Die neue Weltordnung

Wu Ming3 und Wu Ming4 23.05.2003 23:18 Themen: 3. Golfkrieg Globalisierung Militarismus Weltweit
Bei all den schrecklichen Bildern von verstümmelten Kindern, den Nachrichten von Plünderungen, persönlichen Abrechnungen, der Lynchjustiz, Nachrichten von Marines, die schießen, weil sie Kinder mit Kamikazekriegern verwechseln, bei all dem ist es grotesk, dass gesagt wird, "Der Krieg ist beendet". Gewonnen und beendet.
Das ist nur der Beigeschmack der "Afghanisierung" des Irak. Was die menschlichen und politischen Kosten des nachträglichen Fahnenschwingens sein werden, können wir uns gut vorstellen. Es besteht aber der begründete Verdacht, dass diese von den dümmlichen Texanern, die sich im Zimmer der Schalthebel in Washington festgesetzt haben, ignoriert werden. Offensichtlich haben sie keinerlei Voraussetzungen, sie einzuschätzen.
Die von der Bush-Administration angekündigten Pläne für den Irak, sehen ein militärisches und politisches Protektorat vor, das die us-amerikanischen Interessen in der Region schützen kann. An die Seite amerikanischer Ministergeneräle soll eine Batterie Diplomaten aus dem Exil gestellt werden. Es sind Leute, die seit über 30 Jahren ihren Fuß nicht mehr ins Land gesetzt haben. Holzköpfe, die den Anschein von Demokratie wahren sollen. Die gleiche Rolle spielt Karzai in Afghanistan, das Bild eines Mannes, der sicherlich nicht das Land regiert. Er spaziert durch Kabul (vielmehr durch den Teil Kabuls, als dessen Bürgermeister er genannt werden könnte) und er wird von Marines begleitete, um nicht getötet zu werden, das gleiche Schicksal also, das schon einige Minister seiner Schattenregierung ereilt hat. Auch in Afghanistan ist der Krieg beendet und auch in Afghanistan wird weiter Krieg geführt.
Was Bush und seine Handlanger nicht wissen ist, dass Kolonialreiche nicht allein durch die Macht der Gewehre und Propaganda gemacht werden. Das letzte, das britische Kolonialreich, zählte außer auf die Allmacht der Gewehre und Propaganda auch auf das Wissen. Die Gang der Texaner nicht. Sie schwitzt im Gegenteil Ignoranz aus allen Poren. Die Konsequenzen sind mit bloßem Auge zu sehen.
Auch das britische Imperium maß sich eine zivilisatorische Rolle gegenüber den "rückständigen" Ländern an. Die Rhetorik, welche die blutige Eroberung der halben Welt durch die Engländer begleitete, unterschied sich nicht groß von der, die heute Bush und Kumpane im Mund führen. Es ging nicht darum, die Demokratie zu exportieren, sondern die Zivilisation. Den Völkern als Opfer ihrer eigenen Rückständigkeit, wurde die Möglichkeit der Teilnahme an der "zivilisierten" Welt geboten. Sie nannten es "Bürde des weißen Mannes". Doch waren es nicht die Kanonen seiner Majestät, die den Engländern die tausend Wege nach Bagdad öffneten. Die kamen erst im zweiten Abschnitt. Welche die Piste anlegten, waren skrupellose Abenteurer, schlaue Funktionäre des Foreign Office. Es waren Leute wie Livingstone, Burton, Lawrence; Leute, die über Jahren hinweg das Territorium durchkämmten, das später militärisch erobert und operative Basis für die britische Armee werden sollte. Es waren profunde Kenner einer Welt der ökonomischen und strategischen Interessen, die versuchten jedes feine Gleichgewicht unter den lokalen Stämmen auszuloten. Sie lernten sich mit ihnen zu verbinden, ihre Sprache, Bräuche und Gebräuche und ihre Mentalität zu verstehen. Es waren James Brook und Lawrence von Arabien, die das Fundament für dieses Imperium aufschütteten.
1915, als es darum ging, dass sich Beduinenstämme gegen die türkische Herrschaft erhoben, um mit der englischen Offensive im Mittleren Orient beginnen zu können, wurde Sir Archibald Murray, General für Ägypten, von den militärischen Operationen in Arabien und Mesopotamien ausgeschlossen. Der Grund: Ihm und seinem hohen Rang fehlte es an den ?notwendigen ethnologischen Kenntnissen?.
Am 11. September 2001 gab es im ganzen Pentagon gerade drei Leute, die arabisch verstanden.
Das neokoloniale, texanische Projekt hat sich mit der Demokratisierungsrhetorik bewaffnet. Jedoch wird sie immer dünner, immer weniger wirksam und v.a. kümmert sie sich nicht darum, die Welt zu verstehen, um sie beherrschen zu können. Die ?Last? des Kampfes gegen den Terrorismus reduziert sich auf den Export von Terrorismus als neue Grenze der ökonomischen Politik. Die Kriegsmaschinerie, des gigantischen, militärisch-industriellen Komplexes (des us-amerikanischen Kapitals, aber nicht nur) hat jeden ideellen Schleier fallen lassen. Es reicht ihr gerade noch, sich selbst zu rechtfertigen, um evident zu bleiben. Am Ende seines Weges fürchtet der Neoliberalismus nicht, seinen Ursprung und seine Ziele in Gänze aufzudecken.
