Kontakt mit Bagdad: Übersicht ab #41

Indymedia 06.04.2003 17:08 Themen: 3. Golfkrieg Militarismus
Seit Freitag dem 21. März 2003 berichtet robdinz jeden Tag von den Telefongesprächen mit seinem Kontakt in Bagdad. Die Berichte sind im Orginal auf Italienisch und dank verschiedenen ÜbersetzerInnen können wir die Berichte hier in Deutsch veröffentlichen.
Übersicht ab Update #41
  • #54Tuesday April 08, 2003 at 10:14 PM
    Seit 48 Stunden ist kein Telefonkontakt mit Bagdad mehr möglich gewesen. - Rosarita Catani erzählt ein weiteres mal aus Amman, was im arabischen Fernsehen berichtet wird - Dieses widmete heute fast alle Beiträge den Angriffen auf das Hotel Palestine - Die Betroffenheit scheint groß zu sein - Vor dem hotel Palestine kam es zu einer kleinen Spontandemonstration, an der sich normale Menschen und Journalisten beteiligten.

  • #53Tuesday April 08, 2003 at 21:09
    : Amman, 8. April, die Nachrichten von 11,30. - Rosarita Catoni mit einer weiteren Schilderung dessen, was das jordanische Fernsehen über den Krieg in Irak zeigt. - In den vergangenen drei Tagen soll es 3.700 Gefangennahmen gegeben haben. Viele der Betroffenen sind Zivilisten - Das Einfallen amerikanischer Soldaten in Häuser und Wohnungen erweist sich als nicht weniger traumatisierend, als es schon die ganze Zeit Bomben und Raketen sind - Zwei Präsidentenpaläste wurden getroffen - Der irakische Informationsminister negiert die Besetzung seiner Amtsstätte und fordert die irakische Bevölkerung auf, amerikanischer Propaganda keinen glauben zu schenken - Der TV-Korrespondent meint, die Menschen in Bagdad denken, dass die richtigen Kämpfe in der Stadt noch gar nicht begonnen haben.Der Kessel von Basrah - 06.04.03

  • #52Monday April 07, 2003 at 21:47
    Eine Reporterin hat aus Bagdad Zahlen zur Lage der Menschen in Irak gesendet - Nach diesen Informationen haben zwei Millionen Bewohner Bagdads, davon 400.000 Kinder, nichts mehr, wovon sie sich ernähren könnten - Weitere Zahlen schildern die Lage der Menschen in Basrah, Erbil und Umm-Qasr - Ein Schiff mit Trinkwasser und wichtigen Medikamenten bekommt keine Erlaubnis, in den Hafen von Umm-Qasr einzulaufen, weil die Anglo-amerikaner meinen, es könnten "Terroristen" an Bord sein - Den Journalisten im Hotel Palestine wurde geraten, sich unter keinen Umständen vom Fleck zu rühren - Derweil kreist unter ihnen ein Flyer in Englisch und Arabisch mit einer Liste irakischer "Kriegsverbrecher".

  • #51 Sunday April 06, 2003 at 11:08 PM
    Seit Sonntag morgen dringen die Amerikaner in Bagdad ein - Ihr Weg wird offenbar mit Luftangriffen, die noch massiver zu sein scheinen als je zuvor, freigebombt - Ein unabhängiger Reporter trifft einen jungen Fedayn - Kurz zuvor hatten Amerikanische Soldaten in der Nähe des Informationsministeriums 50 unbewaffnete Zivilisten mit brutalen Methoden festgenommen und abtransportiert - Aus Amman berichtet Rosarita Catoni von den abendlichen Nachrichtensendungen - Der Himmel von Bagdad ist schwarz, am helllichten Tag ist es dunkel, wie bei Nacht - Bomben ohne Unterlass - Eine britische Panzerkolonne hat Basrah erreicht und ist in die Stadt gerollt - Den ganzen Tag lang waren die Kämpfe um die Stadt sehr heftig - Kanonenbeschuss - In den Krankenhäusern fließt Blut - Das arabische Fernsehen rechnet mit Aktionen der Fedayn im Laufe der Nacht.

  • #50 Saturday April 05, 2003 at 10:47 PM
    Rosarita Catani berichtet aufs neue aus Aus Shafah Badran bei Amman - Der Flughafen von Bagdad ist wieder in irakischer Hand - Im Fernsehen sieht man die Bilder zerstörter amerikanischer Panzer - Die Amerikaner sind 40 Kilometer von Bagdad entfernt - Menschen äußern sich über ihre Wut - In Basrah neue Bombardements mit 51 Toten - Amerikaner führen am Stadtrand brutale Razzias und Durchsuchungen aus - Menschen werden wie Vieh behandelt, Frauen erleben, wie Soldatenhände beim Durchsuchen ihre intimsten Körperteile anfassen - Alle fünf Minuten kommt im arabischen Fernsehen ein Appell für sofortige humanitäre Hilfe für die Menschen in Irak.

  • #49 Saturday April 05, 2003 at 08:33 PM
    Bagdad sieht der zweiten Belagerungsnacht entgegen - Tausende versuchen, zu Fuß oder per Auto, in Richtung Norden aus der Stadt herauszukommen, ohne zu wissen, wo sie überhaupt hin sollen - Die Stadt ist weiterhin ohne Strom - Die Straßen sind voller Soldaten und Gruppen in Waffen - Auf Lkws sind Raketenbatterien Montiert , entlang der Ufer des tigris wurden Schützengräben gegraben - In den Krankenhäusern verharren die Patienten ohne jede Behandlung, zusammen mit den Ärzten und den Krankenschwestern - Kein einziges Land dieser Welt hat auch versucht, der Bevölkerung zu helfen - Ein humanitärer Korridor ist auch am zweiten Tag der Belagerung nicht zustande gekommen.

  • #48 Friday April 04, 2003 at 10:56 PM
    Eine unabhängige Reporterin, die sich in Jordanien aufhält, berichtet über das, was im arabischen Fernsehen zu sehen ist. - Bilder der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit jagen einander - US-Soldaten, die einfache Menschen misshandeln, Ärzte, die mit nackten Händen und ohne Hilfsmittel versuchen, ein schwerverltzztes Kleinkind zu retten, eine Schwangere Frau, die im Bombenhagel stirbt - Die Lage in Basrah ist dramatisch - Der Bitte des Jordanischen Königs, die Hilfskonvois ins Land zu lassen, hat die amerikanische Regierung nicht entsprochen - 1.500.000 Menschen haben nicht zu essen und nicht zu trinken.

  • #47 Friday April 04, 2003 at 07:15 PM
    Die Bewohner Bagdads bereiten sich auf den Einfall der Amerikaner vor - Die Menschen sind verängstigt, ganze Familien haben sich mit den letzten Vorräten in ihren Wohnungen eingemauert - In den Straßen bauen die Bewohner Bagdads Schutzwälle aus Sandsäcken, überall sind Schützengräben, Fensterscheiben werden mit Klebeband gesichert. - Durch den totalen Stromausfall der vergangenen Nacht war die Stadt in gespenstische Dunkelheit getaucht - Die Schlacht am Flughafen war und ist immer noch so heftig, dass man sie von der Stadt aus hören und sehen kann - Ein Mann, der seine Familie aus der Stadt bringen konnte, hat die unabhängigen Reporter zu sich genommen und teilt nun sein Haus und seine Vorräte mit ihnen - Seine hämmernde Frage, ob es heute Nacht sein wird,vermögen seine Gäste nicht zu beantworten.

  • #46 Thursday April 03, 2003 at 08:15 PM
    Es ist kaum möglich, mit Bagdad zu kommunizieren - Telefonverbindungen halten maximal drei Minuten - Weiter Bomben, weiter viele Tote, kein Strom, weiter kein Wasser - An den Grenzen aller möglichen Nachbarländer stehen Hilfsgüterkonvois bereit, die aufgrund anglo-amerikanischen Widerstands nicht ins Land können - Der Leiter des UN-Büros für humanitäre Hilfen Ross Mountain hat sich nach gescheiterten Versuchen, die Hilfsaktionen in die Wege zu leiten, für hilflos erklärt - Unicef-Mann Mark Vergara warnt vor den gelben Hilfspaketen vom Himmel im Süden Iraks, weil sie einigen Minentypen täuschend ähnlich sind.

  • #45 Wednesday April 02, 2003 at 08:09 PM
    Sajida lebt - Sie ging ans Telefon, als Robdinz nach Bagdad anrief - Die Reporterin, die ihm Sajidas Geschichte erzählt hatte, ist heute bei der Geburtenklinik, die zerbombt wurde gewesen - Sie kannte eine Arzt, der dort arbeitete - Seit zwei Tagen versuchte man schon Schwangere und Wöchnerinnen in kleinere Sanitätsstationen zu verlegen - Es waren aber noch nicht alle weg, und die Autofahrer, die bei dem Bombardement an der Klinik vorbeifuhren sind in ihren Autos verkohlt.

  • #44 Tuesday April 01, 2003 at 10:00 PM
    Es ist nicht möglich, Informationen über den Angriff gegen zwei Kleinbusse, die nahe der irakisch-jordanischen Grenze unabhängige Reporter und Human Shields transportierten, zu bekommen. Dies ist nicht einmal Journalisten aus etablierten Medien gelungen, die sich hierfür verwendet hatten - Die entscheidenden Telefonleitungen sind tot, Mailsendungen kehren zurück an den Absender - Zwei griechische Lkws mit Hilfsgütern sind an der gleichen Grenze blockiert, weil die selben Jagdflugzeuge beim geringsten Versuch, die Grenze zu passieren, das Feuer eröffnen - In Bagdad tragen die Menschen derweil in tiefer Trauer die Toten von al-Shaab zu Grabe, und mit ihnen ihr eigenes Leben, so wie es bis zu diesem Krieg gewesen war.

  • #43 Tuesday April 01, 2003 at 02:42 PM
    Zwei US-Raketen haben auf jordanischem Boden zwei Kleinbusse, die Human Shields zur irakischen Grenze transportierten getroffen. Es gibt Verletzte und Schwerverletzte unter ihnen. Ob es auch Tote gibt, ist noch unklar. Kein Scherz. Die Nachricht wird auch schon durch etablierte italienische Medien bestätigt.

  • #42 Monday March 31, 2003 at 07:21 PM
    In Bagdad fallen inzwischen vermehrt die "Bunker Busters" - Hauptthema von diesem Update sind aber wieder die Kinder, genauer, eine Jugendliche - Ein Mädchen, das per Adoption zur billigen Arbeitskraft in einem Hotel geworden ist und Amerika nur aus den Zeitschriften und Zeitungen der Hotelgäste kennt, und glaubt, die Amerikaner werden sie mitnehmen, da wo der Hollywood-Rasen wächst und die weißen Villen stehen - Die unabhängigen Reporter sind wegen der fehlenden Resonanz des gestrigen Appells enttäuscht - Ihnen scheint ein sofortiger Hilfskorridor unerlässlich, sie begreifen nicht, wieso in diesem Sinne nichts passiert

  • #41 Sunday March 30, 2003 at 07:24 PM
    Etwa zehn irakische Journalisten und sechs unabhängige Reporter führten bei einem Treffen einen intensiven Austausch über tragische Umstände in Bagdad und in ganz Irak, sowie in der äußeren Kommunikation über diesen Krieg, der weltweiten Desinformation. Die europäischen Reporter haben ein sich aus der Lage der Dinge heraus ergebenden, dringlichen Appell der irakischen Kollegen eingehend zur Kenntnis genommen, und beschlossen, diesen zu unterstützen. Sie haben sich vorgenommen, ihn möglichst schnell und möglichst breit nach außen zu tragen und erklärt, dass sie hierfür alles, was in ihren Möglichkeiten ist, tun werden.

  • #40 - 01



In Kontakt mit Bagdad -Update 54



Stand: Tuesday April 08, 2003 at 10:14 PM



 
http://italy.indymedia.org/news/2003/04/251912.php

Reporter sein in Bagdad

Seit zwei Tagen schaffe ich es nicht, mit Bagdad in Verbindung zu treten. Achtundvierzig Stunden, in denen viele Dinge geschehen sind. Die Zahl der Verletzten ist gestiegen, und gestiegen ist die Zahl der Opfer. Sogar das Hotel "Palestine" wurde bombardiert.
Genau über diesen Angriff auf das Hotel der TV Journalisten der großen Networks spricht Rosarita Catani in ihrer Korrespondenz von heute Abend. Davon, wie das arabische Fernsehen die Nachricht behandelt hat, von den toten Kollegen, von der Empörung, die diese Aktion provoziert.

Ich gebe mit dem Versuch, zu telefonieren, nicht auf. Und wenn ich die ganze Nacht dran bleiben muss.

Robdinz


Von Rosarita Catani
Aus Shafah Badran
Amman
Jordanien

Der Mensch auf diesem Bild ist ein Reuters Journalist. Am Gesicht getroffen. Dieses Bild kommentiert sich von selbst.

Heute hat das arabische Fernsehen fast alle Beiträge dem Angriff auf die Journalisten gewidmet.

Der al Jazeera Journalist jordanischer Staatsangehörigkeit hieß Tarek Aiub. Er war gerade aus Amman gekommen, er hinterlässt die Frau und eine kleine Tochter von einem Jahr und zwei Monaten. Er trug eine kugelsichere Weste und hatte einen Helm auf dem Kopf um sich vor etwaige Schüsse zu schützen. Er saß auf dem Boden der Terrasse der Al Jazeera Niederlassung von Bagdad hinter ihm ein Stapel Sandsäcke nach militärischer Art. Er kommentierte gerade was um ihn herum passierte. Er schaut sich um. Und sagt irgendwann zu seinem Gesprächspartner: "Warte, ich höre das Dröhnen der Flugzeuge,. Warte ein Moment, ich höre, wie die Flugzeuge näher kommen". Es war der letzte Satz, den er noch hat sprechen können.

Ein amerikanisches Flugzeug wirft seine Bomben genau über dem Sitz des arabischen Fernsehens ab.

Ich sehe die anderen Journalisten zu ihrem Kollegen rennen und die Reste seines Körpers in einem Laken betten. Tarek Aiub ist auf diese Weise gestorben.

Ein Kameramann des arabischen Fernsehsenders ABUDABI filmt diese Bilder. Es scheint ein Film, ein anderes Flugzeug kommt, wendet und trifft den Sitz des Fernsehens. Vier Journalisten sind schwer verletzt worden. Das Problem ist, dass sie im Krankenhaus keine Medikamente haben, um sie zu versorgen. Die Spannung ist sehr hoch.

