Die Geschichte der Bunten Republik Neustadt

imc-dd 14.06.2003 00:53 Themen: Freiräume

Proklamation der provisorische Regierung der Bunten Republik Neustadt (1990)


Die provisorische Regierung der Bunten Republik Neustadt erklärt sich für existent und erhält somit den Status einer ordentlichen Prov. Regierung. Sie übernimmt ab sofort und bis auf Widerruf keine Verantwortung und zwar vor dem ganzen Volk der Neustädter jeden Alters, Geschlechts, Hautfarbe, Parteizugehörigkeit, Weltanschauung und Religion.Die OPR der BRN verspricht nichts, außer der Fortführung des guten und schlechten Wetters unter allen Bedingungen sowie harten Widerstand gegen Spekulation, Mietwucher, Zerstörung und Vertreibung der Bewohner der BRN. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.
Die OPR der BRN garantiert die Gleichbehandlung aller Bürger der BRN bei der Verteidigung ihres sozialen Besitzstandes.
Die OPR der BRN stellt sich getreu dem Grundsatz, daß Wahlen, hätten sie je etwas bewirkt, längst verboten wären, keiner Wahl. Vielmehr ergänzt sie sich aus der interessierten und engagierten Bevölkerung. Das Ideal, die Zahl der Regierenden sei gleich der Zahl der Bürger, wird ernsthaft angestrebt.
Die OPR der BRN erklärt jede Einschränkung der in der Menschenrechtsdeklaration verankerten Grundrechte zum Verbrechen, das mit Verbannung aus der BRN zu ahnden ist. Auch der Versuch ist strafbar.
Jede Verherrlichung von Krieg, Militarismus, Faschismus und Rassismus ist in der BRN verboten, ansonsten besteht Pressefreiheit, Redefreiheit und Freiheit der künstlerischen Darstellung.Die OPR der BRN erklärt diverse Erscheinungen des sogenannten modernen Lebens für ziemlich ekelhaft. Darunter fallen: „gewinnorientierte“ Mieten, Gewalt, Sperrstunden, Reklame, Wohlstandsdenken, Konsumfetischismus, Umweltzerstörung etc.pp.. Die OPR der BRN bedauert zutiefst, daß sie diese Erscheinungen und deren Ursachen nicht von heute auf morgen beseitigen kann.
DDR: Die Geburt des bunten Stadtteils

Im Vergleich zur Gesamtstadt waren die Zerstörungen in der Antonstadt durch den 2. Weltkrieg nur gering und betrafen überwiegend wertvolle Einzelobjekte. Nach dem Krieg wurden wichtige Gebäude notdürftig wiederhergestellt. Der seit 1945 in Äussere Neustadt umbenannte Stadtteil wurde durch die DDR Regierung jedoch stiefmütterlich behandelt. Die Wohnungen sollten - aus ideologischen Gründen - nur noch abgewohnt werden. Abrisspläne lagen vor. 1989 standen über 20% der Wohnungen leer. Nur noch 16.500 Einwohner beherbergte das Kerngebiet der Äusseren Neustadt. Dem Verfall preisgegeben, fand auch eine soziale Abwertung innerhalb der Zusammensetzung der Bewohner statt.

Für DDR-Begriffe war die Neustadt alles andere als attraktiv. Kaum eine Wohnung verfügte über ein Bad, das Klo befand sich meist außerhalb der Wohnung, geheizt wurde mit Kohle. Die Abwertung der Neustadt sowohl im baulichen wie auch im sozialen Bereich zeigte nicht nur negative Folgen. Es entstand ein Freiraum für Randgruppen und Menschen, die mit dem DDR-Regime nichts anzufangen wussten. In der Neustadt war Platz für unkonventionelle Lebensstile. Zu den neu zugezogenen Gruppen gehörten vor allem junge Leute, zu einem großen Teil Studenten, die sich als Schwarzmieter leerstehende Wohnungen aneigneten. Durch sie bekam der Stadtteil eine neue Prägung: die Bunte Neustadt war geboren, ein Image, das auch heute noch anhält.