Die Herren über Petroleum und Waffen, über die Sicherheitsindustrie des 21. Jahrhunderts, die zwanzig Jahre lang durch die Belle Epoque des Diskurses und der neoliberalistischen Praxis geschützt waren, decken nun die Karten auf und verweigern jegliches Zugeständnis. Die Logik des ?Enduring War? ist die Antwort, welche die texanischen Abenteurer auf ihre Ängste geben, entsetzt darüber, dass sich das Ende der Zivilisation der Hydrocarburate abzeichnet. Mit ihnen zusammen stehen die Alliierten, in gewöhnlichen finanziellen Interessen oder auch in den Abfällen einer sterbenden angelsächsischen Hegemonie verstrickt, oder auch, weil sie die angeborene Servilität immer weniger legitimierter Regierungen an sich haben und die falsche Hoffnung hegen, einige Brösel der Kriegsbeute abzubekommen.
Die Superklasse von Hydrocarburaten und Waffen empfiehlt als Lösung, angesichts der rezessiven und hausgemachten strukturellen Krise, zum Schutz ihrer Domaine, weltweit die Industrie der Sicherheit und die Notwendigkeit einer diesbezüglich enormen Nachfrage zu schaffen. Das Pathologische in Profit verwandeln. Die Angst als Motor der Ökonomie des 21. Jahrhunderts.
Der Schaden, den sie dabei sind, diesem Planeten zuzufügen, ist nicht kalkulierbar. Ihr Projekt ist, wie jede tautologische Autokratie, zum Scheitern verurteilt.
Die Auswirkungen und Konsequenzen müssen vermieden werden, die hervorgerufenen ?Reaktionen? auf die Unterordnung durch diesen barbarischen Apparat bedienen sich der Logik einer Identitätskrise und ?antiamerikanisch? militaristischen Irrfahrt, in unserem Falle beispielsweise der Wiedergeburt eines ?rheinisch? europäischen Nationalismus, der fähig ist die Dynamiken des kalten Krieges mitzuverwalten.
Noch einmal, das Antidot, das die globale Bewegung gegen Krieg und Neoliberalismus für die Würde der Völker seit seiner Geburt bei sich führt, weist den einzig alternativen und praktikablen Weg. Den Kampf auf seinem höchsten Punkt aufnehmen, auf dem des Bruchs und der Begründung einer neuen internationalen Ordnung - ohne konservative oder vergangenheitsbezogene Rochaden. Anderen Modellen der internationalen Beziehungen müssen Hindernisse in den Weg gelegt werden, und es muss die ökonomische und ambientale Unverträglichkeit des Systems bloßgestellt werden, das über die Produktion und die Verwaltung der Ressourcen regiert. Dieses System muss durch neue Institutionen ersetzt werden, durch andere, kulturell gemischte Modelle der Entwicklung, durch eine neue, leitende Klasse des geringeren Wissens und der kognitiven Arbeit. Es muss eine leitenden Klasse sein, die sich aus den Peripherien und den Slums von Bangalore oder Sao Paolo herausbildet, eine Klasse, die in diesen Jahren auf den Autobahnen und Knotenpunkten von Los Angeles bis Seattle, von London bis Prag, von Seul bis Sidney reist.
Die Erosion des inneren Konsenses, die Verweigerung einer Militarisierung des Lebens, die Verbundenheit mit dem unverzichtbaren Austausch der Kulturen und Zivilisationen, bilden schon die ?Antikörper? des Westens, der sich bei seinem letzten Rodeo infizierte. Leider reicht das noch nicht aus, um die Gesundung des Kranken zu garantieren oder Ansteckung auszuschließen.
Es gibt keine Möglichkeit, Ordnungen und Gleichgewicht, die auf den Ergebnissen des zweiten Weltkriegs basieren, aufzubauen. Jeder Wille zu einem ?resistentialen? Verhalten, der in die Vergangenheit und auf die Konservierung von unnützen Gleichgewichten und Institutionen schaut, ist inadäquat und verlorene Zeit. Dem Feind in die Augen schauen, den Blick auf die Höhe der Herausforderung richten, ist die einzige Haltung, die denen eine Chance gibt, die gegen eine Armata von Cowboys kämpfen wollen, die auf einem Berg von Ölfässern sitzt. Die globale Bewegung ist aus diesem Grunde geboren. Das Bewusstsein dieser Realität ist ihr eigenster Ursprung.
Die strukturelle Unfähigkeit der Linken, in ihrem Ganzen und ihrer Entwicklung auf der Höhe der Zeit zu bleiben, sich nicht in jede Frage zu verwickeln, muss als unumkehrbares Merkmal einer ebenfalls sterbenden Institution gewertet werden: die Linke des 18. -19. Jahrhunderts, die unbeholfen versucht, Teile, Organe, Fetzen von sich in eine unbekannte Epoche zu retten. Jegliche zukünftige Vorhaltung über Trennungen und Feden innerhalb und außerhalb der Ulivenbäume (sozialdemokratische Konstellation in Italien, d.Ü.) und ihren verstaubten Sekretariaten, kann getrost als zeitlicher Verlust betrachtet werden. Ohne eine radikale Transformation, die von Grund auf die Modi der politischen Reproduktion und ihrer philosophischen Voraussetzungen verändert, um sie der realen Bewegung anzupassen, wird es dieser alten Verbindung nicht möglich sein, in den Fluss der Ereignisse zu gelangen.
Das Herz schlägt irgendwo anders, in den fruchtbaren Vorstädten von Teheran und Buenos Aires. Dort ist der Atem des globalen Geistes, der die Effekte der angekündigten Katastrophe mildert.
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Ergänzungen

