Inspektion der Bereitschaftspolizei in Lich

kein.mensch.ist.illegal. 16.08.2003 21:47 Themen: Antirassismus Repression
Aufgrund der Räumung des 6. Antirassistischen Grenzcamps in Köln durch die Polizei vom 09.08.2003, an denen sich auch die Bereitschaftspolizei Lich beteiligte, gab es auch in Giessen und Umgebung mehrere Protest-Aktionen. Drei Tage sollten dazu genutzt werden, um auf die hohe Polizeipräsenz und das Vorgehen der Polizei in Köln aufmerksam zu machen und grundsätzliche Kritik an Law and Order & Polizeistrukturen zu formulieren.
11.08: Spontandemo, Theater und identitäre Gruppen
So fanden sich am 11.08.2003 ca. 30 Menschen zu einer Spontandemo durch die Giessener Einkaufszeile zusammen. Sie wollten mit einem Theaterstück und Redebeiträgen auf die Räumung aufmerksam machen.
Das Theaterstück begann mit der Szene, dass drei Menschen sich darüber unterhielten, dass sie gerne zur angekündigten Nazi-Demo in Köln-Poll gehen würden, um dort gegen die Nazis zu demonstrieren, aber dass ganze Camp mit Polizistinnen umstellt sei. In diesem Moment tauchten drei PolizistInnen mit Schlagstöcken und Schilden bewaffnet auf und kesselten die drei CamperInnen ein. Sie nahmen den Eingekesselten nacheinander Handys und Wasserflaschen ab (symbolisch für das Kappen der Telefon-und Internetverbindungen und das Abdrehen der Wasserversorgung des Grenzcaps) und riefen immer wieder durch Megaphone, dass sie das Camp räumen wollen, da aus ihrer Mitte Straftaten begangen worden seien. Nur diejenigen, die ihre Personalien abgeben würden und sich filmen liessen, dürfen gehen. Durch Megaphone wurde auch die Situation der im Kessel Stehenden verdeutlicht. So erfuhren die PassantInnen, dass sich an besagtem Samstag mehrer hundert Menschen auf dem Gelände des Grenzcamps aufgehalten haben, unter ihnen einige Flüchtlinge, denen bei einer Kontrolle durch die Polizei die Abschiebung aus Deutschland drohte. Bei brüllender Hitze hatte die Polizei die Wasserzufuhr und die Telefon- und Internetleitungen über mehrere Stunden abgeschnitten. Mit Pfefferspray und Schlagstöcken attackierten die PolizistInnen immer wieder die Eingekesselten. Diejenigen, die nicht freiwillig gingen wurden in Gewahrsam genommen und nach Köln-Brühl ins Gefängnis gebracht.
Das Theaterstück wurde an mehreren Stellen der Giessener Innenstadt aufgeführt. Erst beim zweiten Auftritt, direkt am Marktplatz in Giessen umringten die PassantInnen, die dem ganzen aufmerksam zusahen, die Theatergruppe. Als dann auch noch ?Verstärkung? durch die echte Polizei kam, wurde das Schauspiel perfekt. Diese standen an ihre drei Fahrzeuge gelehnt und betrachteten das Ganze, während sie immer wieder vereinzelt den Kopf schüttelten. Der Bitte von Seiten der Theaterspielenden, sich doch in das Theaterstück einzufügen, kamen sie nicht nach. PassantInnen zeigten sich empört über die Situation in Köln. Aber auch mit der Schausielgruppe begannen PassantInnen Diskussionen.
Besonders gut gelaunt waren die wenigen Aktivistinnen nicht. In der Vorlaufphase fanden sich nur fünf Theater-Leute ... der Rest begnügte sich damit, schwarz gekleidet wichtig herum zu stehen, unter sich zu bleiben ... mit Leuten, die aus ähnlichen Gründen hier waren, wurde schon nicht mehr kommuniziert. Dabei muss ja keineR Theater spielen oder gut finden: Aber weder gab es Transpis, noch wurden Parolen gegröhlt oder andere Aktionen umgesetzt. Leute werden alleine stehen gelassen. Während des Theater stellen viele sich bewusst ins Abseits, es folgen Sprüche wie: ?Das ist mir zu affig. Ich weiß nicht ob ich da noch mitgehe.? Wenn da schon Solidarität endet ... na dann Gute Nacht. Tatsächlich werden die Theater-Leute nach der ersten Aufführung von vielen alleine gelassen ... Kopfschütteln ... der Mief von Subkultur und Cliquendominanz, die inzwischen auch zu den Dingen gehören, die ich überwinden will.

