München: Razzien bei Karawane/Flüchtlingsrat

Karawane/bfr 09.05.2003 15:31 Themen: Repression
Heute, Freitag, 9.Mai 2003, wurden wenigstens eine Privatwohnung eines Karawaneaktivisten sowie die Geschäftsstelle des Bayerischen Flüchtlingsrates von der Polizei durchsucht. Vorwurf: Aufruf zu Straftaten bei einer Aktion vor 5 Monaten
Heute morgen fanden in den Geschäftsräumen des Bayerischen Flüchtlingsrats und in der Privatwohnung eines Mitglieds der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen Hausdurchsuchungen statt.
Angeblicher Grund der Razzien: am 19. Dezember letzten Jahres fand eine gemeinsame Aktion des Flüchtlingsrats und der Karawane gegen die Abschiebung von Flüchtlingen am Münchner Flughafen statt. FlüchtlingsaktivistInnen verteilten Flugblätter mit Hinweisen, wie sich Passagiere und Flugpersonal gegen eine bevorstehende Abschiebung zur Wehr setzen können. So konnte die Abschiebung des togoischen Flüchtlings Agoroh Koumai erfolgreich verhindert werden.
Die Polizei konstruiert auf der Basis dieses Flugblatts den Aufruf zu einer Straftat. Die heutige Razzia fand nach Angaben der Polizei statt, um die Herkunft des Flugblatts festzustellen, das am Flughafen verteilt worden war. Diese Behauptung ist offenkundig absurd, denn zum einen sind die Flugblattverteiler der Polizei seit der Aktion bekannt, zum anderen war das Faltblatt ordentlich mit V.i.S.d.P. ausgestattet. Obwohl Matthias Weinzierl als Vertreter des Bayerischen Flüchtlingsrats für das Flugblatt verantwortlich zeichnet, kam es im Februar zunächst zu Razzien bei Mitgliedern der Karawane. Heute wurden die Räume des Bayerischen Flüchtlingsrats und „Nebenräume“ Ort einer Durchsuchung. Es bleibt zu ermitteln, ob die Polizei hierbei ihre Kompetenzen überschritten hat, denn der Laden in der Augsburgerstr. 13 beherbergt die Räume von drei weiteren Vereinen, für die keine Durchsuchungsgenehmigung vorgelegt wurde. Die Polizei beschlagnahmte einen Ordner mit Presseerklärungen, die öffentlicher nicht mehr sein könnten, sowie einen Ordner mit aktuellen Einzelfällen, die zum Teil vertrauliche Auskünfte und Informationen von Flüchtlingen enthalten, jedoch nichts, was in Zusammenhang mit besagtem Flugblatt steht. Weiter wurde im Flüchtlingsrat eine CD mit vertraulichen Daten und bei einem Mitglied der Karawane gleich ein PC beschlagnahmt.
Der Bayerische Flüchtlingsrat und die Karawane protestieren entschieden gegen dieses Vorgehen! Es entsteht der Eindruck, dass erfolgreiche Aktivitäten gegen die unmenschliche Abschiebepraxis in Folterstaaten wie z.B. Togo - massive polizeiliche Repressionen nach sich ziehen, um den Widerstand unmöglich zu machen. Schon die erste Razzia war in unseren Augen blanker Unsinn, auch die heutige Razzia werten wir als Schikane. Es ist uns völlig schleierhaft, welche weiteren „Beweise“ die Polizei sucht. Die Mitnahme vertraulicher Daten von Klienten, Anwälten und Vereinsmitgliedern des Bayerischen Flüchtlingsrats werten wir deutliche Überschreitung der polizeilichen Kompetenzen, die durch den Durchsuchungsbescheid nicht gedeckt ist. Wenn fünf Monate nach dem Verteilen eines Flugblattes die heutige Hausdurchsuchung mit „Gefahr im Verzug“ legitimiert wird, dann braucht es keine Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, dann ist auch so schon polizeilicher Willkür Tür und Tor geöffnet.
Wir lassen uns nicht auf diese Weise einschüchtern und kriminalisieren. Wo Unrecht ist, ist Widerstand Pflicht! Die Karawane und der Bayerische Flüchtlingsrat werden auch in Zukunft für all diejenigen, die in diesem Land keine Lobby haben, Partei ergreifen.


