Sonntag in Lausanne- der Versuch eines friedlichen Demoteils

imc koelle 02.06.2003 20:31 Themen: G8 Globalisierung Soziale Kämpfe
Die ersten Tage liessen vielmehr an ein Festival erinnern, als an eine
politische Gegendemo. Die Urlaubsstimmung am Ufer des Genfer Sees verflog dann
aber schnell, als der Blockadeversuch durch Traenengas und Soundbombs der
Polizei zum erliegen kam.
Lausanne. Sonntagmorgen. Um 6.15 Uhr versammelten sich die Aktivisten der zwei Camps in Lausanne. In zwei Bloecken, dem BlackBlock und dem Pink&SilverBlock, machte man sich in Richtung der Lausanner Innnestadt auf, mit dem Ziel, Blockaden um die gelbe Zone herum aufzubauen und letztlich in diese Zone zu gelangen.Beide Bloecke, die zunaechst getrennt gingen, vermischten sich im Verlauf des Marschs, als die Aktivisten mit Traenengas und Soundbombs verdraengt wurden.
Im Vorfeld der Blockadeaktion wurden verschiedene Punkte ausgewaehlt, an denen Blockaden errichtet werden sollten. Dabei wurde darauf geachtet, das die Pazifisten nicht an die heiklen Stellen eingesetzt werden sollten. Auch sollte so die Trennung beider Bloecke aufrechterhalten werden.
Schon nach einer Stunde begann der BlackBlock mit Randalen und gab sich Strassenschlachten mit der Polizei, so dass er hinter den pazifistischen Block zurueckfiel Waehrend des Marsches marschierte der Pink&SilverBlock mit Kostuemen, Musik und Tanz. Die Pazifisten "attackierten" die spalierstehenden Polizisten mit Konfetti und Herzaufklebern- alles blieb so weit friedlich und die Stimmung war gut. Acht Aktivisten waren mit Masken und Anzuegen als die acht Regierungschefs verkleidet, machten kleine Sit- ins vor den Polizeibarrikaden, verteilten Geld und sangen: "We fuck the world, we fuck the children...", mit der Melodie des Michael Jackson- Song. Spaeter stiess dann der Block auf eine Blockade der Polizei, die ein weiteres Fortschreiten verhinderte. Nach einigen Versuche der Aktivisten, weiter vorzudringen, wandt die Polizei Wasserwerfer an und liess unverzueglich Traenengas folgen, das in die musizierende und tanzende Menge geschossen wurde. Die Aktivisten mussten sich zurueckziehen und sammelten sich weiter oben an einer Kreuzung, wo der BlackBlock, der von
der Polizei ebenfalls zurueckgedraengt worden war, hinzustiess. Im weiteren Verlauf der Demo gingen beide Bloecke zusammen- gewaltbereite, maskierte Aktivsten mischten sich mit den pinken Pazifisten. Der Sprecher des BlackBlocks, der waehrend des Marschs Anweisung zur Handlungsweise der schwarzen Aktivisten gab, deutete das Vermischen der beiden Bloecke als einen gezielten Akt der Polizei. Wahrscheinlich sollte die Menge staerker demoralisiert werden, so dass die Demonstration ohne weiteren Wiederstand aufgeloest werden koenne. Letzteres gelang, denn die Menge machte sich, nachdem sie den Parc de Milano erreicht hatte, in Richtung Camp auf, angetrieben vom Traenengas und den Soundbombs der Polizei, die die Aktivisten in Panik versetzten. Gegen 13 Uhr errreichten die Aktivisten wieder das Camp.
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Ergänzungen

Danke für die tolle Berichterstattung

Danksager 02.06.2003 - 20:49
Auf alle Fälle muss erst mal ein fettes Lob alle Aktivisten raus, die die letzten Tage berichtet haben. Der Protest&Widerstand in seiner ganzen Breite von inhaltlichem Kongress über Demonstrationen, Theateraktionen, friedliche bunte Aktionen, zivilen Ungehorsam, Blockaden, bis hin zu Militanz wurde eindrucksvoll dokumentiert. Zusammen mit den Videogeschichten (Lifestream und GlobalTV) hat Indymedia einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Wenns beim nächsten mehr noch mehr inhaltliche Berichte/Analysen gibt und alles noch übersichtlicher gestaltet wird (ich weiss, wir alle sind Indymedia), dann ist es nehezu perfekt.
Vielleicht findet sich ja jemand, um mit all den Bildern, Videos und Berichten von Indy.de und Indy.ch eine kleine CDRom zu basteln.
Die Indy-user müssen natürlich auch mehr aktiv werden und Printausgaben verteilen, Public Screening durchziehen und so weiter.

genau...

