Kolumbien: Massendemonstration in Bogotá

Indymedia Colombia; Übersetzung: Kh. 24.08.2003 12:32 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Chronologie des 12. August

In Kolumbien gab es am 12. August einen Generalstreik, der allerdings nur in der Erdölindustrie total befolgt wurde, und eine Massendemonstration von 100 000 Menschen in Bogotá, an der sich vor allem Beschäftigte in der Landwirtschaft beteiligten. Dabei kam es zu Gewalttaten der Polizei. Die Proteste richteten sich vor allem gegen den geplanten amerikanischen Freihandelsvertrag ALCA, der die Existenz der nationalen Wirtschaft bedroht. Gerade in diesen Tagen besuchte Bushs Handelsbeauftragter Zoellick Bogotá, um die kolumbianische Regierung zum Abschluß eines bilateralen Handelsvertrages zu bewegen. Hier ein chronologischer Bericht von Indymedia Kolumbien über die Ereignisse in Bogotá und verschiedenen Teilen des Landes.
Quelle:  http://colombia.indymedia.org/

Zu den Bildern:
Bild 1:"Unternehmen Bavaria und Leona: Wenn sie uns keine Gerste abkaufen, werden wir kein Bier mehr konsumieren. Der Landwirtschaftssektor von Belén Boyacá ist präsent. Nein zu ALCA"
Bild 10: "Nein zu ALCA - Aktive Stimmenthaltung beim Referendum ? OCE Tolima"

Tausende auf dem Demonstrationszug der Landarbeiter - Tränengas auf der Plaza Bolívar ? Polizei griff Demonstranten in Pasto an - totaler Ausstand in Barrancabermeja - Blockade der Straße Cartagena-Barranquilla - Kundgebung gegen Electrocaribe in Riohacha - 500 000 Arbeiter legten die Arbeit nieder.

6:00 - Die Erdölarbeiter haben im ganzen Land ihre Arbeit niedergelegt. Die Ausfallstraße von Cartagena zur Küstenautobahn nach Barranquilla ist blockiert. Es gibt Proteste gegen die schlechte Qualität der Energieversorgung. Der Gewerkschaftsverband (Intersindical) Bogotá-Süd hält Meetings ab, die im Laufe des Vormittags zu Straßenblockaden in Bosa und Soacha führen.

12:00 - Hunderttausend Menschen demonstrieren in Bogotá. Zehntausende Landwirte aus dem ganzen Land, aus den Provinzen Tolima, Antioquia, Huila, Caldas, Risaralda, Quindío, Valle, Boyacá, Santander, Magdalena Medio und anderen Regionen des Landes protestieren auf der 7. Straße in Bogotá, sie gestalten die Demonstration, zu der die Nationale Vereinigung zur Rettung der Landwirtschaft (Asociación Nacional por la Salvación Agropecuaria ? ANSA) aufgerufen hatte, überaus farbig. An ihr nehmen außerdem teil: die Indigenen von Caldas und Fensuagro, die Flüchtlinge, der CNI, die Rentnerorganisationen, die über die gegen die Alten gerichteten Pläne Uribes empört sind, ambulante Händler, politische Marschkolonnen (Moir, die KP Kolumbiens, die Banderas Negras) und mehrere Arbeitergewerkschaften, unter denen wir auch Athoc wahrnehmen, das in diesen Tagen die Ermordung seiner Führer hinnehmen mußte; daneben die Lehrerschaft von Tolima, USTC, Sinaltrainal, Asopersonerías, Sintradin, Sindesena, Uneb, die Führung der Gewerkschaften CGTD und CUT, sowie die Arbeitergewerkschaftsunion (Unión Sindical Obrera). [Foto von Felipe für Indymedia: Einheit der Zuckerrohrbauern]

12:30 - Die Demonstration beginnt in die Plaza de Bolívar einzubiegen. Von der Tribüne kann man die Transparente der einzelnen Gemeinden, die am Eingang des Platzes ankommen, unterscheiden: Chaparral, Quinchía, Génova, La Plata ... [Einzug auf der Plaza; Foto: moir]


12:55 - Die Robocops von Esmad geraten in Wut, weil Jugendliche das Restaurant von McDonalds mit dem Spruch ?Transnacionales ALCArajo?* bespüht haben. Die Jugendlichen halten die Robocops mit ihren Fahnen in Schach.