Die Wohnungsknappheit in der DDR war vor allem für junge Leute ein brennendes Problem. Es gab keinen freien Wohnungsmarkt und die Wohnungen wurden von der kommunalen Verwaltung zugewiesen. Auf legale Weise bekam man vielleicht mit Ende Zwanzig eine Wohnung, es sei denn man war verheiratet und hatte Kinder.

Eine andere Möglichkeit war die Schwarzwohnung: „Zur DDR-Zeit gab es eine Regelung, wonach man über einen bestimmten Zeitraum der Gebäudewirtschaft nachweisen muss, dass die Wohnungen leer ist, und dann hatte man ein Anrecht darauf, die zu benutzen. Das war so eine Art geheime Formel.“ Es muss betont werden, dass Schwarzmieter sich nicht als Hausbesetzer verstanden und auch nicht als solche angesehen wurden. Es war ein Aneignen von Freiraum aus einem Notstand heraus, aber ohne politische Botschaft. Den Schwarzmietern ist es zu verdanken, dass der Verfall der Bausubstanz in den bewohnten Häusern aufgehalten werden konnte.

In der Neustadt waren Dinge möglich, die sonst nirgendwo hätten durchgeführt werden können. So fand 1983 ein Kinderfest statt, das von keiner gesellschaftlichen Organisation, Partei oder vom Staat her organisiert war. Leider war das Kinderfest eine einmalige Aktion. 1984 wurde die Genehmigung dafür nicht mehr erteilt.

Den Ruf als bunter, autonomer Stadtteil hatte die Neustadt auch dem Kulturzentrum „Scheune“ zu verdanken. Es war der Inbegriff für alternative Kultur. Tatsächlich war die Scheune mehr als ein Konzertveranstalter. Es war so etwas wie ein Treffpunkt, wo Kontakte geknüpft worden sind und Verbindungen entstanden, Netzwerke, die in der Nach-Wende-Zeit auch im Bereich des urbanen Widerstandes gegen die Vertreibung und Verlust von Freiraum eine bedeutende Rolle spielten.

Doch diese Idylle stand auf wackeligem Fundament. Und es war eine Frage der Zeit bis das schützende Dach, das Desinteresse der Stadt an diesem Quartier und der daraus entstandene Freiraum, den Bewohnern auf den Kopf krachen würde. Mitte 1989 wurde es ruchbar: grossflächige Abrisspläne für das Viertel lagen dem Stadtbauamt vor. Es sollten 4000 Wohnungseinheiten abgerissen werden.

Aus diesem Wissen ist die Interessensgemeinschaft Äussere Neustadt (IG ÄN) entstanden und schloss sich unter dem Dach des Kulturbundes zusammen. Der Kulturbund war neben der Kirche einer der wenigen freien Räume. Obwohl im Sommer 89 die politischen Verhältnisse als völlig erstarrt und verfestigt erschienen, und man hätte glauben können, das gehe noch Jahrzehnte so weiter, hatten doch etwa 30 bis 50 Leute den Mut, Widerstand zu leisten. Sie setzten sich dafür ein, dass Häuser repariert und die Bewohner nicht aus dem Gebiet verdrängt wurden.

Inwiefern die Abrisspläne etwas mit den unbequemen Bewohnern der Neustadt zu tun haben, bleibt offen. Warum der Abbruch der Neustadt tatsächlich nicht passiert ist, hat verschiedene Gründe. Der eine ganz profan: es waren keine Abbruchkapazitäten vorhanden, das heisst, der Abriss wäre nur punktuell möglich gewesen. Der zweite Grund liegt am erheblichen Widerstand der IG, die sich hart zu Wort gemeldet hat und dabei auch einige Risiken eingegangen ist. Der Widerstand wurde getragen von der immer stärker werdenen Unzufriedenheit der Bevölkerung und gefördert durch die ermunternden Signale aus der Sowjetunion. Und dann kam die Wende.

