Impressionen Wackersdorf II

Armin Reich 06.06.2003 02:28 Themen: Atom Repression Soziale Kämpfe
Hier noch ein paar Schnipsel von damals. Nebenbei gesagt: es war nicht nur in der Oberpfalz was los und die paar Bilder und Textchen decken nicht mal ein Tausendstel von dem ab, was nach Tschernobyl zwischen Hamburg und Kaiseraugst geschah. Die Auswahl ist jedoch stellvertretend für die Eindrücke, die sich in mein Herz brannten und Grundlage dafür sind, daß ich in Sachen Widerstand optimistisch in die Zukunft schauen kann. Ich weiß, daß es jederzeit wieder passieren kann, daß das ganze Land plötzlich kopfsteht. Und zwar sehr, sehr schnell.
bild wanneheil: Auf diesem Areal 400m unterhalb wurde an Pfingsten in einer Blitzaktion eine voll besetzte Wanne umgeworfen. Die Täter verschwanden so schnell wie sie gekommen waren wieder im Wald. Es bleiben Hunderte von belustigten Passanten und zwei Einsatzzüge zurück. Die Polizei suchte in der folgenden XY-Ungelöst-Sendung mit einem Filmbeitrag nach den Tätern und setzt 5.000 DM Belohnung aus. In der gleichen Sendung wurde für den Mord an einem Rentner knapp über die Hälfte geboten.

bild gasaufbullen: Obwohl sich die Lage bereits völlig beruhigt hatte, knatterte eine ziemliche Weile später ein BGS-Hubschrauber heran und schoß Gasgranaten in die friedliche Menge und zwischen die eigenen Leute. Unglaubliche Szenen spielten sich im Gasnebel ab. Da der Platz eigentlich weit vom militanten Geschehen entfernt war, waren viele Kinder und Alte Menschen dort, sogar Säuglinge. Mitten in diese Masse aus 5 - 10.000 Menschen wurden die Petarden gejagt und das Gas verteilte sich durch den Wind der Rotorblätter blitzartig.

bild gasschrauber: Nachdem der Hubschrauber mit den "Zivilisten" fertig war, flogt er in Richtung Chaoteneck. Doch nicht die dort fassungslos zuschauenden autonomen Gruppen wurden beschossen, sondern die 100m östlich davon errichtete Wagenburg aus Krankenwagen. Der Schwandorfer BRK-Leiter stieg verzweifelt auf einen Sanka und schwenkte die Rotkreuz-Fahne - vergeblich. Später bemängelte die Polizei völlig offen die Anwesenheit des Roten Kreuzes: durch die Versorgung Verletzter wird die Wirkung polizeilicher Zwangsmaßnahmen eingeschränkt.

bild attacke: Sollte diese Aktion tatsächlich der Deeskalation gedient haben, so muß man sagen: knapp daneben. Vom Chaoteneck ergoß sich nun ein Strom wildgewordener Autonomer über die Szenerie. Man hatte ihren heißgeliebten "Bürgers" weh getan. Die militanten Angriffe gegen den Zaun erstreckten sich über eine Länge von drei oder vier Kilometern, so waren es vielleicht lediglich 100 - 200 Leute aus dem schwarzen Block. Doch auch Bauern, kleine Mädchen und in Sekundenschnelle bekehrte Pzifisten sahen nun rot. Zuerst wurde der Wanne die Benzinleitung gekappt und sie ging in helle Flammen auf.

bild opel: Als nächstes wird ein Opel abgefackelt, alle anderen Fahrzeuge kann die panisch flüchtende Polizei noch retten. Die beiden Einsatzzüge der BePo, allesamt blutjunge Anfänger, melden hinterher laut Stern 100% Dienstuntauglichkeit. Die meisten, weil sie psychisch nicht mehr in der Lage waren, weiterhin Einsätze zu machen. Bald bedauerten viele die armen Kerle, sie wurden für einen gezielten Angriff gegen die sich mit Anarchisten solidarisierende Bevölkerung verheizt.

