Vor 73 Jahren entstand das GULag in der UdSSR

Svennie d. R. 25.04.2003 02:02 Themen: Repression Weltweit
Heute vor 73 Jahren, am 25. April 1930 wurde in der UdSSR das GULag geschaffen. GULag ist die Abkürzung von Glavnoe Upravlenie Lagerja (Hauptverwaltung der Lager). Die Schaffung dieses Amtes ging auf eine Dienstanweisung Stalins vom 13. April 1929 zurück. Stalin forderte eine stärkere Nutzung der Arbeitskraft von Häftlingen, die eine Haftstrafe von weniger als drei Jahren zu verbüßen hatten. Keinen Monat später, am 11. Juli 1929 faßte der Rat der Volkskommissare den Beschluß über die Nutzung der Arbeit krimineller Häftlinge. (1) Durch eine konzeptionelle Änderung der Haftziele ließen sich Häftlinge nun auch gezielt für Arbeiten an den Baustellen des Fünfjahrplans einsetzen. Die Leitlinie der politischen Umerziehung im Sinne der Kulturrevolution durch Isolation wurde ersetzt durch das Konzept der Umerziehung durch Gewöhnung an gesellschaftlich nützliche Arbeit. Heute vor 73 Jahren wurde daraufhin die Upravlenie Lagerej, die Verwaltung der Lager "ULag" des Geheimdienstes OGPU (2) gegründet. Genau ein Jahr darauf wurde aus dem ULag das GULag. GULag wurde zur Sammelbezeichnung für die Lager des NKWD, der die Nachfolge des OGPU antrat. (3). Weit über 400 solcher Besserungslager sollen insgesamt existiert haben. Doch wie entstanden diese Lager? Wie Lebten deren Inhaftierte? Welche Probleme bestimmten den Alltag der Menschen in den Geheimdienstlagern.
Die Gefangenen wurden in Betrieben wie dem Norilsker Nickelkombinat oder den Goldgruben auf der Kolyma eingesetzt. (4) Die erste Häftlingswelle bestand aus Verhaftungsopfern der Anti-Kulaken-Kampagne, einer gezielten Massenrepression gegen vermeintliche Großbauern. Die erste Generation wurde teilweise bei Bauernfamilien zwangsuntergebracht, da die Häftlinge ihre eigenen Unterkünfte noch selbst errichten mußten. Konflikte mit Nomaden und Bauern waren vorprogrammiert. Es kam zu verschiedenen Übergriffen, Raub und Diebstählen. (5) Offiziell dienten die neuen Lager der "Umerziehung der Häftlinge unter menschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen". Die Barracken sollten hell und trocken sein und die Lohnauszahlung nach gewerkschaftlichen Tarifen erfolgen. (6)

Die Lager wurden nach und nach zu kleinen, sich selbst und gegenseitig versorgenden "Gefangenenstädten" ausgebaut. Dabei wurden nicht nur selbst hergestellte Waren ausgetauscht, sondern auch spezielle Fachkräfte unter den Häftlingen. Bald wurden die Lager des GULag zu einer festen Wirtschaftseinheit. Die Lager waren unterteilt in Abteilungen und Produktionspunkte. Auch wurden zivile Spezialisten, wie Agronomen, meist aus Sondersiedlungen, eingesetzt.

In einigen Lagern wurde das System der wirtschaftlichen Buchführung eingeführt. Für Verwaltungsarbeiten wurden besonders gerne Kleinkriminelle eingesetzt. In diesen Funktionen wollte man keine politischen Häftlinge sehen. Manche Lager vermochten es tatsächlich, Gewinne zu erwirtschaften. Bei sämtlichen Großprojekten wie Eisenbahn- und Kanalbau wurden Gefangene eingesetzt. Auch beim Bau von Wasserspeichern, Straßen und Staudämmen fanden die billigen Arbeitskräfte Verwendung. Die Lager betrieben eigene Kolchosen (8) und Sovchosen (9) mit Viehzucht und Ackerbau, eigene Fuhrparks, MTS (10), Laboratorien, Wetterstationen, eigene Zeitungen und Druckereien. Diese Einrichtungen wurden in der Propaganda stets als normale sowjetische Betriebe dargestellt.

Der Lageralltag war trist und monoton. An allen Ecken und Enden tauchten neue Probleme auf. In der offiziellen Darstellung handelte es sich in solchen Fällen meist um Sabotage oder Verschwörungen. (7)
Der Lagerkommandant sprach täglich Befehle aus, die grundlegend für das Lagerleben waren. Ansonsten galten in den Geheimdienstlagern die gleichen Feiertage wie in der zivilen Welt. Entscheidungen über freie Tage und Länge der Arbeitszeiten waren jedoch oft abhängig von der staatspolitischen, der internen und wirtschaftlichen Situation der Lager. Je nach Arbeitsort und Profil wurde täglich offiziel zwischen sechs und zehn Stunden gearbeitet. Zur Motivation wurden an die Stoßarbeiter desöfteren Auszeichnungen verliehen. Wanderpokale, Wanderfahnen und Wimpel, Kollektivpreise oder die Erlaubnis, Geld an die Verwandten zu schicken, sollten die schlechte Arbeitsmoral stärken. Die Lager wurden in den sozialistischen Wettbewerb integriert und waren sogar auf den Allunionsausstellungen vertreten. Wurden die Normen erhöht, folgte eine Aufstockung der Arbeitszeit. Die Wochenendarbeit wurde ausgedehnt und Berichte gefälscht. Die Leiter der Produktionsabschnitte, denen Verfälschungen vorgeworfen wurden wegen verbrecherischer Manipulation bestraft. (11)

In den Anfangsjahren des GULag hatten Häftlinge mit kurzen Strafen und über 50 noch gute Chancen, entlassen zu werden, da sie als Last empfunden wurden. Minderheitenhass, übertriebener Nationalismus und Kleinkriminalität waren in den Lagern an der Tagesordnung. Viele Häftlinge hatten unter den Repressalien der Wahen zu leiden und wagten besonders in den Wintermonaten oft Fluchtversuche. Diese wurden meist im Lager verhandelt, bestraft und durch Erschießungen vollstreckt. Besonders schwer hatten es Kinder und Jugendliche, die oft in überfüllten Großbaracken ohne Bettzeug und nur mit wenig Bekleidung ausgestattet, untergebracht wurden. Jährlich ein- bis zweitausend tote Kinder pro Lager und Jahr waren nichts Ungewöhnliches. (12) Die fünfziger Jahre waren geprägt von Revolten und Aufständen der Gefangenen, die die Staatsführung nach Stalins Tod zu Amnestien, Lockerungen und Reformen im Lagerwesen zwangen. Chruschtschow wußte dies geschickt für sich und sein politisches Image auzunutzen.

Der Sammelbegriff GULag wurde erst mit Alexander Solschenizyns künstlerisch-dokumentarischen Roman "Der Archipellag Gulag" bekannt. Erst nach der teilweisen Öffnung der Archive (13) des KGB und des Präsidenten der Russischen Föderation nach der Perestroika in der jetzigen GUS eine realitischere Aufarbeitung des Themas Zwangs- und Umerziehungslager in der Sowjetunion möglich geworden.

Illustration:
Tabelle mit Inhaftiertenzahlen in den einzelnen Jahren
 http://icg.harvard.edu/~hist1531/handouts/Great_Terror/GULag.gif

Weiterführende Links auf Indy.de
Vom Bolschewismus bis zu staatlichen Repressionen unter Stalin (vierteiliges Feature auf indy.de)
 http://de.indymedia.org/2003/01/38134.shtml
 http://de.indymedia.org/2003/01/38276.shtml
 http://de.indymedia.org/2003/01/38341.shtml
 http://de.indymedia.org/2003/01/38425.shtml

Interne Säuberungen des NKWD während des Großen Terrors 1936-39
 http://de.indymedia.org/2003/03/46996.shtml

Nikita Petrow: Die wichtigsten Veränderungstendenzen im Kaderbestand der Organe der sowjetischen Staatssicherheit in der Stalin-Zeit
 http://www.ku-eichstaett.de/ZIMOS/forum/docs/petrow.htm

Immer neue Fakten werden bekannt, immer neue Unterlagen aus den noch vor kurzem streng verschlossenen Archiven des einstigen "Ostblocks" zugänglich. In der ZIMOS-Zeitschrift "Forum" soll die kommunistische Vergangenheit der Länder Mittel- und Osteuropas wissenschaftlich behandelt werden.
 http://www1.ku-eichstaett.de/ZIMOS/forum/

Das gesellschaftliche Gedächtnis Russlands
von Katrun Seefeld
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12743/1.html

Rechtsfreie Räume in Rußland
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13775/1.html

Isolationshaft in der Türkei
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13172/1.html


artverwandte Themen
Tal der Todesschatten
Todesstrafe und katastrophale Haftbedingungen - Vom "kriminellen Straflager, das Russland heißt"
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/buch/14263/1.html

Je mehr Eingesperrte - desto mehr Gewinn
von Freya Fluten
 http://germany.indymedia.org/2003/03/44619.shtml

Knast als Profitquelle
von Peter Nowack
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/konf/14469/1.html

Haft in Amerika
 http://www.infoshop.org/gulag/stories.php?story=03/04/09/8122201


(1) Smirnov, M.B./Sigatc'e'v, S.P./S'apkov D. V.: Das System der Haftorte in der UdSSR
1929-1960. In Sistema ispravitel'no trudovych lagerej v SSSR 1923-1960. Spravoc'nik
[Das System der Besserungslager in der Sowjetunion. 1923-1960. Handbuch] Moskva 1998.