Ein spanischer Journalist schießt Fotos und macht Aufnahmen von dem Zusammenstoß zwischen den Fedayn und amerikanischen Panzern auf der Brücke von Bagdad. Vielleicht hat er etwas gesehen, das er nicht sehen sollte, ein Panzer sieht ihn, dreht seine Kanone um, zielt und schießt in Richtung des Hotels. Das Palestine wird gleichzeitig von den Flugzeugen bombardiert.

Der spanische Fotograf ist am Gesicht getroffen. Ein Bein fehlt ihm. Er wird gleich danach im Krankenhaus sterben. Eine Reuters-Journalistin, auch sie wird kurz darauf im Krankenhaus sterben. Eine weitere Kollegin ist auf schwere Weise verletzt. Sie wird in ein Auto getragen. Sie bedeckt sich das Gesicht mit den blutigen Händen und weint.

Der Korrespondent des arabischen Fernsehsenders der Vereinigten Arabischen Emirate "ABUDABI" hat einen Hilferuf gegeben. Er hat appelliert, damit humanitäre Organisationen und Medien eine Gruppe Journalisten retten. Die sind im Büro des Senders von Bagdad.

Der Journalist, sein Name ist Sharek Hamed, der in Direktübertragung auf Sendung war, hat erklärt, dass fünfundzwanzig Leute, die diesem Sender angehören, und weitere al_Jazeera Mitarbeiter sich nicht Bewegen können und aufgrund der Zusammenstöße rund um ihr Büro eingekreist sind.

Derweil treffen sich die Journalisten vor dem Hotel Palestine. Sie zünden Kerzen an, um ihrer Kollegen zu gedenken. Sie machen einen Appell. Sie bitten explizit darum, die Informationsmedien nicht zu attackieren.

In Amman hat vor dem al-Jazeera-Büro eine kleine Demo stattgefunden. Eine freiwillige und spontane Demonstration von normalen Menschen und Journalisten, die schrieen: "Amerikaner raus!"




In Kontakt mit Bagdad - Update 53



Stand: Tuesday April 08, 2003 at 10:35 AM



 
http://italy.indymedia.org/news/2003/04/250726.php


Aus Amman

Es ist inzwischen seit vierundzwanzig Stunden unmöglich, einen telefonischen Kontakt mit Bagdad herzustellen. Diese ist die letzte Korrespondenz aus Amman, die mir Rosarita Catani geschickt hat.

r.

8.4.03

11.30 Uhr

Heute Nacht habe ich nicht schlafen können. Ich hörte immer noch das Geräusch der Flugzeuge und den Krach der Bomben. Ich bin mit einem Gefühl von lähmender Angst erwacht.

Heute sind die anglo-amerikaner in Bagdad.

Die Bombardements gehen weiter. Die Stadt brennt.

Blut fließt. Ich sehe ein Stück eines Beins, der Körper fehlt; lediglich das vom Knie bis zum Fuß zerfledderte Glied. Habe ich diese Szene schon gesehen? Nein, es ist kein Archivbild.

Sie treten die Tür ein. Ein Man öffnet.

Ich höre die englische Stimme "go out" wiederholen. "Go out". Der Mann im Inneren macht eine Geste mit den Händen, sagt ihm, er solle warten. Nicht schießen! Nicht schießen! Er ruft jemanden, der sich im Inneren des Hauses befindet. Er kommt raus! Eine Frau ist mit ihm, vielleicht seine Ehefrau. Ja, es ist seine Frau. Es ist eine Familie wie viele andere. Ich sehe ein Mädchen, das vielleicht fünfzehn Jahre alt ist, und einen nur wenig älteren Jungen. Auch zwei Kleinkinder sind dabei, sie dürften vier oder fünf Jahre alt sein.

Sie lassen sie auf die Erde knien, und die Hände hoch heben. Die Frau weint, sie führt sich die Hände vor den Mund. Das Mädchen sucht ihre Nähe, und weint mit ihr. Sie haben Angst. Die Soldaten ziehen mit ihrem "Baruda" - dem Gewehr, auf ihre Köpfe.

Die Kleinen heben ebenfalls ihre Händchen hoch. Sie hocken auf dem Boden. Sie unterdrücken ihre Tränen. Die Kamera nimmt sie ins Bild. In ihren großen und dunkelschwarzen Augen sieht man das sie terrorisiert sind. Man sieht den Terror.

Ich sehe sie, und denke an meinen Sohn. Mir wird zum heulen.

Die anglo-amerikanischen Kräfte haben bis heute 3.700 Personen gefangen genommen. Unter ihnen sind viele Zivilisten zu Gefangene gemacht worden.

Die Amerikaner haben rund um Bagdad Straßenkontrollstellen aufgebaut. Sie sind noch nicht im Stadtzentrum.

Ich sehe die Straßen. Sie haben auch zwei Präsidentenpaläste getroffen.

Man sieht ein getroffenes Haus. Im Inneren des Schlafzimmers ein großes Loch im Dach und ein anderes in der Außenmauer des Hauses. Reste der Mauern liegen auf dem Bett und auf dem Boden. Ein mann hent den Koran auf, entfernt den Staub und küsst ihn.

Ein ganzes Wohnhaus dem Erdboden gleich gemacht. Die Menschen graben mit den bloßen Händen in den Trümmern. Ein Kuscheltier liegt auf der Erde. Eine Frau in Tränen sagt, dass sie alle gestorben sind. Meine ganze Familie ist tot. Mir ist nur mein zweijähriger Neffe geblieben.

Der irakische Informationsminister lanciert eine Botschaft an die Bevölkerung und sagt, sie soll der amerikanischen Propaganda nicht glauben. Seht ihr, sagt er, die amerikaner sagten, sie hätten das Informationsministerium besetzt. Hier, der Palast ist direkt hier, hinter meinen Schultern.

Krankenhaus von Bagdad. Während der letzten drei Tage hat es im Schnitt 100 Verletzte pro Stunde gegeben. Heute zählt man allein in Bagdad 31 Tote, aber die Zahl wird steigen.

Auf den kleinen Betten liegen Kinder. Sie sind alle klein, zwischen 18 Monaten und sechs Jahren. Der eine ist am Kopf getroffen worden, der andere am Bauch, und andere noch im Gesicht. Ein junge hat einen Stumpf an stelle des Fußes.

Die Liste ist lang und endlos.

Das Städtchen al Musal ist ebenfalls schwer bombardiert worden. Hier geht das Leben weiter. Das Stadtzentrum ist voller Leute. Eine Interviewte Frau sagt: "Das ist mein Haus. Ich rühre mich nicht von hier weg, ich habe keine Angst, also werde ich auch nicht gehen". Sie werden mich nicht verjagen. Das! Ist mein Haus."

Der Korrespondent kommentiert, dass seiner Meinung nach die irakische Bevölkerung überzeugt ist, dass der Krieg in die heiße Phase kommen wird, wenn die Amerikaner in die Stadt hinein gehen werden.



In Kontakt mit Bagdad - Update 52



Stand: Monday April 07, 2003 at 05:52 PM



 
http://italy.indymedia.org/news/2003/04/249935.php


Die Zahlen des Krieges


Die Zahlen des Krieges haben nichts mit dem Krieg der Zahlen zu tun.
Die Zahlen des Krieges haben einen Namen und ein Gesicht, die Zahlen des Krieges beeindrucken, weil sie das Gewicht der Wahrheit haben, weil hinter den Zahlen des Krieges sich das Leid von Männern und Frauen, Kindern und Alten verbirgt. Die Zahlen des Krieges stellen den Krieg selbst in den Vordergrund, schlagen uns diesen unvermittelt ins Gesicht.

Die Zahlen, die ich wiedergebe, erreichen mich per Mail, die mir ein Angehöriger einer Reporterin schickt, mit der ich mich nicht in Verbindung setzen konnte. Es scheint wieder einer dieser für telefonische Kontakte ganz ungünstigen Tage zu sein. Gestern, nach einem Treffen mit irakischen Ärzten an einem sicheren Ort (weder ein Krankenhaus, noch ein Hotel), konnte sie vom gleichen Ort, wo sie waren, den Verwandten eine reihe Mail schicken. Eine davon enthält nachrichten, die ich veröffentliche.

Mich erreichen die aufgearbeiteten Daten, was schlicht bedeutet, dass sie miteinander addiert sind, die folgendes besagen:

5.000.000 Menschen sind in Bagdad belagert, ohne wasser und ohne Medikamente.

2.000.000 Zivilisten haben nichts mehr, wovon sie sich ernähren könnten.

400.000 davon sind Kinder, die inzwischen seit dem tag des Kriegsbeginns mangel- und unterernährt sind.

100.000 leiden an Durchfall, Typhus und an Erkrankungen der Atemwege, ohne dass es eine Möglichkeit gäbe, für sie etwas zu tun, wegen des absoluten Fehlens an Medikamenten und medizinischen Instrumenten.

5.000 Personen sind in den noch begehbaren Krankenhäusern der Stadt. Bei einer festgestellten und geprüften Kapazität von 500 Betten. Die übergroße Mehrzahl von ihnen ist in einem sehr schlimmen Zustand, wegen Knochenbrüchen, amputierten Gliedern und Wunden, die inzwischen zu gefährlichen Infektionen degeneriert sind.

1.000 die Opfer allein in Bagdad. 500 die offiziellen, weil sie in Krankenhäusern gestorben sind oder in Anwesenheit von Zeugen oder Ärzten.

2.000 die Verletzten innerhalb der letzten drei Tage, die keine Möglichkeit haben werden, die geringste ärztliche Betreuung zu bekommen, sei es weil die Krankenhäuser voll sind, sei es, wegen des Fehlens jedweder Therapiemöglichkeiten.

Erste, gestern Abend in Bagdad eingetroffene, nicht zensierte Nachrichten unterstreichen, dass die Lage in anderen Teilen Iraks genau so dramatisch ist.

Basrah: 1,3 Millionen Menschen sind seit über einer Woche ohne Wasser und Strom. Siebzig Prozent der Bewohner ist gezwungen, auf das Wasser des Flusses zurückzugreifen, um zu trinken, zu kochen und sich zu waschen. Sämtliche Elektrizitätswerke der Stadt sind Bombardiert und zerstört worden. Die elektrische Energie gewährleistete die Wasserbeförderung. Die Notaggregate sind sofort zum Einsatz gekommen, wurden aber ebenfalls getroffen. 100.000 Kinder aus Basrah befinden sich in der gleichen dramatischen Situation, wie ihre Altersgenossen aus Bagdad.

Erbil:

Die intensiven Bombardements und die von der Intervention der anglo-amerikaner verursachte Zerstörung der Stadt haben die Bevölkerung gezwungen, in die nahen Berge zu fliehen. Ohne Nahrung, Decken oder irgendwelchen Komfort, bei extrem strengen Temperaturen.

Umm Qasr:

Die Stadt ist schwer bombardiert worden. Hunderte die Opfer.
Außerhalb des Hafens ist ein Schiff, das über eine Million Liter Trinkwasser und essentielle Medikamente transportiert, dem von den englischen und amerikanischen Kräften keine Erlaubnis zum Einlaufen bekommt, aus "Angst, dass sich Terroristen an Bord befinden könnten".

Man berichtet mir, dass seit heute Nacht in beide Richtungen die Grenzen mit Syrien, Jordanien, der Türkei und dem Iran geschlossen sind, wo sich amerikanische Bodentruppen in Stellung gebracht haben, die sogar die Flüchtlinge, die versuchen, dem Krieg zu entkommen, daran hindern, die eilig von Acnur errichteten Camps zu erreichen. Wie es beim perfekt eingerichteten Camp von El Hol ist, direkt hinter der syrischen Grenze, das die flüchtende irakische Bevölkerung nicht erreichen kann.

Weiterhin haben die anglo-amerikaner die Journalisten der großen Networks, die noch in großer Zahl im Hotel "Palestine" anwesend sind wissen lassen, dass sie sich aus keinerlei Gründen weg vom Hotel bewegen sollen.

Unter den "offiziellen" Journalisten kreist eine Liste irakischer "Kriegsverbrecher" (Gedruckt auf Flyern in Englisch und Arabisch), die neben Saddam Hussein anführt:

Uday Hussein, Ältester Sohn Saddams

Qusay Hussein, Zweitältester

Ali Hassan, General der Republikanischen Garde

Terek Aziz, Vize-Ministerpräsident (er erscheint in der Liste mit seinem wahren Namen: Mikhail Yuhanna)

Izzat Ibrahim al-Douri, Vize-Präsident der Bath-Partei

Hani al-Latif Tulfah, Innenminister

Aziz Salih Numan, Nationalsektretär der Baath-Partei

Abed Hammoud al-Tikriti, (indicangeführt als Assistent Saddams)

Taha Yassim Ramadam Iraks Vize-Präsident

Ich werde wie immer am Telefon hängen, und auch auf die Reports von Rosarita Catani aus Amman warten.

Bis nachher,

r.




In Kontakt mit Bagdad - Update 51


Stand: Sunday April 06, 2003 at 11:08 PM



 
http://italy.indymedia.org/news/2003/04/248878.php

Das ist der Krieg?

Der von Staub und Schlamm verschmutzte Hummer-Jeep mit den "US-Army" Kennzeichen rollt gerade hintere der Universität langsam vor. Hinter ihm ein Konvoi aus mindestens fünfzehn weiteren militärischen "Leicht"- Fahrzeugen. Auf jedem ist ein schweres Maschinengewehr montiert, von denen, die einen Ladestreifen mit fingerdicken Patronen haben, der aus beiden Seiten der Patronenkammer ragt. Drei Männer, drei amerikanische Soldaten mit Helm samt Tarnüberzug und einer Jacke aus dicker, beiger Baumwolle, aus der g dünne Fäden und Kabel kommen, die zu den Ohrknöpfen und den Kommunikationssystemen führen. Der Soldat, der das Gewehr unter den Händen hat, erscheint bewegungslos, auf den elektronischen Sucher Konzentriert.

Die Kolonne rollt durch eine irreale Stille voran, die ab und zu durch die düsteren, trockenen Geräusche der Granaten unterbrochen wird, die wenige Straßen weiter aus den Panzern der invasorischen Armee geworfen werden. Plötzlich und ohne ersichtlichen Grund richtet sich das Maschinengewehr in Richtung einer verschlossenen Wohnung im ersten Stock eines kleinen, weißen Gebäudes, und eine Maschinengewehrgarbe geht los. Dutzende, Hunderte Geschosse durchbohren den dünnen Schutz der Fenster aus Holz und Eisenblech. Und lässt die Tontöpfe voller Blumen, die noch ordentlich aufgereiht den kleinen Balkon schmückten, in Scherben zerfallen. Das eiserne Geländer, das die Tür des Hauses sicherte, kracht auf den Boden und wird von den großen Rädern der Geländewagen, die ihren Vormarsch fortsetzen, plattgefahren. Hinter geschlossenen und mit Zeitungspapier verdunkelten Fenstern in nur fünfzig Meter Entfernung von der Besatzerpatrouille ist ein flach am Boden liegender unabhängiger Reporter, der Zeuge der Aktion ist und mir diese mit großer Bewegtheit beschreibt.