Nach der Wende

Die Wende wirkte sich auf alle aktiven Neustädter prägend aus. Dies war nicht nur die politische Dimension, sondern vielmehr das Aufflackern einer Utopie, ein gemeinsam getragendes Gefühl: zusammen sind wir stark, wir können etwas bewegen, alles ist möglich. Diese Hoffnung und, wie man im Nachhinein feststellen muss, Illusionen setzen enorme Energien frei. Bereits im November erscheint die IG Äussere Neustadt plötzlich in den Medien. Sie beruft eine Pressekonferenz ein und unterbreitet einen Forderungskatalog. Darin wird ein Abrissstop für die Äussere Neustadt postuliert, erste Sanierungsschritte, Massnahmen für den Erhalt des Wohnraums und den Wiederaufbau des Nordbades als Schwimmbad verlangt und Forderungen nach Kinderspielplätzen geäussert.

In Anbetracht der katastrophalen baulichen Zustände, in der sich die meisten Häuser befanden, drängte die Zeit. Die IG erreichte, dass zusammen mit der Partnerstadt Hamburg ein Gebäudesicherungsprogramm aufgestellt wurde. Eine entscheidende Hilfe und Begleitung waren dabei das Hamburger Planerkollektiv.

Das die deutsche Einheit die logische Fortsetzung der Wende ist, war Anfang des Jahres 1990 für viele Vertreter der Neustadt überhaupt nicht klar. Die BRD, das heisst die politische Vereinigung Deutschlands als Zielvorstellung, stand zunächst gar nicht zur Debatte. Im Gegenteil, die neu gewonnene Freiheit sollte dazu dienen, alles anders zu machen, besser als die DDR aber auch besser als die BRD. Ein dritter Weg sollte eingeschlagen werden. Diese Personen fanden sich in Dresden zu einer Basisgruppe zusammen und formierte sich unter dem DDR-weiten Begriff „Vereinigte Linke“. Sie grenzten sich stark vom dogmatischen, pseudolinken Anspruch der DDR, aber auch von unkonformistischen Gruppen, wie einigen Bürgerrechtsbewegungen ab.

Dieses „Angebot“ wurde von den Stimmbürgern nicht wahrgenommen. Bei der Volkskammerwahl fiel die „Vereinigte Linke“ mit nur 0,33% durch. Um nicht ins Sektiererische abzugleiten, haben die Mitglieder einen Teil ihrer Utopie, das heisst jedes auch wie geartetes Modell einer eigenständigen Entwicklung der DDR, begraben. Aber ganz geschlagen gaben sie sich nicht. Ihr letztes Aufzucken sollte sich in einem fulminanten Gegenentwurf zur unabwendbaren Einheit manifestieren.

„Die Idee zur Bunten Republik enstand eines Nachmittags in der Bronxx, das war eine Kneipe in der Alaunstrasse, in einer Schwatzrunde, die mal nicht so endete, wie so was meistens endete, naja, gute Idee gewesen. Sondern, O.K. das machen wir jetzt. Wir hatten eh grad nichts zu tun. Die Wahlen waren vorbei. Na, da haben wir das Ding innerhalb von zwei, drei Monaten aus dem Boden gestampft.“

Die erste Bunte Republik Neustadt wurde vom 20. bis 22. Juni 1990 durchgeführt. Eine Woche später, am 1. Juli, war die Währungsunion. Dieses Ereignis wie auch die bevorstehende Einheit waren damals das beherrschende Thema und wurden von den Organisatoren der BRN aufgegriffen. Es gab eine eigene Währung „die Neustadtmark“, als Symbol Mickey Mouse mit Ährenkranz. Um die kritische Haltung der Einheit gegenüber noch zu verdeutlichen, wurde ein spezieller Umtauschtarif festgelegt: Neustadtmark zu DDR-Mark: 1:1, Neustadtmark zu BRD-Mark: 1:2.