(2) OGPU steht für Obedinennoe gosudarstvennoe politic'eskoe upravlenie [Vereinigte staatliche
politische Hauptverwaltung]

(3) Link zu Kaderpolitik des NKWD

(4) Smirnov, M.B: Sistema ispravitel'no trudovych lagerej v SSSR 1923-1960. Spravoc'nik
[Das System der Besserungslager in der Sowjetunion. 1923-1960. Handbuch] Moskva 1998.

(5) Archiv des Karagandinskij Lagers, Sw. 2, D. 16, Blatt 14, 14 Ob.

(6) Smirnov, M.B.: Sistema ispravitel'no trudovych lagerej v SSSR 1923-1960. Spravoc'nik
[Das System der Besserungslager in der Sowjetunion. 1923-1960. Handbuch] Moskva 1998.S.395

(7) Reinhard Müller: NKWD-Folter: Terror-Realität und Produktion von Fiktion. In:
Wladislav Hedeler: Stalinscher Terror 1934-41, Berlin 2002, S. 133-158

(8) kollektivwirtschaftlich betriebener, landwirtschaftlicher Großbetrieb

(9) Silbenabkürzung für Sowjetwirtschaft (sovetskoe chosjaiistvo), staatlicher, landwirtschaftlicher
Spezialgroßbetrieb.

(10) Maschinen-Traktoren-Stationen: Vergabe- und Wartungspunkte für meist landwirtschaftliche
Gerätschaften und Fahrzeuge

(11)Archiv des Karagandinskij Lagers, Sw.3, D. 7, Blatt 125

(12)Archiv des KARLagij Lagers, Sw.6, D. 14, Blatt 40

(13)Archive Rußlands (in russischer Sprache)
 http://www.rusarchives.ru/map.shtml
 http://www.soviet-archives-research.co.uk/
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Ergänzungen

Moderne Sklaverei

One 25.04.2003 - 03:17
...im angeblich so demokratischen Westen ist es mittlerweile auch wieder Mode, an Sklaven zu denken. Was die Privatisierung der Knäste in Dt. ( http://de.indymedia.org/2003/03/44619.shtml) bedeuten kann, zeigen Erfahrungen aus den USA ( http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14623/1.html). War es zu Stalins Zeiten der Staatskapitalismus, ist es heute der privatwirtschaftliche Kapitalismus.
Es sind halt immer wieder ähnliche Prinzipen.

wie nüchtern

extremo 25.04.2003 - 17:42
Ich hätte jetzt eine menschliche Tragödie oder Horrorbilder erwartet, stattdessen bekommt einen nüchternen, fast schon distanziert wirkenden Text. Den Pathos bekommt wohl nur bei Gefangenen der Gulags, nicht von einem Außenseiter, dessen Meinung so objektiv ist, dass man schon fast Sympathien für die Gulags und der Menschheitsplage Stalin empfindet. Für den Kommunismus.

Von wegen 73 Jahre

Namen sind nicht das wichtigste 25.04.2003 - 22:38
Danke für den schönen Beitrag.

Trotzdem: Die Überschrift vermittelt den falschen Eindruck, das System der sowjetischen Zwangsarbeitslager sei erst 1930 von Stalin geschaffen worden. Auch wenn dieses System erst 1930 die Bezeichnung GULag erhielt, so existierte es bereits 1918, in großem Umfang dann in den zwanziger Jahren. Legendär war das Lager auf den Solowki-Inseln im weißen Meer, wo Zustände herrschten wie in Buchenwald.

So long,

totalitarismustheorie

felix d. 26.04.2003 - 17:44
"zustände wie in buchenwald..."
da hat mal wieder jemand was nachgeplappert und seine vernunft ausgeschaltet. sieht nur noch analogien, statt ursachen. registriert nur noch unterschiedliche quantitäten, statt qualitäten.
die "neue rechte" gibt, was die debatte um den ersten größeren versuch eine sozialistische gesellschaft aufzubauen angeht, nun auch auf indymedia den ton an.
wie schade. wie blöd. wie gefährlich.
aus den fehlern und verbrechen kann nicht gelernt werden, wenn die darstellung der geschichte der sowjetunion sich plumper antikommunistischer propaganda bedient.

p.s. wieso wurde der beitrag, der erwähnte, dass "svennie" in seinen letzten postings über die su u.a. richard pipes, den ehemaligen "osteuropa-berater" von ronald reaggan und publikationen des deutschen bundestages zitierte, gelöscht?
ein rechter, geschichtsrevisionistischer professor und berater reaggans und der deutsche bundestag sind doch wirklich keine guten quellen um die geschichte der su aufzuarbeiten, sofern das überhaupt in dieser kürze möglich ist.

lieber Felix Dummkopf

schall und rauch 27.04.2003 - 10:52
--"zustände wie in buchenwald..."
da hat mal wieder jemand was nachgeplappert und seine vernunft ausgeschaltet. sieht nur noch analogien, statt ursachen. registriert nur noch unterschiedliche quantitäten, statt qualitäten. --

Tja lieber Felix, du diskutierst wohl auch am liebsten nach dem Prinzip "große Klappe, nichts dahinter".
Wenn ich die Solowki-Inseln mit Buchenwald vergleiche, dann habe ich das nicht "nachgeplappert" sondern durchaus reflektiert. Was weißt du über die Solowki-Inseln? Hm? Lies mal was Solschenicyn dazu schreibt. Dort findest du noch jede Menge weiterer Quellen.
Natürlich sehe ich da auch Ursachen und nicht nur Analogien, natürlich registriere ich auch Qualitäten. Genau diese waren eben NICHT so unterschiedlich. Der Gulag von 1950 unterschied sich von Buchenwald recht deutlich, aber die Solowki-Inseln von 1929 kamen ihnen dafür recht nahe.
Aber solche Differenzierungen sind dein Fall nicht, stimmts?


--die "neue rechte" gibt, was die debatte um den ersten größeren versuch eine sozialistische gesellschaft aufzubauen angeht, nun auch auf indymedia den ton an.--

Für dich zählt nicht die Wahrheit, sondern nur der Partei-Standpunkt, stimmts?
Hauptsache, du hast eine Schublade, in die du mich einordnen kannst. Da sieht man sie wieder, die Lager-Psychologie von Deinesgleichen. Genau diese Lager-Psychologie ist es eben, die dann auch die Konzentrations-Lager produziert.
Das ist wirklich "schade, blöd und gefährlich".

-- aus den fehlern und verbrechen kann nicht gelernt werden, wenn die darstellung der geschichte der sowjetunion sich plumper antikommunistischer propaganda bedient.--

Etwas Plumperes als deine Lager-Psychologie gibt es überhaupt nicht. Der Beitrag da oben gibt verläßliche Informationen und verzichtet auf plumpe Rechtfertigungen des sowjetischen Systems. Darum gefällt er dir nicht.


--ein rechter, geschichtsrevisionistischer professor und berater reaggans und der deutsche bundestag sind doch wirklich keine guten quellen um die geschichte der su aufzuarbeiten, sofern das überhaupt in dieser kürze möglich ist.--

Tja lieber glücklicher Felix Dummkopf, Pipes und der Bundestag sind sowieso keine "Quellen", sondern bestenfalls Darstellungen. Ob "rechts" wie Pipes oder "links" spielt hier auch keine große Rolle, weil sich alle Darstellungen über den Gulag und die Solovki-Inseln auf die gleichen Original-Quellen beziehen. Das sind die Berichte Überlebender (z.B. der russische Kulturhistoriker Lichatschow), aber auch gedruckte sowjetische Quellen, die Lagerzeitschrift und Archivdokumente. Wenn du eine "glaubwürdigere Quelle" als Pipes kennst, die etwas ganz anderes behauptet als Svennie, dann nenne sie doch, zitiere sie doch.