bild hausfrauen: Es waren unglaublich viele oberpfälzer Normalos, die die Autonomen nach Leibeskräften unterstützten. Hausfrauen bastelten aus Cola-Dosen Wurfgeschosse, Rentner klaubten Steine zusammen und brachten sie an den Zaun, Metaller aus der Maxhütte hatten Tausende von Krähenfüßen dabei und Disco-Tuttis brachten Verpflegung zum Zaun. Dabei - und jetzt wirds ein bissel peinlich - himmelten sie die Jungrevoluzzer, die sich da neben den Alt-68ern, Alt-76ern und Alt-81ern austobten, ziemlich offensichtlich an.

bild gasmasken: Etwa 8.000 Leute werden es wohl gewesen sein, die in perfekter Ausrüstung an Pfingsten anreisten. Neben etlichen Underground-Publikationen kursierte im Vorfeld auch der Tante-Erna-Brief durch einige gemäßigte Medien, in dem in einer amüsanten Glosse über das Verhalten Autonomer eine komplette Material-Liste (Bolzenschneider mit Verlängerung, präparierte Eisensägen, Gasmaske...) versteckt war. Dazu kam allerhand brauchbares Material aus der Umgebung. Samstag Nacht wurde z.B. der Bagger einer beteiligten Baufirma in ziemlicher Entfernung gekapert und zu einem Tor gekarrt. Der Versuch, das Tor mit der Schaufel einzuhauen, schlug allerdings fehl. Im Pfingstcamp spielten Cochise und die drei Tornados ("Wenn der Streifenwagen brennt und der Bulle leise flennt...").

bild derschlag: Doch bald nach Pfingsten hatte der Polizeiführungsstab die Lage wieder im Griff. Das Bild zeigt ein bekanntes Motiv: ein Polizist schützt sich vor einem randalierenden Steinewerfer. Ein solches Verhalten habe ich bei Autonomen in den 20 Jahren, in denen ich auf Demos renne nie beobachtet (obgleich so was sicher auch schon vorgekommen ist). Bei Polizisten ist das die Regel. In einer Statistik der Bundesvereinigung der Demosanis wurde seinerzeit nüchtern festgestellt, daß über die Hälfte aller Verletzungen auf Demonstrationen Platzwunden am Hinterkopf sind.

bild sanifrau: Diese vielleicht 1,60 große Sanifrau stand einfach nur da und hielt nach Verletzten Ausschau, dann wurde sie selbst zum Opfer. Mit Verdacht auf Schädelbruch lieferten sie sie ins Schwandorfer Krankenhaus ein, wo sie die Nonnen erstmal eine Zeit zu männlichen Polizisten ins Zimmer legten, damit sie sieht, was Ihresgleichen anrichtet.

Bild festival: Das 5. Anti-Waahnsinns-Festival mit Ambros/Haindling/Reiser/Hosen... zog knapp 100.000 Menschen nach Burglengenfeld und wurde zu der bis dato größten Musikveranstaltung, die in der BRD stattgefunden hatte. Maßgeblich für den Erfolg war der monatelange Versuch von Staat und CSU-Stadtrat, dieses Ereignis unter Verweis auf Gewalttaten zu verhindern und die permanente Presse-Berichterstattung darüber. Das Festival blieb friedlich und auch am Bauzaun war es an diesem Wochenende ausnahmsweise völlig langweilig. Kleine Anekdote am Rand: Rio Reiser steckte im Taxi etwa 6 Kilometer im Stau vor den Polizeikontrollen. Genervt ist er dann barfuß zum Festivalgelände gelatscht.

bild burglengenfeld: Bei den Blockadetagen im Herbst leistete sich die Bezirksregierung ein besonderes Husarenstück. 10 Minuten vor einer genehmigten Demonstration wurde der Aufzug verboten, die bereits zu Tausenden anwesenden Demonstranten wurden vom Burglengefelder Marktplatz geknüppelt. Der Auftritt der Berliner EbLT-Truppe bei der Samstags-Demo geriet zum Skandal. Allerdings nicht, weil sie etliche Leute zu Krüppeln schlugen, sondern weil sie in ihrer Unterkunft offensichtlich mit Speed und Koks vollgedröhnt (ich hab mal einem von denen in die Augen geschaut) die Kollegen vom BGS demütigten, zum Bier holen nötigten und andere Spielchen trieben. Am Tag darauf haben sie vor meiner Nase zu dritt einen nur so vor sich hin laufenden Hippie zu Hackfleisch verarbeitet. Er hatte die gleiche Mütze an wie der Pressesprecher der BI Schwandorf.

