Neues von Martin - dem Mann, der von der Bruecke fiel

Martin Support Gruppe 06.06.2003 17:48 Themen: G8 Globalisierung Repression
Neuigkeiten aus Lausanne und der Versuch, einige der Geruechte zu klaeren, die im Umlauf sind. zum Schluss noch die von uns redigierte Version eines Augenzeuegenberichts von Leuten, die an der Aktion teilgenommen haben.
Einige Anmerkungen zur aktuellen Situation und einige Gerüchte, die nicht stimmen – von der Martin-Support-Gruppe

- Die KletterInnen werden ein Verfahren bekommen, es geht zu mindestens um das Blockieren des Verkehrs auf einer Autobahn. Der zuständige Untersuchungsrichter hat die Untersuchungen eingeleitet. Einige der anderen Aktivisten haben ähnliches zu erwarten.
- Der Polizist, der das Seil durchgeschnitten hat, ist nicht im Gefängnis und es läuft auch noch kein Verfahren gegen ihn, anscheinend, weil Martin ihn noch nicht angezeigt hat. Es läuft allerdings eine Untersuchung, wie sich der Vorfall zugetragen hat. Wir sind gerade auf der Suche nach dem besten Weg, wie wir legal weitergehen.
- Martin liegt im Krankenhaus in Lausanne, wo er auch noch ein bischen bleiben wird. Er ist nach einer 3-stündigen Operation auf dem langsamen Weg der Besserung. Er hat einen mehrfach gebrochenen Fuss, eine Wirbelsäulenverletzung, einen Beckenbruch und Verletzungen an der Milz + baza Vielleicht muss der Fuss noch einmal operiert werden. Es wird lange dauern, aber er wird wieder laufen können.
- Ein grosser Teil unserer Kraft geht in Kàmpfe mit dem Krankenhaus. Die Leitung möchte Martin so schnell als möglich ausser Landes haben – aus ökonomischen Gründen, die sie heute zugaben. Rein medizinisch ist der transport möglich, aber im Ganzen gesehen ist es für ihn viel besser, hier zu bleiben, bis die rechtlichen Sachen geregelt sind und auch über die zweite Operation entschieden. Ist. Auch erscheint es sehr merkwürdig, dass er einerseits fit genug für einen Transport sein soll, andererseits aber der Besuch von Seiten seiner Freunde stark eingeschränkt wird – mit Sicherheitsleuten vor seiner Tür und einer Besuchszeit von 2 Stunden pro Tag für wenige Menschen, die manchmal noch nicht einmal zu ihm dürfen, wenn sie auf der entsprechenden Liste stehen. Anstatt uns auf die legale Situation konzentrieren zu können, müssen wir um den Status Quo kämpfen – das Martin in Lausanne bleiben kann.
- Der Fluss war sehr flach, das Flussbett steinig. Das Wasser hat seinen Sturz nicht abgefangen. Es erscheint als ein Wunder, dass ihm nicht mehr passiert ist.
- Die Polizei wusste, dass 2 Leute an dem Seil hängen. Alle Beamten waren zur Zeit des Schnitts länger an Ort und Stelle. Wir hatten Banner, die deutlich sagten, dass an dem Seil das Leben von 2 Personen hängt. Wir haben einige Photos, auf denen zu sehen ist, wie Polizisten nach unten schauen. Auch haben die Aktivisten lautstark darauf aufmerksam gemacht. Es war nicht der Fehler eines Beamten, der aus der Rolle fiel, sondern Teil der Art und Weise, wie die Polizei vorging. Auf den (zur zeit noch nicht allgemein verfügbaren) Videos ist zu sehen, wie aggressiv sie vorging, und wie wenig Bereitschaft zum Helfen sie zeigte, als Martin verletzt im Fluss lag und das Leben der zweiten Klettererin in den Händen ihrer Kameraden lag.
Zum Schluss möchte ich betonen, dass das hier nicht als das Statement der Martin-Support-Gruppe zu verstehen ist, sondern ein Versuch, die ganze Angelegenheit möglichst objektiv zu beschreiben. Wir haben noch nicht alle Informationsquellen ausgewertet und noch nicht mit allen Aktivisten gesprochen. Dennoch sollte es einen recht guten Eindruck vermitteln, so dass die Soliarbeit anfangen kann. Wir haben eine Emailadresse eingerichtet –  love.to.martin@web.de – und werden alle Mail an ihn weiterleiten. Die Martin-Support-Gruppe ist unter  dontletmedown@web.de zu erreichen.