Weißt du lieber Felix, eines wird schnell klar: Am liebsten würdest du über den Gulag ÜBERHAUPT NICHT reden.

Kritik...

Anarchist 27.04.2003 - 15:48
..am Stalinismus muß unbedingt angebracht werden. Wer jedoch das mit dem Hinweis auf Buchenwald u.ä. macht, der Relativiert. Der Deutsche Nationalsozialismus hatte als grundlegendes Merkmal seiner Ideologie die Judenvernichtung, die Ausrottung einer von ihm abgesteckten Ethnie. Dieses oder ein ähnliches Merkmal hat der Stalinismus nicht. Von daher kritisiert der Artikel den Stalnismus von Rechts, und nicht von Links.

von rechts, von links, das bleibt mir gleich

schall und rauch 27.04.2003 - 16:53

Und so läßt sich leider auch der "anarchist" aufs Glatteis führen, wenn er schreibt:


---Wer jedoch das mit dem Hinweis auf Buchenwald u.ä. macht [den Stalinismus kritisiert], der Relativiert. Der Deutsche Nationalsozialismus hatte als grundlegendes Merkmal seiner Ideologie die Judenvernichtung, die Ausrottung einer von ihm abgesteckten Ethnie.--

VORSICHT! Ich habe nicht Auschwitz geschrieben, sondern eben Buchenwald. Buchenwald war nicht Auschwitz. Buchenwald wurde schon in den dreißiger Jahren eingerichtet und war kein reines Vernichtungslager wie Auschwitz. Dort saßen zunächst außer Juden viele Kriminelle und Kommunisten. Gar nicht wenige der letzten beiden Gruppen wurden nach zwei oder drei Jahren wieder freigelassen. Worin die Gemeinsamkeiten zwischen Buchenwald und den Solowki-Inseln bestanden? Zunächst in der ökonomischen Sinnlosigkeit des Zwangsregimes und der Zwangsarbeit. Und in der hohen Mortalität, die aber nur manchmal auf unmittelbare Vernichtungsmaßnahmen zurückging.


-- Dieses oder ein ähnliches Merkmal hat der Stalinismus nicht.

Hast du das wirklich genau überprüft? Der Stalinismus verfolgte zwar keine Ausrottungspolitik im Sinne einer Rassen-Ideologie, aber manchmal nach anderen Kriterien. Trotzkisten und orthodoxe Priester wurden 1937 z.B. flächendeckend ausgerottet, bis fast auf den letzten Mann.
Und zwar nicht nur aktive Vertreter dieser Ideologien, sondern auch ehemalige. Soll also keiner einwenden, die Opfer hätten eine Überlebenschance gehabt, wenn sie nur gewollt hätten.
Und, nebenbei: Stalin praktizierte immerzu das Prinzip der Sippenhaft. Also auch die Ehefrauen der Trotzkisten wurden ins Lager gesteckt. Sippenhaft und Rassismus sind aber im Kern das gleiche, eben weil Familie oder "Sippe" im Kern nichts anderes bedeutet als "Rasse". Nur daß im einen Fall die Verwandschaftsbeziehungen enger, im anderen etwas weiter gefaßt sind.

Im übrigen ist es schon richtig, auf die Unterschiede zwischen Stalin und Hitler hinzuweisen. Nur sollten solche Versuche eben nicht als plumpe Versuche daherkommen, den Stalinismus zu verharmlosen.
Wer nicht einmal über den Unterschied zwischen Auschwitz und Buchenwald reflektiert, sollte vielleicht am besten gleich den Mund halten?!


--Von daher kritisiert der Artikel den Stalnismus von Rechts, und nicht von Links.

In diese rechts-links-Logik lasse ich mich nicht einordnen. Nicht, weil ich den Unterschied leugnen würde oder er mir gleichgültig wäre (man sollte schon wissen, ob man rechts ist oder linkes), sondern weil in bestimmten Angelegenheiten die Wahrheit nicht vom Schubladen- und Lagerdenken abhängen darf. Linke Morde sind nicht besser als rechte Morde.

Motivationen...

Anarchist 27.04.2003 - 19:59
...sagen sehr viel über den eigentlichen Grund von Geschriebenen aus. Und die Motivation für den Artikel steht im letzten Satz des letzten Beitrags:
" Linke Morde sind nicht besser als rechte Morde." - moralisierter Totalitarimus.

Niemand stellt die Illegitimität der Gulags in Frage, ebensowenig die Kritik am Stalinismus.

Wenn jedoch diese Kritik am Beispiel der deutschen Konzentrationslager aufgebaut oder zumindest mit Hinweis auf diese angebracht wird, dann nicht ohne Grund.

Die Differenzierung zwischen einzelnen deutschen Konzentrationslagern zum einen nach Jahreszahlen und zum anderen nach "Lager-Aufgaben" geschieht entweder aus einem völlig naiven Begriff geschichtlicher Zusammenhänge heraus oder eben auch aus Absicht.

Spätestens nach 1945 ist es hinfällig, wofür einzelne Konzentrationslager in den Dreißiger Jahren eingerichtet waren; auch wenn ´nur´ für die Kommunistenverfolgung. Diese Herauslösung aus dem historischen Kontext nivelliert die Aufgaben der Konzentrationslager, die sie für die Deutschen zwischen 1932 und 1945 hatten: Vernichtung des Weltjudentums und des jüdischen Bolschewismus.

Einzelne Lager nicht nach der Gewichtung der Häftlinge zu bewerten, also einen Unterschied zwischen Auschwitz und Buchenwald nicht in der Größe der Lager zu sehen, sondern in der Aufgabenverteilung innerhalb des Nationalsozialistischen Lagersystems, hebt ebenfalls die Singularität zumindest teilweise auf: Somit eignen sich scheinbar einige Lager, zum Beispiel diejenigen, die laut "schall und rauch" hauptsächlich "Kommunisten und Kriminelle" beherbergten, zur relativierung und zur Abgleichung mit Lagern im Stalinismus.

Was ich auch noch für hochproblematisch halte: die Gleichsetzung von so genannter Sippenhaft und Rassismus in diesem Zusammenhang. Es gibt nicht ohne Grund die beiden Begriffe Antisemitismus und Rassismus. Beide treten zwar meist zusammen auf, jedoch umschreiben sie verschiedenes. Die Nationalsozialisten sprachen sehr wohl von einem "gesunden Antisemitismus" - gemeint war die Gewalt gegen ´die Juden´ - und die verstanden die Nazis als Volk. Die Vermischung von ´Jude´und Nationalität oder Volkszugehörigkeit (heutzutage die auswechslung der Antisemiten der Begriffe "Jude" und "Israeli") war ein Kernpunkt in den Rassetheorien der Nazis. "Die Juden" wurden also als Rasse deklariert. (Ich brauche nicht zu erwähnen, dass es keine Rassen gibt; vgl. "Monogenese")Insofern übernimmt der Begriff Sippe/ Rassismus in Bezug auf Kommunisten und ihre Angehörigen nichts anderes als die Vermischung von Antisemitismus und Rassimus: der biologische Zusammenhang wird mit dem ideologischen verquickt. Und nichts anderes taten die Rassetheorien der Nazis.

Und, da die Gleichsetzung von deutschen nationalsozialistischen Konzentrationslagern und den Gulag´s nicht unreflektiert geschah, wie vom Autor bekräftigt, tippe ich mal auf einen strammen Burschenschaftler im ersten Geschichtssemester, dem ein wenig sein Antikommunismus in der Schreibhand brannte...

Lieber Anarchist

schall und rauch 27.04.2003 - 21:08
Man sieht mal wieder, wie wichtig für dich die Schubladen sind. Bin ich Burschenschaftler? Welche Motive habe ich? Rechte oder Linke?
Welche Dissidenten-Riechprobe hat dein "innerer Stasi-Schweinehund" an mir gewittert? (sorry, daß ich mich auf dein Niveau herabgelassen habe. Ist nur Spaß)
Wer weiß, vielleicht vertrete ich einfach nur einen konsequent humanistischen Standpunkt der Menschenrechte? Ich weiß, so etwas hälst du für "naiv". Meinetwegen, das kränkt mich nicht. Aber was ist mit DEINEN Motiven? Irgendwie hast du doch ein Bedürfnis, mich zu etikettieren und zu diffamieren. Das juckt dir in den Fingern. Da solltest du mal in dich hineinforschen, wo das herkommt. Das kann ich dir nicht abnehmen.

