Evian- der Versuch eines individuellen Rueckblicks

yvonne 03.06.2003 17:38 Themen: G8
Nach den Geschehnisse der letzten Tage hier in Lausanne ist die Stimmung nach wie vor emotional aufgeladen. Aktivisten und Journalisten haben viel erlebt- Demonstrationen, Blockadeversuche, Festnahmen, Unfaelle... Martin liegt seit nun mehr fast zwei Tagen im Krankenhaus. Es ist viel berichtet worden, sowohl im Netz, als auch unter den Aktivisten vor Ort. Kusierende Geruechte mussten von Wahrheiten unterschieden werden. Eine ansatzweise objektive Berichterstattung faellt schwer.
Es ist der letzte Tag der G8- Gipfels. Heute Abend werden die restlichen Altivisten aufbrechen und nach Hause zurueckkehren. Auch die Journalisten von Indymedia werden die Computer abbauen und das Feld raeumen. Jetzt, wo etwas Ruhe einzukehren scheint- und hoffen wir, dass der Schein nicht truegt- draengt sich Frage auf, was unterm Strich uebrig bleibt. Mit welcher Stimmung werden die Aktivisten nach Hause fahren? Wie wird man in einer Woche auf die Tage hier in Lausanne, in Genf oder auch Annemasse zurueckblicken? Wie wird die Gegenbewegung des Evian- Gipfels von dem nicht aktiven Teil der Bevoelkerungen verstanden und gedeutet werden?
Schon waehrend der letzten Tage hat sich gezeigt, wie unterschiedlich Wahrnehmungen von ein und derselben Sache sein koennen und wie individuell jeder fuer sich die Geschehnisse erlebt. Eine allgemeine Stimmung ist schwierig zu beschreiben und bei einem Versuch, wuerden auch hier wieder die Meinungen auseinander gehen. Wahrscheinlich waren viele in Lausanne von der Polizeiaktion am Sonntag verschreckt. Der groesste Teil der Aktivisten ist noch am selben Abend nach Hause gefahren.
Die ersten Reaktionen der Medien lassen ein recht negatives Bild in die Aussenwelt scheinen. Kritische Stimmen werden laut- teilweise durchaus berechtigt, teilweise fuer die Aktivisten, die alles miterlebt haben, voellig unverstaendlich.
Die viel interessantere Frage ist, ob und wenn ja, welche Resultate fuer die globalisierungskritische Bewegung festgehalten werden koennen. Was haben die Mobilisierung und das direkte Agieren der Aktivisten vor Ort waehrend des Gipfels gebracht? Sieht sich der Teil der Bevoelkerungen, der kritisch der altermondialista Bewegung gegenueber steht, in ihrer Meinung vom sinnlos gewaltbereiten linken Mopp bestaetigt? Haben die Bilder von Zerstoerung und Gewalt, die in den Medien herumgegangen sind, das Image der friedlichen, oder vermeintlich friedlichen, Bewegung getruebt?
Verschiedene Probleme, die auch vor dem Gipfel nicht unbekannt waren, sind in den letzten Tagen wieder nur allzu deutlich geworden.
Ein Problem der linken Bewegung ist in der bestehenden und sich verstaerkenden inneren Heterogenitaet zu finden, sowohl, was die Identifikation einzelner linker Gruppierung betrifft, als auch die unterschiedliche Politik der Organisaionen. Die einen wollen nicht mit den anderen und zu Attac zaehlt man sich schon lange nicht mehr, wenn man nicht in dem Mainstraemsumpf der organisierten, politischen Linken stecken bleiben will. Geschwaecht wird die politische Linke darueber hinaus durch die medialen Bildern der Gewalt und Zerstoerung, die die Oeffentlichkeit zuruecksckrecken lassen und darueber hinaus Uebergriffe der Polizei auf die Demonstranten rechtfertigen.
Ob tatsaechlich etwas erreicht wurde, ist fraglich. Wichtig ist, dass gegen den G8- Gipfel mobilisiert wurde, dass Menschen auf der Strasse standen um ihre Unzufriedenheit und ihre politische Einstellung kundzutun. Die Blockaden, die errichtet und kurze Zeit gehalten wurden, kaempften gegen das Bild der Ohnmacht einer passiven Bevoelkerung an, die es gewohnt ist, daneben zu stehen und die Haende in den Schoss zu legen. Zu verurteilen ist die sinnlose Gewalt, auf Seiten der Polizei, aber auch auf Seiten der Aktivisten, die, anstelle die Gegenbewegung weiterzubringen, die Globalisierungskritiker in die gewaltaetige linke Ecke zurueckstoesst. In zwei Wochen wird das Thema "Evian" an Brisanz verloren haben. Der groesste Teil der Oeffentlichkeit wird sich unbeeindruckt zeigen. Unter diesen Umstaenden erscheinen die Unfaelle und Verletzungen der Aktivisten noch sinnloser, als es sowieso schon der Fall ist.
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Ergänzungen

