiel für die Heuchelei der Regierung Bush auf dem Gebiet der Liberalisierung des Handels darstellt.?

Krieg der Nahrungsmittel
Die Produktion von Nahrungsmitteln ist eine wichtige und mächtige Waffe, die die Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten anwenden. Wie Peter Rosset erklärte, sind Krieg, Nahrungsmittel und intellektuelle Eigentumsrechte seit den 70er Jahren eng mit der Wirtschaftsstrategie des Weißen Hauses verknüpft. Die Entwicklung der Rüstungsindustrie, Massenproduktion von Getreide und Patente sind die Eckpfeiler der US-Hegemonie in der Weltwirtschaft. Die Nahrung ist ein Instrument des imperialen Drucks. John Block, US-Landwirtschaftsminister von 1981 bis 1985, betonte: ?Die Anstrengung einiger Entwicklungsländer, bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln wieder autark zu werden, muß der Vergangenheit angehören. Diese Länder könnten Geld sparen, wenn sie Nahrungsmittel aus den Vereinigten Staaten importieren.?

Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse made in USA gehören zu den Hauptexportwaren dieses Landes. Mit seinem gesättigten Binnenmarkt drängt es aggressiv darauf, die Grenzen für seine Nahrungsmittel zu öffnen. Jeder dritte Hektar ist für den Anbau landwirtschaftlicher Produkte für den Export bestimmt. Ein Viertel des landwirtschaftlichen Handels wird mit anderen Ländern abgewickelt.

Präsident Bush hat das bei der Unterzeichnung des Sicherheitsgesetzes für Farmen und Investitionen auf dem Land 2002 bestätigt. ?Die Bürger der Vereinigten Staaten können nicht alles essen, was die Farmer und Viehzüchter des Landes produzieren. Deshalb macht es Sinn, mehr Nahrungsmittel zu exportieren. Heute kommen 25% der Einkünfte aus der Landwirtschaft der USA aus Exporten. Das bedeutet, daß der Zugang zu auswärtigen Märkten für das Überleben unserer Landwirte und Viehzüchter unabdingbar ist. Erlauben Sie mir, es so einfach zu sagen, wie ich es verrmag: wir müssen unser Vieh und unseren Mais und unsere Bohnen an die Menschen in der Welt verkaufen, die etwas zu essen brauchen.?

Die Strategie, gleichzeitig mit einem Land nach dem anderen und mit jeder Region nach der anderen Freihandelsverträge auszuhandeln, und zur gleichen Zeit globale Verträge im Rahmen der WTO zu suchen, versetzt Washington in eine Position, in der sie ihre Macht ausspielen und beträchtliche Konzessionen erreichen kann, gegenüber den schwächsten Nationen, die zum Nachgeben gezwungen sind, um zum größten Markt der Welt Zugang zu erhalten, während sie ihm eine bessere Position gegenüber anderen Handelsrivalen einbringen.

Zoellick zufolge hat diese Agenda speziell im Fall der Landwirtschaft ?das Potential, größere Vorteile für die US-Landwirtschaft zu erzielen, auch wenn wir im Rahmen der WTO-Verhandlungen arbeiten. Diese Initiativen werden uns erlauben, das Terrain (für die Zusammenarbeit) mit anderen Ländern zu ebnen? (...) ?Diese Verhandlungen tragen dazu bei, die Öffnung der Märkte für landwirtschaftliche Exporte zu sichern, während die Reform der Beihilfen für Kompromisse der WTO aufgeschoben wird.? Das heißt, mit diesen Freihandelsverträgen brauchen die Vereinigten Staaten ihre reichlichen Subventionen in der Landwirtschaft nicht ändern, können aber die übrigen Länder zwingen, alle Arten von Konzessionen zu machen.

Mexiko und die neuen Springbreakers
Wenn in irgendeinem Land der Traum der neuen ?Springbreakers? vom freien Handel in Erfüllung gegangen ist, dann in Mexiko. Springbreakers sind jene Fanatiker, die den Bruch der Bestimmungen betreiben, die bis jetzt die unbegrenzte Expansion des Kapitals in Schranken halten, und die in Cancún aufkreuzen werden, um die Privatisierung explosionsartig voranzutreiben. Dieses Land hat 10 Freihandelsverträge mit 32 Ländern, es verhandelt weitere mit Panamá, Uruguay und Japan und ist Mitglied der Amerikanischen Freihandelszone ALCA. Von 1991 bis 2001 ist sein Handel im Jahresdurchschnitt um 13,4 % gewachsen.