15.08: Polizei in uniform und zivil suchen Demo
Für Freitag, den 15.08.2003 wurde eine Kundgebung in der Giessener Innenstadt angekündigt. Da aber diejenigen, die diese Kundgebung gefordert hatten, an diesem Tag nicht da waren und auch im Vorfeld diese nicht angemeldet hatten, gab es diese faktisch nicht ... die, die sie gefordert hatten, konnten sich nicht mehr daran erinnern ... sehr merkwürdig. Leider standen doch ca. 5 Personen am vereinbarten Treffpunkt. Selbst die, die von der Absage bescheid wussten und vor Ort waren, haben wohl leider vergessen, die neuesten Informationen weiterzugeben. Naja, zumindest die Polizei verbrachte einige Zeit damit, die Innenstadt nach unsichtbaren Demos zu durchkämmen.

16.08: Inspektion der Bereitschaftspolizeikaserne in Lich
Einen Tag später, am 16.08.2003, trafen sich ca. 20 DemonstrantInnen in Lich, um eine ?Inspektion? der dort kasernierten Bereitschaftspolizei durchzuführen. Mitten in der Fussgängerzone wurde das Theaterstück vom 11.08.2003 noch einmal wiederholt. Diesmal war die Theatergruppe noch zahlreicher und besser ausgestattet. Mit Absperrband und Schlafsäcken inszenierten diese die Campsituation (siehe Bilder). Flugblätter verteilend gingen die DemonstrantInnen, begleitet von zwei Streifenwagen, einem Zivi-Fahrzeug (Schwarzer BMW, GI-YC-511) und vier PolizistInnen zu Fuss, auf direktem Weg zur Polizeikaserne. Die Demonstrationsroute wurde scheinbar vorher verschönert, indem an Häuserwände, Stromkästen und Bushäuser Hinweise mit den passenden Pfeilen gesprüht hatte. Auf dem unmittelbaren Weg zur Kaserne stießen die DemonstrantInnen auch auf Parolen, wie ?Knäste schrotten?, ?Polizeistaat stoppen? oder ?Gegen Staatsgewalt?, die scheinbar mit gelber Farbe auf die Strasse gemalt wurden. Eine Bürgerin überreichte den DemonstrantInnen ein unverschämtes Schreiben der Bereitschaftspolizei, welches das Grenzcamp als Chaotenlager diffamiert und die Polizeistrategie verteidigt (dieses wurde nach ihren Aussagen in Lich verteilt). Vor den Toren der Bereitschaftspolizei wurden sie schon von filmenden und photographierenden PolizistInnen erwartet. Doch davon ließen sich die DemonstrantInnen nicht beeindrucken. Sie gestalteten die Strasse anhand von Kreide nach ihren Vorstellungen mit Parolen wie ?No justice, no peace, fight the police!? oder ?Keine Macht für Niemand?. Die PolizistInnen hockten auf der Strassenkante und langweilten sich. Bei einer Unterhaltung mit einem Polizisten, der nach eigenen Angaben selbst in Köln gewesen sei, erfuhr eine DemonstrantIn, dass wohl die Bayrischen PolizistInnen an die Zelte gepinkelt hätten. Die Licher BereitschaftspolizistInnen wären es auf jeden Fall nicht gewesen. ?Unsere? Licher machen so was nicht ... hätte uns aber auch enttäuscht!

Dokumentation des Flugi-Text:
Recht und Ordnung mit Schlagstöcken durchgesetzt:
Grenzcamp in Köln von Polizei geräumt

In der ersten Augustwoche fand in Köln ein antirassistisches Grenzcamp statt, wo Menschen mit und ohne Pass aus ganz Europa sich mit Rassismus und Diskriminierung auseinander setzen wollten. Mit Diskussionen und bunten Aktionen wurde gegen die herrschende Asylpolitik, rassistische Sondergesetze und die Festung Europa demonstriert. Begleitet wurde dies von einer unglaublichen Dichte von Polizeieinsatzkräften, Kontrollen und Einschüchterungsversuchen. Der Höhepunkt war die Räumung des gesamten Camps durch mindestens 2500 Einsatzkräfte, die aus ganz D-Land zusammen gezogen waren (darunter auch die Bereitschaftspolizei Lich).

