Wahrheit ist Lüge: Presse u. Zensur in der SU

Svennie der Reifenwechsler 07.07.2003 13:40 Themen: Medien Repression Weltweit
"Es ist unmöglich alle Schriftsteller aufzuzählen, die von der Diktatur vernichtet worden sind. Darüber muß eines Tages ein Buch geschrieben werden, aber erst nachdem alle Archive des KGB, der Propagandaabteilung (des ZK) und des GLAVLIT geöffnet sein werden. Und dies wird eines der schrecklichsten Bücher der Geschichte sein." [1]

Wer das Zensur- und Pressesystem der Sowjetunion mit dem unserer Zeit, unseres Landes vergleicht, der vergleicht Äpfel und Birnen. Natürlich gibt es auch heute viele Parallelen zu George Orwells Roman "1984", Aldous Huxleys "Brave New World", Vladimir Nabokovs "Einladung zur Enthauptung", Evgenij Zamjatins "Wir" oder "Fahrenheit 451" von Ray Bradbury. Die Mechanismen jedes Systems, jedes Regimes ähneln sich. Doch "1984" war in der Sowjetunion pure, blanke Realität.

TEIL 1: FUNKTION DER MASSENMEDIEN IN DER SOWJETUNION

Wie auch immer man die Oktoberrevolution aus heutiger Sicht betrachten mag, es scheint offensichtlich, das die Etablierung eines neuen hierarchischen Systems nach dem Umsturz des alten, immer mit Gewalt verbunden ist. In Russland war dies nicht anders Zur Durchsetzung ihrer Ziele und Interessen mussten sich die Bolschewiki volle Kontrolle über alle gesellschaftlichen Teile verschaffen. Dazu gehörte ebenso die Kontrolle des Wortes. Die Auslese von Informationen und die Schaffung des Newspeak (Neusprech) [2] einer Art neuen, rationalen Sprache hätten langfristig die uneingeschränkte Kontrolle über das Bewusstsein und Verhalten der Menschen sichern können. Je tiefer eine Sprache ist, desto besserer Nährboden ist sie für einen revolutionären Geist. Dieser war nach der Festigung der Macht der Bolschewiki nicht mehr gefragt. Die Limitierung von Sprache schliesst Gedankenverbrechen aus. Wie groß dieser Einfluss war, zeigt die extrem späte Herausbildung der sogenannten "Neformaly" [3] in der frühen Phase der Perestroika um 1987. Das waren Diskussionszirkel und nicht registrierte Gruppen und Vereine in der SU.

"Die Presse ist die wichtigste Waffe im Kampf für die revolutionäre Neugestelung der Gesellschaft." [8]

Die Sowjetunion war stets ein totalitärer Einheitsstaat, auch vor der Alleinherrschaft und nach dem Tode Satlins. Das kann an vielen Merkmalen festgemacht werden. Eine gesamtgesellschaftliche Zukunftsideologie, Einheits- und Massenorganisationen wurden etabliert. Vermeintliche Feinde des Systems wurden durch alle Instanzen des staatlichen Gewaltmonopols (Jusitiz, Miliz, Geheimdienst, GLAVLIT [6], etc.) bekämpft. Die Wirtschaft und sämtliche andere gesellschaftliche Bereiche wurden zentral koordiniert. Die Funktion der Massenmedien war nicht Kritik und Kontrolle der Führung und Staatsgewalten, sondern Machterhalt und Festigung des Systems. [4] Nach den Vorstellung Lenins und Stalins waren die Massenmedien eine wesentliche Säule der Macht der Bolschewiki und der KPdSU. Die Menschen sollten durch die Medien im Sinne des Sozialismus erzogen werden.