Momentan befindet er sich in einem gut besuchten Hotel der Hauptstadt, das entschieden sicherer ist, aber das, wovon er heute Zeuge gewesen ist, das wird er nur schwerlich vergessen können.

Schon seit dem Morgen haben die Schläge, die Raketen, die Bomben die Bereiche Süd, Nord, und West von Bagdad getroffen. Ab 11 Uhr sind alle durch die Megaphone der Soldaten und der Polizei über die Ausgangssperre informiert worden, die um 18 beginnen sollte und mindestens bis zum Sonnenaufgang andauern wird. Das Problem für mein Kontakt ist also, sich schnell und behutsam zu bewegen, um genau bis in die Umgebung der Universität zu gelangen, die von der ganzen Hauptstadt die am schlimmsten zugerichtete ist, und wo er mit zwei weiteren Kollegen verabredet ist.

Das Stadtzentrum ist vollständig in der Hand der irakischen Armee und der zahlreichen "Fedayn", die bewaffnet und zivil gekleidet sind und nervös die Straßen der Hauptstadt auf und ab gehen. Der Verkehr ist gleich null, die Zirkulation der Autos ist auf ein Minimum reduziert. Nur ein kleines Stückchen Glück lässt den Reporter auf einen alten Bus treffen, der auf dem Weg nach Süden ist. Er nimmt ihn, und achtet gut auf die von dem Bus gefahrene Strecke, um sich nicht in unbekannten Bereichen der Stadt wiederzufinden.

In Höhe des Informationsministeriums wird ihm bewusst, dass praktisch die ganze Wohngegend rund um den Platz bombardiert wurde, am Boden sind noch einige unter Steine liegende Opfer zu sehen. Als wäre es ein pietätvolles Begräbnis.

Noch wenige Meter, und er beschließt, aus dem Bus auszusteigen. Besser versuchen, zu Fuß weiterzukommen. Kaum hinter dem Fernsehzentrum von IraqiTV, ein kleiner Pulk Leute, die lebhaft zu diskutieren scheinen. Ein großer, dünner junger Mann mit einer um den Hals gewickelten rotweißen Kefiah drückt sich auf Englisch aus und warnt den Reporter davor, jenseits des Blumenbeets, das eine Kreuzung abgrenzt, weiterzulaufen. Nicht weniger als zehn oder zwölf Autos sind vollständig verkohlt. Wenn man hinaufsieht, ist die ganze Fassade eines sechsstöckigen Gebäudes in jedem ihrer einzelnen Bestandteile zerrissen. Aus den Rahmen gerissene Fenster, Möbel und Tür- und Fensterflügel überall. Der irakische Junge schafft es, mit hastiger Ausdrucksweise zu beschreiben, was vor weniger als einer Stunde passiert ist.

Wir sind im Areal, das unmittelbar an der Grenze zum südlichen Stadtrand Bagdads liegt. Niemand wagt sich jenseits dieser Gebäude.

Eine Kolonne aus amerikanischen Panzerfahrzeugen und Jeeps ist bis zum Platz vorgefahren, und hat die Blumenbeete, die ihn abgrenzten überrollt und auf die geparkten Autos geschossen. Nach einer halben Runde auf dem Rondell haben sie sich wie vor diesem Gebäude aufgestellt und das Feuer eröffnet. Mit Härte, auf alles und nichts zielend, Maüern zerreißend und in die Wohnungen eindringend. Nach wenigen Minuten hat sich mindestens eine Gruppe Bewohner schreiend und weinend hinaus gestürzt. Es schien, als hätten die Soldaten auf sie gewartet: gejagt, hin- und -her geschubst und zu Boden geworfen. Mit weißen Plastikbändern wurden ihnen die Handgelenke hinter dem Rücken verschränkt. Dann wurden die Köpfe an den Haaren gepackt und mit Gewalt in schwarze Kapuzen gesteckt. Dann die Tritte, Die Spucke, die Gewehrkolben, eingesetzt wie Keulen. Dutzende Meter über dem Boden geschleift, und in die Panzerfahrzeuge geworfen.

Diese Behandlung ist mindestens fünfzig nicht bewaffneten Zivilisten zuteil geworden, größtenteils Frauen, Alte und Kinder, die ohne Strom, ohne Wasser und Medikamente in dem Gebäude wohnten. Seit mehr als sechs Tagen Gefangene des eigenen Hauses. Sechs Tage Angst und Entsetzen. Die heute morgen mit einer wahrhaftigen multiplen Freiheitsberaubung zum Schaden, wiederholt mein Kontakt, unbewaffneter Zivilisten. Einmal die "militärische Operation" beendet, har die militärische Fahrzeugkolonne die Runde um den Platz vollendet und ist in den staubigen Straßen, die zum Flughafen führen verschwunden.

Der irakische Junge versteht das Unwohlsein des europäischen Reporters. Ein Fremder, aber kein Feind; er bittet ihn, etwas weiter weg zu gehen, bis zu einer Garage, fast versteckt von den Ruinen eines Bombardements der letzten Tage. Ist das der Krieg? Fragt er, ohne eine Antwort zu bekommen. Sind das die Amerikaner, die uns befreien wollen? Die Männer, die wir respektieren sollten, weil sie gekommen sind, unsere Menschenrechte zu gewährleisten? Was würdest Du tun, wenn es die Angehörigen deiner Familie wären, die von diesen Soldaten getreten werden, Kapuzen über den Kopf gezogen bekommen und abgeführt werden?

Der Reporter weiß nicht, was er antworten soll, er denkt an den Termin, den er einhalten muss, an die naherückende Sperrstunde und an das, was er hinter diesen Häusern vorfinden wird.

Aber der irakische Junge legt nach: Du bist doch Europäer, sag mir, was denken die Eu-Bürger über diesen Krieg?

Komm mit, Dir mein Haus ansehen, es ist gerade mal hier oben. Die beiden gehen die Treppe hoch un kommen zu einer hölzernen Tür, die sich Feisal, so heißt der Junge, mit zwei Fußstößen öffnen lässt. Der Reporter kommt rein und findet mindestens zehn Leute, Feisals Familie, teils sitzend und teils liegend auf dem Boden. Sie machen ihm Zeichen, dass er nicht sprechen und keinen Lärm machen soll. Der Horror hat sich in diesen Gesichtern mit langen Bärten, in diesen von Schleiern umrandeten weiblichen Zügen eingemeißelt.

Dann, ein Knall, schon wieder, das Geräusch der Militärfahrzeuge. Feisal späht durch die Zeitungen, die die Fenster bedecken. Die Amerikaner, die Amerikaner, schreit er fast, und alle ducken sich zu Boden. Feisal führt den Reporter in ein anderes Zimmer und lädt ihn ein, nach draußen zu sehen. Die Kolonne aus fünfzehn Hummer-Jeeps. Mit den "US-Army" Schriftzügen. Die, die zuvor gegen den kleinen Balkon vom ersten Stock gefeuert hatten, wo noch die mit Blumen gefüllten Tontöpfe waren.

Ist das der Krieg? Fragt Feisal noch einmal.
Ja, ist das der Krieg?

Nach etwa einer Stunde bietet Feisal, der von dem Termin des Reporters mit seinen Kollegen erfahren hat ihm an, ihn mit dem Auto dort hinzubringen. Aber nicht bis zum Hotel, das sei um zurückzukommen zu gefährlich, für Feisal. Sie gehen wieder runter auf die Straße, und nach dem er ganz eng mit zwei weiteren Jungen gesprochen hat, kommt ein alter Renault, in dem weitere Jungs sitzen, zu Feisal. Der Reporter steigt ein, den Rucksack auf den Knien. Um ihm Platz zu machen, sind die Insassen gezwungen, zwei Maschinepistolen und zwei Gewehre bei Seite zu räumen und ziehen sich ihre Kefiahs über die Gesichter.

Nach zehn Minuten einer Fahrt über Straßen, die man sich nicht vorstellen kann, Gräbern und Wiesen und Ein- und Ausfahrten aus verlassenen Lagerhäusern bleibt das Auto stehen. Der Reporter steigt aus, und deutet mit einer Geste einen Gruß für Feisal und die anderen an.

Weißt Du, sagt ihm Feisal, wir sind "Fedayn", es kann sein, dass wir in einer Stunde, morgen oder in einigen Tagen kämpfend gestorben sein werden. Was werden die Zeitungen in deiner Heimat sagen? Dass wir "Selbstmordattentäter" sind, dass wir kaltblütig junge Leute aus Colorado oder Kalifornien getötet haben, die gekommen waren, uns die Freiheit zu bringen, und unsere Rechte zu verteidigen?

Unter den in Kapuzen gesteckten, brutalisierten Zivilisten, von denen wir nicht einmal wissen, wo sie hingekommen sind, oder warum ihnen das Haus zerstört und sie zu Gefangenen gemacht wurden, waren die Eltern von Saul. Und deutet auf den jungen Mann mit den langen schwarzen Haaren am Steuer des Autos.

Ist das der Krieg? Fragt Feisal ein letztes Mal, bevor er wieder in das Auto steigt und sich in einer Wolke aus Steinen, die durch die Autoreifen in der Luft geschleudert werden, entfernt.

Möge die Nacht leicht sein.

r.

Hier die Korrespondenzen von Rosarita Catani aus Amman, die sich die 19.00 Uhr und die 23.30 Uhr Nachrichten des Satellitensenders "Al-Jazeera" und des Jordanischen Fernsehens angesehen hat.

Von Rosarita Catani
Aus Shafah Badran
Amman
Jordanien

6.4.2003 - h. 19.00.

Der Himmel von Bagdad ist schwarz. Es gibt keinen Himmel in Bagdad, Es ist helllichter Tag, ab er scheint tiefste Nacht.
Es ist Heiß! Die Luft ist wegen des Rauch und wegen der Hitze noch unerträglicher einzuatmen.
Ich höre die Geräusche der Flugzeuge. Die Raketen, die wie Regen fallen.
Da! Ich sehe sie! Hier noch eine, die ein Haus trifft. Man sieht die Stücke in die Luft fliegen.
Der al-Jazeera Journalist kommentiert die Bilder.
Während er kommentiert sieht er sich um. Bei jedem Knall zuckt er zusammen.
Ich sehe die Bilder und ich empfinde Angst. Eine Angst, die sich jenseits des Bildschirms überträgt.
Ich fühle sie in mir.
Der Journalist dreht jedes Mal wenn er das Geräusch eines Flugzeugs hört den Kopf. Er zeigt es. Sein Blick ist düster.
Ich höre das Explodieren der Bomben. Es fühlt sich an, als hätte man sie in der Wohnung. Auch ich habe Angst, jetzt.
Die Stadt ist menschenleer.
Man sieht nur diesen Vorhang aus schwarzem Rauch und das Feuer.
Heute sind die Bombardements noch stärker, noch verbissener. Sie bombardieren überall, inzwischen. Sie zielen nicht mehr auf präzise Objekte.
Die Bilder verschieben sich nach Basrah.
Es hat gewaltige Zusammenstöße zwischen den irakischen Milizen und den britischen Soldaten gegeben.
Eine britische Panzerkarawane rollt auf Basrah zu. Sie sind an den Toren der Stadt angekommen.
Sie schießen Kanonenschläge. Es werden zivile Wohnstätten getroffen.
Sie dringen mit ihren dhabbahs (Panzer) in die Stadt.
Die Stadt ist zermartert.
Das arabische Fernsehen teilt mit, dass die Fedayn heute Nacht sehr wahrscheinlich in Aktion treten werden, um die britischen Soldaten zu treffen.

6.4.03

Nachrichten von 23.30 Uhr örtliche Zeit

Die Bombardements gehen weiter. Es gibt keine Atempause.
Man kennt das Ausmaß der Schäden und das Ausmaß der Opfer noch nicht.
Ich sehe in den Krankenhäuser das Blut fließen. Ich rieche den Geruch des Todes. Man kann den Geruch des Todes riechen.
Kinder. Die Kinder... was für ein Leid.
Sie bringen einen Verletzten Jungen, wie klein er ist, er wird gerade mal zwei Jahre alt sein. Er ist am Kopf getroffen.
Es gibt keinen Platz. Sie legen sie alle auf den Boden, die Verletzten.
Ich sehe die Ärzte, die von einer Ecke in die nächste rennen.
Eine Frau weint: "Bush will keinen Frieden. Wir bitten um Frieden, er weiß nicht einmal, was das bedeutet, Frieden. Von einem meiner Söhne weiß ich nicht einmal, wo er ist, und der andere ist mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus" Schreit sie! Es ist der verzweifelte Schrei einer Mutter.
Sie trocknet sich mit ihrem Ishar die Tränen ab und geht weg.
Eine andere Mutter schreit ihren ganzen Schmerz hinaus, und sagt: Lasst unsere Kinder groß werden. Lasst sie leben und groß werden.
In dieser Nacht gibt es keine Ruhepause. Die Bomben fallen weiter.
Ich weiß nicht, ob es mir heute Nacht gelingen wird, zu schlafen.
Vor meinen Augen sind nur Zerstörung und Tod.



In Kontakt mit Bagdad - Update 50

Stand: Saturday April 05, 2003 at 10:47 PM (Quelle, DE)

Rosarita Catani berichtet aufs neue aus Aus Shafah Badran bei Amman - Der Flughafen von Bagdad ist wieder in irakischer Hand - Im Fernsehen sieht man die Bilder zerstörter amerikanischer Panzer - Die Amerikaner sind 40 Kilometer von Bagdad entfernt - Menschen äußern sich über ihre Wut - In Basrah neue Bombardements mit 51 Toten - Amerikaner führen am Stadtrand brutale Razzias und Durchsuchungen aus - Menschen werden wie Vieh behandelt, Frauen erleben, wie Soldatenhände beim Durchsuchen ihre intimsten Körperteile anfassen - Alle fünf Minuten kommt im arabischen Fernsehen ein Appell für sofortige humanitäre Hilfe für die Menschen in Irak.

Das arabische Fernsehen. Ohne Zensur.

