Direct-Action-Plattform auf dem JUKss

Abt. Kreativ, frech, offensiv, herrschaftsfre 22.04.2003 19:02 Themen: Freiräume
T-Shirts und Tranpis bemalen, Sprühschablonen schnippeln, Aktionen planen, Workshops zum Themenstrang von Utopie, kreativen Widerstandsformen bis zu Dominanzabbau in Gruppen, ständige Anlaufstelle für Tipps und Tricks sowie konkrete Planung für Aktivitäten in mehreren Städten – das alles und noch viel mehr war die Direct-Action-Plattform auf dem Jugendumweltkongress in der nähe Hamburgs. Sie bestand vom 16.-21. – und fand ihre weniger erfreulichen „Höhepunkte“ in der Verhaftung zweiter AktivistInnen am Samstag sowie des gezielten „Klaus“ der technischen Einrichtung, vermutlich durch Staatsschergen.
1. Was sollte die Plattform?
Die Idee der offenen Aktionsplattformen ist nicht ganz neu. Aber bislang ist sie erst einmal verwirklicht worden: 2002 bei den Anti-NATO-Aktionen in München. Eine Reihe direkter Aktionen gingen von dort aus bzw. AktivistInnen nutzen den geschaffenen Raum (siehe Berichte unter  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/antinato/index_nato.html).
Ein wichtiges Element des ganzen ist die zugrundeliegende Idee, mit den offenen Aktionsplattformen gleichberechtigte Handlungsmöglichkeiten für alle zu schaffen. Will heißen: Die Presseverteiler sind nicht mehr Geheimgut elitärer Kreise, die damit die politische Aussage nach außen steuern. Die mit nützlichen Programmen und Dateien bereits vollgepackten Rechner sind nicht mehr in verschlossenen und nur elitären Kreisen zugänglichen Räumen, sondern stehen offen herum, damit alle sie nutzen können. Weitere Aktionsmaterialien, Karten usw. sind ebenso offen. Umgarnt ist das Ganze zudem von Workshops und einer Art ständiger „Beratung“.

Leider konnte die Idee der offenen Aktionsplattform nach München 2002 viermal nicht umgesetzt werden, weil sie von linken Eliten aus allen verfügbaren Räumen ausgeschlossen wurde – beim Atomforum 2002 in Stuttgart, beim Castorprotest November 2002 in Lüneburg, ein Jahr nach dem ersten Versuch bei den NATO-Protesten in München sowie auf dem Direct Action Camp Ostern 2003 auf Burg Lutter (gewalttätiges Rausprügeln durch „Kommune“ Lutter und willige Jungautonomen-VollstreckerInnen).




2. Planung der offenen Plattform auf dem Jugendumweltkongreß
Für das Direct-Action-Camp auf Burg Lutter (dort verboten) und den Jugendumweltkongress hatten einige Basisgruppen gemeinsam den Aufbau einer offenen Aktionsplattform überlegt. Für die Verwirklichung wurde überlegt, die Plattform bausteinartig zu organisieren, ohne dass es eine zentrale Koordinierung gibt. Will heißen: Verschiedene Gruppen und Interessierte kümmern sich um verschiedene Segmente und bringen die mit. Der gewalttätige Angriff auf Burg Lutter führte leider dazu, dass einige Menschen dort ganz abfuhren, weil ihnen die Motivation fehlte. So „landeten“ auf dem Jugendumweltkongreß nur noch Aktivistis aus der Projektwerkstatt in Saasen und der WiderstandsKooperative aus Ludwigsburg mit ihren Materialien.

Ein Einladung- und Infoflyer lud zur Direct-Action-Plattform ein mit folgenden Erklärungstetxt:

