Eingeschlossen sein bedeutet ausgeschlossen sein

Anonym 10.05.2003 04:42
Um die Psychiatrie herum trift mensch malerische Gestalten,die in den vom nicht verwertbaren "Sozialen " bereinigten Innenstädten und in Ein-Haus-Eine-Familie-Wohnvierteln auffallen würden,eine dick geschminkte Frau in bunten Klamotten ,die Langzeitirren,die um Zigaretten fragen und um Geld für Bier (verboten),Menschen,die sich irgendwie absonderlich bewegen,unmodisch gekleidet.
Es gibt eine Bibliothek,die ich mir nicht angeguckt habe,nur eine Zeitung,den Dorfanzeiger,psychiatrieeigene Publikationen,die unter Positivpropaganda abzuhaken sind.
Es gibt einen Fernseher,der nachmitags und abends bis elf angeschaltet werden kann,um das Program gibt es Kämpfe,keine Regel, nach der Sender bestimmt wird,manchmal hilft Quengeln,und manchmal schaltet ständig einer um.Im Radio meistens ffn, oder Schlimmeres.
Du kanst nicht ins Kino gehen,später mit erlaubnis am Wochenende, eine Zweistundenreise mit dem Bus in eine normale Welt,du befürchtest,das mensch dir langsam ansieht,wo du herkommst,du verlierst soziale Fähigkeiten,bewegst dich,als läufst du den ganzen Tag im Kreis.
Im Flur hängt der Busplan, da steht drauf: "Und der Fahrplan wird zeitlos".

Wer kommt da rein ?
einer, der sich auf der Reeperbahn daneben benommen hat und am nächsten Tag nicht zur Arbeit geht,wen sein Arzt das so will.
Eine,die an der Uni nicht verstanden wird,weil sie andere Ideen hat. Einer,mit dem an der Uni keiner redet.
einer, der die Trennung von seiner Freundin nicht verkraftet, eineR,der mit dem selbstmord NUR DROHT,eineR,der/die ihn versucht und sich dabei erwischen läßt,und einer ,der nicht schreiben kann.
Eine Frau,die in einer fremden Stadt eine Beratungstelle frequentiert und dort zusammenbricht.
leute,die aus ihrem Leben rauswolen und sich dabei erstmal
blöd anstellen.
Ein Nacktgänger

Sie nehmen Frauen die Verantwortung für ihre kinder,das war die einzige Verantwortung,die sie hatte,und behandeln auf Depresion.Leute,die sich in Psychosomatisch/psychotherapeutischen Krankenhäusern gegen die Behandlung sperren.

Mit Freunden,mit Anwalt,mit ein bischen fachwisen ist es einfacher,da raus zu komen,Diagnosenwillkür und Zweck der Behandlung zu durchschauen.Tagessätze siehe Homepage.

Den PatientInnen steht kein Computerzugang zur Verfügung.

In der Geschlosenen sind Mäner und Frauen zusammengesperrt auf einer station,sexualität ist kein Thema,auch nicht in den Therapien,die pseudotherapien sind,sie werden von Leuten ausgeführt,denen jede therapeutische Ausbildung fehlt.

Der Umgangston ist drohend.

Danach werden gelegentlich Betreuungen festgelegt,per Gericht,der weitere Lebensweg wird verfolgt,soziale Integration,sprich:Unauffälligkeit
ist das Fernziel.

Dein privatbereich,bis hinein in Familienbeziehungen,ist aufgebrochen und bietet Ansatz-/Interventionspunkte für "soziale" Dienste,Ämter,Gerichte,Betreuer,Therapeuten ....


Alex hat bei der einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus einen Rettungshubschrauber entführt.Seine Mutter war Ärztin in besagter Klinik,er war Patient.Er mußte ihr erklären,wie Haschisch wirkt,er wurde mit Psychopharmaka behandelt....

Thorsten ist zwanzig,seine Eltern sind keine Ärzte,er konnte nicht schreiben,als ich ihn in der Ferdinand-Wahrendorff-Klinik in Ilten- Ilten/Koethenwald getroffen habe.
Einer der Pfleger mochte ihn nicht,er versuchte mir weißzumachen,das der junge Mann ein ganz harter und gefährlicher "Fall" sei. er hat in Ilten nicht die Möglichkeit,es zu lernen, wird mit Medikamenten behandelt.