Ein weiteres Mal eine starke Korrespondenz von Rosarita Catani, die mir aus Amman, Jordanien, schreibt.

Die von ihr beschriebenen sind unzensierte Bilder, die heute Abend im arabischen Fernsehen übertragen wurden. Und sie bedürfen wirklich keinen Kommentars, um zu verstehen, was in diesen Stunden in Bagdad passiert. Es bliebe zu verstehen, warum Rai, Mediaset und La7 (A.d.Ü.: italienisches Staatsfernsehen plus Private, sprich Berlusconi-Medienimperium) diese Bilder nicht verbreiten. Aber in Wirklichkeit wissen wir das ja schon.

"Flughafen Bagdad"

von Rosarita Catani Aus Shafah Badran (Amman) Jordanien 5.4,03

Der Flughafen von Bagdad ist nach einer von "Fedayn" durchgeführten Operation wieder in der Hand der Iraker. Sie sind mit TNT vollbeladen ins Innere des Flughafens eingedrungen und haben sich in die Luft gejagt. Man sieht die Bilder der zerstörten amerikanischen Panzer. Die Menschen gehen auf die Straße hinaus, springen auf die Panzer und singen Siegeshymnen.

Die Amerikaner sind in Abu Grebh, vierzig Kilometer von Bagdad entfernt.

Ich sehe die Bilder der irakischen Hauptstadt. Zerstörte Straßen, zerstörte Häuser. "Seht, seht - ruft ein Mann den Journalisten zu - sie haben mein Haus zerstört, es war alles, was ich besaß". Ein anderer interviewter Mensch sagt: "Sie - die Amerikaner - sagen, dass wir sie nicht mögen. Ich sage warum: der Grund ist offensichtlich, sie haben unsere Kinder getötet, sie haben unsere Geschichte umgebracht, und jetzt wollen sie unser Land nehmen". Wieder Bombardements.

In al Musal, bei Bagdad, kennt man die Zahl der Toten noch nicht. Man sieht den schwarzen Rauch. Ein Ascheregen fällt.

In Basrah, neue Bombardements, acht Häuser wurden getroffen, einundfünfzig sind die Toten. An den Toren der Stadt sieht man amerikanische Soldaten, die Männer und Frauen durchsuchen. Ein Mann weint! Ich sehe, dass die Soldaten seine Frau und seine Tochter durchsuchen. Sie sind traditionell gekleidet. Die Soldaten stecken ihre Hände ins Innere ihrer Kleider, berühren die intimsten Körperteile. Er fühlt sich im Angesicht dieser Szene ohnmächtig und ruft. ?Kalas!? - Schluss, Aufhören!

Wenn dies für eine europäische Frau erniedrigend ist, für eine arabische Frau ist es eine unerhörte Gewalttätigkeit.

Weiter Razzias. Sie treten die Türen der Häuser mit Tritten ein. Sie gehen rein, jagen die Menschen aus dem Haus. Mein Gott, ich weiß nicht, ob das erlaubt ist. Sie sind in ein Haus eingedrungen. Die Menschen schliefen. Sie haben die Männer gepackt und ihnen Plastikkapuzen aufgestülpt. Sie haben sie an Händen und Füßen gefesselt. Sie werfen sie mit Tritten hinaus und richten das Gewehr auf ihren Kopf.

Ich fühle mich Ohnmächtig, vor alldem.

Das arabische Fernsehen tut nichts anderes, als Appelle für die humanitären Hilfen in Iraq zu lancieren. Sie bringen alle fünf Minuten einen Spot. Sie brauchen schnellstmöglichst Blut und Medikamente.


In Kontakt mit Bagdad - Update 49

Stand: Saturday April 05, 2003 at 08:33 PM (Quelle, DE)

Bagdad sieht der zweiten Belagerungsnacht entgegen - Tausende versuchen, zu Fuß oder per Auto, in Richtung Norden aus der Stadt herauszukommen, ohne zu wissen, wo sie überhaupt hin sollen - Die Stadt ist weiterhin ohne Strom - Die Straßen sind voller Soldaten und Gruppen in Waffen - Auf Lkws sind Raketenbatterien Montiert , entlang der Ufer des tigris wurden Schützengräben gegraben - In den Krankenhäusern verharren die Patienten ohne jede Behandlung, zusammen mit den Ärzten und den Krankenschwestern - Kein einziges Land dieser Welt hat auch versucht, der Bevölkerung zu helfen - Ein humanitärer Korridor ist auch am zweiten Tag der Belagerung nicht zustande gekommen.

Die Belagerung

Die dünne rote Linie, die die Bewohner Bagdads von den anglo-amerikanischen Armeen trennt, verläuft direkt hinter der Universität, und durchquert wie die gewundene Biegung eines Flusses das Gebiet vom Saddam International Airport bis zu den Kasernen für die Ausbildung der republikanischen Garde im südlichen Teil der Hauptstadt.

Die Stimme am Telefon erreicht mich klar und trocken, ohne eine Modulation, die ich als seelischen Angst- oder Erregungszustand interpretieren könnte. Eine Stimme, die mir von Krieg erzählt. Eine Stimme aus dem Krieg. Sie bittet mich, folgende Nachricht zu verbreiten: "Wir sind aktuell zu sechst in Bagdad, und stehen unter einander in Kontakt. Wir kennen die Risiken, denen wir bald begegnen werden sehr gut, aber wir sind organisiert und uns ist bewusst, wie wir uns bewegen sollen. Die Bezugsorte, die wir uns gegeben haben, sind der Reihe nach das Hotel "Palestine", das Hotel "Sheraton", die Büros der russischen Botschaft und die apostolische Nuntiatur. Alles Orte, diese, die wir in der Lage sind, zu erreichen und wo wir in der Lage sein werden, Schutz und Beistand zu finden, falls uns die minimalsten Voraussetzungen, um der Nacht entgegenzusehen fehlen sollten oder bei Dingen, die in den kommenden Tagen in Bagdad passieren könnten".

Seit heute morgen ist die Stadt vollständig militarisiert. Tausende Soldaten sind auf den Plätzen und entlang der wichtigsten Straßen aufgestellt. Kanonen mit verschiedenen Durchmessern sind auf Lkws aufgebaut, gepanzerte Fahrzeuge und kleine und wendige Geländewagen. Entlang der Ufer des Tigris sind Schützengräben gegraben worden. Sogar auf den Dächern der Gebäude kann man Soldaten und Waffen entdecken. Raketenbatterien auf Miltärfahrzeugen bewegen sich langsam innerhalb der Stadt. Es ist unmöglich, die Universität zu erreichen, man kann sie nur aus der Ferne sehen, und nur den Teil der Gebäude, die von den Bombardements der letzten Tage verschont wurden. Die Kontrollstellen sind gemischt aus Polizei und Armee zusammengesetzt, sie blockieren alle Straßen, auch die langen "Abkürzungen", die oft von den unabhängigen Reportern benutzt wurden, um sich ohne Probleme zu bewegen. In kleinen "Mannschaften" von je 50 Leuten organisierte Zivilistengruppen (vielleicht "Fedayn") patrouillieren die wichtigsten Straßen der Stadt auf und ab und gesellen sich oft zu den Militärs, um sich gleich danach wieder von ihnen zu entfernen. In der ganzen Stadt fehlt der Strom, auch die kleinen "Bazaars", die bis gestern geöffnet waren, sind jetzt geschlossen. Zugesperrt, bedeckt mit Brettern und Eisenblechen, die an Türen und Fenstern angenagelt sind. Zwei Kolonnen aus Autos, Kleinbussen und Pick-ups sind in Richtung Norden aufgereiht, und versuchen die großen Autobahnen zu erreichen, die nach Jordanien und Syrien führen. Ganze Familien, sechs, acht oder auch zehn Leute, Männer, Frauen, Kinder und Alte drängen sich aneinander, die einen über die anderen gepfercht, in den Gehäusen. Auf dem Dach, und oft mit Schnüren auf dem Kofferraum festgebunden, alles, was sie geschafft haben, mitzunehmen. Koffer, Teppiche, Matratzen, Gemälde, Teller und Töpfe, Kleidung. Und auch Fernseher, Radios und Ventilatoren. Auf einem Toyota Pick-up, ganz oben auf einem Stapel aus Kleidungsstücken und Gegenständen, verhüllt eine bunte Decke in starken Farben einen großen Käfig aus Holz und Eisen voller total bunter Papageien. Eine lange Schlange Iraqis bewegt sich in die gleiche Richtung der Autos, aber zu Fuß, mit gebeugten krummen Rücken, durch die Last eines unnatürlichen Umzugs, der die Arme nach unten baumeln lässt und nach vorne, als suchte man Luft und Platz. An der Hand gehalten und geschleppt, viele, unheimlich viele, erstaunte und verängstigte Kinder. Niemand von ihnen weiß, wohin er gehen, welche Richtung er einschlagen soll, wo er je hinkommen wird, um diese schreckliche Last, die er sich mit Schnüren und Gurten an den Körper festgebunden hat, abzulegen.

Um 19.15 MEZ berichtet man mir, dass nicht ein einziger amerikanischer Soldat oder ein miltärisches Fahrzeug des Besatzungsheeres in den städtischen Bereich Bagdads eingedrungen, und damit innerhalb von diesem anwesend ist. Über die Schlacht jagt das eine unkontrollierbare Gerücht das nächste. Viele Stadtbewohner reden von über 100 vom irakischen Widerstand getöteten invasorischen Soldaten im Bereich des Flughafens. Die Nachrichten, die in der Stadt aufgelesen werden, behaupten, dass der Saddam International Airport immer noch unter irakischer Kontrolle ist. Kein humanitärer Korridor ist geöffnet worden, um der Bevölkerung zu Hilfe zu kommen: der auf der Flucht, mit Tausenden von sich selbst überlassenen Personen, und der weit überwiegenden Mehrheit der fünf Millionen Bewohner der Hauptstadt, die in den in Selbsthilfe befestigten Häusern eingeschlossen kauern, um das, was in den Vorratskammern zu trinken und zu essen übrig bleibt, miteinander zu teilen. In den Krankenhäusern sind die Patienten in den unteren Etagen und unter den Treppenhäusern zusammengelegt worden, ohne Medikamente und medizinische Versorgung, allein von den unglaublichen Ärzten und Krankenschwestern im Schein von Öllampen betreut.

Es ist diese die zweite Nacht der Belagerung, der Bagdad gezwungen ist entgegenzusehen, ohne dass eine einzige Regierung, oder der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und nicht einmal das europäische Parlament auch nur einen Finger krumm gemacht hätten, einen Schrei, einen Alarmruf, ein konkretes Appell abgegeben hätten, um der irakischen Bevölkerung zu helfen, um zu versuchen, Millionen durch ein invasorisches Heer, das einseitig einen illegalen, ungerechten und grausamen Krieg erklärt hat, in der Falle sitzende Männer, Frauen und Kinder zu retten.

Und bei diesem in den letzten Sekunden des Telefongesprächs aufgegriffenen Satz, bevor das Selbe unterbrochen wurde, spüre ich, dass die Trockene und nüchterne Stimme, die ich vor wenigen Minuten hörte, wie geknickt und durch ein Schaudern aus Empörung und Entsetzen bewegt ist. Eine mit den Bewohnern von Bagdad in dieser langen Belagerungsnacht geteilte und erlebte Angst.

Möge die Nacht leicht sein.

r.


In Kontakt mit Bagdad - Update 48

Stand: Friday April 04, 2003 at 10:56 PM (Quelle, DE)

Eine unabhängige Reporterin, die sich in Jordanien aufhält, berichtet über das, was im arabischen Fernsehen zu sehen ist. - Bilder der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit jagen einander - US-Soldaten, die einfache Menschen misshandeln, Ärzte, die mit nackten Händen und ohne Hilfsmittel versuchen, ein schwerverltzztes Kleinkind zu retten, eine Schwangere Frau, die im Bombenhagel stirbt - Die Lage in Basrah ist dramatisch - Der Bitte des Jordanischen Königs, die Hilfskonvois ins Land zu lassen, hat die amerikanische Regierung nicht entsprochen - 1.500.000 Menschen haben nicht zu essen und nicht zu trinken.

Rosarita aus Jordanien

Ich habe vor wenigen Minuten diese Impressionen aus Jordanien bekommen. Die Autorin ist eine unabhängige Reporterin die sich jetzt in Jordanien befindet, in Shafah Badran, unweit von Amman.

Ihr Stil ist trocken, vielleicht ein Wenig rau, aber er gibt sehr gut den Geist wieder, mit dem die arabische Öffentlichkeit diesen grausamen und illegalen Krieg gegen den Irak erlebt.

Hinzu kommt, dass Rosarita Catani, die offensichtlich italienischer Abstammung ist, uns die von den Arabischen TV-Sendern ausgestrahlten Bilder beschreibt. Bilder, die in Italien durch die zwischen den italienischen Networks existierende Kungelei zensiert, unterlassen und geschnitten werden.

Eine andere Erklärung gibt es nicht dafür, dass die Bilder, die Rai, Mediaset und La7 uns aus arabischen Quellen zeigen, alle gleich und im Sinne des Prinzips vom "gerechten Krieg" funktionalisiert sind. Dank Rosarita, die mit einer erheblichen Portion Mut und geistiger Aufrichtigkeit meiner Bitte, sich öffentlich zu erkennen zu geben, entsprochen hat. Wie eine waschechte Reporterin.

Rosarita, mit der ich in täglichem Kontakt bin, wird mir weitere Korrespondenzen zukommen lassen, und ich werde sie hier wiedergeben, so wie sie sie schreiben wird, ohne Zensur oder Vermittlung.

r.

Von Rosarita Catani Aus Shafah Badran Aman Jordanien. 4.4.03

Der König Abdallah von Jordanien bat die amerikanische Regierung die Lebensmittellieferungen die an der Grenze zwischen Iraq und Jordanien liegen ins Land zu lassen.

Die Verantwortlichen haben die Einfuhr besagter Vorräte, die heute noch immer an der Grenze liegen, abgelehnt. Nach angaben örtlicher Quellen wollen die Amerikaner selbst die Lebensmittel verteilen, um sie nicht der ganzen Bevölkerung, die sie braucht, zu geben. Hier fängt es an, heiß zu werden, heute waren es in Amman 30°, weshalb die ganzen Lebensmittel und Medikamente Gefahr laufen, zu verkommen. Das arabische Fernsehen berichtet, dass etwa 1.500.000 Menschen aus der irakischen Bevölkerung nichts zu essen und nichts zu trinken hat. Heute haben in Amman etwa 15.000 Leute gegen den Krieg demonstriert.