Direct Action Plattform ... was ist das?
Direct Action Plattform soll ein Treffpunkt sein für Workshops, angeregte Diskussionen und Austausch und um kreativen Widerstand, direkte Aktionen, (Anti-)Repression und Bewegung „von unten“. Und natürlich Ausgangspunkt für freche Aktionen und eine vielfältige Widerstandskultur hier und anderswo. Vom Workshop zum Umgang mit Polizei, Transpi-Malen über Klettertrainings, Strategiedebatten bis zur Planung von Aktionen ... alles ist möglich! Zur DA-Plattform gehören Materialien, Infrastruktur (DA-Laptop, Drucker usw.), Büchertisch, Ausstellungen und mehr - also recht gute Voraussetzungen für direkte Aktionen.
Mit „Plattform“ ist der Versuch gemeint, einen möglichst offenen und gleichberechtigten Rahmen zu schaffen, in dem Menschen ihre eigenen Ideen selbstbestimmt verwirklichen können. Wesentlich dafür ist der gleichberechtigter Zugang zu allen Ressourcen ... alle Materialien (von Sprühdose über Transpistoff bis zu Presseverteilern und PCs usw.) können von allen jederzeit genutzt werden. Aber auch in den Bereichen, wo Dominanzen weiter bestehen, sei es z.B. durch Wissensunterschiede, Rollen- und Redeverhalten oder Normen, wollen wir versuchen, Hierarchien abzubauen.
Es gibt hier keine Kontrolle oder zentrale Instanz („Plenum“) - die konkret Handelnden entscheiden für sich bzw. ihre Gruppe, was sie tun wollen ... macht was ihr wollt! Alle können hier jederzeit Trainings oder Workshops anbieten, Aktionen planen, Verabredungen treffen usw. Die Plattform soll dabei kein Dienstleistungsbetrieb sein - sie lebt von dem, was die Beteiligten in sie einbringen. Daher fänden wir es cool, wenn sich alle „NutzerInnen“ der Plattform auch verantwortlich fühlen für die Aufrechterhaltung selbiger. Umso mehr Menschen Materialien ranschleppen, Ideen einbringen usw. desto bunter das Ganze!
Was gehört genau zur Plattform?
Folgende Teile sind bereits eingerichtet bzw. vorbereitet:
1. Büchertisch mit Broschüren, Readern, T-Shirts und Büchern zu „Widerstand und Vision“
2. Ausstellungen zu kreativem Widerstand und direkter Aktion
3. Material-Ecke für Aktionen (Transpistoff, Farben, Verkleidungen, Megaphon und alles, was du und andere Menschen noch so einbringen!)
4. DA-Laptop mit Layout-Programmen, Fax- und Emailverteilern usw.
5. Info-Wände zur Transparenz (Was läuft gerade?) und zur Offenlegung von Interessen („Ich will das anbieten“, „Ich suche ...“)

Das ist nur der Ausgangspunkt, nicht das Ende - die Plattform kann von uns allen ständig weiter entwickelt werden. Denn denkbar ist noch viel, viel mehr ... Plattformen sind offen für Erweiterungen, d.h. wenn Menschen spontan neue Bereiche aufbauen wollen, können sie das einfach tun! Wer Lust hat, im DA-Raum z.B. einen Kostümschrank oder eine Musik-Ecke einzurichten - just do it!
Zudem werden immer Leute da sein, die Fragen beantworten oder Workshops zu Kreativ-Widerstand und Organisierung „von unten“ anbieten können. Diese sollen weniger fest angesetzt, sondern aus spontanen Interessen heraus entstehen. Leute, die zu bestimmten Themen Workshops anbieten möchten, können z.B. auf die Infowände zurück greifen ... ansonsten hoffen wir auf die Selbstorganisierung der Menschen!
Plattformen schaffen ... überall!
Wir würden solche Plattformen gerne auch auf anderen Kongressen, Camps oder zu bestimmten „Events“ aufbauen. Ziel ist, die Handlungsfähigkeit von Menschen und Basisgruppen zu stärken und kreativen Widerstand zu verbreiten - als Gegengift zu langweiligen Latschdemos, Elite-Strukturen und Selbstisolierung unabhängiger Gruppen. Falls du bzw. ihr Bock habt, genaueres zur Idee zu erfahren, so etwas mit zu entwickeln, dabei zu sein oder bestimmte Bereiche aufzubauen, lasst es uns wissen ... denn D-Land braucht deutliche Schübe in puncto kreativem Widerstand & hierarchiefreier Organisierung!
Ansonsten: Schnuppert mal rein & nutzt die Plattform für eure Ideen!
Kontakt zu Beteiligten an der DA-Plattform:  piratenutopie@uni.de, 06401-903283, Handy: 0171-8348430


Zudem hingen etliche Plakate aus, eines ist als Abbildung zu sehen.




4. Der Verlauf der Direct-Action-Plattform
Nachdem am ersten Abend die Plattform in einem breiten Flurbereich errichtet wurde, folgten am Tag drauf mehrere kurze Einführungsworkshops in direkte Aktion und die Nutzung der Plattform, zu denen zwischen 5 und 15 Leuten erschienen. In einer Hälfte des Raumes konnten ständig Workshops und Gespräche stattfinden, in der anderen konnte mit Sprayfarben, Transpis, Computer, Sprühschablonen usw. hantiert werden. Ständig war eine Person anwesend, die auch befragt werden konnte.
Ab dem zweiten Tag liefen permanent Workshops. Themen waren u.a.:
a. Kommunikation und Subversion (in Gesprächen, Streit, direkter Begegnung oder per Schrift das Geschehen beeinflussen und Positionen nach außen tragen)
b. Direkte Intervention im Alltag (Widerstand gegen sexistische, rasstische Übergriffe, Diskriminierung von Kindern, Bullenkontrollen und mehr)
c. Fakes (Auszug aus dem Ankündigungstext: „10-11.15 Uhr Fakes ... mit gefälschten Schreiben, Presseinfos usw. die Verhältnisse ein bißchen zum Tanzen bringen (siehe auch Fakeparade am Aufgang zur Direct-Action-Plattform). Oder was vermitteln, Diskussionen ingangsetzen ...“
d. Tipps&Tricks (Auszug aus dem Ankündigungstext: „11.15-12.30 Uhr Tipps & Tricks ... es können alle Frage gestellt werden J, z.B. “woher bekomme ich die Briefköpfe für ein Fake?”, “wie kann ich Texte so schreiben, dass keine Spuren auf dem Compi bleiben?”, “wie kann ich aus einer Verhaftung eine Aktion machen?”, “wie komme ich schnell und einfach an gut stinkende Flüssigkeit?” oder “wie baue ich einen Molli und wie geht das dann weiter ...?”.“
e. Antisexismus
f. Dominanzabbau in Gruppen