Einmal hat einer die Glasscheibe zur Terasse zerschlagen,sie hatte ein faustgroßes Loch und einen Riss.
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Ergänzungen

Übergriffe

10.05.2003 - 05:26
Grobe Beleidigungen,Anschreien sind an der Tagesordnung,sowohl unter den PatientInnen als auch vom Pflegepersonal.Körperliche Übergrife,Schubsen,Stoßen, Zerren kommen meines Wissens nur dann vor,wenn jemand die ausführung des willens eines Pflegers verweigert.
Fixierung im Fall,das sich jemand dem Willen der Ärzte/Pfleger verweigert,ist erlaubte körperliche Gewalt
und wird meist gegen Leute eingesetzt,die ihre Gefühle nach außen tragen.

imho

Isa 10.05.2003 - 06:25
''Darf ich Sie fragen, ob Sie mit mir Tischtennis spielen wollen?'' (formalisierter quatsch - ich hatte fast auf den boden gekotzt. kann kein tt spielen, habs aber trotzdem gemacht. was willst du sonst tun? herumliegen, total auf den drogen die sie dir geben, und beobachten, wie jemand dene freßpakete leerißt, ohne daß dich das berührt, und sei es noch so gering?)

''Rauch dir eine, Mädel - ist 'ne Westpoint: Offizierszigarette.''

da drinnen glaubt keine sau, daß du noch mensch bist.

"verrückt", "normal" was ist das???

lukas 10.05.2003 - 06:51
punkt 1: was du da schreibst hört sich äuserst interessant an, das erste auf das ich eingehen möchte ist die sexualität, du schreibst in dem artikel das sexualität nicht einmal in den therapien ein thema sei. wie kann so etwas sein? wenn ich freud richtig verstehe, lassen sich äusserst viele "ungewöhnlichkeiten" im menschlichen bewussten und unbewussten handeln durch sexuelle erlebnisse, bedürfnisse etc etc erklären. wie kann es dann sein das in einem schulmedizinischen institut, welches freud als arzt anerkennt, auf seine thesen nicht eingegangen wird?

punkt 2: in der gesellschaft wird mensch schnell als "verrückt" erklärt, wenn mensch eine "ausergewöhnliche" ansicht vertritt, eienen anderen weg im leben gehen möchte bzw geht und so weiter. doch dieses von der breiten masse als "verrückt" bezeichnete denken ist doch nichts anderes als etwas anderes als jenes was sie als "normal" bezeichnen. das wird einem genauer bewusst wenn man an diese sache von der philosophischen seite herangeht, damit meine ich:

Was heisst "normal"? mit dem normal beschreiben wir das was wir als etwas das in der regel passiert, etwas das unauffällig ist da es überall zu sehen, riechen, hören, schmecken und was weiss ich noch ist. oder ewas das an dem üblichen standpunkt ist, zum beispiel ist in fast jeder küche der mülleimer unter der spühle, ist jemand das so gewohnt, wird er sich wundern wenn er bei jemand anderem zu besuch ist und der mülleimer sich eben nicht an besagter stelle befindet.

damit ist in diesem fall der mülleimer "verrückt"...
dieses "verrückt" lässt sich ganz einfach bildlich vorstellen, es ist ein kreis zu sehen und neben besagtem kreis ist ein zweiter kreis zu sehen, dieser keis hat den gleichen umfang allerdings ist die linie die den kreis ausmacht dünner als die andere, was die masse der allgemeinheit für die der anderere kreis steht darstellen soll. der zweite kreis ist somit neben dem platz der von allen anderen kreisen "bevorzugt" wurde. doch der kreis der neben dem "normalen" kreis ist, ist nur "verrückt", nur neben dem was von den anderen kreisen die da übereinander liegen als unnormal gesehen wird.

es gibt also keinen kreis der aufgrund seiner "verrücktheit" unter einem "normalen" zu stehen hat, denn er steht neben ihm, weil er genau so groß ist nur halt "anders", nur "verrückt".

in diesem sinne

legt euren keis hin wo ihr wollt, nur passt auf das ihr nicht wegrollt...

bewegt

anarcha 10.05.2003 - 10:52
@lukas,
deine worte, insbesondere die metapher vom 'keis' haben mich tief bewegt. ich finde, mehr von uns menschen sollten den mut fassen, diese diskussion zu führen - ich möchte gerne mehr sehen und hören. vielleicht können wir über diese thematik ein erfa-wochenende durchführen, z.B. in der projektwerkstatt giessen. ist euch auch schon aufgefallen, dass viele antideutsche oft mit ganz reaktionären versatzstücken aus der 'psychoanalyse' argumentieren ?

projektwerkstat

lukas 10.05.2003 - 15:26
das mit der projektwerkstatt finde ich eine klasse idee, man könnte ja mal in verbindung treten und sowas organisieren.