Eine irakische Frau mit einem vom Schmerz gezeichneten Gesicht, die nicht einmal mehr Tränen hat, um ihre Toten beweinen zu können, erzählte, dass sie ihre Kinder verloren hat und dass die anderen beiden im Iraq waren. Sie sagt "Inshallah" (wenn Gott will) verjagt Saddam die Amerikaner aus unserem Land. Eine weitere schreit hoffentlich (inshallah) bricht Bush in zwei Stücke auseinander und die Amerikaner gehen raus aus diesen Landstrichen. Ein Mann weint: "Genug! Sagt er, sie bringen unsere Kinder um!"

Das arabische Fernsehen sendet weiter einander jagende Bilder und Nachrichten. Die Amerikaner haben den Flughafen "Saddam Hussein" in Bagdad erreicht.

Saddam Hussein macht eine Mitteilung im Fernsehen, und erklärt, den Flughafen bombardieren zu wollen, um ihn nicht in amerikanischer Hand zu lassen. Weitere Bombardements über Iraq. Die Bomben fallen auf die Menschen, auf die zivilen Gebäude. Die Bilder, die wir sehen, sind schrecklich. Eine schwangere Frau, in Folge des Bombardements gestorben, während sie auf dem Weg ins Krankenhaus war, um zu gebären. Ein verletzter Junge riskiert sein Bein zu verlieren. Ein Aufeinanderfolgen von Nachrichten, die eine hinter die andere.

Die Genfer Konvention ist für die Amerikaner nicht existent. Sie achten die Menschenrechte nicht.

In Najef, einem kleinen Ort, sieht man amerikanische Soldaten, die ein Auto anhalten, in dem zwei irakische Bürger sind. Siw werden aufgefordert, auszusteigen. Anschließend misshandeln sie die beiden, sie werden mit Gewalt geschubst, an den Kopf geschlagen, durchsucht. Die Männer werden wie Ziegen gepackt und auf Lkws verfrachtet.

Am schlimmsten ist die Situation in Basrah, wo Wasser, Strom und Medikamente fehlen. Es herrscht eine ernste Seuchengefahr. Vor allem die Kinder werden es nicht schaffen, zu überleben. Insbesondere die Kleinsten, die schwere Durchfallerkrankungen haben und für die es keine Medikamente gibt, um sie zu behandeln. In den Krankenhäusern fehlt es an Allem. Es fehlen Narkosemittel, Desinfektionsmittel. Um zu behandeln verwendet man Verbandsmaterial, das zufällig zusammengekratzt wurde.

Die Kinder, wie übel ist es, diese gemarterten kleinen Körper zu sehen. Ein kleiner Junge, er wird vielleicht drei Jahre alt gewesen sein, mit offenem Bauch und einem zerfetzten Arm. Er weint nicht, er vergießt keine Träne, er schreit nicht und er fragt nicht nach der Mutter, er ist nicht tot, er ist wach, und schaut sich um. Die Ärzte sind dabei, zu versuchen, ihn zu retten. Ohne Handschuhe, mit blutbeschmierten Händen, um zu versuchen, die Blutungen zu stillen, um zu versuchen, zu behandeln. Ich kann diese Bilder nicht ansehen."


In Kontakt mit Bagdad - Update 47

Stand: Friday April 04, 2003 at 07:15 PM (Quelle, DE)

Die Bewohner Bagdads bereiten sich auf den Einfall der Amerikaner vor - Die Menschen sind verängstigt, ganze Familien haben sich mit den letzten Vorräten in ihren Wohnungen eingemauert - In den Straßen bauen die Bewohner Bagdads Schutzwälle aus Sandsäcken, überall sind Schützengräben, Fensterscheiben werden mit Klebeband gesichert. - Durch den totalen Stromausfall der vergangenen Nacht war die Stadt in gespenstische Dunkelheit getaucht - Die Schlacht am Flughafen war und ist immer noch so heftig, dass man sie von der Stadt aus hören und sehen kann - Ein Mann, der seine Familie aus der Stadt bringen konnte, hat die unabhängigen Reporter zu sich genommen und teilt nun sein Haus und seine Vorräte mit ihnen - Seine hämmernde Frage, ob es heute Nacht sein wird,vermögen seine Gäste nicht zu beantworten.

Wird es heute Nacht sein?

Dieser Tag ist in Bagdad nicht wie die anderen. Das Gefühl, das etwas bevorsteht, das nicht wieder rückgängig gemacht werden kann,ist nicht nur in der Luft, sondern in den Straßen und in den Gesichtern der Iraqis geschnitten. Man kann es förmlich fühlen, es ist sichtbar. Die Telefonverbindung, die ein Freizeichen gab, auf das nach so vielen Stunden nicht mehr zu hoffen war, bringt mir Kunde von einem Bagdad, das am Ende ist. Oder am Anfang von etwas, das für immer die Stadt und die Bevölkerung zeichnen wird.

Tausende Soldaten haben sich inzwischen an den Randgebieten der Hauptstadt angesammelt. Die ganze Nacht sind wieder die Lkws ohne Planen voller Miliz in Uniform aufgetaucht, die von einer Seite zur anderen des Flusses rannte. Die Bomben und die Raketen sind ununterbrochen weiter gefallen und explodiert, sie haben weiter Brände verursacht und Wohnviertel, Baumreihen, noch mal die Universität und einen Flügel des Nationalmuseums zerstört. Und doch war die Stadt in der vergangenen Nacht voller Leute, die entlang der Mauern und der Flussufer und sogar auf den Dächern der Altstadt liefen und rannten. Die Altstadt und das gesamte urbanisierte Territorium Bagdads sind im Dunkeln geblieben, in einer furchteinflößenden, undurchdringlichen Dunkelheit. Wer mit mir spricht packt gerade seine Sachen, verschließt Rucksack und Taschen, um woanders hinzugehen. Man vertraut dem Verbleib in kleinen Hotels nicht mehr, sie ziehen es vor, sich so gut viel wie möglich zusammen zu tun. Zum einen aus Sicherheitsgründen, zum anderen um etwas der Spannung und der Angst, die einem den Hals verschnüren, entgegenzusetzen. Am frühen Morgen sind die bewaffneten Männer in Zivil, die oft während der Nacht die Straßen patrouillierten, mit am Gürtel befestigten Gasmasken gesehen worden. Nicht alle hatten welche. Man sagt mir aber, dass der Eindruck schrecklich gewesen ist.

Das Haus in dem sich meine Kontakte versammeln ist nicht weit von Shaab, wo der von den amerikanischen Raketen zerstörte Markt war. Die Fensterscheiben sind durch Holzbretter ersetzt worden, und jeder einzelne Gegenstand, der irgendwie nicht niet- und nagelfest war, wurde auf den Boden gelegt. Unter dem Haus befindet sich ein Corinthenlager, der überall einen fast berauschenden Duft verbreitet, bis in die Räume des Hauses. Dem Besitzer ist es gerade gestern früh gelungen, seine Familie aus der Stadt hinaus zu schaffen, bis zum Bauernhof des Bruders, der kaum außerhalb Bagdads liegt. Er ist überzeugt, dass sie dort sicherer seien. Aber er verlässt sein Haus und das Lager nicht, wo er die Trauben trocknen ließ und für die Konditoreien aufarbeitete, in dem er sie mit anderen Trockenfrüchten mischte. Er bereitete Dosenobstsalat zu und brannte, trotz des formalen Verbots, einen Schnaps, der von wohlverdienter Bekanntheit war.

Von Mund zu Mund kommen die Nachrichten über die große Schlacht am Flughafen, die die ganze Nacht andauerte und ganz und gar nicht zu Ende ist. Nachrichten, die Mal euphorisch waren "wir haben sie zurückgeschickt, die Amerikaner", und Mal, die meisten Male, nicht. "100 Tote, nein, 300, wegen der Bomben der Invasoren". Die Schlacht am Flughafen konnte man bis in die Stadt hören. Man hat sie gehört und gesehen, mit diesen Explosionen, die nicht mehr am Boden stattfanden, sondern zehn, fünfzehn Meter oberhalb der Einrichtungen und Gebäude. Es war, als würden die Bomben und die Raketen unter Verbreitung eines extrem starken gelbgrünen Lichts explodieren, das Kilometerweit alles, was drum herum war, erleuchtete. Mit einem Krach, mit einem Lärm, mit einem Explosionsgedonner, den man noch nie gehört hatte, so sehr war er gigantisch laut.

Gerade wegen seiner Arbeit mit dem Obst verwahrte der Besitzer in großen eisernen und steinernen Wannen sehr viel Wasser. Das bis vor zwei Tagen zum Kochen diente, und zum Trinken, nachdem es abgekocht worden war. Heute hat er es den Reportern, die bei ihm sind, gezeigt, und ihnen Seife und nach frisch Gewaschenem duftende Handtücher zugeworfen. Sie haben sich nicht zwei Mal bitten lassen und einander mit einem Eimer aushelfend geduscht.

Bagdad sieht aus wie befestigt, wie ein Schützengraben, wie ein Vorposten. In dem sich fünf Millionen verschreckter Stadtbewohner befinden. Die nicht mehr damit beschäftigt sind, die von den Bomben Verursachten Trümmer und den Schutt auf den Gehwegen und vor den Hauseingängen zu beseitigen, sondern damit, große und kleine Sandsäcke als schwachen Frontlinien-Schutz gegen das Einbrechen des Krieges bis in ihre Häuser, in die Gassen und in die Straßen der Hauptstadt aufeinander zu stapeln.

Meterweise rollen sie Klebeband auf, das sie über Kreuz auf die Fenster der Geschäfte und der Häuser kleben. In manchen Fällen, berichtet man mir, werden sogar die Eingänge zu den Wohnungen wortwörtlich zugemauert, in denen unheimlich viele Familien Zuflucht gesucht haben, die wie Gefangene der eigenen Häuser sind, mit letzten Nahrungs- und Wasservorräten um auf diese Nacht, die kommen muss, zu warten. Eine endlos lange Nacht.

Das Haus in dem sich die Reporter befinden, ist wie in seinem Inneren "verschoben" und weit mehr einem möglichst sicheren Beobachtungs- und Warteplatz ähnlich. Die umgekippten Betten bilden mit den am Boden liegenden Matratzen, die mit den Kissen der Sofas zusammengelegt sind, eine Art riesiges Bett, so wie die, die Kinder bauen, wenn sie spielen oder Angst haben. Fahez´s Teppiche, so heißt der Hausherr, sind ebenso im größeren Zimmer auf dem Boden ausgelegt, so dass man "weich gebettet" sitzend oder liegend essen und die Radionachrichten hören kann. Ziegenkäse, in der Pfanne gekochtes Hühner- und Lammfleisch, mit pikanten Gewürzen und Gemüse. Die Vorratskammer von Fahez war voll, aber jetzt, wo die Familie "in Sicherheit" ist, will sie Fahez mit diesen Fremden teilen, die er für etwas verrückt hält, und immer noch in Bagdad sind, um einen Krieg zu erzählen, der jetzt wirklich nah ist. Als würde der Krieg der Bomben und der Raketen, die weiter die Stadt in Stücke reißen, nicht reichen.

Der Krieg ist jetzt wirklich nah. Der Krieg mit dem Krach der Kanonen, der Gewehre, der Panzer, mit dem Blut in den Straßen. Der Krieg des Widerstands der Stadtbewohner und der Bevölkerung gegen die Invasoren. Aber der Krieg, wird er schon diese Nacht sein? fragt Fahez eindringlich die Reporter, während sie Gemüse putzen und wirklich nicht wissen, was sie ihm antworten könnten. Heute Nacht? Sie schauen sich gegenseitig an und vermögen es nicht einmal Worte für eine Antwort zu finden.

Möge die Nacht leicht sein.

r.


In Kontakt mit Bagdad - Update 46

Stand: Thursday April 03, 2003 at 08:15 PM (Quelle, DE)

Es ist kaum möglich, mit Bagdad zu kommunizieren - Telefonverbindungen halten maximal drei Minuten - Weiter Bomben, weiter viele Tote, kein Strom, weiter kein Wasser - An den Grenzen aller möglichen Nachbarländer stehen Hilfsgüterkonvois bereit, die aufgrund anglo-amerikanischen Widerstands nicht ins Land können - Der Leiter des UN-Büros für humanitäre Hilfen Ross Mountain hat sich nach gescheiterten Versuchen, die Hilfsaktionen in die Wege zu leiten, für hilflos erklärt - Unicef-Mann Mark Vergara warnt vor den gelben Hilfspaketen vom Himmel im Süden Iraks, weil sie einigen Minentypen täuschend ähnlich sind.

Humanitäre Hilfen

Heute zum ersten Mal seit beginn der Korrespondenzen, ist es praktisch unmöglich gewesen, mit Bagdad zu kommunizieren. Ich sage praktisch, weil es mir tatsächlich mehrmals gelungen ist, die Verbindung herzustellen, aber jedes Mal nie für länger als eine bis drei Minuten, seit sieben Uhr heute morgen bis acht Uhr heute Abend.

Zerrissene Worte, unterbrochene Gedanken: die Bomben fallen weiter... der Markt von Nahrawan wurde getroffen... weitere Opfer, viele...Soldaten überall..., Schützengräben in den Straßen und Plätzen...mein Hotel hat die Fensterscheiben durch Holzbretter ersetzt...bewaffnete Zivilisten auf der Straße...es gibt keinen Strom mehr...alle zivilen Objekte (die, die unter Beobachtung der Human Shields standen) getroffen....unmöglich, die Stadt zu verlassen.

Und dann die Fragen, die ich nicht schaffte, zu beantworten, die sich mit den Stimmen meiner Kontakte überschlagen: Aber die Amerikaner, wie weit sind sie von Bagdad? Was passiert in den restlichen Landesteilen? Was sagen CNN, Sky News? Ist die Straße um nach Jordanien zu kommen geöffnet? Sagt allen, dass sie nicht hierher kommen sollen, es ist nicht möglich in die Stadt zu gelangen. Alles gesperrt...sämtliche Stadtrandgebiete sind unter dem Feuer der Bomben und der Raketen. Wann kommen die Hilfen für die zivile Bevölkerung? Sind humanitäre Korridore geöffnet worden? Und die Medikamente? Hier sind wir immer noch ohne Wasser!

Aus Genf, auf der anderen Seite der Welt, kam inzwischen die Antwort auf eine der Fragen, die ich geschafft hatte, aufzunehmen, ohne dass ich die Zeit gehabt hätte, um zu antworten.