Zu einer richtigen Republik gehört natürlich mehr als nur eine eigen Währung. Die Organisatoren, fast alle Mitglieder der „Vereinigten Linken“, gründeten eine „ordentliche provisorische Regierung“ (der Begriff stammte ursprünglich aus der bürgerlichen Revolution in Dresden von 1848). Und um anzudeuten, dass sie sich selber nicht ganz ernst nahmen, wurde auch gleich ein „Monarch ohne Geschäftsbereich“ inthronisiert. Das Territorium wurde mit einem weissen Strich genau abgegrenzt (Umrandung Bischofsweg, Priessnitzstrasse, Königsbrückerstrasse, Bautznerstrasse). Es wurden Plakate aufgestellt: „Hier beginnt das freie Teritorium der Bunten Republik Neustadt“. Der Wunsch nach aktiver Teilnahme der Bevölkerung äusserte sich im Ziel der Regierung: „wir streben an, dass die Zahl der Regierungsmitglieder der Zahl der Bevölkerung entspricht.“

Neben dem politischen Anspruch stand auch der kulturelle Anspruch im Zentrum. Es wurden Konzerte veranstaltet und versucht, auch zu ausländischen Mitbürgern eine Brücke zu schlagen. Die Vielfalt von Lebensformen, die in der Neustadt möglich waren, sollten dargestellt werden. Es gab Aktionen für die Kinder, aber auch ältere Leute sollten mitfeiern können. Für sie wurden Vorlesungen bei Kaffee und Kuchen organisiert. Niemand sollte ausgeschlossen sein.

Der Stadtrat hatte auf Grund des Druckes aus der Neustadt beschlossen, dass es hier einen Abrissstopp gibt, und die Äussere Neustadt zum ersten Dresdner Sanierungsgebiet erklärt wird. Mit der staatlichen Einigung im Oktober 1990 waren die Beschlüsse allerdings hinfällig. Die gesetzliche Grundlagen waren von diesem Zeitpunkt an bundesdeutsch.

Das Jahr 1990 kann als Schlüsseljahr für die nun folgende Entwicklung der Neustadt gesehen werden. Nie zuvor und nie danach wurde so umfassende Freiheit erfahren. Projekte, Kneipen und Initiativen schossen wie Pilze aus dem Boden. Es war niemand da, der diesem Spriessen hätte Einhalt gebieten können. Das Fehlen jeder Obrigkeit wurde mit vollen Zügen ausgekostet.

„Das war luftleerer Raum. Du konntest zum Beispiel Kneipen aufmachen, wie du wolltest. Es gibt in der Neustadt -zig Kneipen, die sind in der Zeit entstanden. (...) Da gab es keine Gesetze. Die DDR gab es nicht mehr. BRD gab es noch nicht. Dann sind wir zum Beispiel ohne Fahrerlaubnis Auto gefahren, weil kein Polizist hätte sich getraut, uns aufzuhalten. Das war total irre. Da haben sich auch Geschäfte und Betriebe gegründet. (...) Also da konntest du auch noch Sachen machen. Das war irgendwie ein total luftleerer Raum. Und dann knallte so plötzlich der nächste Staat auf dich drauf. Aber so die Zwischenzeit war total irre.“

Nach der Einheit: zwischen Widerstand und Resignation

Aufgrund ihrer bevorzugten Lage und reizvollen, alten Bausubstanz, strahlt die Neustadt für Investoren eine besondere Attraktivität aus. Die ersten Restitutionsanträge sind am laufen. Der Druck auf die Neustadt und ihre Bewohner nimmt zu. Unter diesem Druck auf die Neustadt und ihre Bewohner nimmt zu. Unter diesem Druck erwacht der Widerstand. Es sind vor allem die jüngeren, bunten Leute, die sich zur Wehr setzen, die den Mut aufbringen, zum Protest aufzurufen.

Am 27. Juni 1991 beschliesst die Stadtverordnetenversammlung die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes Äussere Neustadt. Es ist das erste und grösste Sanierungsgebiet Dresdens. Am 19. Januar 1993 wird ein städtischer Sanierungsträger, der für die Durchsetzung für die Sanierungsziele verantwortlich ist, eingesetzt. Die STESAD (Stadterneuerungs- und Sanierungsgesellschaft mbH Dresden) ist eine 100%ige Tochter der Stadt. Ihre Hauptaufgabe ist die Kontrolle und Umsetzung von Finanz- und Fördermitteln.

Die neue Regierung, in Dresden die CDU, hatte sich bereits etabliert. Die Verwaltungsstrukturen wurden vom Westen übernommen. Insofern war eine Stabilisierung im Sinne von Recht und Ordnung eingetreten. So lag das Gewicht der zweiten BRN auch nicht mehr auf ihrem politischen Anspruch, sondern eher auf dem kulturellen. In diesem Bereich wurde 1991 auch wesentlich mehr geboten. Die ganze Veranstaltung hatte sich perfektioniert.