Ich bleibe nur auf der Textoberfläche deiner Willkür-Interpretation.

--Und die Motivation für den Artikel steht im letzten Satz des letzten Beitrags: " Linke Morde sind nicht besser als rechte Morde." - moralisierter Totalitarimus. --

So ein Quatsch. Das hat mit der Totalitarismus-Theorie (die du vermutl. gemeint hast) nichts zu tun. (Du verwechselst diese Theorie mit der Gleichsetzung von Kommunismus und NS-System.) Die Gleichsetzung von "linken" und "rechten" Morden ist allerdings ein moralisches Urteil, das schon. Dazu stehe ich auch. Übrigens finden auch ganz unpolitische Morde nicht meine Billigung.

--Niemand stellt die Illegitimität der Gulags in Frage, ebensowenig die Kritik am Stalinismus.--

Illegitim? Kritik am Stalinismus?
Sind das die richtigen Begriffe?
Wenn du wirklich so denkst, wie ich befürchte, dann wahrscheinlich schon. Vielleicht bist du aber auch einfach nur unreflektiert.

-- Die Differenzierung zwischen einzelnen deutschen Konzentrationslagern zum einen nach Jahreszahlen und zum anderen nach "Lager-Aufgaben" geschieht entweder aus einem völlig naiven Begriff geschichtlicher Zusammenhänge heraus oder eben auch aus Absicht. Spätestens nach 1945 ist es hinfällig, wofür einzelne Konzentrationslager in den Dreißiger Jahren eingerichtet waren; auch wenn ´nur´ für die Kommunistenverfolgung. --

Na und? Mit wem streitest du dich jetzt? Mit mir? Du hast Recht: Um das Wirken der Nazis als Ganzes zu bewerten, muß man diese Unterscheidung nicht vornehmen. Vermutlich erwog Hitler schon in den 20er Jahren die Möglichkeiten der Ausrottung von Juden. Die Tatsache, daß Buchenwald 1936 noch keine solchen "Aufgaben" erfüllte, kann nicht zu seiner Entlastung angeführt werden. Aber das wollte ich ja auch gar nicht. Wie bist du überhaupt auf diese Idee gekommen?

-- Diese Herauslösung aus dem historischen Kontext nivelliert die Aufgaben der Konzentrationslager, die sie für die Deutschen zwischen 1932 und 1945 hatten: Vernichtung des Weltjudentums und des jüdischen Bolschewismus. --

Vorsicht mit Fremdwörtern! Was meinst du jetzt mit "nivelliert"? Differenzieren heißt nicht nivellieren. Du bist es, der hier mit moralischen Argumenten eine Nivellierung einfordert, die ich nicht vornehmen wollte. (Daß ich dafür andere als "unmoralische" oder "verharmlosende" Gründe haben könnte, geht über deinen Verstand).

-- Einzelne Lager [nach] der Aufgabenverteilung innerhalb des Nationalsozialistischen Lagersystems [zu unterscheiden}, hebt ebenfalls die Singularität zumindest teilweise auf: --

Ja und?

-- Somit eignen sich scheinbar einige Lager, zum Beispiel diejenigen, die laut "schall und rauch" hauptsächlich "Kommunisten und Kriminelle" beherbergten, zur relativierung und zur Abgleichung mit Lagern im Stalinismus. --

Es geht nicht ums Abgleichen, sondern ums Wiedererkennen. Das Wiedererkennen von Mechanismen, Funktionsweisen und Strukturen. Unabhängig von der Motavition Hitlers oder Lenins erhält so ein Lager-Leben manchmal auch eine Eigendynamik, die v.a. vom Lagerpersonal beeinflußt wird. Auch diese verdient Beachtung und Erforschung.
Aber wie kommst du auf "Relativierung"? Was willst du damit sagen?

-- Was ich auch noch für hochproblematisch halte: die Gleichsetzung von so genannter Sippenhaft und Rassismus in diesem Zusammenhang. --

Von wegen Gleichsetzung. Die Unterschiede sind ja wohl offensichtlich. Nur der Zusammenhang zwischen Verwandschaft und äußeren Körpereigenschaften (Haufarbe, etc.) läßt sich nicht bestreiten, weder auf biologischer noch auf ideologischer Ebene (d.h. im Sinne des Rassenwahns).

--Es gibt nicht ohne Grund die beiden Begriffe Antisemitismus und Rassismus. Beide treten zwar meist zusammen auf, jedoch umschreiben sie verschiedenes.--

Was du nicht sagst! Darauf wäre ich nie gekommen ohne dich.

--Insofern übernimmt der Begriff Sippe/ Rassismus in Bezug auf Kommunisten und ihre Angehörigen nichts anderes als die Vermischung von Antisemitismus und Rassimus: der biologische Zusammenhang wird mit dem ideologischen verquickt. Und nichts anderes taten die Rassetheorien der Nazis. --

Na Klasse, dann stimmst du mir ja zu! Wenn Stalin die Trotzkisten und die Adligen und die orthodoxen Priesterfamilien (und schließlich auch Tschenenen, Deutsche und Juden) als "Völker", "Sippschaften" oder als "Brut" behandelte und sie Stumpf und Stiel, Kind und Kegel etc. ins Lager schickte, dann "verquickte" er zweifellos ideologische und biologische Zusammenhänge. Stimmts? Und nichts anderes taten die Rassetheorien der Nazis.
Aber Vorsicht: Deine Schlußfolgerungen könnten auf eine Verharmlosung Hitlers hinauslaufen. (Du bist Deutscher, stimmts?)

--Und, da die Gleichsetzung von deutschen nationalsozialistischen Konzentrationslagern und den Gulag´s nicht unreflektiert geschah, wie vom Autor bekräftigt, tippe ich mal auf einen strammen Burschenschaftler im ersten Geschichtssemester, dem ein wenig sein Antikommunismus in der Schreibhand brannte...--

Toll. Dann haben die Burschenschaftler vermutlich ein Monopol auf reflektiertes Denken, oder wie?

DEINE Art zu Denken ist jedenfalls deutlich zum Ausdruck gekommen: Suche einen Ansatz zum Diffamieren.
Will sagen:
Jemanden wie mich darf man ohne weiteres mit den Nazis "gleichsetzen", aber den Stalin natürlich nicht.

;-)

Schau doch mal in den Spiegel.


Polemik...

Anarchist 28.04.2003 - 00:51


...ist nicht das gleiche wie Diffamierung. Ebenso, wie die Burschenschaften sich das braune Denken mit anderen teilen, haben sie mit Sicherheit auch kein Monopol auf die Dummheit. Dass Antikommunismus die Spielwiese der Burschen ist, neben Nationalismus, Revanchismus und Revisionismus, und eine Deckungsgleichheit zumindest mit ersterem und den Kommentaren von "Schall und Rauch" existieren, lässt noch keinen Schluss auf die Motivation solcher Artikel zu: diese Feststellung spricht zuerst einmal für sich. Damit habe ich auch die Burschenschaften mit den Nationalsozialisten weder gleichgesetzt noch verglichen, wenngleich sie damals die Steigbügelhalter der NSDAP waren, und heute Vertreter eines revanchistischen Weltbildes sind.

Apropos Vergleiche: Um das ganz Besondere, nämlich einzige des deutschen Nazifaschismus nicht hinter den Allgemeinplätzen der so genannten „Moderne“ und Postmoderne zum Verschwinden zu bringen, sollte sich doch zuvor ein gewisses Verständnis von Singularität erarbeitet werden, eines, das weder bloß als wissenschaftliche Definition gesetzt, noch als ganz persönliche Meinung auf die Geschichte projiziert wird. Denn aus Vergleichen von Sachen erwächst nie und nimmer ein Begriff der Sache selbst, Singularität aus Vergleichen ableiten zu wollen, mündet in nichts als Tautologie und doppelter akademischer Bilanzbuchhaltung. Und so kann dieser Ansatz auch nicht irgendeinen humanistisches Ziel haben, geschweige denn seinen Ausgangspunkt dort haben; da dem Autor unterstellt werden kann, dass er weiß, was er schreibt, lässt der Inhalt der Kommentare als vorrangiges Ziel die Aufhebung der Singularität des Holocaust erkennen, und nicht, wie behauptet, die Motivation haben, Unterschiede festzustellen. Ebenso unterstellend, dass das Geschriebene Absicht ist, wird Differenzierung nun klein geschrieben und Hitler in einem Aufwasch mit Lenin genannt, verglichen und kräftig durchgeschüttelt. Dies als Freifahrtsschein zur Geisterfahrt durch den Geschichtsrevisionismus im Gepäck, macht die Vertretung der eigentlichen Motivationen jeglicher Burschenschaft und Neuen Rechten noch einfacher: diese Antikommunismus-Karawane auf Geisterfahrt knallt nicht an die Wände ihres Verstandes, die als Scheuklappen gerne angenommen werden, sondern nagelt an diese eher Links als Rechts ihre Definitionen einer Ontologie ihrer Deutschtümelei als Wegweiser in einen vierspurigen Nationalismus.