//:: Vom ersten Tag an:
Kontrolle und massive Präsenz während des gesamten Zeitraums
Das Camp wurde ständig von mehreren Polizeiwannen belagert. Zivilpolizisten und Uniformierte beobachteten das Geschehen unter Einsatz von Kameras. BGS- und Polizei-Hubschrauber kreisten immer wieder über dem Gelände. All das war der ?Normalzustand? noch bevor die ersten Aktionen los gingen. Die Polizei (sowie hetzende Medien und Politik!) ist damit klar verantwortlich für die Herstellung eines einengenden, autoritären Klimas. Dazu gehört auch, dass fast jede Aktion oder Demonstration sofort von einem Polizeikessel umringt wurde.

//:: Der Höhepunkt: Belagerung und Räumung des Camps am Samstag
Damit am Samstag etwa 60 Nazis in Ruhe in Köln-Poll demonstrieren konnten, hatte die Polizei den Stadtteil hermetisch abgeriegelt. Ab 11 Uhr hatte sie das Camp dicht gemacht - keineR konnte mehr rein oder raus, was sich für Stunden hinzog. Immer wieder knüppelten Cops in die Menge rein und versuchte einzeln heraus zu greifen. Dazu gehörten auch Knüppelschläge auf den Kopf, andere bekamen Pfefferspray direkt ins Gesicht. Das steigerte sich bis hin zur Räumung des Camps: Gegen Abend marschierten etwa 2500 PolizistInnen auf, umstellten das Gelände, mit dabei Wasserwerfer und ein Räumpanzer, Hubschrauber und Fahrzeugkolonnen. Die Wasserversorgung wurde mehrfach ausgesetzt, Telefon- und Internetleitungen von der Polizei durchgeschnitten. Die Handlungsmöglichkeiten der CampteilnehmerInnen wurden so immer mehr beschnitten und autoritäre Rahmenbedingungen verstärkt. Erst in den frühen Morgenstunden beendete die Polizei ihre Maßnahme. Bis dahin wurden ca. 320 Menschen in Gewahrsam genommen. Darunter auch Flüchtlinge ohne Papiere, denen die Abschiebung aus D-Land droht.

//:: Das Grundsätzliche: Leben ohne Polizei und Repression
Das Problem liegt nicht darin, dass hier vielleicht ?unverhältnismäßig? oder brutal vorgegangen wurde. Es fängt schon damit an, dass es Polizeiapparate gibt, die jederzeit bereit stehen, um Menschen ohne Papiere zu jagen, Widerstand zu verhindern und vieler Menschen Leben zu zerstören (z.B. durch Knast). Denn wenn PolizistInnen sie ausführen, ist Freiheitsberaubung, brutale Gewalt von Gesetzen gedeckt und wird leider von vielen akzeptiert wird. Die Polizei ist damit Ausdruck einer Gesellschaft, in der es zum guten Ton gehört, die eigenen Interessen ?von oben? durchzusetzen und die Wünsche der Menschen zu übergehen.

§ Die Polizei dient zur Durchsetzung von ?Recht(s) und Ordnung?. Immer wieder wird sie eingesetzt, um Widerstand zu kriminalisieren, statt sich mit dessen Forderung zu beschäftigen oder Veränderungen umzusetzen.
§ Die Polizei ist ein riesiger, hierarchischer Apparat, in dem einzelne PolizistInnen auf Befehl und Gehorsam getrimmt werden. Das fördert die Herausbildung ?williger VollstreckerInnen? mit hoher Gewaltbereitschaft ... verstärkt noch durch die Möglichkeit, anonym aus der Masse heraus zu agieren. Die Struktur der Polizei (Hierarchien, Befehle, Uniformierung), insbesondere die Kasernierung von BereitschaftspolizistInnen fördert männerbündisches Verhalten. Gewalt und Brutalität ist daher nicht die Ausnahme, sondern fest in der Polizei verankert!

