EU Konvent-GATS: Schutzklausel gestrichen!

Education is not for sale! 21.07.2003 19:36 Themen: Bildung
In einer Pressemitteilung vom 05. Februar 2003 schrieb die Europäische Kommission, dass sie bei den laufenden GATS-Verhandlungen keine Verpflichtungen in den Bereichen Gesundheit, audio-visuellen Medien und Bildung vorschlägt. Über den EU Konvent wird aber schon ein neuer Angriff auf die öffentliche Dienste vorbereitet. Es wird Zeit für eine Kampagne...
Dass die Gefahr noch nicht gebannt ist, war eigentlich von Anfang an klar, ging es doch um ein VORSCHLAG der EU Kommission bei den laufenden GATS-Verhandlungen (Ein WTO- Abkommen, das den Handel in Dienstleistungen regeln soll). Aus einer internen EU Mitteilung wurde klar, dass neue Zugeständnisse in den Bereichen Bildung, Gesundheit und den audio-visuellen Medien durch ein Veto aus dem EU Vorschlag für die weiteren GATS-Verhandlungen herausgenommen sind. Es gab also eine Mehrheit, um in den genannten Bereichen weitere Zugeständnisse zu machen, aber durch Artikel 133 (Absatz 6) im Nizza-Vertrag der EU hat jeder Mitgliedstaat ein Vetorecht bei der Abstimmung für die Bereiche Bildung, Gesundheit und Soziales und einige Staaten haben von diesem Vetorecht auch Gebrauch gemacht. Genau dies soll in der EU Verfassung geändert werden. Nur im Bereich audio-visuellen Medien und Kultur soll eine Ausnahme (dort soll weiterhin das Vetorecht bei der Abstimmung gelten) gemacht werden, in den andere Bereichen entscheidet die Mehrheit der Mitgliedstaaten, wenn die EU Verfassung in seiner heutige Form angenommen wird.

Die Liberalisierer unter Führung von Europarlamentarier Elmar Brok (CDU) und Pascal Lamy haben also einen wichtigen Sieg errungen. Aus der Erklärung der finanziellen Interessen (finanzielle Interessen vom Mitglied des Europaparlaments Elmar Brok ( http://wwwdb.europarl.eu.int/ep-dif/1263_03-01-2003.pdf ), die jedes Mitglied des Europa-Parlaments abgeben muss, geht hervor, dass Elmar Brok Vize-Präsident von Media Development der Bertelsmann AG ist. Die Bertelsmann AG treibt in Deutschland über die eigens gegründete Bertelsmannstiftung und das von dieser Stiftung und der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz gegründete Centrum für Hochschulentwickelung (CHE), die Kommerzialisierung der Bildung voran. Brok hat am 27 Januar 2003 ein Diskussionspapier geschrieben (Unter der Registrationsnummer CONV/325/2/02 REV2), worin er vorschlägt, dass der Konvent bei den Grundfreiheiten das Recht auf Bildung einräumt (Artikel II-14 Recht auf Bildung). Bei Absatz 2 schlägt er vor, dass dieses Recht die Möglichkeit umfassen soll, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teil zu nehmen, mit anderen Worten er möchte die Möglichkeit zur Erhebung von Studiengebühren (generell, also ab dem 1. Semester) und Schulgeld für z.B. Berufsschulen usw. in der EU Verfassung festschreiben. Der Vorschlag im Diskussionspapier von Brok wird angenommen (EU Verfassungsdokument von 18.07.2003 CONV/850/03, Artikel II-14 Recht auf Bildung, Seite 50).

Obwohl einige Mitglieder des Konvents (wie z.B. Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, MEP für die PDS) vorgeschlagen haben, das Verhandeln und Abschließen von Abkommen über den Handel mit Bildung, Soziales, Gesundheitswesen und Kulturellen und audiovisuellen Medien weiterhin einstimmig vom Europäische Rat beschließen zu lassen, also mit einem Vetorecht für jeden Mitgliedstaat der EU, konnte die Mehrheit sich durchsetzen und nun gelten nach der neuen Fassung die Artikel III-216 und Artikel III-217, die ausschließliche Zuständigkeit der Union und auch die Mehrstimmigkeit bei Entscheidungen. In der ersten, ursprünglichen Fassung des EU Verfassungsentwurfs war der von Dr. Kaufmann und anderen (u.a. Erwin Teufel, Ministerpräsident in Baden-Würtemberg, CDU, der für die Bundesländer im Konvent saß und befürchtet das die vorgenommene änderungen die Kompetenz der Länder beschneidet) vorgeschlagen Beibehaltung der Nizzaklausel noch enthalten, erst später wurde sie rausgenommen.
Einzige Ausnahme ist jetzt noch der Handel mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen:

„Der Rat beschließt ebenfalls einstimmig über die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen im Bereich des Handels mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, wenn diese die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union beeinträchtigen können."( EU Verfassungsdokument von 18.07.2003 CONV/850/03, Artikel III-217, Seite 166).