13:10 - Die Esmad-Robocops ergreifen den Jugendlichen Marco Sosa, den sie schon auf früheren Demonstrationen bedroht hatten, nehmen ihn fest und bringen ihn zu einem Panzerwagen (? tanqueta) ohne Nummernschild.** [siehe Foto] Handgemenge in der Umgebung. Marcos Gefährten fordern ihn zurück.

13:15 - Der bekannte Vorwand: Sie haben die akustisch beeindruckenden aber nutzlosen "Papas" (Explosivkörper) geworfen, und nun beginnt die Polizei die Demonstranten anzugreifen, die auf den Platz einbiegen, der bereits zur Hälfte voll ist. Sie werfen Tränengas; ein paar Leute laufen, aber andere fühlen sich angegriffen und schreien gegen die Robocops der Esmad an, die weiter Gas(granaten) werfen. Viele Transparente gehen zu Bruch und die Demonstranten, vor allem die Jugendlichen, versuchen die Polizisten mit den Holzlatten im Zaum zu halten. Ein Meer von Gas erfüllt den Platz. Zwanzigtausend Menschen rennen zur westlichen Seite des Platzes, andere leisten Widerstand und der Hagel von Holzlatten gegen Gaswolken verstärkt sich. Es gibt weitere Verhaftungen. [Foto: El Nuevo Día]

13:20 - Mehrere Marschkolonnen verharren weiter geduldig auf der 7. Straße, ohne in den Platz einzubiegen. Sie sehen, wie die Gaswolken emporsteigen, aber sie wissen nicht genau, was auf dem Platz vor sich geht. Im Norden versperrt ihnen ein Panzerwagen den Weg und im Süden die Einheiten von Esmad. [Ein Foto, das Indymedia auf der Straße übergeben wurde: Demonstrant mit vorgehaltener Pistole verhaftet]

13:45 - Die Marschkolonnen strömen weiter zur Mitte des Platzes. Einige von denen, die vor dem Gas wegliefen, kehren zurück, besonders die Bauern, die Angst haben, sich zu verlieren, wenn sie sich zerstreuen. Die Mehrzahl der Bauern hat den Platz nicht verlassen, andere betreten ihn gerade. Die Mobilisierung der Salvación Agropecuaria (Bewegung zur Rettung der Landwirtschaft) ergab eine ausgezeichnete Bilanz; sie meldet, daß niemand auf dem Land die Amerikanische Freihandelszone will. Seitens der Gewerkschaften ist die Reaktion ungenügend, mit einigen wenigen Ausnahmen wie den der Erdölarbeiter, die sich im totalen Streik befanden. Auf dem Foto, das Indy auf der Straße übergeben wurde: ein von Esmad attackierter Bauernjunge.

14:00 - Eine Rede nach der anderen richtet sich an die Bauern, die weiter auf den Platz strömen. Der Polizei gelang es trotz der Provokation nicht, ihren Demonstrationszug aufzulösen, aber sie konnte verhindern, daß sich der Platz füllte, was um 12 noch unvermeidlich schien. Ein Ambulanzwagen mit dem verletzten Jugendlichen fährt ab.

14:15 - Foto von Felipe: auf dem Platz kommen die letzten Marschkolonnen an. Weitere Reden werden gehalten. Es gibt eine Information, daß mindestens drei Jugendliche von den Esmad-Robocops verhaftet worden sind.