Es macht zwar Sinn, Polizeieinsätze im Detail zu kritisieren und Verbesserungen zu fordern. Aber wo die grundsätzliche Kritik an Herrschafts- und Repressionsstrukturen fehlt, ist eine Welt ohne Polizei eigentlich gar nicht vorstellbar. Statt Polizeieinsätzen oder noch mehr demokratischer Knüppel wäre daher zu überlegen, wie eine Welt ohne Reichtumsgefälle, Ausgrenzung oder Grenzen aussehen könnte, die Menschen ?illegal? machen.

//:: Links
Berichte zum Grenzcamp: www.de.indymedia.org
Widerstand gegen autoritäre Politik in Gießen: www.abwehr-der-ordnung.de.vu
Herrschaftsfreie Gesellschaft: www.herrschaftsfrei.de.vu

//:: Termine:
Ab 26.08 bis ca. 4.09 auf dem Kirchplatz Gießen: Utopiezeltstadt mit Umsonst-Laden, offener Bühne, Kinder-Chaos-Ecke und Raum für deine Ideen ... eine Woche kontrollfreie Zone. Infos: www.abwehr-der-ordnung.de.vu

Gegen Hartes Durchgreifen und Repression!
Freiräume statt autoritäre Formierung!
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

nicht erlaubt ...

mitdenker 17.08.2003 - 03:03
das mag zwar für den einen oder anderen blöd juristisch klingen, aber: die polizei darf solche flugbätter wie das abgebildete (sofern es wirklich von der polizei ist) gar nicht verteilen. das bundesverfassungsgericht hat - im patriespendenurteil glaube ich - mal festgestellt, dass der staat an der willensbildung des volkes nicht mitwirken darf, da er selbst das produkt dieser willensbildung sein soll. er darf sozusagen nicht selbst an seiner gestaltung mitwirken, indem er denjenigen, die ihn "erschaffen" seine vorstellung davon mit auf den weg gibt, wie er gerne sein würde. diese flugblätter sind aber zweifellos meinungsbildend, ja sie verunglimpfen soger personen, die von ihrem grundrecht auf versammlungsfreiheit (= meinungsbildung) gebrauch machen, und vom staat (der polizei) sind sie auch. schöne theorie mag man sich denken, denn sie hat ja oft genug mit der realität nix zu tun, aber wäre beim juristischen vorgehen gegen solche frechheiten wie die vorliegende vielleicht mal hilfreich.

"kasernierte Bereitschaftspolizei"

Peter 17.08.2003 - 12:39
der Begriff erinnert an "kasernierte Volkspolizei". Die war der Vorgänger der NVA, also dem Militär. Die Parallelen sind natürlich rein zufällig. Achso, genau

Nicht wählen gehen!
Stimme behalten und bei Bedarf einsetzen!
Dürfen eigentlich auch Stumme Ihre Stimme abgeben? Ich weiß, ich weiß, die haben schon Ihre Stimme abgegeben.

bericht in der FR

leser 17.08.2003 - 12:44
Hier der link zu einem artikel in der frankfurter rundschau über polizeigewalt, insbesondere bei den cops in thüringen
 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/dokumentation/?cnt=268332

hier findet ihr die site des autors, der auch mehrere bücher geschrieben hat:
www.rolf-goessner.de

parolen

jfp 17.08.2003 - 18:16
die parolen und "wegweiser" wurden übrigens noch am selben tag entfernt.

der widerstand gegen law & order in gießen und umgebung geht weiter:
29.08.03 - nachttanzdemo - 20.00 uhr - südanlagenpark/gießen

Flugblatt

JD 19.08.2003 - 13:35
Nett gefaktes Schreiben da oben, aber doch inhaltlich zu offensichtlich falsch... von wegen Postfach 110110... In "echten" Schreiben wird sich wohl auch kein so klarer Rechtschreib- oder Grammatikfehler finden ("Das <- die Polizei aber auch die schützt...")... Und bei der Polizei sind es alles "Kollegen", "Kameraden" gibt es nur bei der Bundeswehr...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Korrektur zu "Mitdenker" — Gegendenker

A.C.A.B. — tom138

korrektur zu gegendenker — garnichtdenker