Die Krise ist unübersehbar

Wal Buchenberg 08.05.2003 11:52
Dass die Aktienmärkte seit zwei Jahren in den Keller gehen, braucht niemanden zu kümmern, außer die, die meinten, sie könnten mit Aktiengeschäften ohne Arbeit reich werden. Dieser Traum ist ausgeträumt.Aber auch der Traum, man könne durch ehrliche und fleißige Arbeit ein Leben in Zufriedenheit und Wohlstand führen, ist ausgeträumt.
Die Krise ist unübersehbar
Dass die Aktienmärkte seit zwei Jahren in den Keller gehen, braucht niemanden zu kümmern, außer die, die meinten, sie könnten mit Aktiengeschäften ohne Arbeit reich werden. Dieser Traum ist ausgeträumt. Aber auch der Traum, man könne durch ehrliche und fleißige Arbeit ein Leben in Zufriedenheit und Wohlstand führen, ist ausgeträumt. Entlassungen und Arbeitslosigkeit treffen zunehmend auch besser verdienende Lohnarbeiter. Spätestens im Alter von 50 sind die Sorgen nicht mehr zu unterdrücken: Wie lange kann ich meinen Arbeitsplatz halten? Wer heute arbeitslos wird, auf den wartet ein Leben in Armut. Sein Arbeitslosengeld und seine spätere Altersrente sind zuwenig zum Leben und zuviel zum Sterben.
1. Der „technische Fortschritt“ bringt keine Rettung. In früheren Krisen seit 1945 waren immer nur einzelne Länder und in diesen Ländern einzelne, rückständige Branchen betroffen: Die Kohlezechen, die Textilindustrie, die Fotoindustrie, die Stahlindustrie. Die Ideologen des Kapitalismus konnten immer darauf hinweisen, dass diese Branchen ihre Modernisierung verschlafen haben. Modernisierung und Rationalisierung waren die Hoffnungsträger, die den Kapitalismus aus der Krise bringen sollten. Jetzt sind es mit der Computer- und IT-Branche gerade die modernsten Branchen, die am tiefsten in der Krise stecken.
Seit Jahren steckt mit Japan das Land, dass am schnellsten modernisiert und rationalisiert hat, in einer tiefen Wirtschaftskrise. Über die europäische Wirtschaft wird schon lange gejammert. Aber am steilen Fall des Dollar lässt sich ablesen, dass es mit der amerikanischen Wirtschaft nicht besser, sondern schlechter bestellt ist. Je mehr rationalisiert und modernisiert wird, desto mehr Arbeitsplätze werden abgebaut. Arbeitsplätze schaffen die Kapitalisten nur, wenn sie sich davon Profit erwarten. Die Profite gehen aber schon seit 1995 deutlich nach unten.
Bei sinkenden Profiten kommt das Kapital unter Kostendruck und den bekommen die Lohnarbeiter zu spüren. Im letzten Jahrzehnt hatten die Kapitalisten ihre Lohnkosten dadurch gesenkt, dass sie Lohnarbeiter entließen und ihre Gesamtlohnsumme senkten. Die Löhne der Beschäftigten sind jedoch noch gestiegen oder gleich geblieben. So kam es, dass ein gleichbleibendes oder verbessertes Lebensniveau der Beschäftigten scheinbar unberührt neben der zunehmenden Armut der Arbeitslosen existierte. Inzwischen kommen zu Entlassungen auch Lohnsenkungen hinzu: Die Unternehmen streichen Prämien und übertarifliche Zulagen. Die Lohntarifrunden werden härter. Was an Lohnerhöhung durchgesetzt werden kann, das fressen erhöhte Abgaben und Steuern wieder weg.
Der kapitalistische Traum vom Reichtum für alle ist zu Ende. Die große Masse der Lohnarbeiter wusste das längst. Als die Arbeitslosenzahlen auf 1 Million stieg, gab es in den Medien einen Aufschrei. Die Arbeitslosenzahlen stiegen auf 2 Millionen, 3 Millionen, 4 Millionen und die Kanzlerdarsteller versprachen: Wir halbieren die Arbeitslosigkeit in zwei, drei Jahren! Jetzt haben wir bald 5 Millionen Arbeitslose und es wird noch schlimmer kommen. Heute schweigen die Journalisten wie die Politiker zur Arbeitslosigkeit. Niemand verspricht mehr die „Halbierung der Arbeitslosenzahlen“. Auch dieser Traum ist ausgeträumt.
Bis vor kurzem brüstete man sich mit dem wachsenden Dienstleistungsgewerbe. Viele der Dienstleistungsberufe sind „Wohlstandsjobs“ – in Gaststätten, Restaurants, Hotels, „Wellnessdienste“ etc. In der Tourismusbranche allein sind direkt und indirekt 2,8 Millionen Menschen beschäftigt. Da können schnell noch weitere Hunderttausende von Jobs wegbrechen.
2. Der Staat bietet keine Lösung, sondern verschärft nur die Probleme.
Die privaten Haushalte sind ebenso überschuldet wie die Regierungen. Das staatliche Schuldenkarussell kann sich vielleicht ein oder zwei Jahre noch schneller drehen, irgendwann muss es aus den Angeln springen und wir bekommen ein neue Zeit der Hyperinflation.
Über Steuern und Abgaben wird den Lohnarbeitern und allen Werktätigen ein immer größerer Teil ihres Einkommens geraubt. Gleichzeitig werden die Sozialleistungen immer mehr gekürzt. Es wird immer offensichtlicher: Die Politiker sorgen sich hauptsächlich um sich selbst und für ihre verbeamteten Helfershelfer und Staatsbüttel.
