In Kontakt mit Bagdad - Update 49

--- 06.04.2003 01:15 Themen: 3. Golfkrieg Militarismus
Bagdad sieht der zweiten Belagerungsnacht entgegen - Tausende versuchen, zu Fuß oder per Auto, in Richtung Norden aus der Stadt herauszukommen, ohne zu wissen, wo sie überhaupt hin sollen - Die Stadt ist weiterhin ohne Strom - Die Straßen sind voller Soldaten und Gruppen in Waffen - Auf Lkws sind Raketenbatterien Montiert , entlang der Ufer des tigris wurden Schützengräben gegraben - In den Krankenhäusern verharren die Patienten ohne jede Behandlung, zusammen mit den Ärzten und den Krankenschwestern - Kein einziges Land dieser Welt hat auch versucht, der Bevölkerung zu helfen - Ein humanitärer Korridor ist auch am zweiten Tag der Belagerung nicht zustande gekommen.
In Kontakt mit Bagdad - Update 49

Stand: Saturday April 05, 2003 at 08:33 PM

 http://italy.indymedia.org/news/2003/04/247774.php

Die Belagerung

Die dünne rote Linie, die die Bewohner Bagdads von den anglo-amerikanischen Armeen trennt, verläuft direkt hinter der Universität, und durchquert wie die gewundene Biegung eines Flusses das Gebiet vom Saddam International Airport bis zu den Kasernen für die Ausbildung der republikanischen Garde im südlichen Teil der Hauptstadt.

Die Stimme am Telefon erreicht mich klar und trocken, ohne eine Modulation, die ich als seelischen Angst- oder Erregungszustand interpretieren könnte. Eine Stimme, die mir von Krieg erzählt. Eine Stimme aus dem Krieg.

Sie bittet mich, folgende Nachricht zu verbreiten: "Wir sind aktuell zu sechst in Bagdad, und stehen unter einander in Kontakt. Wir kennen die Risiken, denen wir bald begegnen werden sehr gut, aber wir sind organisiert und uns ist bewusst, wie wir uns bewegen sollen. Die Bezugsorte, die wir uns gegeben haben, sind der Reihe nach das Hotel "Palestine", das Hotel "Sheraton", die Büros der russischen Botschaft und die apostolische Nuntiatur. Alles Orte, diese, die wir in der Lage sind, zu erreichen und wo wir in der Lage sein werden, Schutz und Beistand zu finden, falls uns die minimalsten Voraussetzungen, um der Nacht entgegenzusehen fehlen sollten oder bei Dingen, die in den kommenden Tagen in Bagdad passieren könnten".

Seit heute morgen ist die Stadt vollständig militarisiert. Tausende Soldaten sind auf den Plätzen und entlang der wichtigsten Straßen aufgestellt. Kanonen mit verschiedenen Durchmessern sind auf Lkws aufgebaut, gepanzerte Fahrzeuge und kleine und wendige Geländewagen. Entlang der Ufer des Tigris sind Schützengräben gegraben worden. Sogar auf den Dächern der Gebäude kann man Soldaten und Waffen entdecken. Raketenbatterien auf Miltärfahrzeugen bewegen sich langsam innerhalb der Stadt.

Es ist unmöglich, die Universität zu erreichen, man kann sie nur aus der Ferne sehen, und nur den Teil der Gebäude, die von den Bombardements der letzten Tage verschont wurden. Die Kontrollstellen sind gemischt aus Polizei und Armee zusammengesetzt, sie blockieren alle Straßen, auch die langen "Abkürzungen", die oft von den unabhängigen Reportern benutzt wurden, um sich ohne Probleme zu bewegen. In kleinen "Mannschaften" von je 50 Leuten organisierte Zivilistengruppen (vielleicht "Fedayn") patrouillieren die wichtigsten Straßen der Stadt auf und ab und gesellen sich oft zu den Militärs, um sich gleich danach wieder von ihnen zu entfernen.

In der ganzen Stadt fehlt der Strom, auch die kleinen "Bazaars", die bis gestern geöffnet waren, sind jetzt geschlossen. Zugesperrt, bedeckt mit Brettern und Eisenblechen, die an Türen und Fenstern angenagelt sind.