@lukas

weist 10.05.2003 - 18:06
zu Punkt 1: als 'Verrückter' bist du in der konventionellen Psychatrie asexuell. Gab mal vor einigen Jahren ein ziemliches Buhei, als irgendein Typ mit Trisomie21 über seine Geilheit berichtet hat. Keine Ahnung, wie das in nichtwestlichen Kulturen gehandhabt wird; wenn anders, könnte die hiesige SOP noch so'n unterschwelliger Rest der Eugenik sein (was nicht normal ist, hat auch kein Recht, sich zu vermehren).

Vergeßt bitte nicht...

nicht ganz unerfahrener 10.05.2003 - 18:32
...daß Leuten durch die Anwendung von Psychopharmaka geholfen werden
kann. Haldol z.B. dient gleichzeitig auch der Trennung von Gedanken
und Halluzinationen, will heißen: Die Halluzinationen werden
abgeschwächt, die Fähigkeit, sie als solche wahrzunehmen und damit
leben zu lernen, ohne daß die Halluzination zur Wahrheit wird, wird
gestärkt. Haldol ist z.B. das einzige Medikament, welches im akuten
Delir hilft. Zur Erinnerung: ein akutes Delirium ist tödlich, die
Psychose tötet den Körper.

Die Zustände in Psychiatrien sind leider wirklich katastrophal,
Ruhigstellung ist viel zu oft das Patentrezept. Aber es gibt Hoffnung:

Seit einigen Jahren entstehen immer mehr
Enthospitalisierungseinrichtungen, welche zum Ziel haben, Patienten
aus den Kliniken zu holen und sie in ein "normales" Leben
zurückzuführen. Dort sind die Leute nicht eingesperrt, sie haben
persönliche Freiräume, Sozialkontakte, müssen (so sie können) selbst
einkaufen, kochen, saubermachen. Es gibt Freizeitangebote, die nicht
ruhigstellen, sondern anregen. Es gibt keine Ausganssperren, keine
Gitter und keine Zwangsmedikation, auch wenn hin und wieder Übergriffe
auf MitarbeiterInnen und MitbewohnerInnen vorkommen. In diesem Fall
gibt es leider kaum Alternativen zur Zwangseinweisung. Diese hat aber
ganz andere Dimensionen. Sie dauert ein paar Tage, die Leute werden im
Krankenhaus von "ihren" Betreuern oder Freunden oder Mitbewohnern
besucht.

Enthospitalisierung ist vergleichbar mit Auswildern von domestizierten
Tieren. Eingeprägte Verhaltensweisen, welche oft genug unter Zwang
entstanden sind, müssen mühsam "verlernt" werden, da sie in der
"freien Welt" nicht funktionieren. Das geschieht durch persönliche
Betreuung mit festen Ansprechpartnern, die eher motivieren und beraten
als zwingen, übrigens ganz ohne PsychiaterInnen, diese gibt es in den
Projekten nicht. Stattdessen Psychologen/innen (die dürfen z.B. keine
Medikamente verschreiben), SozialarbeiterInnen u.s.w.

Trotzdem wird solchen Einrichtungen das Leben schwer gemacht.
Budgetkürzungen von bis zu 30 Prozent sind zur Zeit in Arbeit, so daß
das unvergleichlich hohe Verhältnis von Betreuern zu Bewohnern (1:3
ist keine Seltenheit) in Zukunft stark gefährdet ist.
Und das, obwohl ein Platz in Wohneinrichtungen ca. 1/5 eines
Klinikplatzes kostet.

"Die Gesellschaft ist schuld"... dem kann leider meistens nur
zugestimmt werden. Vereinsamung, Konkurrenzdruck, Überforderung,
unreflektierter Drogenkonsum, Mißbrauch und Mißhandlung sind hier wohl
die Hauptgründe, aber eben auch persönliche Tragödien oder
Veranlagung.

"Psychiatrie ist unmenschlich"... leider auch korrekt. Aber die
Entwicklung ist positiv, wenn auch viel zu langsam.