Dieser ?Erfolg? hat jedoch viel von einem Taschenspielertrick. Der Handel wächst zwar, aber die Wirtschaft stagniert. Im gleichen Zeitraum stieg das Bruttoinlandsprodukt nur um 2,7 %. Die Handelsbilanz mit der Europäischen Union wuchs spektakulär und die mit den Vereinigten Staaten weist dank der Erdölexporte und der Maquiladoras** einen Überschuß auf. Mit den Worten Alejandro Nadals ausgedrückt: ?Wie Alice müssen wir schneller laufen, nur um auf derselben Stelle zu bleiben.?

Trotz des Fiaskos beharren die mexikanischen Funktionäre in der Stunde der Entscheidung von Cancún auf diesem Weg. Sie haben die Zukunft der mexikanischen Landwirtschaft auf die Karte der WTO-Konferenz gesetzt. Dort, sagten sie, werden sie auf die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und Japan Druck auszuüben versuchen, daß diese die Beihilfen für ihre landwirtschaftlichen Produzenten reduzieren.

Aber die Wirkung der Erklärungen der mexikanischen Funktionäre hielt nicht lange an, denn schon wenige Stunden danach wurden sie widerlegt. Ernst Micek, Generaldirektor der Agrarfirma Cargill erklärte: ?Wir können die Beihilfen in der Landwirtschaft nicht reduzieren. Die Vereinigten Staaten werden ihre Politik binnen acht oder zehn Jahren nicht ändern.? Und die Unterstaatssekretärin im Handelsministerium Kathleen B. Cooper versicherte: die Beihilfen, die der Kongress auf dem Sektor der Landwirtschaft gebilligt hat, können nicht kurzfristig gesenkt werden.

Die Politik der landwirtschaftlichen Subventionen der Vereinigten Staaten wird sich in der Tat nicht ändern. So wie es auch jetzt wieder gemacht wird, wurde bei der Annahme des vorigen Landwirtschaftsgesetzes (Farm Bill, genannt ?Freiheit der Saat?) verkündet, dadurch solle das Terrain zur Abschaffung der Beihilfen vorbereitet werden. Stattdessen wurden sie aber am Ende erhöht.

Nach der Devise: auf der Straße Licht, im eigenen Hause aber Dunkelheit, haben die Vereinigten Staaten auf den internationalen Foren die Reduzierung der landwirtschaftlichen Subventionen systematisch vorangetrieben, sie innerhalb ihrer Grenzen jedoch erhöht. Das war ihre Position im September 1986 bei den Gesprächen von Punta del Este (Uruguay). Dasselbe passierte im Juli 1987 bei der sogenannten Option Null, wo sie die Reduzierung aller landwirtschaftlichen Subventionen, die den Handel und die Produktion verzerren würden, in einem Zeitraum von 10 Jahren vorschlugen. Im September 2001 schlossen sie sich der Cairns-Gruppe an, bestehend aus 17 Exportländern landwirtschaftlicher Produkte, um das System des internationalen Handels zu reformieren und alle Beihilfen abzuschaffen, die die Märkte verzerren. Aber obwohl sie ihre Anti-Subventionspolitik auf der WTO-Konferenz in Doha im vergangenen Jahr gerade erst bestätigt hatten, wie sie es auch angesichts des Treffens in Mexiko wieder tun, billigten sie ein neues Landwirtschaftsgesetz (Farm Bill), das die Subventionen für die großen landwirtschaftlichen Unternehmen verstärkt. Es gibt bei den Repräsentanten der Vereinigten Staaten keinerlei Anzeichen, die für die kommenden Verhandlungen Flexibilität erkennen ließen.

Im September werden die neuen ?Springbreakers? nach Cancún kommen, auf ihrem ungebremsten Wettlauf zur Abschaffung der Maßnahmen, die den Regierungen bisher noch erlauben, das Verhalten der privaten Unternehmen zu kontrollieren. Es wird sich herausstellen, ob die internationale Zivilgesellschaft und die armen Länder ihnen das erlauben werden.

Alles deutet darauf hin, daß die Vereinigten Staaten in wenigen Tagen in Cancún wieder zeigen werden, daß ihre Flagge der wirtschaftlichen Liberalisierung stark mit Heuchelei belastet ist. Die Washingtoner Regierung versucht, die Maßnahmen anderer Länder, durch die das Verhalten der großen Unternehmen kontrolliert werden soll, zu eliminieren. Sie selbst ist jedoch nicht bereit, auch nur einen Millimeter bei den enormen landwirtschaftlichen Subventionen, die sie innerhalb ihrer Grenzen einräumt, nachzugeben - nach der Devise: Die Spielregeln müssen eingehalten werden, aber nur bei meinem Gegenüber.