Stephan Dünnwald, Geschäftsstelle des Bayerischen Flüchtlingsrates
Für weitere Informationen stehen wir gern zu Verfügung: Telefon 089 / 76 22 34


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Presseerklärung
Rote Hilfe München
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Presseinformation

Deja-vu mit der Münchner Polizei

Erneute Razzia bei antirassistischen Initiativen in München / Wirksame
antirassistisches Engagement ist den Behörden immer mehr ein Dorn im
Auge


(9.5.03) Am frühen Morgen des heutigen Freitags fanden erneut in
mehreren Privatwohnungen sowie im Büro des "Bayerischen
Flüchtlingsrates" (BFR) in München Hausdurchsuchungen statt.
Betroffen waren angebliche Mitglieder der Münchner "Karawane für die
Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" und BFR. Beschlagnahmt wurden
Computer, Datenträger, Flugblätter, Unterschriftenlisten und weiteres
Arbeitsmaterial der antirassistischen Initiative. Besonders prekär ist
die Beschlagnahmung eines Ordners "aktuelle Fälle" mit persönlichen
Daten von Flüchtlingen im Büro des BFR.
Wie schon bei der Razzia vor drei Monaten sollen die
öffentlichkeitswirksamen Aktionen am Flughafen München kriminalisiert
werden, bei denen schon mehrere Male in den letzten Monaten
Abschiebungen z.B. in das Militärregime Togo verhindert werden
konnten.

Laut dem Durchsuchungsbefehl lautet der Vorwurf dabei wieder
"Aufruf zu Straftaten" bei einer Aktion gegen die Abschiebung eines
Togolesen am Münchner Flughafen im Dezember vergangenen Jahres.
Kriminalisiert wird dabei die Aussage "Solange sie sich nicht setzen,
anschnallen oder ankündigen, ihr Handy nicht auszuschalten, kann das
Flugzeug nicht starten". Dies stelle nach Meinung von Polizei und
Staatsanwaltschaft eine Aufforderung zu Straftaten dar.

Dies ist auch drei Monate nach der letzten Razzia noch eine haltlose
Konstruktion, wird in dem Flugblatt doch lediglich über die
Konsequenzen bestimmter Handlungen informiert. Daraus ein
Strafverfahren zu konstruieren scheint schon absurd genug, doch aus
dieser Aussage den Grund für Hausdurchsuchungen zu erfinden, ist
absolut haltlos.

Abgesehen davon scheint eine rechtliche Überprüfung dieser Massnahme
dringend geboten: Denn eine der heutigen Durchsuchungen fand bei einem
Aktivisten statt, der schon Anfang Februar "Besuch" von der Polizei
bekam. Schon damals - also zwei Monate nach dem Grund für die heutige
Durchsuchung - wurden alle Unterlagen über die Karawane-Gruppe
beschlagnahmt. Welche Erwartungen können Staatsanwalt, Polizei und der
anordnende Richter haben, nun noch Beweismittel für eine Aktion vor
sechs Monaten zu finden, die vor drei Monaten offenbar nicht gefunden
werden konnten?

Klar wird dabei vor allem: Der Polizei geht es mit Unterstützung des
Amtsgerichts hier vor allem darum, den immer
öffentlichkeitswirksameren Widerstand gegen Abschiebungen,
aber auch andere Formen des staatlichen Rassismus zu behindern und die
darin aktiven Menschen einzuschüchtern. Durch die Aktionen der
Karawane-Gruppe und des BFR wurde bereits mehrmals Abschiebungen
verhindert. Die Aktionen fanden eine positive Resonanz in der
Öffentlichkeit und der Presse.

Wirksame antirassistische Arbeit ist der Polizei und
Staatsanwaltschaft ein Dorn im Auge. Sobald staatlicher Rassismus und
damit z.B. die Abschiebemaschinerie merklich behindert wird, ist die
Antwort des Staates Kriminalisierung und Verfolgung. Um dies
öffentlich und juristisch zu begründen, werden haltlose Zusammenhänge
konstruiert.

Das Verfahren gegen die Beschuldigten muss sofort eingestellt werden.
Außerdem fordern wir die Rückgabe sämtlicher beschlagnahmter
Gegenstände sowie die Löschung aller angefertigten Daten!


Mit freundlichen Grüßen,

Paula Schreiber
Pressesprecherin der Roten Hilfe e.V. OG München

Kontakt zu den betroffenen Gruppen:
 caravane-munich@gmx.de
 bfr@ibu.de

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Schwanthalerstr. 139, 80339 München
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Ergänzungen