Ross Mountain, der Leiter des UN-Büros, das sämtliche humanitäre Hilfen Koordiniert und sich in der schweizerischen Stadt befand, um zu versuchen, des Problems der zivilen Hilfen für den vom Krieg verwüsteten und von den anglo-amerikanischen Invasoren-Heeren okkupierten Irak Herr zu werden, gab der Presse eine Erklärung von außergewöhnlicher Heftigkeit ab, für einen, der es gewöhnt ist, sich auf den dünnen diplomatischen Kommunikationsparketts zu bewegen.

"Zehntausende Tonnen Lebensmittelhilfen,, logistischer Materialien zur Errichtung von Flüchtlingscamps und Impf- und Medizinvorräte gegen Cholera, Typhus und Kinderdhiarrhöe (A.d.Ü.: Durchfall) sind nebst Ausstattungen für Operationssäle seit Tagen an den Grenzen der Türkei, Syriens, Jordaniens, Irans und Kuwaits blockiert. Die Leitstäbe der Vereinigten Staaten und Englands verhindern die Einfahrt in den Irak weil sie sich weigern, humanitäre Korridore zu den Städten und zu den Dörfern zu öffnen, im denen sich die größten Entbehrungen für die Zivilbevölkerung herauskristallisieren. Und sie denken nicht einmal daran, Eskorten zur Verfügung zu stellen, um die humanitären Konvois in Sicherheit reisen zu lassen."

Ross Mountain eröffnet dann, mit polemischer Präzision, einige der Mengen und Typologien der von den anglo-amerikanern blockierten Hilfen:

  • 25.000 Tonnen Lebensmittel, Trocken- und Pulvernahrung und Mehlsäcke für die Kinder.
  • 15.000 Zelte um die ersten Flüchtlingscamps zu errichten.
  • 100.000 Wolldecken.
  • 25.000 Packungen Trinkwasser.
  • 15.000 Impfkits gegen Cholera und Typhus.
  • 350.000 Binden und Windeln.

Immer stärker irritiert, verlieh Mountain seinen Äußerungen mit einer tragischen, aber einfachen Prophezeiung noch weiteres Gewicht: "Ich fühle mich mittlerweile der wahrhaftigen humanitären Katastrophe gegenüber, die in Irak im Gange ist, ohnmächtig"

Am Nachmittag ist die Anklage Mark Vergara eingetroffen, dem Verantwortlichen für die humanitären Hilfen der Unicef, der mit dem Finger auf die Essensportionen, die zu rein propagandistischem Zweck von den US-Flugzeugen über die zivilen Bevölkerungen im Süden des Landes abgeworfen werden: "Vorsicht" mahnt Vergara, "diese Nahrungspakete befinden sich im Inneren von halbfesten Hüllen in gelber Farbe, die den, der sie in die Hand nehmen sollte, irreführen können. Die Behälter sind vom Aussehen her nämlich einigen Minentypen, die auf dem Boden gestreut werden, und nur knapp von der Erde bedeckt sind, praktisch identisch. Mit Folgen, die leicht vorstellbar sind".

Die telefonleitungen greifen nicht, die mails kommen zurück. Das Gefühl der Ohnmacht ist nah dran, stärker zu werden, als die Dinge, die zu tun sind. Aber was, was tun? Und ich fahre fort damit, immer wieder zu versuchen, diese Nummern zu wählen, die ich inzwischen auswendig kann. Und ich werde es den ganzen Abend so weiter machen. Bis dieses verfluchte Zeichen nicht klar und frei sein wird, und ich nicht die Stimme eines der Kontakte hören werde. Ich werde bis in die Nacht weitermachen.

Möge die Nacht leicht sein.

r.


In Kontakt mit Bagdad - Update 45

Stand: Wednesday April 02, 2003 at 08:09 PM (Quelle, DE)

Sajida lebt - Sie ging ans Telefon, als Robdinz nach Bagdad anrief - Die Reporterin, die ihm Sajidas Geschichte erzählt hatte, ist heute bei der Geburtenklinik, die zerbombt wurde gewesen - Sie kannte eine Arzt, der dort arbeitete - Seit zwei Tagen versuchte man schon Schwangere und Wöchnerinnen in kleinere Sanitätsstationen zu verlegen - Es waren aber noch nicht alle weg, und die Autofahrer, die bei dem Bombardement an der Klinik vorbeifuhren sind in ihren Autos verkohlt.

"Baraka"

Was für ein Glück, habe ich gedacht, als ich nach bloß zwanzig Minuten Leerläufe störungsfreie Freizeichen in der Leitung hörte. Ich habe mich geschämt, dieses Wort auch nur gedacht zu haben. Eine dünne, deutlich zu vernehmende Stimme antwortet mir, zuerst auf Arabisch, sofort danach höre ich ein klares "hello". Ich frage nach meinem Kontakt, der in wenigen Sekunden am Apparat ist. Mensch, war das Sajida? Ja, sagt mir mein Kontakt, bei dem es sich wieder um die Reporterin und Filmemacherin handelt, die mir neulich abends die Geschichte der Kindbüglerin aus dem Hotel erzählte, in dem sie seit einigen Woche lebt. Ja, es war wirklich Sajida, die bei mir im Zimmer ist, um mir zu helfen eine Hose mit kaputtem Reißverschluss zu reparieren. Zum Glück, sagt sie, hat Sajida eine wahre Fundgrube in den Koffern, die sie unter ihrem Bett aufbewahrt. Und am Schluss haben wir einen Reißverschluss, der für diese Hose angepasst werden kann gefunden. Glück. Du wirst es schon wissen, unterbricht sie mich, während ich ihr so schnell ich kann, das Kriegsbulletin das uns in Europa zu kennen gegeben ist, durchgebe - sie haben die Geburtenklinik getroffen, auseinandergerissen. Die vom Roten Halbmond verwaltet wurde. Die von Said. Sie war mehrere Male in dieser Klinik gewesen, sie hatte Stunden Material gedreht, unter diesen Frauen, die in Erwartung ihrer Niederkunft waren oder gerade erst ihr Kind geboren hatten. Und dort hatte sie Said kennen gelernt, der in Kairo sein Medizinstudium abgeschlossen hat und in London in Gynäkologie spezialisierte. Es waren die Tage voller Spannung und Angst vor dem Krieg. Es waren die Terrortage der ersten Bombardements. Und immer war Said bei ihr. Nicht jung, etwa sechzig Jahre alt, die er gut wegsteckte, kräftig, graue Haare und einen riesigen Schnauzbart, der ihm beinahe die Lippen bedeckte. Said ist Junggeselle, in der arabischen Welt eine Rarität. Intelligent, brilliant, voll mit einem nüchternen Sinn für Humor. Sein fließendes Englisch, und irgendwie sein Charme, hatten die Filmemacherin dazu gebracht, einige Male eine Einladung zum Essen bei ihm zu Hause anzunehmen. Ein nicht großes, aber sehr schönes Haus in einem modernen Wohnviertel, hell, voller Bücher. Und sie hatten zusammen gelacht, als Said ihr den handgeschriebenen Zettel gezeigt und übersetzt hatte, der an seiner Haustür angebracht war, als sich die Bombardements über die ganze Stadt intensiviert hatten: Hier lebt (noch für heute, sofern es die Bomben erlauben) der Dr. Said. Im Leben bedarf es auch eine guten Portion "Baraka", (Glück) hatte er ihr gesagt.

Glück.

Und sie hatten bis zum Morgengrauen Trockenobst gegessen, Satellitenzapping gemacht und einige Gläser eines kräftigen irischen Whiskey getrunken. Als die Reporterin heute morgen die Nachricht erhalten hat, dass die Geburtenklinik von Bomben und Raketen getroffen worden war, ist sie aus dem Hotel raus, sie hat angefangen wie verrückt zu rennen, durch Straßen und Gassen, sich zwischen Autos schlängelnd und ohne auf die Lkws zu achten. Ohne sich wegen der Papiere zu sorgen, wegen dem Fehlen der Visa, das sie zwingt, immer sehr vorsichtig zu sein. Je näher sie kam, desto besser konnte sie den Rauch sehen, der ihr den Blick auf das entstellte Bild einer Seite der Klinik verdeckte, die getroffen und zerstört war. In Stücken. Draußen waren Autos, die von der Form her intakt waren, aber lichterloh brannten, und mit ihnen die verkohlten Insassen, die noch die Hände auf dem Lenkrad hatten. Flammen, Flammen überall, Verletzte, zu Staub gemachte Krankenhausgeräte, ein Teppich aus Glas, Betten, Kinderbetten. Decken und Laken, die aus den Trümmern vom ersten und zweiten Stockwerk hingen. Und dann diese Schreie, diese Verzweiflungsszenen, an die man sich unmöglich gewöhnen kann. Aber diesmal ist es schlimmer, hat sie gedacht. Es ist schlimmer als alles andere. Das ist die Geburtenklinik, wo nur Frauen, Kinder, Ärzte und Krankenschwestern sind. Das erste Opfer unter ihren Augen lag unter einer schweren Betonplatte, mit all diesen Eisenträgern, die verdreht aus dem Gestein ragten und die schmalen Fußgelenke berührten, und Füße, die noch diese weißen Gummipantoffeln trugen, die typisch für die Krankenschwestern auf der ganzen Welt sind. Sie suchte Said. Der mit Sicherheit dort war, aber sie konnte ihn nicht finden. Sie bahnte sich einen Weg durch die Hektik der Helfer, sie guckte in die Autos, die wie Krankenwagen die Verletzten in irgend ein anderes Krankenhaus brachten. Sie versuchte, ihn unter der weißen Decke aus Schutt zu entdecken, die wie Mehl die Überlebenden bedeckte. Die Verletzten, fast alle Ärzte und Pflegekräfte der Klinik, wurden draußen auf den Boden gesetzt, die einen neben die anderen. Fast alles Frauen, die überwiegend von dieser Myriade Splitter getroffen waren, die dich am ganzen Körper bluten lassen. Eine, eine einzige, hatte einen riesigen Bauch, und atmete hechelnd. Einen Augenblick lang, beim Anblick diesen Bauches, ging ihr dieses Wort durch den Kopf, Glück. Vielleicht hätte sie es geschafft, und mit ihr, ihr Kind.

Glück.

Sie merkte, dass ein alter Mann mit weißem Haar und nach vorn gestreckten Armen auf der Erde kniete, neben einem alten, zerfetzten Kühlschrank, den die Bomben von wer weiß woher dort hingeschleudert hatten. Sie schaute genauer, als wolle sie dieses Bild, das etwas Vertrautes an sich hatte, fokussieren. Sie ging näher heran und fand Said. Said betete, mit einem Kleinen Koran-Buch fest in den Händen geklammert. Sie wusste nicht, dass said religiös war, so religiös, dass er den Koran bei sich trug. Nach dem sie ihn an den Schultern gerüttelt hatte, hat sich Said zu ihr umgedreht. Er weinte, Said, er schluchzte. Plötzlich war er alt geworden, die Lippen und die Zunge voller Staub und Kalk, und er weinte, Said. Was für ein Glück, hat sie gedacht, er lebt.

Glück.

Aber er fand keine Ruhe. Er konnte keine Ruhe finden. Und weinte weiter, mit den Tränen und dem Speichel, die sich mit dem Staub und dem Kalk vermischten und ihn unkenntlich machten. Sie ist einige Minuten neben ihm auf der erde sitzen geblieben. Wortlos, beim Versuch, diesen alten, erschütterten und verzweifelten Körper durch Streicheln seines Rückens zu beruhigen. Aber wie viele werden die Tote der Klinik sein? Und die Verletzten? Und alle Opfer des heutigen Tages? Wo werden sie eingeschlagen sein, wo werden sie hingegangen sein, um zu explodieren, die Raketen und die Bomben, die ohne Unterbrechung weiter fallen? Was wird es noch geben, das schlimmer sein wird, als Bomben auf einer Geburtenklinik? Baraka, ein Glück, dass Said hier ist. Er wird sich beruhigen, ich werde ihm helfen, ich werde alles tun, für ihn. Er lebt.

Glück.

Said beruhigt sich und steht auf, als würde er wieder zu Sinnen kommen und Selbstbewusstsein wiederfinden. Er geht an ihrer Seite und schaut sich um. Er deutet mit den Händen auf die lange Zeile verletzter Männer und Frauen, die am Boden liegen, und begint, schneller zu gehen. Er ist Arzt, und er beherrscht sein Handwerk gut. Jetzt hat er zu tun, sich um die Verletzten zu kümmern, die bis vor einer Stunde seine Patientinnen waren, seine Kollegen und seine Krankenschwestern. Er sagt ihr, dass sie zum Glück in den letzten zwei Tagen viele Patientinnen in andere, kleine Sanitätsstationen verlegt hatten, um sie in Sicherheit zu bringen, und mit ihnen die Frauen, die ihre Kinderchen gerade geboren hatten.

Glück.

Aber sie hatten es nicht geschafft, alle zu verlegen. Es waren die Ärzte und die Krankenschwestern zurückgeblieben, um die Verlegungen fortzusetzen und sich um die, die noch hier waren, zu kümmern.

Und hier sind sie jetzt, sagt er, und deutet auf die Verletzten.

Weißt du, im Leben bedarf es manchmal wirklich eines Quentchens Glück, sagt er, nachdem er den Bauch dieser Frau berührt hat. Es geht ihr gut, sagt e, und ihrem Kind auch.

"Baraka".

Möge die Nacht leicht sein.

r.


In Kontakt mit Bagdad - Update 44

Stand: Tuesday April 01, 2003 at 10:00 PM (Quelle, DE)

Es ist nicht möglich, Informationen über den Angriff gegen zwei Kleinbusse, die nahe der irakisch-jordanischen Grenze unabhängige Reporter und Human Shields transportierten, zu bekommen. Dies ist nicht einmal Journalisten aus etablierten Medien gelungen, die sich hierfür verwendet hatten - Die entscheidenden Telefonleitungen sind tot, Mailsendungen kehren zurück an den Absender - Zwei griechische Lkws mit Hilfsgütern sind an der gleichen Grenze blockiert, weil die selben Jagdflugzeuge beim geringsten Versuch, die Grenze zu passieren, das Feuer eröffnen - In Bagdad tragen die Menschen derweil in tiefer Trauer die Toten von al-Shaab zu Grabe, und mit ihnen ihr eigenes Leben, so wie es bis zu diesem Krieg gewesen war.