* Nach einer anderen Quelle betrug das Handelsdefizit der USA 2002 sogar 470 Mrd. Dollar
 http://www.tradealert.org/view_art.asp?Prod_ID=861)

** Maquiladoras ? in Lateinamerika eingerichtete steuerfreie Gewerbegebiete für ausländische Investoren


Links:
Trade Hypocrisy: The Problem with Robert Zoellick, by Kevin Watkins ? open Democracy, Dec. 20, 2002
 http://www.globalpolicy.org/socecon/ffd/2002/1220hypocrisy.htm

Offizielle Website des US Trade Representative R. Zoellick:  http://www.ustr.gov/

Offizielle Biographie Robert Zoellicks (meist über seine Regierungsämter und ?tätigkeiten)
 http://www.ustr.gov./about-ustr/ambassador/zoellick.html
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Ergänzungen

Artikel zum Komplex Cancun: WTO, Gats, etc

ein Überblick 27.08.2003 - 23:33

Zum Scheitern studentischer Proteste in Berlin
 http://de.indymedia.org//2003/08/60427.shtml

Bretton Woods und Generalplan Ost
 http://de.indymedia.org//2003/08/60337.shtml

Aktionstage gegen WTO am Abschiebelager Fürth
 http://de.indymedia.org/2003/08/60317.shtml

Perspektiven für Cancun 2003
 http://de.indymedia.org/2003/08/60234.shtml

GATS: Viele Gründe dagegen zu sein
 http://de.indymedia.org//2003/08/60201.shtml

Gegen WTO und GATS in Cancun
 http://de.indymedia.org//2003/08/59506.shtml

STOP WTO in Riva am Gardasee 4. bis zum 6. September 2003
 http://www.stopwtoriva2003.org

Aufstandsbekämpfungs Kongress Berlin 5.+6.9

in die Suppe spucken 27.08.2003 - 23:35

der Hit in diesem Kontext ist mal wieder ein Kongreß in Berlin
nach dem sehr fragwürdigen Kongreß McPlanet
Brot und Spiele (Kritik des McPlanet.com)
 http://www.de.indymedia.org/2003/07/56471.shtml

nun Fatal Global ?!  http://www.cancun-konferenz.de/

nach der "Lokalen Agenda" als Dauerverarschungsprojekt nun dieser Kongreß der Stiftungen der Regierungsparteien, der Gewerkschaften, NGOs und anderer handzahmer Inis
Wobei bei ihren Hochglanz Faltblatt noch eine Seite zum Ausfüllen bei
Teilnahme beigelegt ist, mit dem sie auch freiwillige HelferInnen suchen
zum ankreuzen: "Ich kann auf der Konferenz aushelfen"

Die arme Ebert Stiftung, die arme Böll Stiftung, der arme DGB
wollen zwar den Protest/Widerstand einlullen, haben aber kein Geld dafür.

Das brauchen sie schließlich für die Partei,Gewerkschafts Struktur um den Status quo zu festigen und für ihre Gehälter, Reisen, Fuhrpark etc

Wenn das der Pöbel mal nicht merkt ?

Aber der ist ja eigentlich auch nicht angesprochen.
Es geht um die rot/grünen etc Gutverdienenden, mit dem ein wenig schlechten Gewissen, welches berruhigt werden will, auch jenseits der Spendenzeit zu Weihnachten.
Hat ja auch nicht jede/r Geld zum spenden.
Aber mal mithelfen bei so einem Kongreß der armen und machtlosen Stiftungen, der armen und machtlosen Regierungsparteien, Gewerkschaften etc ist ja schon ein kleiner Anfang.

Da die Show, das Design heutzutage dominiert könnte deren Kalkül aufgehen.

Deshalb last uns ihnen in die Suppe spucken.

Aber bitte differenziert.
Es gibt auch gute Leute und Beiträge bei diesem Kongreß !!!


ist in der EU doch die gleiche Scheiße

elfboi 28.08.2003 - 16:09
Die EU mag in manchen Punkten vielleicht noch ein wenig gemäßigter aussehen als die USA, aber ich vermute mal, das liegt daran, daß die EU noch zu zerstritten ist, um wirklich Weltmacht zu spielen. Wirtschaftlich jedoch ist die EU schon längst ein Gigant und nutzt rücksichtslos alle Mittel, um die eigenen Interessen weltweit durchzupauken. Wir sollten uns vor Augen führen, daß "der Feind" erstens geographisch nicht zu lokalisieren ist, und daß zweitens "der Feind" nicht einmal eine wirklich feste Personengruppe ist, sondern nur eine spezielle Art von Struktur im Netzwerk der politisch-wirtschaftlich-sozialen Beziehungen, die immer und überall auftauchen kann. Natürlich ist unter Umständen sinnvoll, sich auch in den USA nach solchen Strukturen umzusehen, aber wichtiger ist es, sich dort umzusehen, wo man selbst lebt und etwas dagegen tun kann. Außerhalb der eigenen Region ist es wichtiger, mit anderen Menschen oder Gruppen von Menschen, die derartige Strukturen beobachten und ihnen entgegenarbeiten, Kontakt aufzunehmen und sich zu koordinieren.