14:20 - In Cartagena wird die Straße, die diese Stadt über die Küstenautobahn mit Barranquilla verbindet, weiter blockiert. Eine Polizeiwache wurde mit Steinen beworfen, in La Boquilla wurde ein Polizist von Demonstranten festgehalten (?). In Riohacha (Küstenstadt in NO-Kolumbien) bewarfen Demonstranten das Unternehmen Electricaribe mit Steinen und riefen Losungen gegen die spanische transnationale Firma Unión Fenosa. In Nariño schränkten die Kundgebungen den öffentlichen Verkehr ein, in den Krankenhäusern werden nur noch Notfälle behandelt. In Huila gibt es Demonstrationen und Kundgebungen; die Proteste haben den Schulplan durcheinandergebracht. Die Vorsitzende von Asonaljudicial, Esperanza Delgado, gab bekannt, daß nur dringende Fälle und Vormundschaftssachen behandelt werden.

16:00 - In Pasto drang die Polizei mit Gewalt in das Büro der Lehrergewerkschaft ein, während sie in Sincelejo die Eingangstür des Instituts der Sozialversicherung einschlug. Zwanzig Demonstranten wurden in Riohacha verhaftet. In Bogotá beginnen die Landwirte, in ihre Regionen zurückzukehren. Ungefähr 500 000 Arbeiter unterbrachen nach einer vorläufigen Schätzung des Comando Nacional Unitario im Laufe des Tages ihre Tätigkeit.


* Wortspiel: ALCA (Amerikanische Freihandelszone) mit "Carajo" - etwa: ALCA-Multis geht zum Teufel!

** Marco Sosa wurde nach einigen Stunden Haft und Verhör wieder freigelassen, nachdem er mit Hilfe eines Anwaltskollektivs die gegen ihn gerichteten falschen Anschuldigungen entkräften konnte. (Selbstzeugnis v. 13/8 ?  http://colombia.indymedia.org/news/2003/08/5152.php )
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Ergänzungen

Danke Schön

Antifa X 24.08.2003 - 18:05
Danke Schön für den gut geschrieben Artikel. Auch wenn mein Leben nur indirekt mit den Kämpfen in Latein Amerika zu tuhen hat finde ich eine Außernadersetzung mit den Geschenissen dort auch als sehr wichtig da sie beispielhaft, lehrreich, Ideen gebend sein können. z.B. ineressiert mich jetzt wieso die Freihandelszone jetzt ALCA und nicht mehr NAFTA heißen soll. Ich fänd es auch gut wenn die folge Geschenisse übersetzt werden würden. Den nur durch gut Informationen läßt sich dann auch eine emzipatorische solidarische Praxis entwickeln. Was ich bei schlechter Information irgendwie auch nicht will.(Ich kann leider kein Spanisch, sonst könnte ich mir selbst helfen)

@AntifaX

NAFTA- ALCA 24.08.2003 - 18:35
Die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA umfasst Kanada, die USA und Mexiko und besteht schon seit fast 10 Jahren.
(Ihr Inkraftrteten am 1. Januar 1994 nahm die EZLN zum Anlass ihrer ersten
grossen Aktionen; 1ojähriges Jubileum steht an!)
Was jetzt geplant ist, ist die ALCA oder FTAA, eine Freihandelszone, die nach dem Vorbild der NAFTA "von Alaska bis Feuerland" ganz Amerika (mit Ausnahme von Cuba, die dürfen und wollen wohl auch nicht mitmachen)umfassen soll.
Wenn man sich die zum Teil verheerenden Auswirkungen der NAFTA auf zum Beispiel die mexikanische Landwirtschaft ansieht, haben die Bauern in ganz Süd- und Mittelamerika allen Grund mit vollem Einsatz gegen diese Pläne vorzugehen!
Aber auch die US-Gewerkschaften sehen diese Freihandelspläne als Bedrohung für ihre Mitglieder an (Stichwort Standortlogik; Androhung von Verlagerungen der Produktionsstandorte aus den USA und auch Kanada nach Süden)