Beerdigungen in Bagdad

Es scheint wirklich unglaublich, dass zwei Kleinbusse mit unabhängigen Reportern und Human Shields angegriffen wurden, während sie noch auf jordanischem Gebiet waren. Nicht weit von der irakischen Grenze. Die gleiche Grenze, an der seit drei Tagen zwei griechische Lkws mit Anhängern voller Nahrung und unverzichtbaren Medikamenten für die Krankenhäuser von Bagdad exakt auf dem Grenzstreifen von den selben US-Jagdflugzeugen blockiert sind, die jedes mal, wenn sie versucht haben, die Grenze zu passieren, nicht gezögert haben, in ihre Richtung zu schießen. Und jetzt bleiben sie dort stehen, mit ihrer extrem kostbaren Fracht, die vor sich hin verrottet, trotz der Tatsache, dass sowohl die Zugmaschine als auch die Anhänger sichtbar mit riesigen humanitären Schriftzügen und Transparenten in englischer und arabischer Sprache bedeckt sind. Der Kontakt, den ich heute mit Bagdad unter noch nie da gewesenen Schwierigkeiten herstellen konnte, wusste nicht, was an der jordanischen Grenze passiert ist. Und ich habe es nicht über´s Herz gebracht, eine Nachricht zu überbringen, die sich als schrecklich und schmerzhaft erweisen könnte. Viele Menschen, Radios, unabhängige Informationsmedien und um ehrlich zu sein auch Journalisten von gewichtigen nationalen Tageszeitungen haben den ganzen Tag versucht, eine Verbindung mit Amman in Jordanien herzustellen, mit dem Hotel, das normalerweise von den europäischen und amerikanischen unabhängigen Reportern genutzt wird, die auf dem Weg in oder aus dem Irak sind. Unverständlicherweise ist es nicht möglich gewesen, obwohl die Verbindungen mit Jordanien in der Regel gut sind, selbst durch die einfache Nutzung der internationalen Vorwahl. Der Angriff dürfte in Rafah statt gefunden haben, und im städtischen Krankenhaus sollen sich mindestens fünf europäische und zwei amerikanische Verletzte befinden. Von den anderen hat man keine Nachricht. Die letzten Informationen die ich bekommen konnte berichten von einem Kleinbus, auf der Ausreise von Jordanien nach Irak und von einem anderen in entgegengesetzter Richtung, der einige unabhängigen Reporter nach einem Aufenthalt von einigen Wochen in verschiedenen Teilen Iraks brachte. Innerhalb etwa eines Kilometers sind beide Kleinbusse je von einer Rakete getroffen worden. Zuerst der eine und sofort danach der andere. Ich habe die Telefonnummer des Hotels in Amman und die Mailadresse eines heute belebten Kontaktes in der jordanischen Hauptstadt unter meinen Augen liegen. Die Post kommt zurück und das Telefon ist tot. Sollte ich irgendetwas gesichertes und geprüftes erfahren, werde ich es sofort schreiben.

Mein Kontakt in Bagdad hatte mir angekündigt, dass heute in Shaab, dort, wo die Bomben und die Raketen auf den Markt Dutzende Opfer und keiner weiß wie viel Verletzte gebracht hatten, die Beerdigung einiger der vom Bombardement zerquetschten und verschütteten Zivilisten stattfinden sollten. "Ordinary people" der Hauptstadt: Kleine Händler, Besitzer von kleinen Kiosks oder von Gemüse- und Hühlsenfrüchtebuden, Verkäufer von Teppichen und Kunsthandwerk aus Messing und Holz. Sogar ein Schlangenbändiger, der für ein paar Groschen mit seinen Tieren auftrat und die Marktbesucher zum Staunen und zum Lachen brachte. Aber eine Beerdigung im Bombenhagel ist keine Beerdigung wie alle anderen. Man kann nicht geordnet in einer Gruppe einen Freund oder einen Bekannten begleiten. Es gibt keine Leichenwagen und keine Särge. Sechs mehr schlecht als recht zusammengenagelte Bretter mit dem Namen des Toten als aufgepinselte Anschrift an den Seiten. Der Körper des Opfers ist nicht zurechtgemacht, wie wir uns das für eine Beerdigung vielleicht vorstellen würden, er liegt offen da, und sichtbar, mit Armen und Beinen, die wie bei jemanden hängen, der in aller Eile hineingelegt wurde.

Es ist so: die Eile, die ist typisch für diese Straßen- und Schmerzbegräbnisse, eine von den Bomben und den Raketen diktierte Eile, die herunterplatzen und in wenigen Metern Entfernung explodieren. Der Schmerz ist das sichtbarste Bild, ein geschriener und gebrüllter Schmerz, mit diesen immerfort von den Verwandten und Freunden auf das Gesicht geklatschten Händen, als wollten sie diese unaufgeräumten und noch blutüberströmten Körper nicht sehen mit ihrem zersausten Haar und der verstaubten und zerrissenen Kleidung, als sei es die Fotografie des genauen Augenblicks in dem die Bombe sie ihrer Arbeit und ihrer Familie entrissen hat. Dem Leben. Es ist so: bei diesen Beerdigungen ist das Leben nicht vorhanden. Dieses Leben, das auch für die engsten Verwandten bei Beerdigungen in Friedenszeiten weitergeht. Es geht weiter in den kleinen Gesten, in den vor Trauer glänzenden Augen. Aber es geht weiter. Nein, in Bagdad geht das Leben nicht weiter. In Bagdad wird nicht geweint, man schreit, und verflucht diesen Krieg. Alle begreifen, dass diese Begräbnisse auch etwas schreckliches und symbolhaftes transportieren: Das Ende ihres Lebens, so wie es bis hier gelebt wurde.

Eine Alte Frau, wer weiß wie alt genau, vielleicht achtzig und vielleicht älter, groß, so groß, dass sie nicht einmal richtig aus dem ebenso alten und großen schwarzen Mercedes aussteigen kann, der sie dorthin gebracht hat. Alle sind ihr liebevoll nah, versuchen, sie zu trösten, bieten ihr etwas Wasser an. Die Frauen versuchen vorsichtig und ohne es zu schaffen, ihren Schleier zurecht zu rücken, der bei jedem Schluchzen, bei jedem unvermittelten, wie nervösen Aufschrecken, das sie schüttelt, weiter auf ihren Hals rutscht. Plötzlich öffnet sich die Menge um den Mercedes, sie lässt einen hölzernen Sarg durch, und lässt ihn genau dort, wo sich die alte Dame befindet, herab. Es ist das Begräbnis eines noch jugendlichen Mannes in einem Tarnanzug, mit einem langen und tiefschwarzen Bart. Vielleicht ein Enkel, vielleicht ein Urenkel. Die Frau stürzt sich auf die Hände des jungen Mannes, sie hebt sie an, führt sie zu ihrem Gesicht und lässt sie mit Gewalt über ihre Wangen gleiten. Ein letztes Streicheln, das ihr dieser ein wenig als Soldat, ein wenig als Milizionär und ein wenig als einer der sich als Militär oder als Milizionär kleiden will gekleideter Junge nicht mehr geschafft hat, ihr zu geben.

Mein Kontakt erzählt mir, dass er fortfuhr, Fotos zu machen, wobei er versuchte zu verstehen, was er sah, bevor er mit damit begann, es in Bildern festzuhalten. Aber er war dieser Frau dermaßen nah, dass er sie vor seinem Objektiv wiederfand, als der Sarg aus hellem Holz aus ihren Armen gerissen wurde. Sie und er, für einen Augenblick von Angesicht zu Angesicht. Die Frau hat die Rechte Hand erhoben, wobei ein goldener Armreif voller Anhänger aus dem Ärmel des dicken schwarzen Kleides hervorlugte, und ohne zu zögern hat sie dann den Fotografen gestreichelt. Er erwiderte dies, in dem er ihre Hand streichelte. Die Alte Frau hat nichts gesagt. Zärtlich haben drei oder vier Jugendliche ihre großen Beine in den Mercedes gehoben und die Tür zu fallen lassen. Eilig, immer eilig unter den Bomben, ist der alte Mercedes ohne Autonummer wieder los gefahren, und die Reifen sind auf dem Schutt des Bombardements, der noch den Platz von Shaab füllt, wie geschlittert. Genau in dem Augenblick, in dem sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden haben, hat der Fotograf seine Digitalkamera nicht benutzt. Aber er wird sich für immer an dieses so große Gesicht und an dieses so leichte Streicheln erinnern.

Möge die Nacht leicht sein.

r.


In Kontakt mit Bagdad - Update 43

Stand: Tuesday April 01, 2003 at 02:42 PM (Quelle, DE)

Zwei US-Raketen haben auf jordanischem Boden zwei Kleinbusse, die Human Shields zur irakischen Grenze transportierten getroffen. Es gibt Verletzte und Schwerverletzte unter ihnen. Ob es auch Tote gibt, ist noch unklar. Kein Scherz. Die Nachricht wird auch schon durch etablierte italienische Medien bestätigt.

"Human Shields"

Heute, am späten Vormittag haben zwei amerikanische Raketen auf jordanischem Boden zwei Kleinbusse getroffen, die Human Shields zur irakischen Grenze brachten. Der Angriff hat unweit der Grenze in Rafah stattgefunden. Mit Sicherheit hat es Verletzte gegeben. Zwei auf schwere Weise. Es könnte Opfer gegeben haben. Die Nachrichten sind Bruchstückhaft.

Obschon ich in Besitz der Telefon Nummern des "Austausch" - Hotels in Amman (Jordanien) bin, das die Anlaufstelle von und in den Irak ein- und ausreisender Human Shields war, gelingt es mir im Augenblick nicht, eine Verbindung mit Jordanien herzustellen. Ich versuche, per Mail mit einem in Amman lebenden Kontakt zu kommunizieren, der mit dem hotel in Verbindung steht. Sobald ich in der Lage sein werde, mehr Informationen, mehr Details zu bekommen, werde ich sie veröffentlichen. Die Nachricht ist jedenfalls, dass amerikanische Jagdflugzeuge außerhalb von Irak, in Jordanien, vorsätzlich getroffen haben. Dies bleibt, objektiv gesehen, eine unerhört schwerwiegende Tatsache.

Ich bin in Erwartung der ersten offiziellen Stellungnahmen der anglo-amerikanischen Leitstäbe, die mit Sicherheit davon sprechen werden, dass es sich um einen "tragischen Fehler" handelt, und dass "die Kleinbusse und ihre Insassen mit arabischen Selbstmordattentätern verwechselt worden waren".


In Kontakt mit Bagdad - Update 42

Stand: Monday March 31, 2003 at 07:21 PM (Quelle, DE)

In Bagdad fallen inzwischen vermehrt die "Bunker Busters" - Hauptthema von diesem Update sind aber wieder die Kinder, genauer, eine Jugendliche - Ein Mädchen, das per Adoption zur billigen Arbeitskraft in einem Hotel geworden ist und Amerika nur aus den Zeitschriften und Zeitungen der Hotelgäste kennt, und glaubt, die Amerikaner werden sie mitnehmen, da wo der Hollywood-Rasen wächst und die weißen Villen stehen - Die unabhängigen Reporter sind wegen der fehlenden Resonanz des gestrigen Appells enttäuscht - Ihnen scheint ein sofortiger Hilfskorridor unerlässlich, sie begreifen nicht, wieso in diesem Sinne nichts passiert -

Sajida

Die Bomben, die über Bagdad gefallen sind und weiter fallen sind nicht anders als die von gestern und denen der vergangenen Tage. Und es ist nicht einmal allzu wahr, dass es in den letzten 24 mehr waren oder dass sie mit einer größeren Intensität gefallen wären. Die Wahrheit ist, dass seit fast einem ganzen Tag Bomben von unerhörter Kraft zu fallen begonnen haben, die keine "Schäden", sondern Verwüstungen anrichten. Und diese fallen sehr wohl mit geometrischer Präzision: sie radieren alles, was sich in ihrem Radius befindet, über 2.000 bis 3.000 Quadratmetern völlig aus. Druckwellen, die Autos und Lkws auf den Kopf stellen, die Bäume und die Rollläden der Geschäfte ausreißen, den Asphalt bis zu den Dächern der Häuser hochgehen lassen. Sie verursachen einen heißen Wind, der so stark ist, dass er sich durch Straßen und Gassen schlängelt und jeden, der flieht verfolgt, und Dutzende, vielleicht sogar Hunderte übereinander wirft. Wer noch die Kraft hat, zuzusehen, und den Blick auf ihn zu richten, schaut sich verblüfft diesen riesigen, schwarzgrauen Pilz an, der explodiert und dabei alles überragt, bevor er mit einem Regen aus winzigen Splittern aller Art, die man beinahe einatmen kann, wieder abfällt. Aber Atem gibt es keinen mehr in Bagdad. Nicht einmal die Kraft zu fliehen. Man nimmt den Kopf zwischen den Händen, man kauert in fötaler Haltung am Boden, das Kinn gegen die Brust, die Ellenbogen gegen die Knie gedrückt. Und man wartet. Dann, der Knall, die Geräusche, die die Ohren zerfetzen, die das Herz daran hindern, zu schlagen, die Kleidung zum Flattern bringen, und Männer und Frauen herumkullern lässt, wie diese kleinen schwarzen Käfer, die sich zu Kugeln zusammen rollen, wenn du sie berührst,. Du kannst sie in deine Hand nehmen, aber sie öffnen sich nicht. Terrorisiert.

Nach der Versammlung von gestern mit den irakischen Kollegen im Kino hat sich unter den unabhängigen Reportern viel Enttäuschung breit gemacht, wegen des Ausbleibens einer internationalen Sichtbarkeit für den Appell, zur Errichtung (mindestens) eines humanitären Korridors zur Hauptstadt, damit Nahrung, Medikamente und medizinische Ausrüstung dorthin kommen können. Und vielleicht ein paar Spielzeuge für die Kinder. Wie mir eine europäische Reporterin sagt, die nicht aufhört, an sie zu denken, an die Kinder von Bagdad. Allein im Laufe des heutigen Tages dürften die Opfer 30 sein. Und wer weiß wie viele Verletzte. Aber wo ist das Rote Kreuz, wo sind die Vereinten Nationen, sagt mir die Reporterin immer wieder. Ist es den die Möglichkeit, dass es nicht auch nur für einen Tag gelingt, all das aufzuhalten? Was wollen sie den, dass Millionen verzweifelte, wütende Stadtbewohner, die nichts mehr zu verlieren haben, sich mit bloßen Händen, mit Gewehren und Stöcken auf die anglo-amerikanischen Truppen stürzen, wenn diese in die Stadt eindringen werden? So, dass man sie, der Welt erklärend, man habe über "Terroristengruppen" im Dienste Saddams obsiegt, auslöschen kann?

