Prozess gegen abwesende Staatsterroristen der GAL

RAlf Streck 20.06.2003 21:38 Themen: Antifa Repression Weltweit
Fast 20 Jahre nach dem Mord an Santi Brouard, Politiker der baskischen Partei Herri Batasuna (Volksunion), hat Anfang Juni ein Prozess gegen drei Mitglieder der Todesschwadrone (GAL) begonnen. Den von der sozialistischen Regierung beauftragten Staatsterroristen fielen in den 80er Jahren mindestens 28 Menschen zum Opfer. Die Aktionen wurden eingestellt, als Frankreich mit Auslieferung von Basken an Spanien begann. Das wesentliche Ziel der GAL war erreicht, die hauptsächlich gegen Flüchtlinge im französischen Baskenland vorging.
Jetzt fehlt nur noch das Urteil im Prozess am Mord des baskischen Politikers Santi Brouard. Selbst wenn erneut spanische Staatsterroristen vor dem Gericht in Bilbao verurteilt würden, die wirklich Verantwortlichen bleiben ungestraft. 19 Jahre ist es her, als der beliebte Politiker und Kinderarzt 1984 in seiner Praxis von den Antiterroristischen Gruppen zur Befreiung (GAL) erschossen wurde. Doch auch im zweiten Prozess werden die Auftraggeber für den Mord am Politiker der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung nicht belangt. Die Staatsanwaltschaft erklärte, den drei Angeklagten sei die Schuld an einem Mord mit "politischem Motiv" an dem Politiker von Herri Batasuna (Volksunion) nachgewiesen. Sie räumte aber ein, einige Schuldige würden wohl "niemals" auf die Anklagebank kommen.

Gründe für diese Annahme gibt es genug, denn Politiker der sozialistischen Regierung (PSOE) fehlen auf der Anklagebank. Dabei hatte Mohand Talbi Ende der 80er Jahre ausgesagt, die GAL sei offiziell am 3. Dezember 1983 im Hotel Ercilla von Bilbao gegründet worden. Daran seien der Chef der Guardia Civil, Sáenz de Santamaría, der Innenminister José Barrionuevo, und der Staatssekretär für Sicherheit, Rafael Vera, beteiligt gewesen. 15 Morde habe man dabei vereinbart. Obwohl Vera und Barrionuevo für eine Entführung der GAL schon verurteilt wurden, sind sie nicht angeklagt worden.

Auch Zeugen fehlten im Prozess. So war der GAL-Söldner Talbi nicht zu finden, obwohl er sich im Zeugenschutz der Polizei befindet und der Ex-Guardia Civil Chef wurde plötzlich krank. Zeugen konnten sich an frühere Aussagen nicht mehr erinnern und die Angeklagten zogen ihre Geständnisse und Anschuldigungen gegen andere zurück. 1999 hatte der Unternehmer José Luis Morcillo, beschuldigt einer der beiden Mordschützen zu sein, seine Beteiligung an der Tat ebenso eingeräumt, wie der Ex-Polizist José Amedo.

Trotz der Probleme zeigte sich im Prozess, wie die Mörder seit 19 Jahren von den Hintermännern in Politik, Polizei und Militär gedeckt werden. Bis 1999 blieben die Ermittlungsakten der Polizei quasi leer. Deren Untersuchungen seien noch am Tag des Anschlags beendet worden, erklärte ein Polizist. Morcillo lebte jahrelang in Spanien und floh erst 1989 mit einem Pass, den er vom Innenministerium erhalten hatte, nach Südamerika, allerdings wegen Scheckbetrugs.

Trotz eines Haftbefehls verlängerte er den Pass in einer spanischen Vertretung. Mehrfach reiste er nach Spanien, wo er 1997 wegen Drogenhandel verhaftet wurde, dem sich die GAL auch widmete. Auch der dritte Angeklagte, der Ex-Guardia Civil Beamte, Rafael Masa, befindet sich derzeit wegen Drogenhandels in Haft.

Erst die zufällige Verhaftung von Morcillo machte es möglich, den Fall Brouard erneut aufzurollen. Schon 1993 war einer der beiden Schützen und der Waffenbeschaffer verurteilt worden. Doch auch damals blieben die Hintermänner für fast 30 Morde der GAL im Dunkeln. Die konservative Regierung hat ohnehin kein Interesse, die Staatsterroristen zu bestrafen, weil auch sie die baskische Linke mit allen Mitteln bekämpft. So hat sie ja rückwirkend Herri Batasuna, zusammen mit Batasuna (Einheit) und Euskal Herritarrok (Baskische Bürger) verboten. Sie nutzt die Ermittlungen aber, um die Sozialisten mit sporadischen Ermittlungen unter Druck zu halten, begnadigt aber verurteilte GAL-Krieger schnell.

So saßen Vera und Barrionuevo nur wenige Monate ihrer zehnjährigen Haftstrafe ab. Auch die Begnadigung von Enrique Rodríguez Galindo wird gerade vorbereitet. Der des Ex-Generals der Guardia Civil wurde zu 75 Jahren Haft verurteilt, weil er die Entführung und Ermordung von zwei baskischen Jugendlichen beauftragt hatte. Eine Anklage wegen Drogenhandels, Zuhälterei und Schmuggel wurde inzwischen eingestellt, ohne das vernünftig ermittelt wurde. Ende letzter Woche hat Galindo, nach nur drei Jahren in Haft, einen Antrag auf Freigang beim Verteidigungsministerium gestellt. Das hatte es dem Mörder schon erlaubt, Weihnachten und Neujahr im Kreis der Familie zu feiern. Dabei ist es gar nicht mehr zuständig, weil er aus dem Militär entlassen wurde, sitzt aber trotz allem noch in Militärhaft.

© Ralf Streck, Donostia- San Sebastian den 20.06.2003
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