Will sagen, die Thematik ist zu komplex, um einseitig betrachtet zu
werden. Es gibt sowohl Menschen, die in Psychiatrien krank gemacht
wurden, als auch Menschen, die ohne entsprechende Einrichtungen längst
nicht mehr am Leben wären. Und Tausende dazwischen.

das individuum steht im vordergrund

lukas 10.05.2003 - 18:47
zur asexualität: wie kann es sein das menschen als geschlechterlos behandelt werden? sicher es kann vorteile bringen, wenn beispielsweise beide geschlechter gleich behandelt werden. allerdings gibt es auch bedürfnisse und man kann die libido nicht komplett unterdrücken auch nicht mit noch so vielen medikamenten. das problem konventionelle psychatrie: eine konventionelle arbeit in einer psychatrie sehe ich als absolut falsch, denn jedes individuum braucht eine individuelle behandlung. man kann nicht an einem patienten eine therapiemethode entwickeln die an ihm vielleicht super funktioniert und sie dann an jedem folgenden patienten anwenden und sagen falls sie fehlschlägt ist der patient unheilbar krank. ausserdem sehe ich diese "verrückten" auch gar nicht als krank an (gemeint ist zb. schizophrenie), sondern nur als anders. sicher gibt es menschen die psychisch wirklich krank sind, aber diese sollten auch dementsprechen behandelt werden, man kann nicht sagen dieser patient hat magersucht oder um für dich im bereich der fachwörter zu bleiben anorexia nervosa, da wird so und so behandelt... man muss auf das individuum eingehen, man kann nicht ein und die selbe krankheit bei jedem patiente gleich bekämpfen, denn der patient ist nicht immer ein und der selbe.

kleine ergänzung zur schizophrenie

lukas 10.05.2003 - 19:00
sicher gilt nicht für alle an schizophrenie erkrankten das sie nicht krank sind, allerdings für sehr viele. eine verallgeneinerung war aber für die diskussion notwendig, weil es sonst zu komplex geworden wäre.

schade...

lukas 12.05.2003 - 00:06
das keiner antwortet, die unterhaltung zu diesem thema war ziemlich spannend... auch die idee ein erfa-wochenende durchzuführen ist aufgekommen, allerdings ist es nicht zu einer kontaktaufname gekommen. ist vielleicht der mut etwas selbst anzupacken schon wieder vergangen???

information overload

hölderlin 12.05.2003 - 13:07
@lukas:
auch ich finde es total schade, diese wichtige diskussion im hektischen indy-ticker untergehen zu sehen - aber so wie sich die beiträge oft überschlagen bleibt vielen wohl keine zeit zum innehalten, sichten... obwohl für mich die beiträge unbedingt auf die startseite gehört hätten - insbesondere weil sie sich auch sprachlich von den wechselseitigen hasstiraden der anti-imps/antideutschen so gut abheben - las ich eine gepostete forderung nach grösserer systematisierung. vielleicht kann zu das thema nochmal in komprimierter form (seufz) für die startseite zusammengefasst werden ?
zum erfa-wochenende: ist ein wochenende wirklich genug ? ich weiss auch gar nicht, ob die projektwerkstatt saasen noch aktiv ist - hat mensch kontakt und könnte dass vielleicht mal (unverbindlich) checken ?

spk/pf

anarcha 12.05.2003 - 13:20
huber vom spk/pf müsste doch noch aktiv sein, vielleicht kann er für das erfa-wochende als referent gewonnen werden ?

kontakt

alice 12.05.2003 - 17:12
erstemal viele verrückte grüsse an alle die sich angesprochen fühlen.
dieses" thema" brennt mir seit langem unter der zunge.
lasst uns endlich aktiv werden gegen diese massive unterdrückung !
in der projektwerkstatt saasen/giessen sind auf alle fälle räume, ideen und zeit vorhanden ,sich damit auseinanderzusetzen!
werden wir laut und aktiv denn du kannst nie wissen, wann sie dich inne jacke stecken und dir den mund mit haldol vollstopfen!

Es geht auch darum

15.05.2003 - 02:15
Um die Illusion,das der einzelne Kontrole braucht,das ein individuelles "Wahnsystem" gefährlicher ist als ein kollektives,das es das gibt,dunkle Leidenschaften unter einer Schicht des zivilisierten Alltagsverhaltens,die "ausbrechen ","gezähmt wrden müssen ".Hinter der Erwachsenen Maske versteckt sich im schlimmsten Fall das Kind,nicht das Tier.Verunsicherte ,verstörte Menschen,oder Menschen,denen jede soziale Möglichkeit,ihre Konflikte zu lösen,genommen wierden.Die meisten sind arm (!),weil sie lange "draußen "sind.