Bras./ S. Bernardo: Berichte von der Räumung

CMI SP / Cesar Mangolin; Übersetzung: Kh. 13.08.2003 13:42 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
2 Berichte auf Indymedia Brasilien, von der Räumung des besetzten VW-Geländes in São Bernardo do Campo. Wegen der enormen Übermacht und offensichtlichen Gewaltbereitschaft der Polizei willigten die Teilnehmer ein, das Gelände freiwillig zu verlassen und in bereitstehende Busse und LKWs zu steigen. Trotzdem kam es teilweise zu Übergriffen; ein großer Teil der Zelte ging in Flammen auf. Die LKWs wurden von der Polizei umgeleitet und an einer Stelle, wo es keine Medienpräsenz gab, plötzlich angegriffen. Dabei soll es 6 Schwerverletzte gegeben haben.
1. Bericht über Polizeigewalt in São Bernardo do Campo
Quelle:  http://brasil.indymedia.org/pt/blue/2003/08/260578.shtml
von CMI SP 09/08/2003, 20:27

Bericht von Helena Silvestre Pedro über die von der Polizei am Donnerstag (7. August) nachmittag begangenen grausamen Handlungen gegen die Gruppe der Wohnungslosen, die bereits das von ihnen friedlich besetzte Gelände verlassen hatten.

Nachdem sie von dem Gelände vertrieben worden waren, fuhren einige der Camper mit dem Bus zur Pfarrgemeinde von Jesus de Nazaré, wo sie vom Priester abgewiesen wurden.

Von diesem Moment an teilte sich die Gruppe. Ein Teil kehrte zum Bus zurück und fuhr weiter in Richtung zur Stadtverwaltung von São Bernardo do Campo; eine Gruppe marschierender Camper bewegte sich zu Fuß ebenfalls dorthin, durch die Hauptstraßen der Stadt.

Eine dritte Gruppe von Wohnungslosen fuhr auf Lastwagen, auf denen auch ihr Hab und Gut transportiert wurde, und bei diesen Personen machte sich die Polizei die Abwesenheit der Medien zunutze, um an ihnen Akte extremer Gewalt zu verüben.

Im ganzen waren es 8 Lastwagen, deren Fahrtroute von der Polizei willkürlich umgeleitet wurde. Bei Km 18 der Via Anchieta befahl die taktische Polizeitruppe (Força Tática) und die Militärpolizei allen, die sich auf den Lastwagen befanden, abzusteigen. Aus Angst weigerten sich einige herunterzusteigen und wurden von der Polizei angegriffen. Tränengasbomben wurden auf die Leute geschleudert, eine von ihnen explodierte am Fuß eines Jungen, der dabei schwer verletzt wurde. Die Polizei schonte nicht einmal eine schwangere Frau, die auch Schläge abbekam.

Bis jetzt gibt es 31 Personen, die Spuren der Aggression aufweisen, 6 sind schwer verletzt.

Viele sahen sich gezwungen, ihren Weg zur Stadtverwaltung zu Fuß fortzusetzen, nachdem es ihnen gelungen war, der Polizei zu entkommen. Alle Wohnungslosen konzentrierten sich vor der Stadtverwaltung und verließen den Platz erst heute, als der Bürgermeister sie durch einen Räumungsbefehl(?) dazu zwang.

Die Gruppe bleibt auf dem Platz vor der Hauptkirche versammelt, wo der Priester sich weigerte, den Schuppen der Kirche zur Verfügung zu stellen. Viele Gläubige sind über das Verhalten des Priesters empört.


‚Reintegration‘ in São Bernardo: Wohnungslose werden attackiert

Quelle:  http://www.midiaindependente.org/pt/blue/2003/08/260543.shtml
von Cesar Mangolin 09/08/2003, 12:44

Ich möchte alle gern von den Tatsachen unterrichten, die heute nicht in den Zeitungen erscheinen und auch morgen nicht erscheinen werden. Seit heute morgen sind wir im Camp gewesen. Die Gegend war von der Polizei umzingelt. Mir selbst, oh Ironie des Schicksals, gelang es nur knapp, die Polizeisperre zu überwinden, weil ich als Assistent Pastor Levis von der Baptistengemeinde von Santo André passieren durfte, denn als Mitglied der Kommunistischen Partei kam ich nicht sehr gelegen.

Hier eine Zusammenfassung der Ereignisse:
Die Bereitschaftspolizei (Tropa de Choque) traf sehr früh am Ort ein und war nicht bereit zu verhandeln. Sie akzeptierten nicht einmal das Argument, daß der Schutzbund (od. Vormundschaftsrat) für Kinder und Jugendliche, wie vereinbart, ein Verzeichnis der Kinder anfertigen wollte. Sie sahen noch nicht einmal die Notwendigkeit ein, daß wir überhaupt Vertreter dieses Gremiums haben sollten, um die Reintegration zu begleiten.

Nach einem ersten Moment der Spannung, als die Bereitschaftspolizei anrückte, um das Eingangstor zum Lager, das wie es sich gehört geschlossen war, aufzubrechen, gab der Kommandeur den Familien eine halbe Stunde Zeit, um den Platz zu verlassen. Widrigenfalls würde es einen Angriff geben.

Daraufhin gab es eine Versammlung mit dem Beschluß, den Platz friedlich zu verlassen und den persönlichen Besitz zu den verschiedenen Bussen und den ungefähr sechs Lastwagen zu bringen, die sonst eigentlich Sand transportieren und der unweigerlich alles verderben würde.