Im gleichen Artikel des Verfassungsentwurfs steht auf Seite 167:

„Die Ausübung der in diesem Artikel übertragenen handelspolitischen Befugnisse hat keine Auswirkungen auf die Kompetenzabgrenzung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten und führt nicht zu einer Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, soweit eine solche Harmonisierung in der Verfassung ausgeschlossen wird.“

Dies ist aber nicht wirklich beruhigend, da die Schutzklausel für audiovisuellen Medien und Kultur aufrecht erhalten wird und die für Bildung und den anderen vorher genannten Bereiche rausgenommen wurde. Es ist zu befürchten, dass das in der EU Verfassungsentwurf ebenfalls verankerte Konzept der gemeinsamen Handelspolitik, die nach gemeinsamen Grundsätzen gestaltet werden soll, Vorrang für Bildungspolitisch relevanten Überlegungen haben wird. Im gleichen Artikel 217 steht, dass dies insbesondere den Abschluss von Abkommen beim Handel mit Dienstleistungen betrifft.

Im Konvent zeigte sich schon, dass sich Mehrheiten für weitere Liberalisierungen im Dienstleistungsbereich finden werden. Nur eine Minderheit war bereit, sich für die alte Regelung im Nizza-Vertrag einzusetzen, die wie oben beschrieben, Abkommen über den Handel in Dienstleistungen zumindest einigermaßen geschützt hat.

Thomas Fritz, Mitarbeiter von Blue 21 und ATTAC schreibt am 21.07.2003 das im Konventsentwurf ( http://www.attac.de/gats/hintergrund/fritz_eu_konvent.doc) :

„die „gemischte Zuständigkeit“ in den bisherigen Ausnahmebereichen des Dienstleistungssektors (Soziales, Bildung, Gesundheit und Kultur)“ entfällt.

Weiter schreibt Fritz:

„Über Aushandlung und Annahme von Handelsverträgen, die diese wichtigen Bereiche der Daseinsvorsorge betreffen, soll auf die „einvernehmliche Zustimmung der Mitgliedstaaten“ verzichtet werden. In der Bundesrepublik entfällt damit die bisher noch erforderliche Zustimmung des Bundestags. Die Entscheidung über die Annahme von Handelsverträgen würde auf die europäische Ebene verlagert und allein durch den Ministerrat und das EP getroffen.“

Während viele mit dem WTO-Gipfel in Cancun beschäftigt sind (was auch gut und wichtig ist!), ist die EU dabei Fakten zu schaffen, die nach Annahme der jetzigen Verfassung nicht mehr rückgängig zu machen sind. Wir müssen Druck sowohl auf internationaler Ebene als auch auf Bundes- und Landesebene ausüben und das Beibehalten der Ausnahmeklausel des Nizza-Vertrages betreffend, das Abschließen von Handelsverträgen in die Bereiche Gesundheit, Bildung und Soziales in der EU Verfassung fordern. Ein erster Höhepunkt in der Kampagne könnten die Aktionstage während der WTO-Gipfel in Cancun sein und direkt danach während des EEF (  http://www.eef2003.org ) und der anschließenden Demonstration von SchülerInnen, Studierende und Lehrenden, in Berlin sein. Auch während der Konferenz der Europäischen BildungsministerInnen (die gleichzeitig mit dem EEF stattfindet) sollen wir mit gezielten Aktionen die Öffentlichkeit sensibilisieren. Wir sollten sofort mit eine großen Aufklärungs- und Aktionskampagne starten, es bleibt nicht mehr viel Zeit, am 1. Mai 2004 soll der EU Verfassung unterzeichnet werden.

René Schuijlenburg
„Education is not for sale“-Netzwerk


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Ergänzungen

Artikel: Was ist GATS

bär# 21.07.2003 - 23:05
GATS - Die letzte Grenze der Globalisierung:
 http://www.nwwp.de/deutsch/news_d/gats.html

GATS - Was dahintersteckt - Wer profitiert:
 http://www.linksruck.de/rage/artikel/110gats.htm

WTO plant Abschaffung parlamentarischer Kontrolle:
 http://www.attac.de/freiburg/gats/artikel/observer.pdf

Abstimmungsverfahren im EU-Verfassungsentwurf

Wiebke Priehn 13.05.2005 - 23:08
EU-Verfassung bestätigt: Dienstleistungen in den Bereichen Kultur, Bildung, Gesundheit und Soziales sind keine reine Handelsware
- Sieg in letzter Minute für Europäische Bürger - Regionen danken irischer EU-Präsidentschaft für engagierte Verhandlungsführung - Erfolgreiche VRE- Kampagne:

(...)Die von der Versammlung der Regionen (VRE/AER) eingeleitete Kampagne gegen die Einführung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen zu Kultur, Bildung, Gesundheit und Soziales im Rahmen der Gemeinsame Handelspolitik der EU war erfolgreich. Die endgültige Version des Verfassungsvertrages, die am Freitag letzter Woche beschlossen wurde, enthält einen wichtigen in letzter Minute eingefügten Zusatz. Bei Abstimmungen im Rat über Verhandlungen und Abschluss internationaler Abkommen in den Bereichen Kultur, Bildung, Gesundheit ist nun Einstimmigkeit erforderlich, wenn das Risiko besteht, "daß die Verträge ernsthaft die nationale Organisation dieser Dienstleistung bedrohen und die Verantwortung der Mitgliedstaaten für deren Bereitstellung beeinträchtigen."( Art. III-217, (7)).
 http://www.a-e-r.org/Press_Releases_2004/D-CP-Verfassung-06-04.doc