Soweit zur Polemik, die Hintergründe bzw. Motivationen sind nicht weniger interessant. Macht man sich mal die Mühe, und forscht nach den Artikeln des „Svennie d. R.“, was einem nicht allzu schwer gemacht wird, am Ende der Artikel ist jeweils ein Link auf andere Indymediabeiträge, so wird man in Sachen Motivation schnell fündig: in einem der Beiträge (genaugenommen hier:  http://de.indymedia.org/2003/01/38341.shtml) gibt "Svennie" – hier Schall und Rauch – in einem angefügten Kommentar als Homepage die Uni Potsdam an. Nun hat Potsdam meines Wissens zwar keine Burschenschaft, dafür jedoch an dem Historischen Institut unter der Professur für Neuere Geschichte mit Prof. Dr. Manfred Görtemaker einen Vertreter der Neuen Rechten. (vgl.  http://www.uni-potsdam.de/u/geschichte/neuere1/goert.htm,  http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2002/13/10a.htm,  http://de.indymedia.org/2002/03/16910.shtml), der neben umstrittenen Think Tanks ( http://www.asta.uni-potsdam.de/sonst/ausgabe.php3?textfile=346) der Deutschen Halli-Galli Zeitung "Junge Freiheit" nicht nur Interviews gibt ( http://www.jf-archiv.de/archiv01/241yy55.htm) sondern zu dessen Autoren gehört ( http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2002/02/10/8522.html).

Und damit hatte ich auch in dem anderen Punkt recht: liest man sich die anderen Beiträge von Svennie durch, könnte man meinen, es handelt sich um Hausarbeiten, die einem Professor der Neuen Rechten in seinem Antikommunismus gefallen sollten. Testen kann man das dann am Indymediapublikum, einerseits, weil hier oftmals ebenfalls Antikommunisten anzutreffen sind, andererseits ein billiges Gegenlesen vor der Abgabe geschehen kann.

Insofern wird mit jeglicher Diskussion mit diesen strammen Burschen von der Neuen, Alten und beliebigen Rechten der Bock zum Gärtner gemacht, da die Diskussionen unter einer anderen Prämisse stehen, sie dienen nämlich der Schärfung der Argumentation gegen alles Linke im Allgemeinen und dem (geschichtlichen) Kommunismus im Speziellen.

... und Paranoia

schall und rauch 28.04.2003 - 10:13
Du behauptest, ich sei Svennie. Das ist lustig.
Du solltest dir angewöhnen, erst zu lesen und dich dann aufzuregen.

Ich habe die Artikel von Svennie nicht so gut gelesen wie du und ihre Motivation interessiert mich auch nicht. Zum obigen Artikel bleibt lediglich zu sagen, daß er den Gulag insofern verharmlost, als er suggeriert, dieser sei erst um 1930 entstanden (obwohl seine Ursprünge faktisch auf 1918 zurückgehen. Vgl. dazu die Werke von Solschenicyn (1973) und Jakobson (1993)). Nur der Name "Gulag" stammt vielleicht von 1930, aber Namen sind eben nur Schall und RAuch -- daher mein Name.
Weiter habe ich an die Solowki-Inseln erinnert, die bereits in den 20er Jahren existierten und wo das Lager-Regime eben den späteren KZ's Buchenwald und Dachau recht ähnlich sah. In Svennies Artikel werden diese gar nicht erwähnt.

Was immer Svennie für Motivationen haben mag, sein Artikel ist jedenfalls nicht besonders gut recherchiert.

Zur Singularität: Wenn du, statt mich zu diffamieren, direkt gefragt hättest, was ich von diesem Konzept halte, dann hätte ich es dir gleich gesagt: Nichts.
Nicht, um Hitler zu verharmlosen oder "Deutschland" zu rehabilitieren, sondern weil es meiner (eher laizistischen) Vorstellung von Aufklärung und Menschenrechten widerspricht. Überhaupt, wie sagst du so schön: Kategorien, die weder wissenschaftlich sind, noch einfach "persönliche Meinung". Tja, was sind sie dann? Ich würde mal vermuten, so etwas ähnliches wie religiöse Dogmen. Wissenschaftlich lassen sie sich nicht begründen, aber eine universale Geltung beanspruchen sie dennoch.

Kurz gesagt, das "Singularitäts"-Konzept ist eine Steilvorlage für alle Möchtegern-Inquisitoren, für Eiferer, Dogmatiker und Doktrinäre. Zu denen gehören natürlich immer auch ein paar Anarchisten, stimmts?

Alles wie gehabt. Der Gulag kam eben auch nicht von ungefähr.



Moskau @ "schall und rauch"

Felix D. 28.04.2003 - 18:55
Es ist teilweise erschreckend, was auf die Postings von "Svennie" hier geschrieben wird.
"Schall und Rauchs" Beträge sind nur ein Beispiel.


Vorab: Es war natürlich sehr witzig, wenn er aus „Felix D.“ ein „Felix Dummkopf“ machte. Ein "halt doch die Fresse" als Kommentar auf "Svennie's" Posting wurde, weil vermutlich als Beleidigung aufgefasst, gelöscht.

Auch wenn "schall und rauch" (wirklich originell dieser Name) es des Öfteren versucht hat, so scheint Polemik nicht seine Stärke zu sein. Vermutlich glaubt er, dass mit seiner Antwort das Thema erledigt ist. Allerdings fängt die unsaubere Argumentation bereits in den ersten Zeilen an. Ein Beispiel: Allen leuchtet natürlich sofort ein, dass Buchenwald und die Solowki-Inseln das Gleiche sind, weil der Solschenizyn das geschrieben hat. Logo.

Die Beerdigung der Vernunft zeigt sich in der Analogiebildung, die an die Stelle der Suche nach den Ursachen tritt. Demnächst behauptet wer wohl noch, Schröder sei so ähnlich wie Hitler, weil beide mal ein Bier getrunken haben. Wem dieser ganze Schwachsinn, das Abstumpfen der Begriffe wohl nützt?

Die Sowjetunion und Nazideutschland waren vollkommen unterschiedliche Gesellschaften, auch wenn in beiden auf den ersten Blick ähnliche Methoden angewandt wurden. Es genügt aber eben nicht, zu sagen, dass im KZ und im Gulag Menschen wegen ihrer Meinung etc. ermordet wurden.

Machen wir es einmal einfach und nehmen an, dass die „Unterdrückten“ dieser Welt sich befreien und eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“ errichten. Wäre es dann nicht gerechtfertigt, wenn sie alle unterdrücken, die den alten Zustand, also ihre Knechtschaft, wieder herbeiführen wollen?
Ich weiß selbst, dass dieses einfache Beispiel nicht problemlos auf die Sowjetunion übertragbar ist. Aber jeder Befreiungsversuch, der nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein will, wird sich mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.

Der „Nationalsozialismus“ war eine Form politischer Herrschaft des deutschen Kapitals. (Bereits 1929 hatte sich der Reichsverband der deutschen Industrie, in dem die führenden deutschen Konzerne vertreten waren, die parlamentarische Demokratie abzuschaffen und durch eine Diktatur zu ersetzen. Der Zweck: Ausschaltung der Organisationen der Arbeiterbewegung oder, wie Hitler es nannte, „Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel“ und Vorbereitung und Durchführung eines Welteroberungskrieges. Ein wesentliches Moment in der Nazi-Ideologie und „Argumentation“ war der Antisemitismus. Er war aber nicht nur Propaganda-Instrument und den Verhältnissen entspringender Wahn, sondern auch und sogar in seiner eliminatorischen Form an materielle Interessen gebunden.)
Die Sowjetunion war bei allen ihren Verbrechen, und das ist der grundlegende Unterschied zu kapitalistischen Gesellschaften, sei es bürgerlich-demokratischer oder faschistischer Form, der Versuch eine klassenlose Gesellschaft zu errichten. Die Phase der „Diktatur des Proletariats“ über die ehemals herrschende Klasse konnte sie nie überwinden. Solowki-Inseln und Buchenwald unterscheiden sich eben aus diesem Grund qualitativ.

