[G8-Proteste] Genf: Demo gegen WTO, IOM und WIPO

free movement for all 30.05.2003 20:44 Themen: G8 Globalisierung
Mehrere Tausend Menschen protestierten am 30. Mai in Genf gegen die Welthandelsorganisation (WTO), die IOM (Internationale Organisation für Migration) und die WIPO (Weltweite Organisation für Intellektuelle Eigentumsrechte). Die Demonstration verlief friedlich, es kam lediglich zu kleineren Tränengaseinsätzen und Entglasungen.
Los ging es am Palais Wilson, direkt am Seeufer, mit 4000 Menschen, später kamen noch mehr Leute dazu. Die Sonne schien, einige holten sich im Verlauf der Demo einen Sonnenbrand. Mehreren hundert TeilnehmerInnen aus dem VAAG Camp in Annemasse gelang es einen Gratiszug zur Demo nach Genf durchzusetzen. Eine Sambaband sorgte für gute Musik und trug zur guten Stimmung bei - trotz der relativ öden Strecke durch das Institutionenviertel in Genf, in dem sich nebst der UNO viele Unterorganisationen wie die ILO (Internationale Arbeotsorganisation), das UNHCR (Hochkommissariat für Flüchtlinge), usw. befinden.

Erste Station auf der Demo war die WTO, Hauptsitz der Welthandelsorganisation. Das Eingangstor war versperrt. Die Polizei stand zurückhaltend im Innenhof und versteckte sich ausserdem mit ihren Polizeiwannen mit Absperrgittern in einem Durchgang gegenüber. Nach einigen Redebeiträgen gelang es einigen AktivistInnen, das Gittertor aufzubrechen und zum Gebäude zu stürmen, worauf die Polizei einschritt. Die Demonstration zog jedoch weiter, um die Situation zu deeskalieren.

Am IOM-Gebäude (International Organization of
Migration) hielten sich die AktivistInnen zurück, nur die FotografInnen betraten an der Polizeikette vorbei das IOM-Gelände. Die Polizei setzte kurz Tränengas ein, um die Demonstrierenden zu vertreiben. Später wurde auch eine Shell-Tankstelle und das Internationale Handelszentrum entglast und weitere Gebäude sahen etwas anders aus als vorher. Dennoch standen keineswegs Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften oder Angriffe auf Gebäude im Zentrum der Demonstration (im Gegensatz zum Eindruck, den ein anderer indymedia-Bericht vermittelt). Es kam es zu keinen Verletzungen oder Verhaftungen während der Demo (erst danach war von drei Verhaftungen mit dem Vorwurf Sachbeschädigung zu hören). Die Demo war fröhlich und bunt, auch ein kleiner Pink-Silver-Block war dabei.

weiterer Demobericht:
Spass in Genf (Demobericht 30.05.):  http://www.indymedia.ch/demix/2003/05/9804.shtml

Hintergrund zur IOM:
Europaweite Aktionstage gegen IOM 11.-19.10.2002:
 http://www.germany.indymedia.org/2002/10/31274.shtml

Bilder von der Free Movement Demo (Betty Pabst):
 http://de.indymedia.org/2003/05/52809.shtml

mehr Bilder (colibri):  http://www.indymedia.ch/fr/2003/05/9783.shtml

The globalisation of migration control:
 http://www.noborder.org/item_fresh.php?id=244

Evian 1938 - Evian 2003:
 http://www.de.indymedia.org/2003/05/51792.shtml

Migration - Für die Freiheit der Bewegung:
 http://www.no-racism.net/migration/


nachträglich dokumentiert: Auszug aus dem Aufruf zur Demo: Wipe out IOM, WTO and WIPO

Das Ziel dieser Aktion besteht darin, unsere grundsätzliche Kritik an der kapitalistischen Entwicklung auszudrücken und unmißverständlich unsere Ablehung der zunehmend transnationalen Institutionen der Ausbeutung, Kontrolle und Ausgrenzung zu formulieren.

Volle Freizügigkeit (freedom of movement) lautet unsere Forderung am
Hauptquartier der International Organisation of Migration (IOM), einer
zwischenstattlichen Organisation, die für sich eine Leitfunktion im
sogenannten globalen Migrationsmanagement beansprucht. In ihren Projekten kombiniert IOM Abschiebeprogramme, die Einrichtung von Internierungslagern und die Zerstörung von Fluchtrouten mit der Rekrutierung von billigen migrantischen Arbeitskräften.