Kurt Biedenkopf selbst wurde von der Ordentl. Prov. Regierung zum ersten Jahrestag der BRN eingeladen. In seiner Absage machte er noch einmal deutlich, dass die Zeit für Alleingänge endgültig abgelaufen ist. Seit 1990 fand jedes Jahr mit Aussnahme 1997 eine BRN statt. Es ist klar, dass jede Folgende an der ersten, eigentlichen Bunten Republik gemessen wird. Die zunehmende Akzeptanz durch die Stadt macht deutlich, dass die BRN im Laufe ihrer Existenz an Biss verloren hat. Kommt dazu, dass 1994 ein bedeutender Wechsel im Organisationsteam vollzogen wurde. Die gesamte Regierung samt Monarchen löste sich in der Elbe auf.

Durch den Einigungsvertrag haben sich die Eigentumsverhältnisse in den neuen Bundesländern plötzlich verändert. Für die Schwarzmieter, deren Anteil sich nach der Wende noch vergrössert hatte, bedeutete die Rückübertragung den sicheren Verlust ihres Wohnraums, da sie über keine Mietverträge verfügten. Mit dem Einverständnis verschiedener Grössen der Stadtverwaltung und Dezernenten wurde der Anregung der IG ÄN, diese Mietverhältnisse zu legalisieren, zugestimmt. Davon betroffen waren etwa 200 ehemalige Schwarmieter. Die rechtlichen Grundlagen für diese Aktion scheinen nicht ganz klar zu sein. Die Entscheidung hatte weitreichende Konsequenzen, einige Eigentümer waren stinksauer.

„Der Begriff Wohnen ist heute ganz allgemein ganz hart reduziert, also, so rational: Vier Wände, Badezimmer, Schlafzimmer, keiner kann reingucken. Ich bin nur privat. Wohnen ist aber mehr. Wohnen ist einfach auch Leben. Und wird also auch mehr als Lebensraum begriffen.“

Die Voraussetzung, diesen Lebensstil zu praktizieren, ist Freiraum. Und davon gab es in der Neustadt auch nach der Einheit genug. 1995 gab es einen Wohnungsleerstand von 27,3%, wohingegen in Dresden insgesamt 9,3% der Wohnungen leer stand.

Eine Gruppe, die es gewagt hat, sich diesen Freiraum zu nehmen, nennt sich Schwarzes Schaf e.V.. Nachdem eine Szene-Kneipe in der Neustadt abgebrannt war, versuchte der Verein auf legalem Wege ein Haus zu bekommen. Da dies mislang, besetzten sie zur dritten BRN 1992 die Louisenstrasse 44. Nach der BRN verliessen die Schwaren Schafe das Haus wieder. Die endgültige Besetzung fand am 10. Oktober 1992 statt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurden zusammen mit der STESAD ein Sanierungsplan erarbeitet und das Projekt legalisiert. Das war eines der positiven Beispiele für eine Zusammenarbeit zwischen Besetzern und Stadt. Ein anderes Beispiel für eine Hausbesetzung, allerdings mit weniger glücklichem Ausgang, ist die Martin Luther-Strasse 16/18. Dieses Projekt schaffte es nicht, trotz vieler kreativer Aktionen, sich gegen den Eigentümer zu behaupten. Allerding, einmalig für Dresdner Verhältnisse, wurde der Eigentümer der ML 16/18 zu einer Busse wegen Zweckentfremdung von Wohnraum verurteilt.

Die Demonstration zum Rathaus 1995 war neben der ersten BRN das grosse Ereignis, das die Identität als Neustadt-Bewohner festigte. Sie fand am 23. März 1995 mit 300 bis 500 Teilnehmern statt. Nachdem sich die Demonstranten Zugang zum Rathaus verschafft hatten, wurde drinnen getrommelt und getanzt. Ein Neustädter hielt eine kurze Rede, erhielt sogar Beifall von den Politikern, die Broschüre „Wir bleiben hier“ wurde verteilt. Dann zog die bunte Schar wieder davon, verdutzte Stadtverordnende zurücklassend. Bis auf die kaputte Rathaustür lief die Demonstation friedlich ab.