3. Das kleine Kapital wird vom großen gefressen. Die Unternehmenspleiten erreichen neue Höchstwerte. In fast jedem Stadtviertel stehen immer mehr Ladenlokale wegen Pleiten leer. Für die kleinen Unternehmer und Händler sieht die Gegenwart düster aus, und von der Zukunft ist noch schlimmeres zu erwarten.
4. Die Gewerkschaftsführer haben sich mit Kapital und Regierung verschworen. Die Gewerkschaften haben immer so getan, als seien alle kapitalistischen Übel nur vorübergehend. Die Gewerkschaftsführer waren glücklich, wenn sie mit Kapitalistenführer und Regierungschefs an einem Tisch sitzen konnten. Sie meinten, so könnten sie für die Lohnarbeiter etwas „herausholen“. So wie sich die Gewerkschaften heute präsentieren, sorgen sie sich nur für die Lohnarbeiter in Arbeit und dort hauptsächlich für die „Kernbelegschaften“, die Besserverdienenden. Die Gewerkschaften wollen heute nichts anderes als ein ADAC auf den Autobahnen des Berufslebens. Um die „Landstraßen“ der Kleinbetriebe und die „Fußwege“ der Arbeitslosen kümmert sich dieser ADAC nicht. Niemand sieht in diesen kapitalismusgläubigen Gewerkschaften einen Hoffnungsträger.
5. Höherqualifizierung rettet nicht mehr vor dem Lohnarbeiterelend.
In den letzten Jahren konnten höherqualifizierte Lohnarbeiter immer noch auf Arbeitsplatzsicherheit und höhere Löhne hoffen. Diese Hoffnung schwindet mit der zunehmenden Akademikerarbeitslosigkeit. Konnten früher die Akademiker sich erhaben fühlen über die Sorgen der einfachen Lohnarbeiter, so erleben sie jetzt, dass auch Akademikerarbeitsplätze wegrationalisiert werden, dass hochqualifizierte Jobs auch von Angelernten ausgefüllt werden. Der Taxifahrer mit Doktordiplom, die Sekretärin mit Hochschulabschluss sind Alltag und keine Witzfiguren.
Abgesehen davon, dass nicht einmal genügend Lehrstellen angeboten werden, hat sich der Kampf um die besseren Ausbildungsplätze verschärft. Heute erwarten Kapitalisten, dass Lehrstellenbewerber Abitur haben, wo sie früher mit einem Hauptschulabschluss zufrieden waren.
Die steigenden Zahlen der Jugendkriminalität und des Drogenmissbrauch beweisen: Wir leben in einer kranken Gesellschaft.
6. Die Weltpolitik lässt keinen Grund zum Optimismus. Die USA hatten nach 1945 die Entkolonialisierung unterstützt. Am sichtbarsten wurde das, als sie die alten Kolonialmächte Frankreich und England 1956 zwangen, ihre Truppen vom Suez-Kanal zurückzuziehen und gleichzeitig Israel wegen seines Angriffs auf Ägypten öffentlich verurteilte. Später traten die USA zunehmend in die Fußstapfen der alten Kolonialmächte, aber sie tat das immer in Kooperation mit ihren kapitalistischen Konkurrenten und Partnern. Inzwischen ging die globale Partnerschaft, die dem weltweiten Kapitalismus zwischen 1950 und 1975 eine nie da gewesene Blütezeit beschwerte, in die Brüche. Heute gilt für die USA der Grundsatz: „Amerika zuerst!“. Heute führt jede Großmacht oder Machtgruppe wieder Kolonialkriege mehr oder minder auf eigene Faust: Europa auf dem Balkan, die USA und Großbritannien in Afghanistan und im Irak. Jetzt heißt die Devise wieder: Bereichere sich, wer kann, und schiebe die Last auf andere! Der Konkurrenzkapitalismus ist wieder in die internationale Politik eingezogen.
Es kommen schwere Zeiten.
Wal Buchenberg, 8.5.2003
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Wir brauchen keine Führer!

~~~~~~~~~~~~~ 08.05.2003 - 13:15
lieber herr buchenberg,

wenn die krise unübersehbar ist, warum trauen sie uns dann nicht zu, sie ebenfalls zu erkennen. wir brauchen keine
"linken" führer mentalitäten und schon garkeine mit faschistoiden ansätzen.

mfg

Liste der Freundlichkeiten

Wal Buchenberg 08.05.2003 - 14:19
Hobby-Journalist, Oberlehrer, selbsternannte Marx-Inkarnation, nicht korrekt, Führermentalität mit faschistoiden Ansätzen...


Gruß Wal


++5++

08.05.2003 - 16:21
woher weißt du das? du hast recht

Was tun ?

? 08.05.2003 - 22:38
Du hast recht Wal. Aber was tun, wie ist der Weg aus der Krise ?

Wege aus der Krise?

Wal Buchenberg 09.05.2003 - 08:46
Hallo,
ich habe meine Vorstellungen, andere Leute haben da andere Vorstellungen.
Ohne gemeinsame Diskussion und Klärung der Standpunkte wird man keinen gemeinsamen Weg finden.

In den 70er und 80er Jahren haben die Linken einander weitgehend ignoriert.
Jetzt nehmen sie sich immerhin gegenseitig zur Kenntnis, auch wenn dieses zur Kenntnis nehmen meist nur in Beschimpfungen und Diffamierungen besteht.
Der nächste logische Schritt ist die inhaltliche Diskussion über die unterschiedlichen Standpunkte.

Gruß Wal

anmerkung

09.05.2003 - 10:27
wal, du kennst dich aus, wie war das mit bakunin und marx
in der pariser kommune? bakunin mußte auf betreiben von
marx gehen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

marx und bakunin? — historiker