@watch out

weist 24.05.2003 - 13:36
Daß du hart, aber differenziert kritisieren kannst, adelt deinen Kommentar. Aber: Israel in die EU? Ich finde, diese Idee ist eher sinnfrei. Wo ist der Punkt? Was soll das bringen, außer einer Menge Streß? Wenn man die Festung Europa ablehnt, gibt es weißgott Ansätze, dieses Modell zu dekonstruieren, die mit weniger 'Kollateralschäden' verbunden sind.

Weder von den USA noch von der EU ist in letzter Zeit viel Hilfreiches zu den Problemen im Nahen Osten gekommen. Stattdessen jede Menge globalstrategische Einmischerei. Für mich liegt die einzig sinnvolle Lösung in einer friedlichen Koexistenz der Menschen dort zu von ihnen festzusetzenden Bedingungen - aber primär ist es ihre Aufgabe, zu entscheiden, wohin es geht. Klar, helfen kann & sollte man ihnen (wenn sie es wollen). Aber doch nicht mit Hintergedanken, wie man selbst am besten davon profitiert...

Aber in einem Punkt hat Nautilus recht: Springer = Kotzanleitung. Wurde heute von nem Sprayer-Kumpel wachgeklingelt, der sich bei mir auskotzte, daß BILD Köln heute mit der Schlagzeile 'Sprayer erklären unsserer Stadt den Krieg' oder so wirbt.

Amerikas Krieg ist ein Krieg, um die Welt zu

Manatou 25.05.2003 - 00:27
Die Arroganz des Westens, verkörpert von Soros über Amerika bis hin zu Israel!

"Amerikas Krieg ist ein Krieg, um die Welt zu beherrschen."


Mahathir Mohammed: Malaysias Premier zürnt dem Westen




Mahathir Mohammed, Premierminister von Malaysia:

Montag war der große Tag des Mahathir, als er in Kuala Lumpur ein Kondensat seiner Lebensweisheiten vortrug. Denn im September wird mit Malaysias Premier Mahathir Mohammed Asiens am längsten regierender Führer abtreten. Mit seiner Rede auf dem Gipfel der Blockfreien – und der zwei Tage später nach einem Treffen der Organisation der Islamischen Konferenz vorgetragenen Drohung, bei einem Krieg gegen den Irak das Erdöl als Waffe einzusetzen – sorgte "Dr. M" dafür, dass sein nahendes politisches Ende nicht von einem Wimmern, sondern einem Knall begleitet wird. ...

Montag sprach Mahathir ... als Opfer eben der reichen westlichen Welt. Amerikas Krieg sei "nicht länger ein gerechter Krieg gegen Terror", so Mahathir, sondern "ein Krieg, um die Welt zu beherrschen" mit "himmelschreienden Doppelstandards" als Gärboden für Terrorismus. ...

Der Arroganz der westlichen Macht, der Antimoslems von George Soros über Amerika bis hin zu Israel.