bild opi: Gleich wird die Straßenblockade, die aus einem vom Dorfrat in Altenschwandt initiiertem Straßenfest auf einer an sich unwichtigen Kreuzung besteht, geräumt werden - die Menschen an Haaren und Füßen davongezerrt. Doch "Opi" stört das nicht, das ist er mittlerweile schon gewohnt.

bild barrikade: Das Ziel wäre gewesen, die gesamte Region vollstängig lahm zu legen. Das wurde nicht erreicht, wohl weil die Blockadetage als "Manöver" geplant waren und diese Luftaktion wohl schwer zu vermitteln war. Es waren zu wenige Aktivisten unterwegs. Allerdings war in diesen Tagen einiger Trubel in der Oberpfalz und die Widerstandsformen ergänzten sich großartig. Nachts wurden Strommasten umgelegt, im Morgengrauen tauchten Barrikaden auf Straßen und vor Betrieben auf und die Polizei hatte den ganzen Tag ihre Mühe, die vielen kleinen Gruppen unter Kontrolle zu halten. Dabei blockierten sie fleißig mit: einmal blockierten sie die gesamte Schwandorfer Innenstadt für Stunden, nur weil vorher 50 Leute 10 Minuten lang den Verkehr lahmgelegt hatten, indem sie immer wieder auf dem Zebrastreifen hin und hergelaufen sind. Die lokale Presse machte sich am folgenden Tag ganzseitig über den ausführenden BGS lustig.

Die WAA steht heute nicht. Meiner Überzeugung nach aber nicht allein, weil die Industrie es billiger fand, in Frankreich wiederaufzuarbeiten. Wenn hier Atomtransporte angekommen wären, dann wäre die Situation völlig eskaliert - Schußwaffen nicht ausgeschlossen. Franz Josef Strauß wäre wahrscheinlich so weit gegangen, seine Nachfolgebrut gottseidank nicht.


Das wär mal ein kleiner Blick auf die Geschichte. Mehr kommt nicht, weil ich es ein bißchen vergeben finde, die Sachen so temporär in die Gegend zu stellen. Aber auf eine AG Archiv hätte ich brennend Lust. Ich selbst habe gar nicht so viel Material. Fotos, Filme, Geschichten und Unterlagen gibt es in meiner Umgebung aber kiloweise - und es schwindet. Na saul, keine Lust?

Vielleicht poste ich wenns genehm ist demnächst eine Kurzgeschichte, die ich vor Jahren geschrieben habe. In der geht es aber hauptsächlich um Gefühle.
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Ergänzungen

Es ist zum Weinen..

Bruno 06.06.2003 - 03:25
..dass ich damals, zu Hochzeiten der Autonomen, also Hafenstrasse, 1.Mai 87, WAA usw. usf., noch zu jung war, um selber mitzumachen!! Heute ist mensch froh, wenn zu ner Antifademo 300 Autonome kommen! Könntest Du vielleicht mal eine Mini-Skizze von Wackersdorf usw. hier reinstellen, also mit Chaoteneck usw., würde zum besserern Verständnis beitragen! Ansonsten, geile Bilder, super Texte, hat mich sehr berührt, insbesondere das Attacke-Bild, vielen Dank!!

Heftig!

06.06.2003 - 10:13

Baustopp

gs 06.06.2003 - 10:26
Ich bin mir sicher, dass die WAA wegen des anhaltenden Widerstands nicht gebaut wurde. Ich habe einige Jahre später mal jemanden von den Bayernwerken kennengelernt. Der hat bestätiggt, die Entscheidung für den baustopp wäre deshalb gefallen, weil die Atomindustrie damals noch glaubte, das Image der Atomindustrie würde sich wieder soweit verbessern, dass auch in Deutschland noch Atomkraftwerke gebaut werden könnten (was auch für den Export wichtig gewesen wäre). Dies sah man durch den anhaltenden Widerstand gegen die WAA gefährdet. Die Entscheidung fiel gegen den Willen der Bayerischen Regierung. Und immerhin waren schon über 2 Milliarden DM verbraucht worden.