Am Samstag waren Aktionen in der Hamburger Innenstadt geplant. Die Direct-Action-Plattform wurde für einige Vorbereitungen genutzt, zudem entwickelten die Aktivistis von der Plattform (zu denen im Verlauf des Kongresses auch einige weitere stiessen) eigene Aktionsideen wie den Kameragottesdienst. Während der Aktion wurden zwei Aktivistis der Direct-Action-Plattform von den Schill-Schergen für ca. zwei Stunden verhaftet u.a. mit dem erklärten Ziel, dadurch die Lage besser unter Kontrolle bringen zu können.

Während der Tage kam es zu einigen Verabredungen zukünftiger Kooperationen sowie Direct-Action-Trainings in verschiedenen Städten. Den wenig erfreulichen Abschluß gab es bei der Abreise ... in Profimanier wurde aus den gepackten Koffern und Kisten der DA-Plattform genau die Technik (Computer, Scanner & Co.) herausgenommen und alles wieder ordentlich zusammengepackt, so dass es erst später auffiel. Das riecht nach den Methoden von Verfassungsschutz bzw. BKA/LKA. Mag sein, dass die die Direct-Action-Plattform und/oder andere Teile des JUKss auch vorher beobachteten, vielleicht ist so auch die Verhaftung genau der Personen zu erklären ... nobody knows.
In jedem Fall ist es der 6. (!) Zugriff der Staatsschergen auf den Laptop der Direct-Action-Plattform (vorher hieß die zwar noch nicht so, aber vor allem aus der Projektwerkstatt werden schon seit Jahren Aktionsmaterialien immer wieder offen zur Verfügung gestellt. Dreimal war es erfolgreich (Anti-Atom-Konferenz Marburg, Anti-Klimaschutz-Aktionswoche Bonn und eben jetzt), dreimal scheiterten sie an zufälligen Störungen oder anschließender Rechtswidrigerklärung (1999 und 2000 bei Anti-Expo-Treffen in Hannover und Braunschweig sowie 2003 bei der technischen Zerschlagung der Projektwerkstatt).

Wie auch immer: Der Direct-Action-Plattform fehlen jetzt transportable Rechner, Scanner und Digitalkamera. Wer die in Zukunft dafür mitbringt und einrichtet (mit passenden Programmen, Faxverteilern usw.) oder dafür neue spendet, wird sich zeigen. Wäre jedenfalls sehr nett.



5. Und weiter?
Das nächste Mal soll die offene Aktionsplattform auf der Anti-Atom-Konferenz in Münster (1.-4.5., siehe  http://www.wigatom.de/ikks) aufgebaut werden. Ohnehin ständig aufgebaut ist sie in der Projektwerkstatt in Saasen. Das Ganze ist aber noch sehr am Anfang und es wäre schön, wenn es noch viel mehr Bausteine gibt, z.B. Kostümsammlungen für Theater, Soundsystems, Lock-on-Material und viel, viel mehr ...



6. Infos:
-Direct-Action-Seite:  http://www.direct-action.de.vu
-Netzwerk für kreativen Widerstand :  http://www.hoppetosse.net
-Kontakt für Direct-Action-Trainings, Suche nach „ReferentInnen“ usw.: Projektwerkstatt,  projektwerkstatt@apg.lahn.de oder 06401/903283

P.S. 25.-27.4. Utopien-Seminar in der Projektwerkstatt in Saasen ... also da, wo die dauernde Direct-Action-Plattform zu finden ist ( http://www.abwehr-der-ordnung.de.vu).
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Ergänzungen

laaangweilig...

. 23.04.2003 - 01:12
..

nicht langweilig

isti 23.04.2003 - 02:57
aber immer dieselbe gebetsmühle in einer neuen verpackung.
und die doofen schafe wollen immer noch nicht erleuchtet werden von den alleinglückseligmachenden herrschaftsbefreiern. warum nur? warum nur?

Deppenkommentare

Depp 24.04.2003 - 18:40
Gegen Herrschaft und Deppenkommentare auf Indy!