Spaniens Frauen laufen Sturm gegen Frauenbeauftragte

Ralf Streck 11.06.2003 21:40 Themen: Gender Repression
Eine Polemik um Miriam Tey bestimmt seit Wochen die Diskussion in der Frauenbewegung Spaniens. Ausgerechnet der Frauenbeauftragten wird vorgeworfen "zur Vergewaltigung aufzurufen". Tey ist nicht nur seit März Direktorin des Fraueninstituts, sondern auch Teilhaberin und Mitbegründerin des Verlags "El Cobre" in dem in diesem Frühjahr ein Buch erschienen ist, dass den bezeichnenden Namen trägt: "Alles Nutten".
Der Titel des Buchs, das Erstlingswerk von Hernán Migoya, hält was er verspricht. Ein kleiner Auszug genügt, um dessen gefährliche Macho-Gesinnung zu verdeutlichen, die auch mit Homophobie und einem Schuss Rassismus garniert ist. "Heute wo alle Neger gut und alle Schwuchteln sympathische Menschen sind, werden wir sehen, ob sich die Gesellschaft darauf einigt, dass wir Vergewaltiger alle miese Typen sind. (...) Dabei ist es besser eine Frau zu vergewaltigen und sie am Leben zu lassen, als sie nicht zu vergewaltigen und umzubringen. Ich wäre nicht fähig eine Frau umzubringen. Aber sie zu vergewaltigen, ich versichere euch, das erzeugt keinerlei Gewissensbisse".

So fängt "Der Vergewaltiger" an, die erste Geschichte von 15 in "Alles Nutten". Eine frauenfeindliche Linie zieht sich durch das Werk und gipfelt in der Geschichte "Porno vom Feinsten". Darin geht ein Mann zu einer Schule, um ein kleines Mädchen zu suchen. Er vergewaltigt es, währenddessen er unter Tränen bittet, nichts der Mutter zu sagen.

Es ist kein Wunder, dass die Frauenbewegung gegen dieses Buch und gegen die Frauenbeauftragte, die es extra in Auftrag gegeben hat, Sturm läuft. So haben sich zwei Drittel der Beschäftigten des Fraueninstituts, das an das Innenministerium angegliedert ist, und sieben Frauenbeauftragte verschiedener spanischer Provinzen für die sofortige Ablösung von Tey ausgesprochen. Für Ángeles Alvarez, Sprecherin des Netzwerks Feministischer Organisationen und gegen Geschlechtergewalt, ist es beängstigend, dass ein staatliches Institut, das sich für die Gleichheit der Geschlechter einsetzen soll, in die Veröffentlichung des Buchs verwickelt ist.

Dass es sich mit Tey nun schon um die dritte Frauenbeauftragte handele, seit der Sozialminister Eduardo Zaplana im letzten Sommer das Amt übernahm, zeige dass der konservativen Regierung der Gleichheit der Geschlechter keine Bedeutung zumesse: "Doch der Gipfel des Unsinns ist, dass Tey ihre Stellung für ihre privaten Interessen nutzt und als Privatperson ein Loblied auf die Frauenfeindlichkeit in Auftrag gibt". Eine Institution, für die Frauen lange gekämpft hätten, werde durch Tey zerstört.

Der Autor gab gegenüber der katalanischen Tageszeitung Vanguardia zu: "Ich bin Frauenfeind und stolz darauf, denn das ist etwas sehr gesundes". Natürlich sei das Buch "politisch inkorrekt". Er habe Tey sogar scherzhaft davor gewarnt, dass dieses Buch zu einer Anzeige gegen sie führte. "Der Vergewaltiger" von Migoya hatte Tey im Internet gelesen und daraufhin ein ganzes Buch in diesem Stil bestellt, bestätigte der Autor. Tatsächlich handele es sich um einen "Aufruf zur Vergewaltigung, allerdings aus Sicht der beschriebenen Person, die ich zum Glück nicht bin."

Es verwundert, dass die Frauenbeauftragte trotzdem erklärte: "Ich als Leserin glaube, es handelt sich um eine Anklage gegen Vergewaltigungen, die aus dem Wort, aus der Literatur und aus der Fiktion heraus kommt." Das Buch sei ironisch geschrieben, rechtfertigte sie sein Erscheinen in ihrem Verlag. Statt dessen sei es verwerflich ihre Arbeit im Verlag zu benutzen, um sie auf ihrem öffentlichen Posten zu kritisieren, erklärte sie der Zeitung El Pais. "Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Journalismus weiter in der Hand der Männer ist". Gleichzeitig machte sie sich aber dafür stark ?Männern Plattformen zu schaffen, wo sie sich ausdrücken können?.