1. „Für dich zählt nicht die Wahrheit, sondern nur der Partei-Standpunkt, stimmts?“
Natürlich zählt für mich der Parteistandpunkt. Für Dich etwa nicht? Ich ergreife Partei für eine klassenlose Gesellschaft, gegen Ausbeutung, Rassismus, Antisemitismus und Unterdrückung. Du nicht?
Aber mich würde schon interessieren, ob Du die Ideologie der „neuen Rechten“ an irgendeinem Punkt für richtig hältst? Auf sag’s! Erzähle doch bitte hier mal im Forum an welcher Stelle Du neofaschistische Ideologie und „Argumentationen“ für richtig hältst!

2. Dieses „mich kannst du nicht in Schubladen einordnen“-Gesabber ist erschreckend alt. Der Faschismus trat schon immer so auf, als sei er über alle Parteilichkeit und „links-rechts Einordnung“ erhaben.

3. „Genau diese Lager-Psychologie ist es eben, die dann auch die Konzentrations-Lager produziert.“
Was soll man/frau zu so einem Satz sagen? Er ist der Höhepunkt der Ekelhaftigkeit.
Ist das Absicht oder hast Du einfach was geschrieben und nicht drüber nachgedacht? Wegen einer „Lager-Psychologie“ mussten 6,5 Millionen Juden sterben? Wegen einer Lager Psychologie wurden 3 Millionen Sowjetmenschen als „kommunistische Kommissare“ ermordet?
Die Nazis haben übrigens kein KZ für deutsche Kapitalisten errichtet. So inhaltsleer scheint das "Lagerdenken" ja doch nicht gewesen zu sein. Aber wie gesagt, neben der Polemik ist die Unterscheidung von Qualitäten nicht Deine Sache.

4. Also, wenn Du dich auf den Bundestag und den ehemaligen Osteuropa-Berater von Ronald Reaggan (der gab übrigens mit Kohl den Gefallenen der Waffen-SS auf dem „Soldaten“friedhof in Bitburg die Ehre), bei der Beurteilung der Sowjetunion verlassen willst, dann mach das. Hört sich toll und überzeugend an: "Ich teile da übrigens die Meinung von Wolfgang Thierse."

Im übrigen unterhalte ich mich mit jeder und jedem über den Gulag, aber nicht mit Faschisten, Rassisten, Antisemiten und Leuten, die das alltägliche kapitalistische Morden damit rechtfertigen wollen.


cool down, feliks & anarcho

schall und rauch 28.04.2003 - 20:42
--Im übrigen unterhalte ich mich mit jeder und jedem über den Gulag, aber nicht mit Faschisten, Rassisten, Antisemiten ... --

Mir scheint, daß du dich am liebsten überhaupt nur mit solchen unterhalten willst. ;-) Aber da muß ich dich leider enttäuschen.


--Es ist teilweise erschreckend, was auf die Postings von "Svennie" hier geschrieben wird...--

Dann heul doch!

--Vorab: Es war natürlich sehr witzig, wenn er aus „Felix D.“ ein „Felix Dummkopf“ machte.--

In Wirklichkeit heißt das "feliks dzerzinsky", stimmt's? Und ist überhaupt nicht witzig gemeint.

--Allerdings fängt die unsaubere Argumentation bereits in den ersten Zeilen an. Ein Beispiel: Allen leuchtet natürlich sofort ein, dass Buchenwald und die Solowki-Inseln das Gleiche sind, weil der Solschenizyn das geschrieben hat. Logo.--

Solschenizyn hat die Informationen bereitgestellt. Schlußfolgerungen ziehen kann jeder selbst. Im übrigen habe ich auch nie behauptet "die Solowki waren Buchenwald", sondern: "dort herrschten Zustände wie in Buchenwald". Damit war eben das innere Lager-REgime gemeint, die Methoden der unmittelbaren Machtausübung, das Verhältnis zwischen Wachen und Gefangenen. Sicher gibt es da auch Unterschiede zu Buchenwald. Aber die Assoziation drängt sich schon auf. Natürlich verletzt das eure Tabus und eure inquisitorischen Dogmen, aber das macht doch nichts.
Für euch war das eine unglaubliche Provokation. Aber wenn ich euch Doktrinären dabei helfen kann, euch ein wenig bloßzustellen, dann will ich die Gelegenheit nicht versäumen.

--Die Beerdigung der Vernunft zeigt sich in der Analogiebildung, die an die Stelle der Suche nach den Ursachen tritt. --

Suche nach Ursachen? Ich habe nur gesagt: Auf den S-Inseln herrschten Zustände wie in B-wald, etc. Ich habe daraus keine großartige Aussage abgeleitet (das unterstellt ihr Paranoiker immer nur). Auf die Ursachen bin ich gar nicht eingegangen.

--Demnächst behauptet wer wohl noch, Schröder sei so ähnlich wie Hitler, weil beide mal ein Bier getrunken haben. Wem dieser ganze Schwachsinn, das Abstumpfen der Begriffe wohl nützt?--

Tut mir leid, aber auf den S-Inseln wurden die Gefangenen von betrunkenen Lagerwärten zum Spaß abgeknallt. Ist es da wirklich so "schwachsinnig", Analogien herzustellen?
Deinen Schröder-Bier-Vergleich muß ich wohl nicht kommentieren.

--Die Sowjetunion und Nazideutschland waren vollkommen unterschiedliche Gesellschaften, auch wenn in beiden auf den ersten Blick ähnliche Methoden angewandt wurden.--

Ich hatte bisher gar nicht den Anspruch, einen komplexen Gesellschaftsvergleich herzustellen. Ansonsten sehe ich in den Mord-Methoden durchaus dasjenige Kriterium, auf welches es letztlich ankommt (und nicht im Steuersystem).

--Es genügt aber eben nicht, zu sagen, dass im KZ und im Gulag Menschen wegen ihrer Meinung etc. ermordet wurden.--

Doch. Meiner Meinung nach ist eben das am Wichtigsten. Daß menschen wegen ihrer Meinung, Religion oder Abstammung ermordet wurden.

--Machen wir es einmal einfach und nehmen an, dass die „Unterdrückten“ dieser Welt sich befreien und eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“ errichten. Wäre es dann nicht gerechtfertigt, wenn sie alle unterdrücken, die den alten Zustand, also ihre Knechtschaft, wieder herbeiführen wollen? --

Aha, du arbeitest also mit hypothetischen Denkbeispielen.
Du wirst schon sehen, wohin das führt:

Tape on:
"Machen wir es uns einmal einfach und nehmen an, daß die "Höherrassigen" dieser Welt sich befreien und eine Gesellschaft für das "lebenswerte Leben" errichten. Wäre es dann nicht gerechtfertigt, wenn sie alle unterdrücken, die den alten Zustand, also ihre Knechtung durch die "Minderwertigen" wieder herbeiführen wollen?"
Tape off.

Ich muß wohl nicht hinzufügen, daß ich nicht an den Rassenwahn glaube. Aber... wenn manche Doktrinäre so etwas nun einmal glaubten? Felix D. könnte sie vielleicht verstehen.

--Ich weiß selbst, dass dieses einfache Beispiel nicht problemlos auf die Sowjetunion übertragbar ist.--

Tja ja, der Burschenschaftler könnte schreiben:

"ich weiß selbst, daß dieses einfache Beispiel nicht problemlos auf Auschwitz übertragbar ist..."

Na? Wie gefällt dir dein Spiegelbild?

--Der „Nationalsozialismus“ war eine Form politischer Herrschaft des deutschen Kapitals.--

Auf deine Histomat-Thesen werde ich nicht weiter eingehen. Jedenfalls war der Sowjetstaat auch so etwas wie eine "Form der politischen Herrschaft" des bolschewistischen Wirtschaftskapitals. Der Gulag war eine Mashcine, die der Profitmaximierung der herrschenden Klasse der SU diente. Für mich als Nicht-Marxisten ist das zweitrangig, aber wie steht's mit dir?

--Die Sowjetunion war bei allen ihren Verbrechen, und das ist der grundlegende Unterschied zu kapitalistischen Gesellschaften, sei es bürgerlich-demokratischer oder faschistischer Form, der Versuch eine klassenlose Gesellschaft zu errichten.--

Das stimmt nicht. Wer hat dir diesen Blödsinn erzählt?
Die Sowjetunion war niemals ein Versuch, eine klassenlose Gesellschaft zu errichten. Das war nur ein hohler Anspruch, der von Ludwig Erhardt weitaus überzeugender umgesetzt wurde als von der Sowjetunion.