Obwohl der Widerstand geringer wurde und sich insbesondere die meisten autonomen Gruppen zurückzogen, hatte die Polizei die Lage nie ganz im Griff. So wurde während eines normalen Sonntagsspaziergangs ein Umspannwerk der Bayernwerke abgefackelt, die Täter/innen wurden dabei von Regenschirmen der Sonntagsspaziergänger/innen abgedeckt. Eine Belohnung von 100.000 DM wurde ausgesetzt. Ohne Ergebnis. Das hat sie schwer getroffen.

guter bericht

aus dem hohen norden 06.06.2003 - 14:47
wackersdorf war für mich als damals 18-jährigen der start in die linke szene. beeindruckend war der zusammenhalt der leute und der gute-laune charakter der meisten aktionen. natürlich war die dimension des widerstands ne ganz andere als heute. so wurden allein im jahr 1986 in der BRD über 500(!) strommasten gefällt. heute absolut unvorstellbar. zumindest bis zu den schüssen an der startbahn im selben jahr gab es breite bündnisse, wir waren lange nicht so isoliert wie heute.

die gewollte elitäre abgrenzung zu "normalos", die wandlung zu identitätsautonomen mit pc-ausrichtung kam dann ende der 80er und war der anfang vom ende. was heute so als szene rumrennt und sich autonome nennt sind im großen und ganzen leute auf identitätssuche oder leute die in der mehrheitsgesellschaft aus diversen gründen nicht klarkommen. ne vermittelbarkeit außerhalb der szene wird nicht mal mehr beabsichtigt. aber (gähn) die immmergleiche kritik an den autonomen (keine verbindlichkeit, elitäre codes (klamotten, musik), wer zu uns gehören will muß erstmal so werden wie wir) ist minimum 10 jahre alt ("heinz schenk debatte" von 92--wir sind doch kein kampagnenheinz, (danach kam es zur gründung von felS), ohne daß sich irgendwas getan hätte. die reste werden einfach weniger, dümmer und werden in 2 jahren verschwunden sein.

kein grund zum heulen. zwar sind vermehrt k-gruppen zu beobachten die verwirrte jugendliche indoktrinieren und der regresive hang zum plumpsklo und einfachen und authentischen wursthaardasein ist auch noch da. naja die nächste bewegung in 5-10 jahren und die intelligenteren antifa-kreise sind doch ein guter anfang.

Gute Idee...

. 06.06.2003 - 14:59
...das mit dem Archiv.

Widerstandsmythen

Stephan 06.06.2003 - 15:10
Die Bilder kommen mir alle sehr bekannt vor. Ich vermute sie waren damals in der radiaktiv (Zeitschrift der bayrischen Anti-WAA und Anti-AKW Inis) oder in der bundesweiten atom. Natürlich rufen sie auch in mir sentimentale Gefühle hervor. Aber ihr erneuter Abdruck nach mehr als fünfzehn Jahren ohne zugleich auch(!) kritische Punkte dieser Bewegung zu erwähnen fördert nur die Mythenbildung.
Die anti-WAA-Bewegung - und erst recht nicht die für uns als autonome AKW_Gegener sehr erfolgreichen Aktionstage an Pfingsten - kamen keineswegs aus dem nichts. Die sehr aktiven örtlichen BI's befanden sich seit 85, als sich abzeichnete, dass die WAA auf dem Klageweg nicht zu verhindern war in einer Umorientierung hin zu direkten, damals nocht streng "gewaltfreien", Aktionen. Diese wurde durch Kontakte zu den städtischen Initiativen, in denen zahlreiche Autonome mitarbeiteten, verstärkt. Schon währendd des Sommercamps 1985 wurde der Bauplatz das erste mal besetzt und von der Polizei geräumt. Damals entwickelten sich auch die ersten Freundschaften zwischen Oberpfälzern und Städtern, Kirschenvorständen und Autonomen usw.. Nach der Räumung des Hüttendorfes im Winter 85/86 wuchs die Verbitterung der Bevölkerung und wuchs der REspekt vor den Auswärtigen, die sich gemeinsam mit ihnen dem Baubeginn entgegengestellt hatten. In dieser Situation war der Atomunfall in Tschernobyl und die Ignoranz der Politiker dasrauf dann tatsächlich der Funke, der zum Steppenbrand wurde. Bei aller auch heute noch vorhandenen Begeisterung über dass, was wir damals gemacht haben, müssen auch unsere Niederlagen in diesem Kontext erwähnt werden:
1. Wir verwechselten die zunehmende Militanz großer Teile der oberpfälzer Bevölkerung mit inhaltlicher Radikalität.
2. Es ist nicht gelungen, die Anti-AKW zum Teil einer übergreifenden sozialen Bewegung zu machen, die ums ganze kämpft. Das lief damals unter dem Motto "Von der sozialen Bewegung zur sozialen Revolution". Allenfalls die Berührungspunkte mit der Friedensbewegung wurden massenhaft wahrgenommen und für wichtig gehalten.
3. Ein Beispiel dieses Scheiterns ist die KWU/Siemens-Kampange autonomer Anti-AKW-Gruppen. Mit ihr sollte ein Bindeglied in Richtung antikapitalistische Bewegung geschaffen werden. Die Autonomen blieben damit, trotz gewisser Sympathie von einigen anderen AKW-GegnerInnen weitgehend allein.
4.Wir fanden keine Antwort auf die zunehmende Repression des Staates wie wir sie am 7. Juni in Wackers- und Brokdorf zu spüren bekamen. Damit sank uauch nser Prestige bei den "Bürgern".
5. Wir unterschätzten rassistische und antisemitische Ressentiments in der Oberpfalz. Wenn wir mit entsprechenden Sprücchen konfrontiert wurden, sagten wir dazu einen Alibisatz dagegen und wechselten das Thema.

Insgesamt haben wir uns recht viele Illussionen über den Zustand dieser Bewegung gemacht.
Um nicht mißverstanden zu werden: Ich wollte die Erlebnisse dort um keinen Preis missen. Aber für SElbstbeweihräucherung, wie sie in den Bildern und dem dazugehörigen TExt durchscheinen, gibt es wirklich keinen Grund.

Warm ums Herz

altautonomer 06.06.2003 - 15:16
Hi,
sind ja nette Bilder.
War damals an Pfingsten auch in Wackersdorf.
Beim Betrachten dieser Bilder wurde mir warm ums Herz.
Denke auch, dass dieser vielseitige Widerstand (nicht nur die militanten Aktionen) den Baustopp erreicht haben.

Burglengenfels-Festival

Stephan 06.06.2003 - 15:17
Das Festival dort war übrigens hauptsächlich von Leuten organiseirt, die die Bewegung vom Zaun wegbringen wollten, um die Eskalation zu beenden. Meisten waren das ziemlich staatsfromme WAA-GegnerInnen. Das es nicht hundertprozentig geklappt hat, z.T. weil der Staat zu doof war und slbst die noch schikaniert hat, ist eine andere Sache.
Und das ich, wie viele meiner Genossinnen und Genossen, mal gerne Cochise ghört habe ist sicher eine der peinlichsten Geschichten aus meinem politischen Leben.

nicht mißverstehen

Armin 06.06.2003 - 15:21
In dem Text wollte ich es so rüberbringen, wie ich es damals empfunden habe und ich bin dabei auch ziemlich emotional geblieben, weil ich mit einer sachlichen Darstellung noch in zwei Monaten an der Tastatur hängen würde. Allein die Zahlen zu recherchieren, die ich nur ungefähr im Kopf habe, hätte ne ganze Weile gedauert.

Ich betone nochmals die Notwendigkeit eines Archivs (nicht nur zu Wackersdorf), das auch Open-Posting-mäßig organisiert sein sollte - in Anbetracht der Fülle des Materials. Neben Fotos und kleinen Textchen sind gerade inhaltliche Beiträge und Erlebnisprotokolle interessant. Meine email-Adresse ist leider nur auf der ersten Seite. Vielleicht finden wir uns und schaffen mal ein Treffen irgendwo in der Mitte Deutschlands um eine Zielrichtung festzulegen.

Bild - dir deine Meinung.

06.06.2003 - 16:33
Guter Bericht, anders als damals die Axel-Springer-Stiefelgesichter!

Ausm Fernsehen

HERP 06.06.2003 - 16:39
Im Fernsehen lief letztens ein Bericht über die Geschichte der Startbahnwest und drumrum.
dort hiess es das bei den Jahrelangen protesten 3 Menschen ums Leben kamen, 1 Demonstrant wurde von einem Wasserwerfer Lebensgefährlich verletzt und 2 Polizisten von einem Demonstranten erschossen.
Weiss einer was da dran bzw. nicht dran ist?

Fahrzeugabfackeln traf genau die Richtigen

Alter Aktenkundiger Amberger 06.06.2003 - 16:42
Die Abgefackelten Fahrzeuge (Wanne und PKW) gehörten zu einem Polizeizug, der durch besondere Brutalität auffiel.
U.a. hatten sie Gefangene nach (nicht bei) der Festnahme brutal zusammengeschlagen.

Der Zugführer war der (damalige) Hauptkommissar Wexler, ein besonders eiskaltes und übles Bullenschwein.


@ HERM

anti-terror 06.06.2003 - 20:31
an der startbahn west wurden tatsächlich zwei bullen erschossen. soweit ich weiß mit ner pistole, die n bulle während der proteste verloren hat. die schüsse wurden aus ner entfernung von über 100 metern abgegeben. die schützen wurden verhaftet und wurden wegen mordes angeklagt. die snklsge musste aber aufgrund der hilfe von till meyer (bewegung 2. juni) und anderen in totschlag umgewandelt werden. über verurteilungen der täter weiß ich aber nichts.
das mit dem wasserwerfer hat auch stattgefunden, ich weiß aber nicht genau, ob das startbahn west war. da wurde jemand von nem wasserwerfer überfahren und ist gestorben.

Nochmal zum mitschreiben.

saul 06.06.2003 - 21:04
Es war 85 in Frankfurt, als Günter Sare bei einer Demo gegen eine Naziversammlung im Gallus von einen Wasserwerfer überrollt wurde. Hatte nix mit der Startbahn zu tun.

War das toll?

fragender 06.06.2003 - 21:44
Einige Fragen bleiben:
war das ganze toll?
konnten die aktionen bundesweit vermittelt werden, oder interessierten sich nur einige coole autonome und Leute, die in der Oberpfalz ihren Grund und Boden hatten dafür? warum kämpfen Leute für das Leben, und riskieren es selbst beim Mastenfällen?

Und warum intressiert die WAA niemanden mehr, wenn sie hinder der Grenze nach Frankreich kommt?

Anti Atom ist doch hoffentlich etwas mehr, als hier in dem netten nostalgischen Bericht steckt. Einige Aktionen die heute so laufen denke ich machen das schon deutlich. Aber es kommen nicht so viele da hin, wie nach Wackersdorf. Warum?

bissel Geschichte kann nie schaden

a.c.a.b 07.06.2003 - 01:18
Vielen Dank für den Bericht.Traurig zu sehen das mensch
früher aktiver war.

@stephan wg. Cochise

Armin 07.06.2003 - 13:58
Die Meisten kennen die kitschigen Hippie-Texte dieser Band. Wir haben sie im Pfingstcamp näher kennengelernt und ich muß sagen, über die Gruppe laß ich nix kommen, rein gar nix. Super Leute mit Gefühl und Verstand!! Und als ich nach Genua völlig down war, hab' ich keinen kitschigen Haß-Punk auf den Plattenteller gelegt, sondern "die Erde war nicht immer so".

Die haben übrigens gar nicht im Camp gespielt, sondern nach dessen Räumung in Schwandorf, hab ich verdattelt.

Interessanterweise...

Warhead 07.06.2003 - 18:33
...war die Waffe mit der die beiden Bullen erschossen wurden die,welche mit der auch der Wirtschaftsminister der FDP Karry an seinem Kamin erschossen wurde.Die Waffe selbst wurde in den 70ern unter höchst dubiosen Umständen aus einem Depot der US Army erräubert und der Frankfurter Putztruppe um Joschka zugespielt.

kommt bald wieder - hoffentlich besser

Florian Geyer 07.06.2003 - 23:07
ich bin auch recht berühert von diesen bildern. danke. ich war damals noch zu jung, aber letzte woche die barrikade in annemasse hat auch sehr geflasht. sie kommen wieder, die street-fighting years. ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden jahren eine radikalisierung auf der strasse erleben werden. hoffentlich haben wir wieder bald so viel mut wie damals und machen nicht die gleichen fehler.

schlimm war's

Burglengenfelderin 08.06.2003 - 23:06
Es ist seltsam, aber es tut gut, über Wackersdorf zu lesen. Immer und immer wieder. Meine eigene Geschichte findet sich in diesen Bildern, auch wenn ich bei 'Großeinsätzen' nicht dabei war, bin Jahrgang 1974. Mein Part waren die alltäglichen Demos, die Sonntagsspaziergänge, Waldbesetzer versorgen, Gäste beherrbergen ... Hausdurchsuchungen ertragen, Hubschrauber,die im Tiefflug über den Garten brausen und zum Fenster hereingucken, abgehörte Telefongespräche, geöffnete Post...

Ich wünsche allen, die jetzt in ähnlichem Klima leben (zB.Wendland) viel Kraft und Ausdauer und danke auf diesem Wege für die gute Gastfreundschaft.

Startbahnschüsse

Stephan 09.06.2003 - 17:34
Hier ist einiges definitiv falsches über die Startbahnschüsse geschrieben worden. Daher einige Richtigstellungen und Ergänzungen.
Die Schüsse wurden am Abend des 2. November 1987, dem 6. Jahrestag der Hüttendorfräumung, abgegeben. An diesem Abend hatten sich wie jedes Jahr zahlreiche Menschen an der Startbahn zwecks einer Demonstration versammelt. Wie an den jahrestagen üblich wurde die Mauer und die dahinter stehende Polizei angegriffen und anschließend ein gemeinsamer Rückmarsch organisiert. In dieser Phase wurden die Schüsse abgegeben, die zwei Polisiten töteten.
Wegen der Schüsse verurteilt wurde Andy Eichler zu 15 Jahren Haft wegen Totschlag. Abgesessen hat er davon meines Wissens nach 10.
Noch in der Nacht vom 2. zum 3.11. ging eine größere Hausdurchungswelle durchs Rhein-Main-Gebiet. Dabei fanden die Bullen die Waffe bei Andy in der Wohnung von dessen Freundin. Andy hat vor und während des Prozesses Frank der Tat beschuldigt, um sich selbst zu entlasten. Zunächst waren daher beide angeklagt. Im Prozess haben dann zwei Genossen Aussagen gemacht. Die eine gab Frank ein Alibi, die andere belastete Andy schwer. Das shier entgegen unseren sonstigen Verhaltensweisen bvelastende Aussagen gemacht wurden ist nur durch das andauernde Verhalten Andy Eichlers zu verstehen.
Die Waffe hatte mit Karry nicht das geringste zu tun. Soweit ich dies aus dem Prozess erinnere, war die Waffe auf der großen Demo in Hanau 1986 einem Polizisten abhanden gekommen, also mehr als 5 Jahre nach dem Karryanschlag.
Zu sagen wäre noch, dass die Bullen die Schüsse stark als Druckmittel verwendet haben. Dadurch konnten sie auch Aussagen zu einer Reihe von Anschlägen gegen Atomfirmen und Strommasten aufklären und zahlreiche GenossInnen vor Gericht stellen.
Politisch waren die Schüsse fatal.
Unter Wackersdorf 1 postet jemand unter dem Namen Andy Eichler. Wenn das ein Preudonym sein sollte, finde ich es reichlich daneben. Wenn es wirklich Andy Eichler ist, der da postet, hätte ich erst mal ein paar andere Fragen, als ob es damals eine geile Zeit war. Ich finde, Du müßtest Dich dann endlich mal Deiner politischen Verantwortung stellen und sagen, was damals wirklich passiert ist.

dieses Thema erhitzt die Gemüter immer noch

steffidth 07.01.2007 - 12:20
1999 musste ich in einer Umschulung (in der Nähe von Regensburg) ein Referat halten. Ich hielt es für eine gute Idee über den Wiederstand gegen die WAA zu referieren. Meine Mitschüler kammen aus ganz Deutschland (nur 2 waren aus der Oberpfalz), daher hielt ich mein Referat arglos. Ich versuchte objektiv zu bleiben, was wirklich nicht einfach ist. Die Reaktionen waren erschreckend. Nach dem Referat wurde ich übelst beschimpft und ausgegrenzt. Nur 2 hielten zu mir, obwohl sie nicht meiner Meinung waren, waren sie wenigstens tollerant und traten für Meinungsfreiheit ein. Wer nicht dabei war versteht es nicht, sie können es einfach nicht glauben, dass solche Sachen in Deutschland passieren. "Wer sich nicht wehrt spührt seine Fesseln nicht"

Übrigens guter Beitrag mit Interessanten Infos.