[contra] 02.06.2003 - 21:00
...kann mich nur anschliessen, die unabhängige, progressive berichterstattung macht grosse schritte nach vorne! danke an alle aktiven menschen...

fight club...

blockfrei 02.06.2003 - 22:33
...ist auch ein toller film, der aufzeigt, wie schmal der grat zwischen anarchie und faschistoiden strukturen ist. wir sind demonstranten und KEINE soldaten liebe einsatzleiter vom ""black block"".

Ein Dank mehr

rambazamba 02.06.2003 - 22:58
Auch an die Leser. Trolle, Flamer und andere böse Gestalten der Internet-Kommunikation wurden weit mehr links liegen gelassen, als dies früher der Fall war.
Aus einem Experiment wird Routine, aus einem Stachel eine Speerspitze!

Ergänzungen

9847 02.06.2003 - 23:01
Es gab am Sonntag in Lausanne insgesamt vier "Blöcke": - Pink&Silver (das sind nicht einfach 'Pazifisten'. Es ist einfach eine andere Form von Militanz bzw. zivilem Ungehorsam.)
- Antrazit-Block (Einige Disobediente, Schwarzblöckler usw., Leute mit Dreibeinen, ...)
- die Velokarawane, welche Critical-Mass-mässig den Verkehr aufhielt und sich als Späher bzw. Boten betätigten.
- Der 'Akua Block', welcher auf der Autobahnblockaden errichtete. Einer von ihnen wurde schwer verletzt, als ein Polizist das Seil durchschnitt an dem er hing und er aus 20m zu Boden fiel.

@ Ergänzungen

vds 03.06.2003 - 00:04
du verwechselst da was: der aqua block waren die, welche über den see zu gelangen versuchten. dies sollte mittels selbst gebastelter flosse bewerkstelligt werden. leider kamen schon nach ca. 400 meter die leute von der gendarmerie und nach ca. 1 stunde auf dem wasser waren die mutigen wieder an land, auf lausanner seite versteht sich. an der demo gab es drei blöcke: pink silver, antrazit und den velo/fussgängerInnen block. die leute welche die brücke gespert haben, heissen nicht aqua block. übrigens gab es auch noch ne andere autobahn blockade, wohl organisiert und sauber durchgezogen, allerdings sitzt jemand aus dieser gruppe immer noch im knast und da sich die person weigert aussagen zu machen jetzt in beugehaft....