Das Modell der Sowjetgesellschaft war einfach:

  • Arbeiter, Bauern und Intelligenz halten zusammen.
  • Sie stehen in Freundschaft mit anderen Nationen.
  • Die Arbeiterklasse ist die führende Kraft der SU.
  • Die Diktatur der Arbeiterklasse vereint den Sowjetstaat.
  • Die Kommistische Partei ist die geistige Elite der Sowjetunion.
  • Sie führt das Volk zum Aufbau der klassenlosen Gesellschaft, in der dann die kommunistische Selbstverwaltung entstehen darf. [5]

Diese Auslegung des Staatsbegriffs als notwendiges Übel auf dem Weg zur klassenlosen Selbstverwaltung statt als Grundwert oder Gemeinschaft hatte selbsteverständlich große Auswirkungen auf die Rolle und Funktion der Medien. Ideologische Eziehung stand im Mittelpunkt, nicht etwa Gewaltenteilung, Kritik oder Kontrolle der Staatsmacht.

"Die Presse ist die schärfste Waffe bei der ideologischen Arbeit der Partei." [8]

In Anbetracht der Werteveränderungen durch die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, ist dies durchaus nachvollziehbar. Die Aufgabe des sowjetischen Journalisten war die "aktive Beteiligung am Kampf für den Sieg des Kommunismus" [7]. Ohne Berücksichtigung dieses Ansatzes ist eine objektive Betrachtung des Mediensystems der SU nicht möglich.

Fotsetzung folgt!

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Vom Bolschewismus bis zu staatl. Repressionen unter Stalin Teil 1-4


[1] Roman Gul': Pisatel' i censura v SSSR. In Odvukon': Sovetskaja i emigrantskaja literatura. New York 1973. S. 184-201. Zitiert aus: Arlen V. Bljum: Zensur in der UdSSR. Hinter den Kulissen des Wahrheitsministeriums. 1917-1929. Bochum 1999. Seite 3.

[2] D. Weiss: Was ist neu am "newspeak"? Reflexionen zur Prache der Politik in der Sowjetunion, in: R. Rathmayr (Hrsg.), Slavistische Linguistik 1985. Referate des XI. Konstanzer Slavistischen Arbeitstreffens Innsbruck 10 mit 12.9. 1985, München, Seiten 247-325 (=Slawistische Beiträge 200).

[3] Vgl. zur Herkunft und Eignung des Ausdrucks 'neformaly' den Aufsatz von V.N. Berezovskij und N.I, Krotov (1990) "Neformaly' - Kto oni?" in Norormal'naja Rossija.

[4] C. J. Friedrich / Zbigniew Brzezinski: Die allgemeinen Merkmale der totalitätren Diktatur, in: Totalitarismus im 20. Jahrhundert - Eine Bilanz der internationalen Forschung, Seite 230-231.

[5] Abs. VI Satz 1 Präambel der Verfassung der UdSSR.

[6] GLAVLIT: Abkürzung: Glavnoe Upravlenie Literatury: Hauptverwaltung für Literatur und Verlagswesen, geründet am 6. Juni 1922 durch ein Dekret des Rates der Volkskommissare. GLAVLIT war für die Vorzensur zuständig und folgte den härtesten Zensurtregeln, die es je gegeben hat. Die Verwaltung existierte über siebzig Jahre.

[7] Satzung des Journalistenverbandes der UdSSR (Dezember 1971) Punkit I: Aufgaben des Journalistenverbandes der UdSSR.

[8] Vgl. hierzu A. Buzek (1965), Die kommunistische Presse, S. 137 ff. Der erste Abschnitt betreffend "Beschlüsse der KPdSU" beinhhaltet Dokumente seit der Gründung der ersten bolschewistischen Zeitung durch Lenin bis zur Oktoberrevolution, der zweite u.a. Resolutionen und Beschlüsse über die Presse vom 7., 11., 12. und 13. Parteikongress, Dekrete des Zentrakomitees über die Aufgaben der partei, der Presse und über einzelne Presseorgane sowie Parteibeschlüssse der Nachkriegszeit.

Fortsetzung folgt!

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Ergänzungen

Bitte

Svennie der Reifenwechsler 07.07.2003 - 13:47
kann jemand den text htmlisieren und die zitate kursiv machen?

danke

Antikommunismus

Anne Klar 07.07.2003 - 23:25
Das hier ist purer Antikommunismus und Rassismus. Die hier zitierten Autoren gehören alle zum rechten Rand US-amerikanischr Think thanks.

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