--Die Phase der „Diktatur des Proletariats“ über die ehemals herrschende Klasse konnte sie nie überwinden. Solowki-Inseln und Buchenwald unterscheiden sich eben aus diesem Grund qualitativ.--

Na toll. Dann waren die Gefangenen auf den S-Inseln also sozusagen die "herrschende Klasse"? Möge dieser Wahnsinn auf deinem Gewissen ruhen.


--Natürlich zählt für mich der Parteistandpunkt. Für Dich etwa nicht? --

Nein.
Für mich zählt der Standpunkt der Humanität und des Rechts, die von keiner Partei jemals vereinnahmt werden können. Auch ich kann ihn nicht für mich beanspruchen. Ich versuche, diesem Anspruch gerecht zu werden, kann aber niemandem zumuten, daß er mich mit der Humanität und dem Recht (für das ich mich einsetzen will) identifizieren soll.
Nun ja, immerhin diskutiere ich mit Typen wie mit dir. Da muß ich mich zwar mit Dreck bewerfen lassen, aber vielleicht hilft es ja was?

--Ich ergreife Partei für eine klassenlose Gesellschaft, gegen Ausbeutung, Rassismus, Antisemitismus und Unterdrückung. --

Das Stalin auch gesagt. Drisch nur weiter deine hohl-pathetischen Phrasen, das kostet dich ja nichts.
Ehrlich gesagt glaube ich dir kein Wort.

--Aber mich würde schon interessieren, ob Du die Ideologie der „neuen Rechten“ an irgendeinem Punkt für richtig hältst? Auf sag’s!--

Der Inquisitor ereifert sich...
Ich hasse es zwar, Gesinnungsfragen zu beantworten, aber wenn du so hartnäckig bist, dann mach ich mal eine Ausnahme.
Ich hab mich mit der "neuen Rechten" nie so recht befaßt und ebensowenig jemals mit ihr identifiziert. Ich schätze mal, ich halte sie nicht für richtig. Aber das weißt du bestimmt viel besser als ich.


--2. Dieses „mich kannst du nicht in Schubladen einordnen“-Gesabber ist erschreckend alt. Der Faschismus trat schon immer so auf, als sei er über alle Parteilichkeit und „links-rechts Einordnung“ erhaben.--

Und der Zwang, alle in Schubladen einzuordnen ist auch nicht gerade jung. Woher kommt der Haß? Warum "Gesabber"? Habe ich kein Recht, mich gegen voreilige Etikettierungen zu verwahren? Wer bist überhaupt, daß du so mit mir redest? Und wenn ich in keine Schublade gehören will, folgt dann daraus, daß ich ein Faschist bin?
Mit dieser Logik hättest du wirklich in der GPU als Untersuchungsrichter arbeiten können.
Schau in den Spiegel.

--3. „Genau diese Lager-Psychologie ist es eben, die dann auch die Konzentrations-Lager produziert.“
Was soll man/frau zu so einem Satz sagen? Er ist der Höhepunkt der Ekelhaftigkeit. Ist das Absicht oder hast Du einfach was geschrieben und nicht drüber nachgedacht? Wegen einer „Lager-Psychologie“ mussten 6,5 Millionen Juden sterben?--

Was ist daran so sensationell?? Lager-Psychologie bedeutet den inneren Zwang, die Menschheit in künstliche Schubladen einzuteilen, die manchmal als "Religionen", als "Rassen" und dann wieder als "Klassen" definiert werden. Die Juden wurden von den Nazis eben dem "feindlichen" Lager zugeordnet und anschließend ermordet.

--Die Nazis haben übrigens kein KZ für deutsche Kapitalisten errichtet. --

Doch.
Unter anderem für deutsche Kapitalisten "jüdischer" Abstammung.

--So inhaltsleer scheint das "Lagerdenken" ja doch nicht gewesen zu sein.--

Die Bolschewiki haben auch kein Lager für bolschewistische Ausbeuter errichtet. Ihr Lagerdenken war also letztlich völlig inhaltslos, (wenn man die "Inhalte" nach marxistischen Kriterien bestimmt).


--4. Also, wenn Du dich auf den Bundestag ... verlassen willst, dann mach das... --

Also langsam wird es mir echt zu blöd.
Polemik ist vielleicht nicht meine Stärke, aber immerhin versuche ich ohne allzu blöde Beleidigungen auszukommen.
A propos: Noch in keinem Posting konnte irgendeiner von euch rabiaten Inquisitoren irgendein besseres Buch empfehlen.
So ähnlich hätte auch Torquemada argumentieren können: Wie soll ich dem Fernrohr glauben schenken, wenn ich doch weiß, daß dieses Fernrohr einem Ketzer gehört?!

Strammstehen...

Anarchist 28.04.2003 - 22:51
... vor (Buch-)Autoritäten passt irgendwie in eure Burschenlogik. Das Hirn an der Garderobe bzw. Eingangsportal abgegeben, genügt es, anderen die eigene Paranoia zu unterstellen, die allzu deutlich unter dem Antikommunistischen Schlapphut längst den Verstand abgelöst hat, um nicht selbst nachdenken zu wollen, zu können.

Mit jemandem, der die Singularität der Shoah aufgehoben haben will, kann kein linker Diskurs geführt werden.

Moskau antwortet schon wieder

Felix D. 28.04.2003 - 23:40
„Sicher gibt es da auch Unterschiede zu Buchenwald. Aber die Assoziation drängt sich schon auf.“
Ja, wenn man nicht nach den Ursachen fragt und das einsperren oder töten von Menschen, als das Entscheidende betrachtet.

„Natürlich verletzt das eure Tabus und eure inquisitorischen Dogmen, aber das macht doch nichts.“
Du Möllemann, Tabubrecher, endlich mal einer der aufn Tisch haut. Aber mal ehrlich, welche Tabus sind denn unsere?

“Suche nach Ursachen? Ich habe nur gesagt: Auf den S-Inseln herrschten Zustände wie in B-wald, etc. Ich habe daraus keine großartige Aussage abgeleitet (das unterstellt ihr Paranoiker immer nur). Auf die Ursachen bin ich gar nicht eingegangen.“
Wer die Welt verändern will, muss sie begreifen. Wenn ich verhindern will, dass jährlich Millionen Menschen verhungern, muss ich die Frage nach den Ursachen stellen. Erst dann ist eine Bedingung erfüllt, um es zu ändern.

„Ansonsten sehe ich in den Mord-Methoden durchaus dasjenige Kriterium, auf welches es letztlich ankommt (und nicht im Steuersystem).“
Bleibt immer noch die Frage, ob das Morden von Menschen, das nur durch Töten zu beenden ist, gerechtfertigt ist. Waren die Nazis durch gutes Zureden bereit gewesen Auschwitz nicht weiter zu betreiben? Gewalt sei dann erlaubt, wenn sie die Errichtung einer Gesellschaft zum Ziel hat, die der Gewalt nicht mehr bedarf.

“Doch. Meiner Meinung nach ist eben das am Wichtigsten. Daß menschen wegen ihrer Meinung, Religion oder Abstammung ermordet wurden.“
Wer wurde im Gulag wegen seiner Abstammung oder Religion ermordet? KeinE EinzigeR! Es wurden Menschen ermordet wegen ihrer Meinung und(!) Praxis. Wer zu Hause saß und sich dachte der Zar war doch eigentlich ganz gut, kam nicht in den Gulag. Ich will aber noch fragen, welche Meinung und welche Praxis? Was ist der Inhalt. Dann kommen wir zu denen, die umgebracht wurden, nicht weil sie Ausbeuter oder ihre Unterstützer waren, sondern, weil sie im innerparteilichen Machtkampf eine ungewünschte Linie, etc. vertreten haben. Dann könnten wir unterscheiden zwischen Opfern des Gulagsystems und den Verbrechen die in der Sowjetunion begangen wurden und den „Opfern“ die Täter waren. Willst du mit den Angehörigen eines SS-Mannes, der von der Roten Armee getötet wurde, trauern? Sie bezeichnen ihn sicher auch als „Opfer des Stalinismus“.

"Machen wir es uns einmal einfach und nehmen an, daß die "Höherrassigen" dieser Welt sich befreien und eine Gesellschaft für das "lebenswerte Leben" errichten.“
Du merkst selbst, dass das Blödsinn ist. „Höherrassig“ und Befreiung passen nicht zusammen.

„Auf deine Histomat-Thesen werde ich nicht weiter eingehen. Jedenfalls war der Sowjetstaat auch so etwas wie eine "Form der politischen Herrschaft" des bolschewistischen Wirtschaftskapitals. Der Gulag war eine Mashcine, die der Profitmaximierung der herrschenden Klasse der SU diente. Für mich als Nicht-Marxisten ist das zweitrangig, aber wie steht's mit dir?“
Hättest Du ein klein wenig Ahnung von Ökonomie wäre dir das nicht passiert. „Histomat-Thesen“ sind übrigens etwas ganz anderes. Sie würden besagen, dass der Faschismus eine notwendige Herrschaftsform des Kapitals ist. Dass der Faschismus eine unvermeidliche historische Epoche darstellte. Ich sagte aber, dass er eine mögliche war und ist. Wenn an Marx orientierte Kommunisten (ich kenne nicht wenige Anarchisten die seine ökonomische Analyse des Kapitalismus teilen) von Klassen sprechen, so nicht weil sie einer Einbildung folgen, sondern, weil die Wirklichkeit nach bestimmten Mechanismen funktioniert. Das ist dann auch keine „Idee“ oder Einbildung, sondern hält dem empirischen Beweis stand. In der SU gab es keine Teilung der Gesellschaft in Besitzer der gesellschaftlichen Produktionsmittel und Nicht-Produktionsmittelbesitzer. Macht und Herrschaft haben sich dort über vollkommen andere Mechanismen hergestellt, waren von anderer Quantität und Qualität. „Bolschewistisches Wirtschaftskapital“ macht bei einer Verstaatlichung der Produktionsmittel, die Gebrauchswertproduktion zum Ziel hatte und nicht „Mehrwertproduktion“ und Maximierung zur privaten(!) Aneignung, wie in kapitalistischen Gesellschaften, keinen Sinn. Kapital ist „Wert heckender Wert“, Wert, der eingesetzt wird, um mehr Wert zu erzielen. Dieser Mehrwert wird privat angeeignet.

„Die Sowjetunion war niemals ein Versuch, eine klassenlose Gesellschaft zu errichten. Das war nur ein hohler Anspruch, der von Ludwig Erhardt weitaus überzeugender umgesetzt wurde als von der Sowjetunion.“
Ludwig Erhardt hat überhaupt nichts umgesetzt. Der Reichtum, der unter (!) Erhardt deiner Meinung nach besonders „gerecht“ verteilt wurde, wurde eben von den Proleten erarbeitet und nicht von Erhardt oder Siemens oder Mercedes Benz. Ein Ludwig Erhardt (schon mal nachgeschaut, was der zwischen 33 und 45 gemacht hat?) hatte nicht den Anspruch eine klassenlose Gesellschaft zu errichten. Auch hat er nicht dazu beigetragen, aber dass habe ich ja schon gesagt. Die SU hatte sehr wohl den Anspruch, eine klassenlose Gesellschaft zu werden. Wie weit sie dabei kam, habe ich auch gesagt. Zu fragen wäre noch, warum?

“Für mich zählt der Standpunkt der Humanität und des Rechts, die von keiner Partei jemals vereinnahmt werden können. Auch ich kann ihn nicht für mich beanspruchen. Ich versuche, diesem Anspruch gerecht zu werden, kann aber niemandem zumuten, daß er mich mit der Humanität und dem Recht (für das ich mich einsetzen will) identifizieren soll.“
Na prima. Macht was ihr wollt. Und wenn einer ein KZ aufbaut, erzähle ich ihm, dass das kein Recht ist oder nicht der Humanität entspricht, zwinge ihm aber nichts auf. Wäre dann ja genau so wie er. Tolle Logik.
Recht und Humanität tragen immer die Züge der Gesellschaft in der sie entstanden sind. Griechische Philosophen, die Vorstellungen von Glück hatten, die heute noch revolutionär wären, haben die Sklaverei gerechtfertigt. Recht ist der notwendige Ausdruck einer Gesellschaft in der der „Mensch des Menschen Wolf“ ist. Der Krieg gegen Jugoslawien wurde im Übrigen „im Namen der Humanität“ geführt. Fast alle Kriege wurden als gerechte und humane und notwendige bezeichnet. Es wäre zu fragen, welche es wirklich waren und welche nicht.

“Das hat Stalin auch gesagt.“
Ist es deshalb falsch davon zu sprechen? Hat er’s gesagt oder gemacht? Ich würde sogar sagen, dass er es zu einem Teil auch gemacht hat.

“Und der Zwang, alle in Schubladen einzuordnen ist auch nicht gerade jung.“
Mein Gott, das ist doch blöd. „Schubladen einordnen.“ Wie böse und schrecklich. Fragt sich doch, ob es so was wie Schubladen gibt und ob du in die richtige eingeordnet wurdest.

“Lager-Psychologie bedeutet den inneren Zwang, die Menschheit in künstliche Schubladen einzuteilen, die manchmal als "Religionen", als "Rassen" und dann wieder als "Klassen" definiert werden. Die Juden wurden von den Nazis eben dem "feindlichen" Lager zugeordnet und anschließend ermordet.“
Eine schlichte Erklärung. Fragt sich nur, ob das einfach so Ideen waren? Woher kamen die? Zufall? Oder aus dem „inneren Zwang“? Aber woher kam der?
„Rasse“ ist Konstruktion, aber anscheinend eine diesen Verhältnissen entspringende. Klasse dagegen ist keine Konstruktion, sondern Wirklichkeit oder ein Verhältnis das Ausbeutung und Unterdrückung notwendig zur Folge hat. Wenn man meint es gäbe so etwas wie Rassen (ich halte das für absoluten Schwachsinn), dann müsste das nicht notwendig Unterdrückung und Ausbeutung zur Folge haben.
Klasse soll auch nicht vernichtet oder beherrscht werden, sondern aufgehoben werden. Auch die Proleten sollen aufhören Proleten zu sein. Das unterscheidet den „rohen Kommunismus“(Marx), der den Mangel verallgemeinern will, von der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft.

“--Die Nazis haben übrigens kein KZ für deutsche Kapitalisten errichtet. --
Doch.
Unter anderem für deutsche Kapitalisten "jüdischer" Abstammung.“
Aber sie wurden dort nicht als Kapitalisten, sondern als „Juden“ ermordet.

“Die Bolschewiki haben auch kein Lager für bolschewistische Ausbeuter errichtet. Ihr Lagerdenken war also letztlich völlig inhaltslos, (wenn man die "Inhalte" nach marxistischen Kriterien bestimmt).“
Das Missverständnis ist oben beantwortet.

“Polemik ist vielleicht nicht meine Stärke, aber immerhin versuche ich ohne allzu blöde Beleidigungen auszukommen.“
Das stimmt allerdings, sagt Felix Dummkopf.

Felix Lügner

schall und rauch 29.04.2003 - 10:17
Felix D. schreibt.

--Wer wurde im Gulag wegen seiner Abstammung oder Religion ermordet? KeinE EinzigeR! --

WIE BITTE??

lesen wir weiter:

--Es wurden Menschen ermordet wegen ihrer Meinung und(!) Praxis. Wer zu Hause saß und sich dachte der Zar war doch eigentlich ganz gut, kam nicht in den Gulag.--

DOCH.
AUCH SOLCHE LEUTE KAMEN IN DEN GULAG UND ZWAR ZU HUNDERTTAUSENDEN.

Sag mal, Felix, hast du noch NIE davon gehört, daß auch die Kinder von Trotzkisten geholt wurden? Alleine aufgrund ihrer Abstammung? Oder daß die Esperantisten geholt wurden? Alleine aufgrund ihres seltsamen Hobbys? Oder daß 1937 tausende Priester erschossen wurden? Alleine aufgrund ihrer Religion?

Die fürs deutsche Publikum beste Quelle dazu ist natürlich Solschenizyn, aber es gibt auch zigtausend andere Quellen.
Ihr tut immer so, als käme es auf die Quelle an. (Pipes oder nicht?). Euer Problem ist aber, daß euch der GULAG überhaupt nicht interessiert.

Die Tatsachenresistenz von Leuten wie Felix illustriert wohl am besten, was von ihrem Menscheitsbeglückenden Anspruch zu halten ist.

Wer (aus Dummheit oder Bosheit) solche Lügen verbreitet, muß nicht erwarten, daß ich meine Zeit weiter an ihn verschwende.




priesterisch?

felix d. 30.04.2003 - 10:03
guten tag, welcher "abstammung" sind sie?
also, ich bin priesterisch mütterlicherseits und trotzkistisch väterlicherseits.

wenn die bolschewiki zu kapitalisten werden und die priester zur "abstammung"...
in meiner ersten ergänzung habe ich dazu etwas geschrieben. (das mit den qualitäten)

mir reichts aber auch. ausserdem sind wir ja hier sowieso nur noch alleine. brauchst deshalb nicht so zu schreiben, als ob tausende mitlesen.