Ich war auch in Lausanne

Lieselotte Meier 03.06.2003 - 22:26
... und möchte den obenstehenden Artikel ergänzen: Nachdem nämlich beide Blöcke ganz gezielt vermischt und mit Tränengas durch die ganze Stadt getrieben worden waren, landeten letztendlich fast alle Demonstranten im legalen Camp La Bourdonette (wobei glaube ich nur ein Teil von Pink-Silver-Leuten in das illegale See-Camp abbiegen durfte). Einige Minuten war es ruhig, die Leute begannen, sich zu entspannen, sich umzuziehen, Duschen zu gehen etc. Dann bezog plötzlich die deutsche Polizei auf der Straße unterhalb des Camps Position. Einige Leute begannen, ihre Zelte abzubauen, die Sachen in Autos zu packen und dann zu gehen, zumal das Gerücht umging, daß alle Zivis abgezogen worden seien. Einige Zeit später wurde das Camp von der Schweizer Polizei illegal ohne Durchsuchungsbefehl betreten, einzelne Zelte wurden pseudomäßig und ohne Genauigkeit durchwühlt und ca. 4-5 Einzelpersonen wurden gezielt festgenommen, alles unter Begleitung der Presse. Danach schien die Polizei auf Zeit zu spielen: Die Bullen verteilten sich locker über das Gelände, die meisten Demonstranten setzten sich im vorderen Teil des Geländes friedlich auf den Boden in die knallheiße Sonne, sangen Bella Ciao (!), tanzten vor den Bullen (!!) und bildeten eine Kette, von wo aus sie sich dann wie die Radikalschafe wegtragen ließen. Leute, die vorschlugen, man solle doch wenigstens aufstehen und sich aktiver gegenseitig schützen, ohne die Situation jedoch gleich eskalieren zu lassen, wurden ausgebuht; man müsse "die hinteren Reihen schützen". Das Verhalten in dieser Situation steht in einem krassen Gegensatz zu den vorher gehaltenen Plena des Anthrazit-Blocks. Es scheint also so gewesen zu sein, daß sehr viele Leute aus dem unteren Camp in dieser Situation dabei waren, während die hier campierenden und wohl eher gefährdeten Leute genug Zeit hatten, sich in den Wald abzusetzen. Die Polizei muß das gewußt haben. Dafür spricht, daß die Überwachung im Camp eher lax war, die Menschen konnten sich frei bewegen und der Polizei unterlief ein absolut dämlicher Fehler: Wahrscheinlich aufgrund von Komunikationsproblemen wurden die deutschen Bullen von der Straße abgezogen, die gesamte untere Flanke des Camps blieb über fünf Minuten unbewacht. In dieser Situation gelang es einigen, sich abzusetzen, unter anderem auch mir (das war so ca. 15.40 Uhr). Wir wurden auch nicht daran gehindert, obwohl unsere "Flucht" von sehr vielen Bullen bemerkt wurde. Für uns sah es so aus, also würde sich die Polizei jetzt zurückziehen, wir gingen sogar nochmal aufs Klo, bevor wir uns aufmachten. Daß sie sich nicht zurückzogen, merkten wir erst, als 20 Sekunden hinter uns plötzlich ein Kessel um die Leute im vorderen Teil des Camps gezogen wurde, da sich immer mehr Leute abzusetzen begannen. Da wir das Gefühl hatten, daß im unteren illegalen Camp sicher auch geräumt wurde und wir uns vorstellen konnten, daß es dort aufgrund des illegalen Status sicher noch mehr abging als im oberen Camp, verdrückten wir uns erstmal für eine Stunde in einen nahegelegenen Park. Danach gingen wir zum illegalen Camp, wo wir feststellten, daß hier überhaupt nicht geräumt worden und die Stimmung entspannt und locker war. Die Polizei war zwar wohl dagewesen und hatte auch hier gezielt 3-4 Einzelpersonen herausgegriffen, sich ansonsten aber wieder komplett zurückgezogen. Wir erfuhren jedoch, daß direkt nach unserer Flucht 100 oder mehr Schweizer Bullen ins obere Camp reingerockert waren, den Kessel komplett geschlossen hatten und immmer noch dabei waren, Leute einzufahren. Kurz darauf erreichte jedoch die Demo aus der Stadt (die zwar eigentlich verboten worden war, aber trotzdem stattfand), das obere Camp, woraufhin sich die Polizei komplett zurückzog und ungefähr das letzte Drittel der Gekesselten einfach gehen ließ. Einige Stunden später wurden fast alle eingefahrenen Leute per Bus von der Polizei zum Camp zurückgebracht. Das heißt, daß ca. 400 Personen quasi für nichts eingefahren sind und ihre Personalien abgegeben haben, denn nach meiner Einschätzung hätte ein bißchen mehr Ge- und Entschlossenheit genügt; die Polizei war nicht darauf aus, so viele Leute abzugreifen, dafür hatten sie nicht mal genug Busse dabei. Sie haben das dann aber gemacht, da es sich so schön anbot, die Leute einzeln wegtragen zu können; das einzige Mal, wo sie zurückwichen, war, als sie mit eindringlichen und einstimmigen "Assassini-Rufen" konfrontiert wurden. Auch Bullen sind nicht total verblödet, die haben sich mit Sicherheit denken können, daß der überwiegende Teil der von ihnen gesuchten Leute einfach nicht mehr da ist, zumal sie sich ja auch alle Zeit der Welt ließen, bis sie überhaupt kamen. Aber mal eben so 400 Personalien aufnehmen und speichern zu können ist ja auch nicht von Pappe. Bleibt also festzuhalten: 1. Für mich ist die Polizeistrategie bei dieser ganzen Aktion absolut nicht erkennbar. 2. Mehr Kampfgeist wäre angebracht gewesen. Stattdessen schien es mir, als seien einige Leute sehr auf der Märtyrer-Schiene. "Die hinteren Reihen schützen" tut man halt aber eben nicht, wenn man darauf wartet, in den Knast gebracht zu werden, im Gegenteil: Je weniger Leute da sind, desto größer ist die Gefahr, daß richtig hart gegen die übrigen durchgegriffen wird, zumal gefährdete Leute sich nicht vor einen Bullen setzen, um sich dann brav einknasten zu lassen. Genausogut hätten alle ihre Personalien gleich auf eine Liste schreiben und feierlich in einem Staatsakt übergeben können, daß wäre billiger gewesen und wir hätten was Sinnvolles mit unserer Zeit machen können.