Der Weg stimmt in jedem Falle

Alfred 03.06.2003 - 20:27
hallo Ihrs,

dabei war ich nicht bei Eueren demonstrationen und kämpfen vor ort. habe hier versucht im engeren umfeld für bewußtsein zu sorgen. ich hoffe sehr, dass sich die leute die vor ort waren, darüber im klaren sind, wieviele menschen zu hause, in der firma oder sonst wo, mit Euch mitgefiebert haben und für Euch gehofft haben. hört sich vielleicht komisch an, aber es haben bestimmt auch einige für Euch gebetet (ich nicht).

Eure arbeit ist wichtig. wir anscheinend normalen brauchen menschen wie Euch. menschen, die sich dafür einsetzen, daß eben nicht alles so unkritisch abläuft, wie sich das die politiker und wirtschaftsbosse (adminis + sackies) wünschen. es ist absolut richtig seine meinung zu äußern.

es ist schon eine ganze ecke her, da war ich auch vor ort. habe meine meinung versucht, darzulegen. heute bin ich nicht mehr ganz so mutig, vielleicht auch etwas träger. aber ich habe heute viel mehr möglichkeiten einfluss zu nehmen, im hintergrund stimmungen mit zu beeinflussen. das machen heute viele die damals gegen akw's, starbahn-west und weiß ich sonst noch was, auf die strasse gegangen sind. leider sind einige von denen nun genau an den hebeln der macht. und genau diese hebeln haben ihre birnen vernebelt. es ist für mich seit jahren nicht zu begreifen, wie menschen, neben denen ich mal stand, mit ihnen diskutierte und kämpfte, heute sich um mind. 180 grad gedreht haben. sie tun heute das, was sie gestern noch aufs massivste bekämpften.

wir haben sie verloren, sie haben uns verraten. es sind nicht mehr viele von uns übrig. deshalb brauchen wir Euch so dringend. wir brauchen Eure kreativität, wir brauchen Euren mut, wir brauchen Euer engagement. dafür sind wir Euch wirklich zu tiefem dank verpflichtet.

was die darstellung in der öffentlichkeit angeht, ein kleiner tipp: kreativ mit der wahrheit umgehen + authentisch bleiben. immer und immer wieder informationen an die mainstream medien geben. immer und immer wieder postings in allen möglichen foren (z. bsp. auch bei www.journalismus.com). immer und immer wieder gut aufbereitete hintergrundinformationen in die öffentlichkeit bringen.

warum nicht mal eine story über eine gruppe polizei-provokatuere? habe die tage mal andeutungsweise darüber gelesen, daß es solche spezialeinheiten gibt. damit meine ich nicht die uniformierten (obwohl die ja schon genug wären), nein ich meine die zivilen, die bierbäuchigen typen, die sich austoben auf kosten anderer, um Euch zu kriminalisieren. das gibt es schon so lange auf dieser welt. warum schreibt nicht einer ein Buch. ein Buch, über die angst, die brutale gewalt, die robo-cops und fleischklumpen vor evian.

diese texte, daten, fakten wird irgendjemand in jedem fall sammeln und irgendwer wird sie auch nutzen. ob für einen artikel, einen doku-film, ein studienarbeit oder sonst was. gebt gebetsmühlenartig Euere infos, Eure denke, Eure ideen weiter an andere. es gibt genug menschen, denen Ihr helft - sie wissen dann, sie wurden nicht vergessen.

danke.