Tey hatte ihren Rücktritt angeboten, der jedoch von Minister Zaplana abgelehnt wurde. Der wolle sie entlassen, wenn es eine zweite Auflage gäbe, denn das Buch war im Mai wegen der massiven Kritik zurückgezogen worden. Doch nun ist Ende letzter Woche auf der Madrider Buchmesse Ende eine zweite Auflage aufgetaucht. Da der Verlag von Tey dort keinen Stand hat, wurde es bei "Enlace" diskret auf dem Tisch präsentiert.

Das Tey abgelöst wird, ist trotzdem unwahrscheinlich. Rücktritte in der Regierung der Volkspartei (PP) hat es selbst bei schlimmsten Katastrophen nicht gegeben. Zudem hat sich die Regierung hinter Tey gestellt, die auch literarische Beraterin von Ministerpräsident José María Aznar ist. Der Macho erklärt auf seinen Veranstaltungen schon mal, er sei gut bestückt und fordert das Publikum auf "sein Teil zu messen".

Alvarez kündigte unterdessen neue Proteste gegen das Buch, seine Herausgeberin und den zuständigen Minister an. Morgen werden Zaplana und Tey eine Veranstaltungsreihe des Generalrats für Justizgewalt eröffnen. Zahlreiche Frauen werden die Frauenbeauftragte und den Minister dort "gebührend Empfangen", erklärte die Sprecherin des Frauennetzwerks.

© Ralf Streck den 11.06.2003
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Ergänzungen

Weiteres zum Thema lesen

Ralf Streck 11.06.2003 - 21:57
Interview mit Angeles Alvarez

 http://www.jungewelt.de/2003/06-12/019.php

Schutz vor Gewalt bleibt Propagangda

 http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=35960&IDC=3&DB=O2P

Frauen

Friederike Eckhoff 11.06.2003 - 22:42
Ja, es gibt Frauen, die es nicht stört, wenn andere Frauen bzw. die Mehrheit der Frauen mißhandelt, niedergehalten und verleumdet oder totgeschwiegen werden,
Die Ursache ist der Karrierismus. Sie glauben, mit einem Aufstieg, das Problem lösen zu können. Wenn sie dann aufgestiegen sind, verlieren sie jeden Bezug zur Realität und fürchten sie. Also fangen sie an mit zu lügen.
Es gibt nur eine Lösung - Solidarität statt Karrierismus,
Klarheit statt Lügen, Kampf statt Anpassung, Durchsetzung der Interessen der Mehrheit statt Unterordnung unter die Machtgier einer Minderheit, die Frauen werden lernen diesen Kampf zu gewinnen.
Friederike

Tabubruch

18.06.2003 - 13:21
ist das letzte Mittel von Langeweilern und Denen,für die sich keine interessiert hat,mittels Ablass von Triebstau irgendwie Her der eigenen sexuelen Phantasie zu werden.Hernan ,schreib Tagebuch !

Verlogener Müll

N.J. 24.07.2003 - 05:02
In Spanien liegt zwar einiges im Argen, aber es sollte doch mal festgestellt werden, daß häusliche Gewalt nicht männlich, sondern menschlich ist und diese Gleichsetzung von Gewalt mit 'männlich' verlogen wie auch reaktionistisch ist (die Frau als minderbemitteltes 'geborenes Opfer', dem geholfen werden muß).
Eine riesige Anzahl von internationalen Studien mit Ursprüngen von Kanada bis zum Österreichischen Familienministerium weisen seit Jahren darauf hin, daß häusliche Gewalt etwa zwischen den Geschlechtern etwa gleichverteilt ist und in den allermeisten Fällen außerdem Kinder betroffen sind und kein Erwachsener, wobei Frauen öfters zu Waffen wie Küchenmessern greifen.
In Deutschland hat dazu z.B. der Kriminologe Prof. Michael Bock interessantes aufgetan - hierzulande wird u.a. eine Dissertation zu dem Thema totgeschwiegen, weil sie die weibliche Opferrolle nicht ausreichend unterstützt, die internationalen Studien sowieso.
Beschämend, wie angeblich aufgekläre Kreise die Lüge von der Frau als ewigem Opfer unterstützten. Links ist eben doch derselbe Sumpf wie Rechts, bloß mit anderem Anstrich.