Wenn wir zum Hauptsitz der World Trade Organisation (WTO) ziehen,
lehnen wir die Idee, "Frei"handel könne Arbeitsplätze und Wohlstand
schaffen, genauso ab wie die Annahme, er könne zur Armutsbekämpfung beitragen. Aber wir lehnen auch den Ruf der Rechten nach einem stärkeren nationalen Kapitalismus und natürlich auch die Alternative eines autoritären Staates, der in ihren Augen eine zentrale Kontrolle über die Konzerne ausüben soll, aufs entschiedenste ab.
Unser Kampf zielt auf die Wiedererlangung der Kontrolle über die sich
derzeit in den Händen sowohl des transnationalen als auch des nationalstaatlichen Kapitals befindlichen Produktionsmittel ab, um eine freie, nachhaltige und von der Gesellschaft kontrollierte Existenzgrundlage zu schaffen, die auf Solidarität und den Bedürfnissen der Menschen basiert - und nicht auf Ausbeutung und Gier.

Freie Kommunikation lautet die Forderung, die wir vor der World Intellectual Property Organisation (WIPO) zum Ausdruck bringen werden. Denn was neuerdings als "Informationsgesellschaft" firmiert, bedeutet vor allem eine Welle von Gesetzen und Verträgen, die den Zugang zu Wissen immer weiter einengt. Konzerne werden ermächtigt, eine biopolitische Kontrollfunktion auszuüben, die die Freiheit des Kapitals auf die Spitze treibt, indem individuelle wie kollektive Rechte und Freiheiten systematisch eingeschränkt werden, und dabei auch vor dem Recht zu leben nicht Halt macht.

IOM, WTO und WIPO symbolisieren drei zentrale Aspekte des "global
governance", des Anspruchs auf eine Weltregierung. Die miteinander
verbundenen Kundgebungen vor ihren jeweiligen Hauptsitzen sollen diesen
Zusammenhang herausstellen.

Wir akzeptieren weder kapitalistische Asubeutung noch rassistische
Ausgrenzung, wir lehnen sowohl Migrationsmanagement ab als auch das Digital Rights Mangement, wir wenden uns gegen jede Einschränkung der Bewegungsfreiheit wie der Kommunikationsfreiheit.
Und diese Demonstration soll ein weiterer Schritt dazu sein, verschiedene Kämpfe miteinander zu verbinden: antikapitalistische und antirassistische Bewegungenm, Netzaktivismus und Kampagnen für freien Zugang zu allen Ressourcen. Es geht um nicht weniger als die Herausbildung einer globalen Bewegung der Bewegungen.

Der Charakter der Demonstration wird entschieden sein, was die Inhalte
anbelangt. Die Demonstration wird friedlich sein, was den Ablauf betrifft. Wir werden bunt und laut sein, doch wir wollen jede Konfrontation mit der Polizei vermeiden. Wir werden diese transnationalen Agenturen anklagen und unseren täglichen und langfristigen Kampf gegen ihre Politik weiterführen.
Aber wir wollen nicht ihre verbarrikadierten Gebäude besetzen oder
angreifen.
Zwei Tage vor dem Beginn des G-8-Gipfels und den angekündigten
Massenprotesten wollen wir der Polizei keinerlei Vorwand bieten, ihre
Repressionsdynamik in Gang zu setzen.

collectivo para tod@s todo

mehr Infos über IOM:  http://www.noborder.org/iom/index.php
[1] aus dem PGA Manifest  http://www.agp.org

und ein Text zur Mobilisierung gegen den G-8-Gipfel Ende Mai/Anfang Juni in Evian (aus Hanau)

Smoke on the water ...

Deep Purple gastierte Anfang der 70er Jahre bei einem Musikfestival in
Montreux, als das Casino in Brand geriet. Große Rauchschwaden zogen damals über den Genfer See (Lac Leman) und inspirierten die Band zum Titel ihres späteren Welterfolges.
Nun, der Klassiker hat gute Chancen, Ende Mai zur Anti-G-8-Hymne zu werden. Denn am Abend des 31. Mai werden gleich 50 sogenannte "feu au lac" rund um den Genfer See entzündet werden. Diese Feuerstellen sind eine Ausdrucksform lokalen Protestes und gleichzeitig letzte Koordinierungspunkte am Vorabend einer Großdemonstration sowie von Massenblockaden gegen den am 1. Juni beginnenden Weltwirtschaftsgipel der G(roßen) Acht.