Jetyt noch die Uebersetzung der Augenzeugenberichts. Das Original findet sich unter
 http://www.uk.indymedia.org/front.php3?article_id=70805&group=webcast
was wir geaendet haben, ist insbesondere die situation unter der bruecke, nach martins fall. wir denken, das das ok ist, weil die augenzeugen die ganze zeit hindurch auf der bruecke blieben / bis sie verhaftet wurden.

AugenzeugInnenbericht der Aktion bei der Brücke über der Aubonne
von irischen AktivistInnen, die an der Brückenaktion teilgenommen haben (Dienstag 3. Juni 2003). 7 irische AktivistInnen beschreiben, was aus ihrer Sicht während der Brückenaktion auf der Autobahnstrecke Genf-Lausanne passiert ist.

Um ca 5 Uhr morgens kamen wir bei der Brücke an. Es handelt sich um eine Autobahnbrücke, die über den Fluss Aubonne auf der Autobahnstrecke Genf-Lausanne führt.
Wir blieben unter der Brücke und bereiteten unsere Transparente und das Klettermaterial vor. Um ca 7 Uhr war alles bereit. Wir warteten darauf, per Phone informiert zu werden, wann der Konvoi von G8-Delegierten in Genf abfährt. Der Plan war, ein Seil über die Brücke zu spannen, woran sich auf beiden Seiten je eine Person abseilen sollte. Dies würde den Verkehr in Richtung Genf-Lausanne blockieren, nicht jedoch die andere Richtung. Andere Aktivisten sollten zuerst auf die Brücke gehen, um den Verkehr zu stoppen und den KletterInnen Zeit zu geben, ihre Plätze einzunehmen.
Um ca 10:30 Uhr bekamen wir die Neuigkeit, dass der Konvoi auf dem Weg sei und dass die Autobahnausfahrten von der Polizei blockiert würden. 14 Personen gingen auf die Brücke und rannten auf dem Pannenstreifen zum Genfer Ende der Brücke. Wir hatten drei Transparente : Eines sagte « Vous arrêtez ici ou vous tuez deux personnes » (« Halten Sie hier oder Sie töten zwei Personen ») . Auf einem anderen Transparent stand « Ne tirez pas » (« Nicht schiessen ») und auf einem dritten: « G8 illégitime ». Wir standen mit unseren Transparenten, welche für den Verkehr gut sichtbar waren, auf der Strasse und stoppten den Verkehr. Wir gingen zu den Autos und erklärten den AutofahrerInnen, was hier geschehe und weshalb es wichtig sei, nicht durch das Seil hindurchzufahren. Sobald der Verkehr gestoppt war, halfen drei Personen den KletterInnen, das Seil über die Brücke zu hängen und sich auf ihre Plätze zu begeben. An dem le4uchtend bunten Seil hingen Streifen von gold/silberner Alufolie (Lebensrettungsdecke) und orangene Stoffstreifen. Es war deutlich zu sehen. Das war KEIN « banner drop », es hingen KEINE Tranparente am Seil - alle Transparente wurden in den Händen von Leuten gehalten und waren nur dazu da, den Verkehr auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass zwei sich Personen am Seil abgeseilt haben und jetzt unter der Brücke hängen.
Einige der FahrerInnen, welche wir blockierten, waren ziemlich wütend und verliessen ihre Autos, um mit uns zu streiten. Andere versuchten durch die Transparente zu fahren und wir mussten uns auf den Motorhaube eines Autos setzen, um es davon abzuhalten. WagenlenkerInnen fingen an, ihre Autos zu wenden und auf dem Pannenstreifen zurück zu fahren. Die Polizei erschien sehr schnell und versuchte, uns von der Strasse zu kriegen. Die Polizei versuchte, unsere Linie zu durchbrechen und war sehr agressiv. Sie wollte uns nicht zuhören, als wir zu erklären versuchten, was geschieht und schien nur daran interessiert, den Verkehr durchzulassen. Sie zerriss unser Warntransparent und nahm uns die Hälfte davon weg. Um sie zu bremsen, legten wir uns auf die Strasse und nachdem sie uns weggetragen hatten, rannten wir die Strasse rauf in Richtung Seil. Mehr Polizei erschien, diesmal von der anderen Seite. Die Polizei hob das Seil auf der linken Seite der Brücke an - dauf der Seite, wo der Brite hing - um den Verkehr darunter hindurch zu lassen. Es gab auch einen sehr wütenden Lenker, der bei der Polizei stand. Plötzlich hörten wir Schreie und begriffen, dass das Seil durchgeschnitten worden war. Niemand von uns hatte genau gesehen, wer das Seil durchgeschnitten hatte, aber es wurde später bestätigt, dass es einer der Polizisten war. Einigen Leuten gelang es, das andere Ende des Seils zu erwischen, bevor die Kletterin hinunterstürzte und wir rannten alle zum abgeschnittenen Ende des Seils und hingen uns daran, damit sie nicht auch stuerzt. Es waren 7 oder 8 Personen, welche das Seil festhielten. Darunter war auch ein Polizist. Obwohl er seine Kollegen dreimal dazu aufforderte, uns zu helfen, liess sich nur einer von ihnen unter grösster Zurückhaltung nach etwa 5 Minuten dazu bewegen. Es war auch jener Polizist, der die Ambulanz anrief. Die anderen blieben auf der Brücke. Inzwischen war eine der AktivistInnen - unsrer Aerztin - hinunter zum Fluss gegangen, um dem verletzten Kletterer zu helfen. Sie organisierte seinen Rettung: Er wurde aus dem Fluss ins Trockenen getragen, dann schiente sie sein Bein und bettete ihn so bequem und warm wie möglich. Sie half ihm so gut wie sie nur konnte. Wieder waren die anwesenden Polizisten nur wiederwillig bereit, zu helfen - unsere Ärztin und zwei anderere, als Ersthelfer ausgebildete Aktivisten kümmerten sich um Martin, bis die Ambulanz kam. Nach etwa 10 dieselbe Zeit kamen sowohl die Feuerwehr als auch die Ambulanz, ein Ambulanzwagen und ein Helikopter. In letzterem wurde der verletzte Mann ins Spital gebracht. Informationen, wonach die Polizei die Zufahrt der Ambulanz verhindert hätte, sind demnach falsch.
Der Kletterer ist schwer verletzt, ist aber auf dem Weg zur Besserung. Die andere Kletterin wurde im Spital wegen Schock behandelt, konnte inzwischen aber das Spital verlassen und ist ok.
Die AktivistInnen auf der Brücke wurden in Polizeigewahrsam genommen. Bei unserer Ankunft auf dem Polizeiposten wurde uns gesagt, dass wir ZeugInnen seien und dass sie nur ZeugInnenaussagen von uns wollten. (Trotzdem) wurde später eine Strafanzeige gegen uns gestellt, wegen Blockade des Verkehrs auf einer Autobahn und zufussgehen auf der Autobahn. Wir wissen nicht, ob auch gegen die KletterInnen oder andere TeilnehmerInnen Strafanzeige eingereicht worden ist. Ausserdem ist eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet worden, und ich habe gehört, habe aber keine Bestätigung, dass der Polizist, welcher das Seil durchgeschnitten hat, in Polizeigewahrsam genommen worden ist.
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Ergänzungen