Der Text stammt zum großen Teil aus der Diplomarbeit „Von schwarzen Schafen, Heissen Kühen und bunten Leuten - Formen des urbanen Widerstandes in der Äusseren Neustadt“ von Mirjam Jauslin. Sie schrieb ihr Diplom im Juli 1997 am Geographischen Institut der Universität Basel.

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Ergänzungen

ein nicht ganz vollständiger Abriss

gartie 14.06.2003 - 06:10
Von 1990 bis 1993 wird die BRN von der „Vereinigten Linken“, der ordentlich provisorischen Regierung organisiert. Die „letzte Regierung“ von 1993 wollte sich am ersten Tag der BRN symbolisch in der Elbe auflösen, ließ die wartende Presse aber alleine und erfrischte sich währendessen in einer Kneipe. 1993 kam es zu Auseinandersetzung zwischen Skinheads und Autonomen. Die Sparkaufhalle in der Alaunstrasse wurde geplündert und eine Arbeitsgruppe, die diese Vorkommnisse bei der nächsten BRN ausschließen sollte, wurde gebildet. Außerdem gab es 1992 und 93 einen Piratensender, der für „gute“ Musik und Stimmung sorgte.

Das die fünfte BRN 1994 überhaupt stattfindet, stand erst eine Woche vorher fest. Lothar Lange trat als Privatperson als Initiator auf.

1995 organisierte der Häusertratsch e.V. (Gemeinsames Plenum von unterschiedlichsten Neustädter Projekten und Initiativen - von Wohn- über Sozialprojekte bis hin zu Kulturinitativen) die sechste BRN. Es wurde sogar das ganze Jahr, vom ersten Januar bis 31. Dezember, die Bunte Republik Neustadt ausgerufen. Dies war der letzte Versuch kollektiv ein Stadtteilfest zu organisieren, bei dem der Selbstorganisierungsgedanke im Vordergrund stand.

Die mittlerweile siebente BRN wurde von Werner Ehrlich 1996 als Privatperson mit einem größerem Kommerzialisierungsgrad angemeldet. Die bunte Republik wurde mehr zu einer entpolitisierten Event.

1997 viel die BRN aus. Es wurde nichts organisiert, aber viel Polizei war anwesend. Es fanden eventuell mehr Hinterhoffeste als sonst üblich statt, aber nur in der Martin-Luther Straße wurde Musik auf der Straße gespielt (und diese damit blockiert). Ergebnis war ein brutaler Polizeieinsatz, bei dem die Lautsprecher „angegriffen“ und die Straße geräumt wurde. Die Gegenreaktion war ein brennendes Polizeifahrzeug und Blockaden mit Bauzäunen am folgenden Montag in der Neustadt.

1998 und 99 organisierten die „alten Männer mit Bärten“ - bzw. der „Verein zur Förderung der BRN“ das Stadtteilfest.

Der 1999 gegründete BRN e.V,, ein Zusammenschluß von Kneipen- und Lädenbesitzern sowie Interessierten, übernahm im Jahr 2000 und 2001 die Verantwortung zur Ausrichtung der BRN. Der Verein war jedoch 2001 mit dem Konflikt zwischen Linken und Polizei überfordert.

Nach den Ausschreitungen im letzten Jahr gründete sich der „Ich bin ein Neustädter“-Verein, um die nächste BRN zu planen und auszurichten. Er ist jedoch mit seinem Anliegen gescheitert, da er versäumte die Ereignisse des letzten Jahres aufzuarbeiten und sich intensiv mit der Stadt und Polizei zusammen zu setzen. Die Polizei blockt fast vollständig die Gespräche ab, die Stadt ist nur widerwillig zu einem Austausch bereit, bzw. versteckt sich hinter Forderungen, die utopisch für ein Stadtteilfest mit über 100.000 Besucher sind.

Momentaner Stand ist, das es keinen zentralen Anmelder der BRN gibt. Jeder meldet sein Vorhaben einzeln an...