Im übrigen: Kommentare zu diesem subjektiven Erfahrungsbericht und zu meinen Einschätzungen sind erwünscht, auch gegenteilige Empfindungen !

love and destroy

pinky 04.06.2003 - 13:07
meiner meinung nach wird im bericht oben (danke für die schönen fotos) zu undifferenziert mit begriffen wie friedlich, gewaltbereit umgegangen. ich weigere mich auch als pazifisten bezeichnet zu werden. bei den vorbereitungssitzungen zu den pink-silver blockaden wurde ausgemacht, dass pink-silver ein spielen mit den eigenen grenzen von violent/non-violent sein soll. dass mensch sich nicht in die starren strukturen von gut und böse, friedlich und gewaltbereit einbinden lassen will. das sind die strukturen der bullen und der bürgerlichen presse. pink-silver sollte effektiv sein, mobil, lustvoll und durchauskonfrontativ. die konfrontation ist einfach eine andere als bei black block aktionen. meiner meinung nach hat beim weg durch die stadt die koordination zwischen den verschiedenen aktionsformen gut geklappt. pink silver konnte immer wieder weitergehen, nachdem sie selber barrikaden bauten kreuzungen mit samba tanz und puscheln belebten und von hinten der black block kam um seine aktionen durchzuziehen. bei der letzten strasse wo die bullen zugemacht hatten, weil es wohl auch die wichtigste war (am östlichsten von lausanne) vermischten sich die blöcke ziemlich stark.
aber auch nach den ersten massiven gas und wassereinsätzen war es pink-silver immer noch möglich sich zurückzuziehen und eigene entscheidungen zu treffen. es wurde mehrere male eigene routen bestimmt. das problem war, dass anscheinend der black block nicht mehr zu koordinieren war, vielleicht auch zu klein oder was weiss ich. jedenfalls lief dann jeweils immer der ganze pulk dem pink-silver block nach, was zur folge hatte, dass keiner der blöcke mehr effektiv war und eigene aktionen machen konnte.
aber auch da hatte ich das gefühl, dass die meisten black blockers wussten, dass sie pink-silver hinterherliefen und sich so mit eigenen aktionen zurückhalten mussten, mal von den einzelnen kleingruppen, die das auch da noch nicht gecheckt hatten.
ich habe auch keine mühe damit, wenn sich black blockers den pinkies anschliessen wollen um irgendwo heil rauszukommen. was aber auch bedeutet, dass die aktionsformen von pink-silver respektiert werden müssen und nicht durch eigene aktionen in gefahr gebracht werden. ausserdem dürfen auch schwarzgekleidetet menschen tanzen...

also für solidarität und koordination zwischen den blöcken und danke für die gratisverpflegung unterwegs...

ps. wie war die koordination/kommunikation im black block? pink-silver konnte sehr lange sehr gut kommunizieren und eigene entscheidungen treffen

Pink & Silver härter als black block !?!

auch dagewesener 05.06.2003 - 03:17
also ich will erstmal fett den P&s block loben: ihr habt wirklich fette power die ganze demo durch rübergebracht, das hat die stimmung geutlich gehoben.
zur koordination:
ich bin im bb mitgelaufen, und habe nichts gemerkt, dass dieser auch nur in irgenteiner art organisiert war, vielmehr dem psb die ganze zeit hinterhergedackelt ist... auch war es nach dem plenum am sa-abend eigentlich geplant (wie oben schon kurz erwähnt) nach dem kreisverkehr die ganze demo in kleine aktionsgruppen zu teilen, die dann möglichst effektiv die kreuzungen zur roten zone blockieren sollten, was aber überhaupt nicht geklappt hat (spätestens nachdem sich die bb-kiddies in kleinen scharmützeln mit der polizei verloren hatten...).
Fazit:
psb hat gerockt ohne ende und war gut organisiert, die leute sollen beim plenum nicht nur ihr maul aufreißen, sondern auch was am nächsten tag umsetzten und der bb war zwar anfangs fies, aber durchgehend unkoordiniert, und hätte mit mehr plan richtig böse aktionen bringen können...
hoffentlich klappts beim näxten mal bessa - if the kids are u... - jaja, ich weiss, den rest kennt ihr schon aber ihr wisst was gemeint ist... - die faust zum gruße