Noch 2 Links

.... 06.06.2003 - 20:57
Fotobericht
 http://de.indymedia.org/2003/06/53237.shtml

Weiterer Schwerverletzter: Ein Fotojournalist:
 http://de.indymedia.org/2003/06/53729.shtml


Übrigens ist der Titel des Textes ein bischen ungünstig gewählt....

Ach was!

Neurodemagoge 06.06.2003 - 23:25
Titel ungünstig gewählt? Jeder weiß doch...

07.06.2003 - 02:20
Aktion gegen Polizeimethoden in Evian
von Putin - 06.06.2003 19:43
 http://de.indymedia.org/2003/06/53917.shtml

Fotos von dem Brückenvorfall
von Indymedia Italien - 01.06.2003 22:28
 http://de.indymedia.org/2003/06/53237.shtml

Bestätigte Nachrichten über Brückenvorfall in Lausanne
von unbekannt - 01.06.2003 21:04
 http://www.germany.indymedia.org/2003/06/53224.shtml

tja

alberto 07.06.2003 - 02:53
es ist halt so ne sache wenn man sein leben in die waagschale wirft, und dann hat man es mit leuten zu tun denen das scheißegal ist.schon mutig, aber man sollte schauen, ob es nicht zu riskant ist bei leuten, deren beruf beinhaltet vielleicht töten zu müssen. da fehlt die hemmschwelle, außerdem wird dieser bulle wieder freigesprochen werden weil es war ja aus versehen und es werden die aussagen seiner kollegen ihn decken. der eine in dem bericht beschrieben bulle der vernünftig gehandelt hat und das seil mitfestgehalten hat wird wahrscheinlich gemobbt, obwohl er menschlich und rechtlich korrekt gehamdelt hat.

briefe

digicam 07.06.2003 - 12:21
Martin hat inzwischen auch eine post adresse:

Martin Shaw
CHUV
Rue deBugnon 21
1011, Lausanne
Schweiz