Die Reporterin ist aufgewühlt, die Stimme, die mir berichtet, erzählt von einigen Bauernhöfen unmittelbar am südöstlichen Stadtrand, die vorsätzlich durch Raketen getroffen wurden und den Tod von zwölf bis fünfzehn Kindern verursachten. Sie ist entsetzt, während sie mir diese Nachricht gibt. Warum die Bauernhöfe, sagt sie mir immerzu. Die Reporterin wohnt seit etwa zwei Wochen in einem kleinen Hotel in einer halbzentralen Gegend, nicht allzu weit vom Informationsministerium. Sie teilt das Zimmer mit einer "offiziellen" Journalistin, der es vorgezogen hat, sich aus der etwas klaustrophobischen und selbstbezogenen Atmosphäre im "Palestine" abzuseilen. Sie haben sich durch Zufall in den Straßen von Bagdad kennen gelernt. In ihrem Hotel gibt es keine Gäste außer sie beide. Der Besitzer ist von überaus höflich, fast liebevoll, er hat gerade wegen der etwas abseitigen Lage, die das Hotel zu einem etwas sichereren Ort macht, als ihr Haus, das zu sehr in der Nähe eines Palastes der Macht war, seine ganze irakische Familie dorthin verfrachtet. Aber Verfrachtet sagen ist noch zu wenig. Ein wahrer Umzug ist es gewesen, mit Schränken, Betten, Sesseln, Teppichen und Gemälden. Als wollte er die familiäre Atmosphäre ihrer Wohnung wieder herstellen, als wolle er nicht die Familie dieses Gefühl eines Provisoriums, das man im Hotel hat.

Die Reporterin hat ein paar Tage gebraucht, um bei der Zusammensetzung dieser Familie durchzublicken. Fünf Töchter. Aber zwei von ihnen waren vom Alter her zu nahe beieinander, um Schwestern zu sein, und sich nicht so ähnlich, dass sie Zwillinge hätten sein können. Sajida ist nämlich vierzehn und nicht die Tochter Ahmets, dem Besitzer des Hotels. Sajida wurde von Ahmet und seiner Frau adoptiert, als sie sechs war, und zum arbeiten ins Hotel gebracht. Eine dieser Adoptionen ohne zuviel Formalitäten, Dokumenten und Anträgen, die hier in Bagdad gängig sind, um eine kleine, preiswerte Arbeitskraft gegen Kost und Logis zu bekommen. Aber Sajida hat auf ihre Weise Glück gehabt, sie muss sich um die Hotelwäscherei kümmern: Handtücher und Bettwäsche, zu waschen mit der Hand und perfekt zu Bügeln mit einem riesigen Dampfbügeleisen deutscher Fabrikation. Ahmet hat sie nie in ihrer Würde verletzt oder auf gewisse Weise ausgebeutet, wie es sonst anderen Kindern wie Sajida passiert, die gezwungen sind, in großen Wannen die Teppiche zu waschen, den ganzen Tag mit hochgiftigen Crémes, die Wunden und Verätzungen an den Händen verursachen, Messing zu putzen, oder ohne jeden Schutz sechs, acht, zehn Meter hoch klettern müssen, um dem "Besitzer" beim Haus- oder Lagerbau zu helfen. Sajida hat immer im Hotel gewohnt, mit einem Zimmer, das ihr allein gehört, nahe der Treppe, die zur Waschküche führt. Eines Abends hat die Reporterin so getan, als hätte sie den Treppenaufgang verwechselt, Sajidas Zimmer erreicht und an die Tür geklopft. Als sie mit ihr auf dem Bett saß, hat sie gesehen, dass Sajida sehr viele Zeitungsausgaben und Periodika aus der ganzen Welt hatte, die sie bei der Zimmerreinigung nach der Abreise der Gäste sammelte. Der Kontakt mit den Gästen hatte aus Sajida eine kleine Polyglottin gemacht, die in der Lage war, sich auf Englisch, Deutsch und sogar ein wenig auf Spanisch zu verständigen. Diese Zeitschriften sind Sajidas Fantasiewelt, die während der Nächte vor dem Beginn des Krieges sich in irgendein leeres Zimmer schlich um dort Satellitenfernsehen zu gucken, das ihr fantastische Weltreisen ermöglichte. Und sie war von den Bildern der amerikanischen, englischen und japanischen Sender fasziniert. Sajida weiß nicht viel über den Grund von diesem Krieg, der nicht bis in ihr fensterloses Zimmer vorzudringen scheint. Aber sie ist sicher, dass Tom Cruise der schönste Mann der Welt ist, und dass die "Amerikaner" sie mit zu sich nehmen werden, wenn sie ankommen werden, weil gerade die USA der Traum Sajidas sind, eine Weiße Villa mit gepflegtem und kurzem Rasen wie in Hollywood. Immer noch auf dem Bett sitzend, gemeinsam mit ihr diese Art Strudel voller Trockenfrüchte und -feigen die Ahmed und seine Frau ihr nie fehlen lassen, hat die Reporterin mit Sajjida nicht vom Krieg und den Amerikanern gesprochen. Aber sie hat mit Entschlossenheit undunter Verwendung aller ihr zur Verfügung stehenden Mitteln (erfolglos) versucht, ihre Meinung über eine Sache zu ändern: Der schönste ist nicht Tom Cruise, sondern Brad Pitt.

Möge die Nacht leicht sein.

r.


In Kontakt mit Bagdad - Update 41

Stand: Sunday March 30, 2003 at 07:24 PM (Quelle, DE)

Etwa zehn irakische Journalisten und sechs unabhängige Reporter führten bei einem Treffen einen intensiven Austausch über tragische Umstände in Bagdad und in ganz Irak, sowie in der äußeren Kommunikation über diesen Krieg, der weltweiten Desinformation. Die europäischen Reporter haben ein sich aus der Lage der Dinge heraus ergebenden, dringlichen Appell der irakischen Kollegen eingehend zur Kenntnis genommen, und beschlossen, diesen zu unterstützen. Sie haben sich vorgenommen, ihn möglichst schnell und möglichst breit nach außen zu tragen und erklärt, dass sie hierfür alles, was in ihren Möglichkeiten ist, tun werden.

Appell für den Frieden

Das Treffen mit den Kollegen vom irakischen Fernsehen und von journalistischen Blättern hat in einem Kino außer Betrieb im Stadtzentrum stattgefunden. Zwei Stockwerke unter der Erde. Das Kino, das bessere Zeiten gekannt haben muss, ist bald als ein einladender Ort erschienen, weil die Geräusche der Bombardements wie gedämpft rüberkamen. Gerade mal Lauter als das Donnergrollen der Gewitter.

Etwa zehn irakische Journalisten und sechs unabhängige Reporter und Fotografen einige auf dem Bühnenrand sitzend, andere in den Sesseln der ersten zwei Reihen verstreut.

Englisch, Französisch, Arabisch, Körpersprache, Skizzen auf den Notizblättern, alles war gut, um sich zu verständigen.

Zuerst einmal eine nicht unbedeutende Präzisierung unserer irakischen Kollegen: Es ist nicht wahr, dass 4.000 "Selbstmordattentäter" zum "Martyrium" bereit sind, wie es die Weltpresse unter Bezugnahme auf die vom irakischen Verteidigungsminister ausgesprochenen Worte mit viel Lärm propagiert.

Die Bedeutung dieser Erklärung ist eine andere: 4.000 Freiwillige aus angrenzenden arabischen Ländern haben irakischen Boden mit dem Willen, sich der irakischen Armee anzuschließen, betreten, um die anglo-amerikanischen Invasoren zu bekämpfen. Die 4.000 Freiwilligen haben sich bereit erklärt, Haus um Haus zu kämpfen, und sogar außerhalb der regulären Armee. Aber niemand hat jemals gesagt, dass es sich um "Selbstmordattentäter" handelt, die bereit stehen, um sich vollgestopft mit TNT gegen die invasorischen Soldaten zu werfen.

Die Kollegen sagen, dass es sich um Fehler bei Übersetzung oder um die Fehlinterpretation der Erklärung des Vize-Ministers und Armeesprechers handeln könnte. Allerdings fragen sie sich, wie ist das möglich, dass die ganze Presse und alle TV-Networks falsch übersetzt haben?

Nachdem man diese sagen wir Voraberklärung der irakischen Kollegen zur Kenntnis genommen hatten, die für die europäischen Kollegen von grundlegender Bedeutung war, weil sie so offiziell verstehen konnten, welche eine weitere Methode der zu Schaden der internationalen Weltöffentlichkeit praktizierten Desinformation ist, haben die irakischen Kollegen Betroffenheit und Traurigkeit wegen des fast vollständigen Fehlens an Information und internationaler Solidarität geäußert, wegen der wiederholten Bombardements die das Irakische Fernsehen getroffen haben und zahlreiche Verletzte unter den Journalisten, Technikern und Angestellten hinterlassen. Und die größte Mehrheit von ihnen so Arbeitslos gemacht (oder ohne Arbeitsplatz), die jetzt gezwungen sind, zu wenigen, mit improvisierten Mitteln und in Behelfsräumen ihrer Arbeit nach zu gehen. Beim faktischen Versuch, das Schweigen der irakischen Information zu schmälern.

Die von den anglo-amerikanischen Leitstäben angeführte Begründung, dass die irakischen Soldaten über die Sendungen von Irak TV befehligt wurden halten sie für eine (lächerliche) Ausrede. Weil es unterstellt, dass Zehntausende Männer und ihre Kommandanten in den irakischen Wüsten ab und zu stehen bleiben, um den Fernseher anzumachen, um verschlüsselte Botschaften zu empfangen. (Ich wiederhole: Mitten in der Wüste)

Die irakischen Kollegen klagen über das Schweigen zu den Bombardements, die auch Zeitungsredaktionen und Druckereien getroffen haben und zahlreiche Verletzte und die Schließung einiger Organe der Information verursachte.

Ein unabhängiger Reporter hat am gestrigen Tag eine Mailsendung mit einer "Erklärung der "International Federation of Journalists"("Ifj") die die Bombardements verurteilte und stigmatisierte. Mit einigen Schwierigkeiten hat man dieses kurze Dokument in eine für alle verständliche Sprache übersetzt worden. Auf Englisch wiederaufgenommen und von allen, die bei dem Treffen anwesend waren unterschrieben. Sie werden jetzt versuchen, ihn der "Ifj" zukommen zu lassen.

Dann haben die irakischen Kollegen auf dramatische Weise einen Appell an die unabhängigen Reporter, gerichtet, und durch sie an die:

Vereinten Nationen
Den unabhängigen Organen der Information in der ganzen Welt
Der Weltöffentlichkeit aller Länder der Welt, die für den Frieden aufgestanden ist
Den Regierungen, die sich gegen diesen Krieg erklärt haben.


Damit durch Geltendmachung der "Genfer Konvention" folgendem ein Ende gesetzt werde:

Den Bombardements ziviler Objekte die noch in der Lage sind, Wasser und Strom zu erzeugen, auch wenn nicht mehr als für 5% der zivilen Bevölkerung und der Krankenhäuser von Bagdad.

Dass die Regierungen von Washington und London von den Vereinigten Nationen wegen Verletzung der Abkommen der Genfer Konvention verurteilt werden bei der Bombardements von schulen und von der Nationalbibliothek.

Dass die Bombardements der Hauptstadt, die fast ausschließlich zivile Tote und verletzte fordern, unverzüglich eingestellt werden.

Dass binnen der nächsten Stunden ein von den UN verwaltetes humanitäres und vor Bomben und Raketen geschütztes Korridor errichtet wird, das es erlaubt, die inzwischen erschöpfte Bevölkerung mit Nahrung und Wasser zu versorgen.

Dass ein Eintreffen von Medikamenten um lebenswichtige die Infektionen einzudämmen ermöglicht wird, von lebenswichtigen Medikamenten und unverzichtbarer Medizinischer Ausrüstung.

Dass denen, die das Land verlassen wollen, erlaubt werde, es in Sicherheit zu tun, und dass sie in Flüchtlingscamps mit der Menschenwürde angemessenen Standards aufgenommen werden.

Dass über das gesamte irakische Territorium den Bombardements ein Ende gesetzt werde, damit der zivilen Bevölkerung geholfen werden kann, die in etlichen Landesteilen seit Tagen völlig ohne Nahrung, Wasser, Strom und Medikamente ist.

Dass sofort eine internationale Solidarität organisiert wird, auf jeder ebene und in jeder Form, um den Massenmord einer ganzen Bevölkerung aus Männern, Frauen und Kindern, die schon von 12 Jahren härtesten Embargos ausgemergelt sind.

Dass einem ungerechten und illegalen Krieg imperialistischer Aggression gegen den Irak und sein Volk ein Ende gesetzt werde.

Die unabhängigen Reporter haben das Dokument der irakischen Kollegen zur Kenntnis genommen und dessen Geist und Substanz geteilt. Sie haben erklärt, dass sie alles was in ihren Möglichkeiten ist tun werden, um dieses dramatische Zeugnis aus dem Irak herauskommen zu lassen. Und während sie die Kollegen beim verlassen der Versammlung im Kino umarmten haben sie sich sicher genannt, dass keine Desinformation und keine Zensur und kein übersetzerisches Missverständnis diesen Appell aufhalten wird.

Vor dem Kino ist es schon dunkel. Der Lärm der Bomben und der Raketen ist ohrenbetäubend. Einige haben noch einen langen weg vor sich, zu fuß, fast rennend, sich der Anweisungen der Kinder von Bagdad erinnernd und diesen folgend. Heute Abend wird man nicht zusammensein, fast alle sind getrennt, weil jeder ein Telefon vor sich haben muss, um immerzu zu versuchen, diese verfluchte Verbindung herzustellen, für eine Nachricht, für eine Mail. Um so möglichst vielen Menschen schnellstmöglich den Appell der irakischen Kollegen weiterzugeben.

Möge die Nacht leicht sein. r.

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Ergänzungen

Danke

--- 06.04.2003 - 17:37
Nach wie vor Danke für die gute Aufarbeitung.
:) for this, so sehr das alles weh tut und so unglaublich umfassend die Ohnmacht ist.

Ciao

wow

weist 06.04.2003 - 22:14
kudos 4 another job expertly done!

Danke!

JS 06.04.2003 - 22:22
Auch einem milliardenteuren US-Terrormilitär ist es, bei aller Anstrengung (noch) nicht gelungen die Wahrheit zu vertuschen. Ich danke allen, die ihr Leben hierfür einsetzen. Die Ohnmacht ist schlimm, aber noch schlimmer ist das Leid der vielen Menschen. Was kann man nur tun?