Einige Tatsachen brachten uns zu der Annahme, daß die Polizei (und ich habe niemals soviel auf einem Haufen gesehen) provozierend gewaltbereit war. Das zeigte sich vor allem daran, daß keiner der Soldaten der Sondereinheit ein Erkennungszeichen an der Brust trug.

Wir sahen dann später, wie sich diese Gewaltbereitschaft manifestierte: der zweite größere Moment der Spannung begann just in dem Moment, als sich nach beendeter Versammlung viele Leute in der Nähe der zwei noch verschlossenen Tore angesammelt hatten und einige Genossen von der anderen Seite des Camps angelaufen kamen und meldeten, daß die Polizei an dieser Stelle eingedrungen sei. Sie würden auf die Leute einschlagen, dabei sogar ihre AR15 entsichern und alle bedrohen, die sich dort befanden. Einige Zelte wurden verbrannt, und bis jetzt wissen wir nicht, wer damit begonnen hat, das Feuer zu legen.

Tatsache ist, daß die an den Toren versammelte Menge sich erschreckt zusammenzudrängen (?) begann. Es gelang uns schließlich, die Tore zu öffnen und Schlimmeres zu verhindern. Eine Gasflasche explodierte und in diesen Augenblicken gab es viel Verwirrung , aber es beruhigte sich dann.

Was uns traurig macht: daß wir die Versammlung beendet hatten und die Polizisten trotzdem gewalttätig wurden. Ein anderer Umstand, der häufig vorkommt: alle die in irgendeiner Weise halfen, den Rückzug durchzuführen, wurden von einem Soldaten von GATE gefilmt.

Am frühen Nachmittag fuhren die Campleute mit den Bussen zu einer katholischen Kirche der Gegend, die sie aufnehmen sollte. Wir wissen noch nicht recht aus welchem Grund, aber als wir begannen, die Sachen aus dem Bus auszuladen, gab der Priester seine Idee auf und gab uns zu verstehen, daß wir dort nicht bleiben könnten. Da setzte eine große Verwirrung mit widersprüchlichen Informationen ein, mit schwerwiegenden Folgen, wie wir weiter unten sehen werden.

Einer der Führer von MTST (Bewegung der wohnungslosen Arbeiter) informierte uns, daß wir zu einer Feriensiedlung der Metaller von ABC fahren sollten. Die Information war jedoch falsch, eine solche Siedlung gab es überhaupt nicht. Also beluden die Leute die Busse wieder mit ihren Sachen. Der Rest der Führung, der mit anderen Lagerbewohnern in einem Marsch ankam, wußte nichts von dem, was bei der Kirche passiert war. Es gab eine große Zerstreuung, es war diese größte Demütigung, an der alle litten.

Man beschloß dann, zum Rathaus zu gehen, aber der Bürgermeister empfing die Organisation wieder nicht.

Da ereignete sich das Schlimmste: in dieser Verwirrung der Informationen wurden die Lastwagen, die einen Umweg durch die nächsten Straßen nahmen, von der Polizei angehalten. Auf und in ihnen befanden sich viele der Camper, zusammen mit einem großen Teil der Habseligkeiten aller Leute. Die Polizei erklärte, daß sie nicht mehr zur Kirche fahren sollten und daß sie ihnen zum neuen Ort folgen sollten. Diesen neuen Ort gab es allerdings gar nicht.

Sie fuhren mit den Bussen durch ein paar Straßen der Stadt, bis sie in eine Straße einbogen, mitten in der Wildnis, wo sie die Leute zu deren Entsetzen absteigen ließen und dazu übergingen, Gasgranaten zu werfen. Bei dieser feigen Tat wurden viele ziemlich zugerichtet, ein Junge erlitt durch eine Granate Brandverletzungen am Fuß und verschiedene andere Verletzungen durch Splitter. Zeugen der Tat sagten, daß die Polizisten auf eine Frau mit einem Kind im Arm einschlugen, die auf dem Lastwagen fuhr! Sie befahlen den Leuten zu laufen und nahmen ihnen die LKWs weg, so daß bis jetzt niemand mit Sicherheit sagen kann, wohin sie die Sachen der Camper gebracht haben.

Bis vor wenigen Augenblicken waren wir noch im Rathaus, wo man auf einer Versammlung mit etwa vierhundert Personen in der Hoffnung auf Unterstützung beschloß, eben dort zu kampieren. Wir halten das für einen Fehler, da wir einen anderen Vorschlag hatten, die Übriggebliebenen zu drei verschiedenen Orten zu bringen. Das hätte sie der Überwachung durch die Polizei entzogen und eine größere Mobilität zur Umgruppierung der Bewegung erlaubt. So war jedoch die Entscheidung der Mehrheit, die dort anwesend war.

Das sind die Einzelheiten, die wir an alle weitergeben wollten, die sich für die Sache interessieren.

Es war wirklich ein elender Tag; unsere Empörung läßt uns stärker denn je rufen: Der Kampf geht weiter!

Es umarmt euch –
Cesar Mangolin, KP Brasiliens, São Bernardo

Weitere Infos:
 http://de.indymedia.org/2003/08/59361.shtml
 http://de.indymedia.org/2003/08/59232.shtml
 http://de.indymedia.org/2003/07/58470.shtml
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen