Europa schweigt

euskal herria askatu 04.06.2003 22:06 Themen: Repression Weltweit
Folter in Spanien.

Ein authentischer Bericht von Unai Romano Igartua
In Spanien wird gefoltert. Zu diesem Ergebnis kommt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International auch im jüngsten »Jahresbericht 2003«. Darin wird der Fall von Unai Romano Igartua erwähnt, dessen Aussage über seine Erfahrungen zwischen dem 6. und 12. 9. 2001 junge Welt in zwei Teilen dokumentiert. »Während der Haft ohne Kontakt zur Außenwelt war der Kopf von Unai Romano Igartua so stark angeschwollen, daß man ihn praktisch nicht mehr wiedererkannte und er vorübergehend sein Sehvermögen verlor. Die Schwellungen waren offenkundig durch schwere Schläge durch Angehörige der Guardia Civil verursacht worden«, stellt Amnesty fest. Die Guardia Civil hingegen behaupte, Unai Romano Igartua habe sich »die Verletzungen selbst zugefügt«.
Folter in Spanien.
Ein authentischer Bericht von Unai Romano Igartua (Teil I)

* In Spanien wird gefoltert. Zu diesem Ergebnis kommt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International auch im jüngsten »Jahresbericht 2003«. Darin wird der Fall von Unai Romano Igartua erwähnt, dessen Aussage über seine Erfahrungen zwischen dem 6. und 12. 9. 2001 junge Welt in zwei Teilen dokumentiert. »Während der Haft ohne Kontakt zur Außenwelt war der Kopf von Unai Romano Igartua so stark angeschwollen, daß man ihn praktisch nicht mehr wiedererkannte und er vorübergehend sein Sehvermögen verlor. Die Schwellungen waren offenkundig durch schwere Schläge durch Angehörige der Guardia Civil verursacht worden«, stellt Amnesty fest. Die Guardia Civil hingegen behaupte, Unai Romano Igartua habe sich »die Verletzungen selbst zugefügt«.

Das spanische System - Regierung, Justiz, Armee, Polizeiapparat - hat sich mit einem Panzer aus Ignoranz, Lüge und Vertuschung gewappnet, an dem jegliche Kritik an der gängigen Folterpraxis abprallt. Nicht nur Amnesty und andere Organisationen scheiterten bisher, sondern selbst europäische Instanzen wie das CPT (Komitee zur Verhinderung von Folter) und der UN-Ausschuß gegen Folter.

Gegen die Folter unter Franco hatte es noch eine weltweite Protestwelle gegeben. Heutzutage ist es ungleich schwieriger, Folter international glaubwürdig anzuklagen, meint die prominente Verlegerin und Autorin Eva Forest, eine der bekanntesten Gefangenen des Franquismus. »Man stößt nicht so leicht auf offene Ohren, wenn man Unrecht in der Demokratie anklagt, auch wenn es sich um dasselbe Unrecht handelt wie unter einer Diktatur.« Eva Forest war, nachdem sie am 17. September 1974 verhaftet worden war, neun Tage lang schwer gefoltert worden. Ihre Aufzeichnungen »Tagebuch und Briefe aus einem spanischen Gefängnis«, herausgeschmuggelt und von ihrem Ehemann Alfonso Sastre der Weltöffentlichkeit vorgelegt, brandmarkten das Folterregime. Die damals 39jährige Mutter dreier Kinder kam als eine der letzten politischen Gefangenen Francos am 20. Mai 1977 frei - anderthalb Jahre nach dem Ende des Diktators.

Folter in seinen Staaten nimmt EU-Europa lediglich sporadisch zur Kenntnis. Und selbst Fälle wie der von Gurutze Yantzi werden ignoriert. Die junge Frau starb am 24.9.1993 in der berüchtigten Guardia-Civil-Kaserne »Tres Cantos« (Drei Gesänge) nahe Madrid an »Herzversagen«, wie die offizielle Todesursache hieß. Mitgefangene berichteten, Gurutze habe vor Schmerzen so geschrien, daß die Zuhörenden in den Nachbarzellen erschauerten. Sie gehörte zur linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung und war aus ihrer Wohnung in dem kleinen Ort Urnieta des Nachts abgeholt worden. Ihren Fall hatten die baskischen Antifolterkomitees TAT (Tortuaren Aurkako Taldea) dokumentiert, die seit über 15 Jahren alljährlich jeweils um hundert Fälle staatlicher Gewalt auf Kommissariaten und in Gefängnissen seitens der Guardia Civil oder der baskischen Nationalpolizei öffentlich machen.

Der Fall des Unai Romano Igartua, Produktionsarbeiter bei Daimler Benz in Gasteiz/Vitoria, erregte wegen der vorliegenden Fotodokumente besonderes Aufsehen. Romano, verhaftet unter dem Vorwurf der »Hilfe« für ein ETA-Kommando, befindet sich nach vier Monaten Untersuchungshaft gegen Auflagen auf freiem Fuß und arbeitet wieder bei Daimler. Er wird bleibende physische und wohl auch psychische Schäden davontragen. Die Anschuldigungen gegen ihn werden aufrechterhalten. Ob es zu einem Prozeß kommen wird, weiß er nicht. Beweise gegen ihn liegen nicht vor. In Spanien wird derweil weiter gefoltert, und Europa schweigt.

Gerd Schumann



Durchsuchung

Ungefähr um vier Uhr morgens werde ich am 6. September 2001 durch Lärm geweckt. Ich trete auf den Flur und sehe einige Guardia Civiles, mit Helmen und kugelsicheren Westen bekleidet, mit meinen Eltern diskutieren. Ich trete zu ihnen, und sie fragen mich, ob ich Unai Romano sei, worauf ich mit ja antworte und umgehend am Arm gegriffen und aus der Wohnung gezerrt werde, wobei mir die Arme mit einer Schnur gefesselt werden. Im selben Moment kommen meine Schwester, mein Bruder und meine Eltern heraus. Wir, die Bewohner unserer Wohnung, sind alle draußen und hören innen die Geräusche der sich öffnenden und schließenden Schranktüren. Mein Bruder bittet um Stühle für meine Eltern, da sie schon etwas älter sind. Mir sagen sie, ich wäre der Unterstützung einer bewaffneten Organisation angeklagt. Im selben Moment gehen zivil gekleidete Guardia Civiles und, ich glaube, die Gerichtssekretärin die Treppe zu unserer Wohnung hinauf. Sie legen mir Handschellen an und sagen, daß sie unsere Wohnung durchsuchen werden. Es ging mit meinem Zimmer los. Meine Eltern und ich als Zeugen, die Sekretärin und die Guardia Civiles, die sich damit beschäftigen, alles anzuschauen. Mich bewachen zwei andere Guardia Civiles. Alles wird angeschaut, Papier für Papier, Buch für Buch, Partitur für Partitur. Die Durchsuchung meines Zimmers dauert unendlich lange, da es dort Sachen von mir sowie meinem Vater gibt, und wir sind beide so, daß wir alles mögliche aufheben. Was sie interessiert, lassen sie auf dem Tisch: Zettel mit Telefonnummern von Freunden, Telefonrechnungen, zwei Telefonkarten für Handys, Rechnungen, Autoschlüssel, Sachen von der Arbeit und eine lange Liste von Papieren von mir und meinem Vater. Danach wird eine Akte angelegt, und all die Dinge, die sie aus meinem Zimmer mitnehmen, werden notiert, und es geht ins nächste. Das Zimmer gehört niemandem, aber mein Bruder Gerardo Romano schläft dort. In dem Zimmer sind sie auch sehr lange, sie nehmen das Telefonbüchlein meines Bruders mit und einige Sachen mehr, die ich nicht mehr genau erinnere. Die Sekretärin wird langsam müde, und der Chef der Guardia Civiles mahnt zur Eile, sichtlich darüber verärgert, daß wir so viele Schränke und so viele Sachen haben. Es geht weiter mit den Badezimmern, dem Zimmer meiner Schwester, dem Zimmer meiner Eltern, dem Flur, dem Wohnzimmer, der Terrasse und der Küche. Zuletzt wird die Durchsuchung immer schneller, und das einzige, was sie mitnehmen, ist ein weiteres Telefonbuch aus dem Flur. Während der Haussuchung müssen mein Bruder und meine Schwester zur Arbeit. Die Behandlung, die wir bei der Haussuchung erfahren, ist korrekt. Meine Mutter weint die ganze Zeit und versucht, mich zu umarmen. Alles wird zu den Akten genommen, und als es scheint, daß alles vorbei ist, fällt ihnen der Dachboden ein. Ich fahre mit zwei Guardia Civiles im Aufzug hinauf, die anderen kommen über die Treppe. Als wir auf den Dachboden treten, sind sie angespannt, sie halten mich als Schutzschild vor sich, und haben die Hände an den Pistolen. Auch von hier nehmen sie nichts mit. Als wir wieder unten sind, ist mein Bruder Luis Mari zu Hause. Sie erlauben mir, mich zu duschen, mich anzukleiden und mich von meinen Familienangehörigen zu verabschieden, allerdings ohne ein Wort zu sagen, so wie während der ganzen Durchsuchung.


Verhöre

Sie bringen mich runter in den Hauseingang und stellen mich in eine Ecke, während sie diskutieren, wie sie mich wegbringen wollen, ob einer von ihnen oder zwei, in welchem Auto und von wo aus rein, ob sie mich zudecken oder nicht... Am Ende decken sie mich zu, und zwei von ihnen nehmen mich mit. Ich denke so für mich, sicherlich ist Presse zugegen, und deshalb der ganze Aufwand. Sie stecken mich in ein Auto, es ist so gegen zehn Uhr dreißig am Morgen des 6. 9. 2001, glaube ich.

Das Auto bringt mich an einen Ort, den ich nicht kenne. Die ganze Fahrt lege ich schweigend zurück und mit dem Kopf zwischen den Knien. Direkt nach dem Aussteigen aus dem Auto geht es über eine Treppe, da sie mir nicht Bescheid sagen, falle ich mit den Knien drauf. Sie bringen mich in eine Zelle und ziehen mir eine Gebirgs-Windschutzmütze über und stellen mich gegen eine Wand. Ich habe Atemprobleme, und der Guardia Civil, der auf mich aufpaßt, sagt, ich hätte kein Recht zu atmen.

Sie bringen mich in einem Kleinbus und ohne Handschellen nach Madrid. Die Fahrt wird, wie ich aus dem Motorengeräusch schließe, mit großer Geschwindigkeit absolviert. Während der Überstellung setzt sich jemand zu mir und fragt mich, ob ich mir vorstellen kann, warum sie mich festgenommen haben. Ich antworte, daß es sicher deswegen ist, weil ich einen Gefangenen kenne. Er rät mir freundschaftlich, mit ihnen zusammenzuarbeiten, bis jetzt hätten sie sich sanftmütig verhalten.

Sie bringen mich auf ein Kommissariat, sie durchsuchen mich, und sie geben mir vier sehr wichtige Tips: Gehorsam sein, die Augen geschlossen halten, ihnen nicht ins Gesicht schauen, und falls ich einem anderen Gefangenen begegnen sollte, diesen nicht anzuschauen.

Sie bringen mich in eine Zelle und zwingen mich, stehen zu bleiben. Nach einiger Zeit beginnen die Verhöre. Sie fordern mich auf, mit ihnen zusammenzuarbeiten, dabei schlagen sie mir unablässig mit irgendwelchen Schaumgummi ummantelten Schlagstöcken o.ä. auf den Kopf. Ob ich diesen kenne oder jenen, ob ich eine Autobombe aufgestellt hätte oder auf einen geschossen hätte... Sie sagen mir, was ich alles gemacht habe, alle möglichen Dinge, was ich konsequent bestreite. Im selben Moment, in dem ich etwas verneine, fangen sie wieder an, mit diesen merkwürdigen gepolsterten Schlagstöcken auf mich einzuschlagen, drei- oder viermal, dann fragen sie mich erneut. Die Schläge zielen immer auf den Kopf und auf die Stirn. Wenn ich »groggy« bin, hören sie auf und fragen mich über meine Familie, Freunde, Clique, und wo ich hingehe, in die Altstadt Vitorias, über Kellner, die Arbeit, Politik, Ikastolas (Baskische Schulen) und Jugendhäuser. Wenn ich mich dann etwas beruhige, und sie mir etwas Wasser geben, (was mich übrigens immer wieder zu Kräften kommen läßt, ich weiß nicht, ob ich auf Droge bin oder was), fangen sie wieder mit dem Verhör an. Ob ich den und jenen kenne, wieviel Kilo die Bombe hatte, wie oft ich in Frankreich war, ob die Bombe ein Pendel hatte oder nicht.

Während aller Verhöre habe ich eine Augenbinde auf, solche, die man zum Schlafen benutzt. Darüber stülpen sie mir dann eine Gebirgsmütze. Die Verhöre werden jedesmal heftiger, und sie stülpen mir bis zu drei Mützen gleichzeitig über. Ich glaube, sie machen das, um die Schläge zu dämpfen, aber dieses stressende Platzangstgefühl ist furchtbar, und der Schweiß läuft pausenlos.


»Die Tüte«

Dann machen sie eine Sache, die heißt »die Tüte«. Sie stülpen mir eine Plastiktüte über den Kopf und schließen sie am Hals, bis mir schwindlig wird. Das machen sie so achtmal, dann wieder dasselbe, wenn sie sehen, daß ich fix und fertig bin, wieder Fragen über meine Lebensform, mit wem ich Umgang habe und wo, dann gibt es wieder Wasser, und dann geht es wieder von vorne los.

Dann zwingen sie mich, Kniebeugen zu machen, sie nennen das Fahrstuhl, auf und nieder, auf und nieder. So geht das eine ganze Zeit, bis ich völlig fertig und schweißüberströmt bin. Nach einer dieser Übungen lassen sie mich einen Schrieb für das Gericht unterschreiben, das Papier wird völlig feucht durch den Schweiß, der mir überall heruntertropft, und so muß ich die ganze Sache wiederholen, diesmal lassen sie mich den Schweiß vorher abtrocknen.

Während der ganzen Verhöre höre ich Schmerzensschreie von anderen Leuten, ich weiß nicht, von wem, oder ob sie diese Schreie selber produzieren, jedenfalls sind sie furchterregend. Ich stelle mir vor, daß es andere Gefangene sind, die sie gleichzeitig foltern.

Nach einem dieser Verhöre, als sie mich wieder aufrecht in der Zelle stehen haben, kommt einer rein, setzt mir diese Schlafbrille auf und führt mich treppauf in einen Raum, wo eine Frau ist, die sich als Gerichtsmedizinerin zu erkennen gibt und mir sogar ihren Ausweis zeigt. Der ist von 1989, und auf dem Bild hat sie eine Brille, aber die Frau hier hat gar keine Brille, sie heißt Leonore. Ich zweifle stark, ob sie eine wirkliche Gerichtsmedizinerin ist, antworte ihr aber trotzdem auf all ihre Fragen. Sie fragt mich über meinen generellen Gesundheitszustand, und ich antworte ihr, daß ich völlig erschöpft sei und erzähle ihr von den Schlägen auf den Kopf. Sie schaut mich an und sagt, daß man mir aber nichts ansieht. Sie fragt mich, ob ich schon mal operiert worden bin, und ich erzähle ihr von meinen Herzrhythmusstörungen. Sie sagt, daß es 20.45 Uhr ist und der 6. September 2001. Sie fragt mich, ob ich Wasser trinken möchte, und ich trinke, als ob ich noch nie in meinem Leben getrunken hätte, vier oder fünf Becher Wasser hintereinander. Sie sagt, ich soll langsam trinken, aber mir ist es egal. Dieses Wasser ruft mir kein besonderes Gefühl hervor, es ist normal, im Unterschied zu dem Wasser in den Verhören, da ist irgend etwas drin, Dope oder so. Der Raum, in dem ich mit der Gerichtsmedizinerin bin, ist ungefähr fünf Meter lang und zwei Meter breit, darin ein Stuhl, eine Liege, worauf sie ihr Medizinerwerkzeug hat, und ein Waschbecken. Die Guardia Civiles stehen hinter der Tür, und ich bin sicher, daß sie uns hören, genauso wie wir sie hören. Sie sagt mir, ich solle morgen früh wiederkommen, dann sagt sie den GCs Bescheid, um mich abzuführen.

Sie führen mich in eine Zelle, und nach wenigen Minuten setzen sie mir wieder diese undurchsichtige Brille auf, und darüber stülpen sie mir verschiedene Kapuzen, ich weiß nicht, wie viele. Sie bringen mich in einen anderen Raum und fragen mich dort, was ich der Gerichtsmedizinerin erzählt habe. Ich fang an, es ihnen zu erzählen, da unterbricht mich einer von ihnen und schreit mich wie verrückt an, daß er schon weiß, was ich ihr erzählt habe. Ich glaube, danach schlug er mich wohl 20mal hintereinander mit diesem komischen Schlagstock.


Schläge - immer auf den Kopf

Jetzt gehen wieder die Verhöre los, diese Typen sind viel härter drauf als die vorherigen. Die Fragen sind die selben, ob ich den kenne oder jenen, wann ich mit ihnen zusammen war, die Autobombe, ob ich Mitglied sei oder nur Helfer, wie oft ich in Frankreich war und wann. Immer wenn ich mit nein antworte, schlagen sie mich fest und hart. Ich muß stehen, sie fragen mich pausenlos, unaufhörlich gehen Schläge auf mich nieder, immer fester und immer fester, jetzt fangen sie auch noch an, mich im Kreis zu drehen, hier herum, dann da herum, das alles unter ständigen Schlägen und Fragen. Zwei GCs steigen auf Stühle und fangen an, von oben auf mich einzuschlagen. Sie steigern sich in ihrer Aggressivität, und die Schläge, die ich mittlerweile einstecke, sind schon wie im Wettkampf. Die Schläge gehen immer auf den Kopf und auf die Stirn. Ich weiß nicht, wie spät es ist, auch nicht, wie lange ich schon in der Mangel bin. Sie merken, daß ich schwach werde auf den Beinen, und sie geben mir eine kleine Pause, mehr Wasser, mehr Fragen, wo ich mich gewöhnlich aufhalte, und alles wieder von vorne. Jetzt lassen sie mich wieder Kniebeugen machen, stehen, hocken, stehen, hocken, stehen..., wenn ich in der Hocke bin, schlagen sie mich auf den Kopf, mit demselben Impuls gehe ich dann zu Boden, aber sie fangen mich immer wieder auf, ehe ich komplett hinfalle, und dann geht es weiter, stehen, hocken, stehen, hocken... - sie zwingen mich, solange Kniebeugen zu machen, bis ich nicht mehr kann. Sie lassen mich eine Pause machen, und sagen mir, ich wäre der einzige Hurensohn, der noch nicht gesungen hat, und wenn ich nicht bald was sagen würde, so wäre es ihnen egal, wenn ich »wie dieser Lasa«, den sie umgebracht haben, hier herauskäme. Einer von ihnen sagt mir, daß er wegen Lasa und Zabala drei Jahre im Knast gesessen hätte, und daß es ihm egal wäre, mich zu töten oder mir das Fell bei lebendigem Leib abzuziehen.

Mehr Wasser, mehr Fragen, und sie fangen wieder an. Jetzt sitze ich auf einem Stuhl, stehend halte ich es nicht mehr aus. Sie schlagen mich dauernd, die Fragen sind nicht mehr so häufig, aber die Schläge sind permanent. Sie haben mich auf einem Stuhl mit Armlehnen, ich pendele von einer Seite zur anderen, ich bin groggy. Sie wollen nicht, daß ich das Bewußtsein verliere, und wenn sie merken, ich kann nicht mehr, halten sie sich ein wenig zurück. Einer von ihnen spricht mir leise ins Ohr, er sagt mir, ich soll was sagen, irgend etwas, ich soll mir was ausdenken, das wäre nun mal seine Arbeit, so, wie ich meine hätte, und er gäbe mir 20 oder 30 Sekunden Zeit, um mir was zu überlegen. Dann kommt er wieder, und ich sage ihm, daß ich nichts zu sagen habe. Er wird hysterisch, und er sagt mir, daß ich ihn noch anflehen werde, mich doch bitte zu töten. Sie halten mich fest, (ich weiß nicht, wie viele) und sie schlagen mir noch fester auf den Kopf, sie werden müde und wechseln sich ab. Sie schließen mich an Elektroden an, Genitalien, Penis, Ohrläppchen und hinter dem Ohr und haben dann noch solch einen elektrischen Stab, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt. Sie ziehen mir gleichzeitig die Tüte über und schlagen mich.

Ich bin kaputt, sie fangen an, mir mit meiner Freundin zu drohen und mit meinem Bruder, sie seien schon auf dem Weg hierher, und sie würden noch das Doppelte von dem erleben, was sie mit mir anstellen. Ich sage ihnen, daß ich nichts getan hätte, und meine Freundin und mein Bruder genauso wenig. Sie bringen eine Person, die sagt, sie würde mich kennen, und ich hätte ihr etwas gegeben. In diesem Moment drohen sie mir mit dem Tod, wenn ich den Mund aufmachen würde. Die Person wird sofort wieder entfernt, und sie sagen mir, daß sie die Aussagen dieser Person hätten, und daß es egal wäre, was ich sagen würde. Ich weiß nicht, wer diese Person ist, vielleicht einer von ihnen.

Die Schläge gehen weiter, mehrere halten mich fest und sagen mir, daß sie meine Mutter festgenommen hätten, sie wäre bereits auf dem Weg zum Stausee, der in der Nähe von Vitoria liegt. Die Schläge gehen weiter, ich sage ihnen, sie sollen meine Mutter in Ruhe lassen, sie hat niemals etwas getan. Sie sagen, sie würden sie den »Fahrstuhl« machen lassen, im Wasser des Stausees stehend und mit gebundenen Füßen. Man hört Stimmen eines Telefongesprächs mit denen, die bei dem Stausee sind, plötzlich schreit einer ganz laut, und alle sind ruhig. Sie setzen mich auf einen Stuhl, und einer von ihnen teilt mir mit, daß meine Mutter soeben verstorben sei. Alle sind ruhig, sie flüstern miteinander, ich kann sie nicht verstehen. Jetzt schlagen sie mich nicht mehr.

(Übersetzung: Stefan Natke)

In den Händen der Guardia Civil Folter in Spanien. Authentischer Bericht von Unai Romano Igartua
(Teil II und Schluß)

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04.06.2003

Thema

In den Händen der Guardia Civil

Folter in Spanien. Authentischer Bericht von Unai Romano Igartua (Teil II und Schluß)

Sie bringen mich in eine Zelle und lassen mich dort ungefähr eine Stunde lang. Meine Situation ist dramatisch, mein Kopf wird dick, er schwillt mit rasender Geschwindigkeit an und plötzlich kann ich nicht mehr sehen. Meine Gedanken gehen wirr, und ich glaube die Sache mit meiner Mutter. Mein Kopf brennt und das einzige, was ich denke, ist: raus hier, irgendwie. Plötzlich kommt wieder einer von ihnen, er sieht, daß ich vom Bett aufstehen will. Er sagt, daß ich schon noch singen werde und haut mir eine runter, dabei sieht er mein Gesicht, und sagt, ich solle mich umdrehen. Er verstummt und geht fort. Nach einiger Zeit kommt ein anderer, und er sagt ebenfalls, ich soll mich umdrehen. Ich drehe mich um, und er sagt, ich soll mich so auf das Bett legen. Es kommt noch einer, und es passiert genau dasselbe. So sehen mich ungefähr sechs von ihnen. Mir brennt der ganze Kopf, ich taste ihn ab, er ist stark angeschwollen, mir schmerzen die Augen, und der Kopf scheint mir zu zerplatzen. Das mit meiner Mutter versetzt mich zusätzlich in Panik. Ich entscheide, mich selbst zu verletzen und fange an, erst mit den Fingernägeln und dann mit dem Mund an meinen Pulsadern zu kratzen und zu beißen.


In der Notaufnahme

Plötzlich kommt einer von ihnen und weist mich an, aufzustehen und mitzugehen. Er legt mir die Arme auf den Rücken und bemerkt die Wunden an meinem Puls. Sie führen mich durch die Flure, eine Treppe hinauf und bringen mich in einen Raum. Die Gerichtsmedizinerin ist verunsichert und fragt, was mir geschehen ist. Der Guardia Civil sagt ihr das mit meinen Pulsadern und geht. Sie lassen mich mit ihr allein, ich bin hysterisch, ich erkenne ihre Stimme nicht wieder und kann sie nicht sehen. Ich beginne, ihre Sachen abzutasten und erinnere mich, daß sie gestern einen Koffer hatte, der an einer Ecke ein graviertes Blech hatte. Ich erkenne daran, daß es dieselbe Gerichtsmedizinerin vom Vortag ist. Sie läßt mich hinsetzen und fragt mich, wie es mir geht, worauf ich antworte, daß mir der Kopf platzt. Es ist zehn Uhr und der 7.9.01. Sie verlangt dringend ein Auto von der Guardia Civil, und wir fahren in ein Krankenhaus. Es fährt einer von ihnen, sie ist Beifahrerin, und ich sitze hinten zwischen zwei GCs. Sie wollen mich in ein Militärkrankenhaus bringen, aber die Ärztin sagt nein, wir sollen in die »Soundso«-Universitätsklinik fahren. (Den Namen erinnere ich nicht mehr.) Auf dem Weg werde ich hysterisch, und ich sage ihr, daß sie meine Mutter umgebracht haben, und sie solle bei mir zu Hause anrufen. Sie sagt, daß das nicht wahr sein kann, und hält mir die Hand während der ganzen Fahrt fest.

Im Krankenhaus angekommen, ich glaube in der Notaufnahme, setzen sie mich in einen Rollstuhl und behandeln meine Pulsadern. Die Gerichtsmedizinerin spricht mit den Ärzten und jemand flüstert mir ins Ohr, was denn mit meinen Pulsadern geschehen sei, (ich glaube, es ist ein GC), ich frage, was sie mit meinen Augen gemacht hätten, er schweigt und entfernt sich. Dann kommt die Gerichtsmedizinerin wieder und sagt, sie hätte beim Untersuchungsrichter angerufen, meiner Mutter sei nichts passiert. Sie gibt mir wieder die Hand und beruhigt mich.

Sie beginnen mit meiner Untersuchung. Ihre Hauptsorge ist, daß ich eventuell einen Schädelbasisbruch haben könnte. Sie machen mir zwei Scanner, eine Resonanz, ein TAC und Röntgenaufnahmen vom Kopf, Hals, Rücken und einige vom Mund. Es kann sein, daß ich eine Untersuchung vergessen habe. Die Ärztin ist ungehalten, weil sie mich so lange haben warten lassen, sie beschwerte sich wiederholt beim Personal, von dem sie dann zu hören bekommt, daß hier jeder warten muß, bis er dran ist. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich dort verbringe, aber die Gerichtsmedizinerin sagt mir, daß ich dort bleiben würde, im Krankenhaus. Sie sagt mir auch, daß sie mit dem Richter in Kontakt stünde, und daß er schon wisse, was mit mir geschehen sei.

Nach jeder Untersuchung, der sie mich unterziehen, ist sie bemüht, mir zu sagen, daß ich keinen Schädelbruch hätte. Die Schmerzen werden unerträglich, aber sie wollen mir nichts geben, bis sie nicht alle Untersuchungen abgeschlossen haben. Sie gibt mir weiter die Hand. Nach einiger Zeit sagen sie mir, daß ich definitiv keinen Schädelbruch hätte, sondern nur einen Bluterguß und eine Muskelverhärtung am Hals. Mein Kopf und mein Hals sind total angeschwollen. Die Gerichtsmedizinerin sagt, ich hätte den ganzen Kopf violett und die Augen schwarz, aber das wäre normal bei einem Bluterguß. Sie wollen mir eine Halsstütze anlegen, aber da mein Hals so angeschwollen ist, paßt mir keine. Es dauert über eine Stunde, bis sie in »meiner Größe« eine besorgen.

Ich erzähle der Gerichtsmedizinerin, was sie mit mir angestellt haben, als ich ihr das mit den Elektroden sage, schaut sie mir hinter die Ohren und sagt, daß diese oben verbrannt sind und hinten geschwollen.

Sie geben mir eine Spritze und einige Tabletten, nach einiger Zeit klingen die Schmerzen etwas ab. Jetzt machen sie einen generellen medizinischen Check (Armbewegung, Koordinierung, mit dem Finger auf die Nasenspitze fassen usw.). Der Augenarzt kann allerdings nichts machen, weil ich die Augen nicht öffnen kann. Leonore (die Gerichtsmedizinerin) kommt und sagt mir, daß sie mich auf die Krankenstation eines Gefängnisses bringen werden, aber zuerst müßten wir auf dem Kommissariat vorbei, wo ich vorher war, danach würde ich ins Gefängnis gebracht. Es überfällt mich eine höllische Angst, aber sie beruhigt mich und sagt, daß der Richter informiert sei und daß sie mir nichts tun würden, sie würde möglichst bei mir bleiben. Der Arzt des Krankenhauses gibt ihr Tabletten mit und sagt, ich sollte mir Eis auf die Wunden tun.


Auf dem Kommissariat

Sie fahren mich aufs Kommissariat und bringen mich dort mit der Gerichtsmedizinerin in einen Raum. Sie bittet um einen möglichst bequemen Sitz für mich, und sie bringen mir einen Stuhl ohne Armlehnen. Ich setze mich, sie bringen mir Eis, und ich tue es einige Sekunden auf die Stellen, wo ich denke, daß es mir guttut. Wenn ich es zu lange auf einer Stelle lasse, dann tut es mir weh, darum muß ich es dauernd bewegen. Sie bringen mir etwas zu essen, es ist ungefähr 18 Uhr, das Essen besteht aus zwei Joghurts und einem Sandwich. Da ich es nicht kauen kann, esse ich das Sandwich nicht.

Die Gerichtsmedizinerin muß aufs Gericht und läßt mich rund zwei Stunden allein. Während dieser Zeit habe ich zwei GCs vor dem Zimmer stehen, die mich beobachten und sich köstlich amüsieren. Sie lösen sich ab und lachen über das Aussehen meines Gesichtes, während sie mir sagen, ich sähe aus wie ein Schwein oder ein Monster und so weiter. Ich bleibe so ruhig wie möglich und lege mir das Eis auf. Sie kommen auf mich zu und tun so, als ob sie mich schlagen würden, aber sie tun es nicht. Während ich in diesem Raum bin, fassen sie mich nicht an.

Der Schmerz hört nicht auf, das einzige, was ihn ein wenig lindert, ist das Eis und mich nicht zu bewegen. Die Ärztin kommt zurück, sie sagt, daß sie bei den anderen Gefangenen Visite machen muß. Das Lachen und Lustigmachen über mich geht weiter. Ich höre, wie einer kommt und schreit, »ich bringe das Abendessen«, dann höre ich, wie sie die Joghurts schütteln, um sie dann zu trinken und dabei unablässig lachen. Es vergeht eine lange Zeit, und die Schmerzen werden wieder stärker. Ich beklage mich darüber, und sie schicken einen los, die Ärztin zu holen, aber die Zeit vergeht und niemand kommt. Plötzlich kommt einer von ihnen und bringt eine Ampulle (ich höre, wie er sie aufbricht) und sagt, daß es für mich ist. Aber weil ich ihm nicht traue, trinke ich nur ein kleines Schlückchen, und weil es furchtbar schmeckt, leere ich die Ampulle auf einem Polsterstuhl, der zu meiner Rechten steht, als ich höre, daß er sich entfernt. Ich weiß nicht, ob er mich sieht oder nicht, aber er sagt nichts. Dieses Medikament ist wohl sehr stark, denn das wenige, was ich getrunken habe, macht mich unsäglich müde, und ich muß alle Kräfte darauf konzentrieren, nicht einzuschlafen.

Nach ungefähr einer Stunde setzen sie mich in ein Auto und fahren mit mir irgendwohin, während sie pausenlos Unfug machen, Vollgas geben, dann stark bremsen usw. Dann schalten sie die Sirenen an und fahren Zickzack. Die Musik drehen sie voll auf, dann halten sie an, die vorne sitzen, steigen aus und tun so, als ob sie mir die Türe öffnen, aber dann geht es doch weiter. Einmal bei solch einem Zickzackkurs muß ich den Kopf an die Scheibe lehnen, um nicht irgendwo gegenzuschlagen, und merke, daß da eine Gardine vor ist. Sie machen weiter ihren Spaß, erster Gang, zweiter Gang, Vollbremsung, ich weiß nicht, was sie damit bezwecken wollen, ich habe genug damit aufzupassen, daß ich nicht einschlafe, mein Kopf fällt mir dauernd nach vorne.


Auf der Krankenstation

Auf einmal bleiben wir stehen, der GC, der neben mir sitzt, fragt mich, ob ich mit der Guardia Civil sprechen möchte, ich sage nein, und sie holen mich aus dem Auto. Ich höre Türen, die geöffnet und geschlossen werden, ich glaube, ich bin in einem Gefängnis, aber ich traue der Sache nicht. Sie machen zwei Fotos von mir und nehmen meine Fingerabdrücke ab. Sie sagen mir etwas ins Ohr über meine persönlichen Sachen, ich sage, daß etwas fehlt, sie sagen, daß ist das, was da ist. Ich bin total blind und ziemlich benommen, sie bringen mich zu den Gefängnisärzten. Diese schauen mich oberflächlich an und sagen, daß sie mir eine Schlafhilfe geben werden, da ich nicht selber für mich sorgen könnte, und sie schicken mich in eine Zelle mit zwei Liegen, einem Klo, einem Waschbecken und einer Dusche. Die »Schlafhilfe« besteht aus einem Kolumbianer, der mir hilft, ins Bett zu gehen, auf die Toilette zu gehen und aufzustehen. Sie geben mir noch mehr Tabletten, und danach schlafe ich auch einige Stunden laut meiner Hilfe. Am Morgen sprechen wir etwas miteinander, er sagt mir, daß mein Gesicht total geschwollen ist und die Augen schwarz sind, der Rest wäre violett. Außer der Nasenspitze und den Lippen, die wären normal. Meine Hilfe wird ausgetauscht, ich bekomme einen anderen. Auch er ist Kolumbianer, und er sagt mir genau dasselbe, daß mein Gesicht total geschwollen ist, die Augen schwarz sind und das Gesicht violett. Ich erfahre, daß ich am 8.9.2001 ungefähr um ein Uhr morgens ins Gefängnis eingeliefert worden bin. Ich bin in »Soto del Real«, auf der Krankenstation, in der geschlossenen Abteilung.

Ungefähr zwei Stunden, nachdem der zweite Kolumbianer zu mir gekommen ist, teilen sie mir mit, daß ich ja noch in Kontaktsperre wäre und somit keine Hilfe in der Zelle haben dürfte. Es ist elf Uhr früh und der 8.9.2001. Von diesem Moment an muß ich alles ertasten, beim Gang auf die Toilette, zum Bett, beim Essen usw. In diesen Tagen wird mir zum ersten Mal bewußt, was es bedeutet, blind zu sein.

Die Ärzte messen mir den Blutdruck und die Temperatur, fühlen mir den Puls. Sie geben mir ein Tütchen mit (Espidifen 600); Nolotil (Schmerzmittel) und zwei Tabletten gegen die Muskelverhärtung. Den Blutdruck messen sie mir zweimal am Tag, die Medikamente geben sie mir dreimal am Tag, abends geben sie mir eine andere Tablette, die meinen Magen schützen soll.

Samstag, der 8., vergeht und Sonntag, der 9. Am Abend nehme ich eine Dusche und fange an, langsam wieder etwas zu sehen, am Anfang ist alles noch sehr verschwommen, aber im Verlaufe der Zeit sehe ich immer besser. Um die Augen herum ist alles schwarz, das Weiße der Augäpfel ist blutunterlaufen. Das ganze Gesicht ist dick geschwollen und dunkel (violett wie sie sagen), der Hals und die Schultern bis zur Brust, alles dunkel. Ich merke, daß die Schwellung des Gesichtes langsam abnimmt, auch wenn das Gefühl, daß mir der Kopf brennt, bleibt. Ich kann nicht schlafen, wenn ich den Kopf auf das Kopfkissen legen will, habe ich starke Schmerzen. Ich sage dem Arzt, er möge mir die Dosis des Schmerzmittels erhöhen. Wir verbleiben, daß er mir zwei Nolotil verabreichen werde, aber statt dessen gibt er mir eine grünweiße Tablette, die sich allerdings als zu stark erweist. Zweimal ist mir davon so schwindelig geworden, daß ich beinahe zu Boden gegangen wäre. Ich sage ihm, daß ich sie nicht mehr möchte und bitte ihn um zwei Nolotil.

Sie haben mich den ganzen Tag in einer Einzelzelle auf der Krankenstation und wollen damit verhindern, daß mich jemand sieht, denn mein Gesicht sieht wirklich sehr spektakulär aus, wie mir die »Hilfen« bestätigen, die mich in den Momenten sehen, wenn sie mir das Essen bringen. Weiterhin schlafe ich schlecht.

Am Montag, den 10. 9. 2001, kommt ein anderer Gerichtsmediziner, begleitet von einer Frau, die vorgibt, die Gerichtssekretärin zu sein. Sie sagen mir, daß sie gekommen sind, um zu schauen, ob ich in der Verfassung sei, am nächsten Tag dem Richter vorgeführt zu werden. Sie untersuchen mich daraufhin. Der Gerichtsmediziner notiert alles über meinen Gesundheitszustand, vor allem über das Gesicht und den Hals, und als ich etwas sagen will, erklärt er mir, daß es sich hierbei um eine reine Formalität handelt, um dem Richter vorgeführt zu werden. Wir einigen uns darauf, daß ich in der Lage bin, dem Richter vorgeführt zu werden. Am Abend teilen sie mir mit, daß sie mich am nächsten Tag, den 11. 9. 2001 um sieben Uhr wecken werden.


Beim Amtsrichter

Sie bringen mich zum Eingang, geben mir ein Frühstück und übergeben mich in die Hände der Guardia Civil, die mich zum Amtsgericht bringt. Als ich dem GC, der mir die Handschellen anlegen will, sage, daß ich verletzte Handgelenke habe und er deshalb darauf verzichten möge, antwortet er mir, ob ich darüber eine ärztliche Bescheinigung hätte, während er mir die Hände auf den Rücken bindet. Die Fahrt zum Gericht ist sehr anstrengend für mich, da ich noch nicht wieder bei Kräften bin. Als wir dort ankommen, übergeben sie mich der Nationalpolizei, wobei einer der GCs bei der Übergabe sagt, sie hätten mit mir die »Tintenfischmethode« gemacht (so genannt wegen der vielen Schläge), und sie stecken mich in eine Zelle. Nach einiger Zeit holen sie mich und bringen mich zu einer Frau, die sagt, sie wäre die Sekretärin des Richters, und sie liest mir meine Rechte vor. Den Text muß sie zweimal lesen, weil ich mich nicht genug konzentrieren kann, um ihn sofort zu verstehen. Ich nominiere Iker Urbina als meinen Anwalt und sage, daß ich den Gerichtsmediziner sprechen möchte.

Sie bringen mich in die Zelle, kurz danach holen sie mich wieder heraus, um mich zum Gerichtsmediziner zu bringen. Dem sage ich, daß ich einen Schmerz habe, der neu ist, er tritt in der Mitte der Brust auf und wird stärker, wenn ich mich bewege, und nimmt mir drei oder vier Sekunden lang den Atem. Er notiert den Tatbestand und untersucht mich. Ich erzähle ihm die Arten der Mißhandlungen, denen ich ausgesetzt war sehr detailliert, er schreibt es auf, aber er sagt mir, daß ich das dem Richter zu erzählen hätte. Ich bitte ihn, mir noch einmal vorzulesen, was er sich aufgeschrieben hat, erst weigert er sich, dann tut er es lustlos und oberflächlich.

Sie bringen mich wieder in die Zelle und kurz drauf zum Richter. Die Strecke von der Zelle zum Büro des Richters lege ich mit einer Jacke über dem Kopf zurück, die verhindert, daß ich irgend etwas sehe. Es beginnt die Aufnahme meiner Aussagen, ich antworte auf die Fragen und verneine die Beschuldigungen. Als er mich fragt, ob ich noch etwas hinzuzufügen hätte, spreche ich die Folterungen und Mißhandlungen an, denen ich ausgesetzt war, und fange an, sie zu schildern. Nach einer halben Minute unterbricht er mich, indem er mir erzählt, daß er schon viele Jahre mit der Guardia Civil zusammenarbeitet und daß viele Leute ihm das gleiche erzählen würden und daß er mir nicht glaubt. Außerdem wäre das hier nicht der richtige Ort, um sich darüber zu beschweren, dafür müßte ich eine ordentliche Strafanzeige bei der Polizei stellen.

Ich bin perplex, schaue zur Sekretärin, die nickt mit dem Kopf. Meine Pflichtverteidigerin schaut mein lädiertes Gesicht an (sie macht einen erstaunten Eindruck), aber sie schweigt. Es sieht so aus, als ob die Aufnahme meiner Aussage abgeschlossen ist, ich muß noch einen Schrifttest durchführen, und dann sagen sie mir, daß ich meinen Anwalt sehen darf, sie geben mir einige Papiere, von denen sie sagen, daß sie diese auch meinem Anwalt aushändigen würden. Sie bringen mich in den Keller, wieder mit der Jacke über dem Kopf. Dort stecken sie mich in einen Lieferwagen der GC, der mich erneut ins Gefängnis bringt. Ich erwartete, meinen Anwalt zu treffen, aber es scheint so, daß sie nicht wollen, daß jemand mein Gesicht sieht.

Wieder im Gefängnis sage ich ihnen, daß ich den mir zustehenden Anruf bei meinem Rechtsanwalt machen möchte, da ich ja nicht mehr unter Kontaktsperre stehe, worauf ich zur Antwort bekomme, daß ich das erst tun kann, wenn sie die dafür notwendige schriftliche Bestätigung hätten. Sie halten mich weiter auf der Krankenstation in einer Einzelzelle.

Am Nachmittag kommt mein Anwalt, um mich zu sehen, er stellt den bedauernswerten Zustand fest, in dem ich mich befinde. Ich komme danach wieder auf die Krankenstation, ich bitte wieder um ein Telefongespräch und sie antworten mir »Mañana« (morgen).


Die meiste Zeit nackt

Sie holen mich aus der Einzelzelle und bringen mich in die Männerabteilung der Krankenstation. Am nächsten Morgen kommt der Anstaltsarzt zu mir und sagt, daß ich so lange auf der Station bleiben müßte, bis die Spuren aus meinem Gesicht verschwunden sind. Er nimmt mir die Halsstütze ab. Schritt für Schritt nehme ich weniger Medikamente. Am 14. 9. glaube ich mich in der Verfassung, um aus der Krankenabteilung entlassen zu werden, aber bis zum 18. 9. lassen sie mich nicht raus. An dem Tag sind dann fast alle Spuren aus meinem Gesicht verschwunden. Meinen Telefonanruf verschieben sie auf den 20. 9.

Jetzt befinde ich mich in Trakt 2 von »Soto del Real«. Heute ist der 20. 9. 2001. Ich versuche alles aufzuschreiben, was mir widerfahren ist, denn jedesmal wenn ich es erzähle, werde ich sehr nervös, darum muß ich Stück für Stück vorgehen.

Ich habe vergessen zu erwähnen, daß ich bei den Verhören der Guardia Civil die meiste Zeit nackt war, und die GCs die daran teilnahmen, sich ständig untereinander ablösten.

(Übersetzung: Stefan Natke)

* Infos: www. stoptortura.com

 http://www.jungewelt.de/2003/06-04/005.php
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Ergänzungen

Das ist ein Crossposting

05.06.2003 - 02:24

05.06.2003 - 02:26
Das sind Schweine, ohne Frage.

Es ist aber kein Argument für den baskischen Nationalismus, dass sie Schweine sind.

Aufzeichnungen eines bask. Gefangenen

Ruhrpott-Prolet 06.06.2003 - 17:48
Herrera De La Mancha: Aufzeichnungen eines baskischen Gefangenen

"Wenn der Leser das Buch schliesst, wird er die Vielfalt der Politik der Zerstörung verstanden haben, den von ihr angerichteten Schaden und die Vernichtung, die sie zum Ziel hat; er wird aber auch den Widerstand verstehen, den sie hervorruft, die Stärke derjenigen, die verzweifelt darum kämpfen, aufrecht zu bleiben und nicht umzufallen [...]"

 http://www.daslinkeforum.de/index21191.html