Evian liegt auf der französischen Seite des Genfer Sees und ist den meisten als Mineralwassermarke ein Begriff. Weniger bekannt ist, dass in der "Konferenz von Evian 1938", das Schicksal der jüdischen Flüchtlinge besiegelt wurde. Keiner der beteiligten Staaten war damals bereit, die in Deutschland Verfolgten aufzunehmen...
Ende Mai wird der kleine Badeort nun zur "Roten Zone", die die
Sicherheitsbehörden gleich bis in die benachbarte Stadt Thonon und sogar über den Genfer See bis in den Fährhafen von Lausanne in die Schweiz gezogen haben. Denn über 10.000 Gipfelgäste werden am 1. Juni erwartet und müssen vor den bis zu 300.000 erwarteten GegendemonstrantInnen "geschützt" werden.
Dabei ist nicht der zwischen Gebirge und See gut abzuriegelnde Gipfelort das Problem der staatlichen Bodyguards sondern die Anreise der Delegationen über den Genfer Flughafen und deren notwendige Unterbringung in Luxushotels in Genf und Lausanne. Für den dreitägigen Gipfel ist somit eine dreimalige An- und Abreise etwa der Hälfte der Delegierten notwendig und genau daran setzt das Konzept des entschiedeneren Teils der G-8-GegnerInnen an.
Nicht die Hochsicherheitszonen sollen angegriffen werden wie in Genua
sondern eine eher "an Seattle orientierte Taktik" der weiträumigen flexiblen Blockade ist in Vorbereitung. "Man wolle die roten Zonen nicht stürmen" wird ein radikaler Gewerkschafter aus Lausanne in der G-8-Extrabeilage der Schweizer Zeitung "Vorwärts" zitiert. "Man werde vielmehr die sich in ihre Schutzbunker zurückziehenden Agenten des Regierungsterrors in ihren roten Zonen einmauern".
Für den Gipfelbeginn am Sonntag, dem 1. Juni gegen 19 Uhr, kommt diesem
Konzept zu gute, dass am gleichen Tag die Großdemonstration unter
Beteiligung französischer Gewerkschaften, Attac, u.a. stattfinden wird.
Zunächst favorisierten diese Organisationen den Samstag, den Tag vor dem Gipfel, als Termin einer rein symbolischen Massenmanifestation. Doch die regionalen Gruppen, wie das Social Forum Lemanic, und die auf eine effektive Blockade hinarbeitenden Gruppen der globalisierungskritischen Bewegung aus verschiedenen europäischen Ländern konnten sich beim Vorbereitungstreffen durchsetzen. Massendemo und Blockaden werden am gleichen Tag stattfinden, in gegenseitiger politischer Unterstützung! Und die Route verläuft an und auf
den zentralen Zufahrtsstrassen nach Evian im französisch-schweizer
Grenzgebiet von Annemasse und Genf.

Neben den schon nahezu obligatorischen inhaltlichen
Gegengipfelveranstaltungen mit VertreterInnen von Oppositionsgruppen und sozialen Bewegungen im Trikont wird für den 30. Mai eine Demonstration im UNO-Viertel geplant. Die Headquarters von gleich drei transnationalen Agenturen des "global Governance" sollen zu Zielpunkten einer gemeinsamen Wanderkundgebung werden. Neben der berühmt-berüchtigten WTO geht es um die International Organisation for Migration (IOM) sowie um das Zentralgebäude der WIPO, der World Intellectual Property Organisation. Während die IOM wegen ihres "Migration Managements" zu einem aktuellen Kampagnenziel antirassistischer Initiativen geworden ist, steht WIPO für ein "Digital Rights Management", dessen Kontroll- und Kommerzialisierungsfunktionen von Seiten der unabhängigen Medienszene kritisiert wird. Die Demonstration am 30. Mai ist insofern auch der Versuch, diese unterschiedlichen Aspekte übergreifend zu thematisieren und damit
gleichzeitig die verschiedenen Ansätze der Bewegungen für eine
"Globalisierung von unten" inhaltlich stärker aufeinander zu beziehen.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Unterdessen in Peru

H. 30.05.2003 - 21:21
In Peru verwandelte sich letzte Woche eine Protestwelle gegen die Politik der Regierung anlässliche eines Gipfeltreffens der "Rio-Gruppe" in einen Bevölkerungsaufstand. Der Präsident hat nun den Ausnahmezustand erklärt, um die Demokratie zu "retten". Gestern gabs ein Massaker an Studenten!
Das alles sollte in Evian auch mit in die Proteste einfliessen!
 http://de.indymedia.org/2003/05/52821.shtml


Zur Demo selbst: In einem Telefonat wurde mir gesagt, daß etwa 2000 bis 2500 Leute teilnahmen und es ziemlich cool gewesen sein soll....