Zwei Kolonnen aus Autos, Kleinbussen und Pick-ups sind in Richtung Norden aufgereiht, und versuchen die großen Autobahnen zu erreichen, die nach Jordanien und Syrien führen. Ganze Familien, sechs, acht oder auch zehn Leute, Männer, Frauen, Kinder und Alte drängen sich aneinander, die einen über die anderen gepfercht, in den Gehäusen. Auf dem Dach, und oft mit Schnüren auf dem Kofferraum festgebunden, alles, was sie geschafft haben, mitzunehmen.

Koffer, Teppiche, Matratzen, Gemälde, Teller und Töpfe, Kleidung. Und auch Fernseher, Radios und Ventilatoren. Auf einem Toyota Pick-up, ganz oben auf einem Stapel aus Kleidungsstücken und Gegenständen, verhüllt eine bunte Decke in starken Farben einen großen Käfig aus Holz und Eisen voller total bunter Papageien.

Eine lange Schlange Iraqis bewegt sich in die gleiche Richtung der Autos, aber zu Fuß, mit gebeugten krummen Rücken, durch die Last eines unnatürlichen Umzugs, der die Arme nach unten baumeln lässt und nach vorne, als suchte man Luft und Platz. An der Hand gehalten und geschleppt, viele, unheimlich viele, erstaunte und verängstigte Kinder.

Niemand von ihnen weiß, wohin er gehen, welche Richtung er einschlagen soll, wo er je hinkommen wird, um diese schreckliche Last, die er sich mit Schnüren und Gurten an den Körper festgebunden hat, abzulegen.

Um 19.15 MEZ berichtet man mir, dass nicht ein einziger amerikanischer Soldat oder ein miltärisches Fahrzeug des Besatzungsheeres in den städtischen Bereich Bagdads eingedrungen, und damit innerhalb von diesem anwesend ist. Über die Schlacht jagt das eine unkontrollierbare Gerücht das nächste. Viele Stadtbewohner reden von über 100 vom irakischen Widerstand getöteten invasorischen Soldaten im Bereich des Flughafens. Die Nachrichten, die in der Stadt aufgelesen werden, behaupten, dass der Saddam International Airport immer noch unter irakischer Kontrolle ist.

Kein humanitärer Korridor ist geöffnet worden, um der Bevölkerung zu Hilfe zu kommen: der auf der Flucht, mit Tausenden von sich selbst überlassenen Personen, und der weit überwiegenden Mehrheit der fünf Millionen Bewohner der Hauptstadt, die in den in Selbsthilfe befestigten Häusern eingeschlossen kauern, um das, was in den Vorratskammern zu trinken und zu essen übrig bleibt, miteinander zu teilen.

In den Krankenhäusern sind die Patienten in den unteren Etagen und unter den Treppenhäusern zusammengelegt worden, ohne Medikamente und medizinische Versorgung, allein von den unglaublichen Ärzten und Krankenschwestern im Schein von Öllampen betreut.

Es ist diese die zweite Nacht der Belagerung, der Bagdad gezwungen ist entgegenzusehen, ohne dass eine einzige Regierung, oder der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und nicht einmal das europäische Parlament auch nur einen Finger krumm gemacht hätten, einen Schrei, einen Alarmruf, ein konkretes Appell abgegeben hätten, um der irakischen Bevölkerung zu helfen, um zu versuchen, Millionen durch ein invasorisches Heer, das einseitig einen illegalen, ungerechten und grausamen Krieg erklärt hat, in der Falle sitzende Männer, Frauen und Kinder zu retten.

Und bei diesem in den letzten Sekunden des Telefongesprächs aufgegriffenen Satz, bevor das Selbe unterbrochen wurde, spüre ich, dass die Trockene und nüchterne Stimme, die ich vor wenigen Minuten hörte, wie geknickt und durch ein Schaudern aus Empörung und Entsetzen bewegt ist. Eine mit den Bewohnern von Bagdad in dieser langen Belagerungsnacht geteilte und erlebte Angst.

Möge die Nacht leicht sein.

r.

***

Zusatz von mir:

Karte von Bagdad mit Eintragung der Hotels Palestine und Sheraton und mehr :  http://www.globalsecurity.org/military/world/iraq/images/baghdad.jpg

Karten von Bagdad und Umgebung in allen Maßstäben:  http://www.globalsecurity.org/military/world/iraq/maps-baghdad.htm
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Ergänzungen

Für die Mineralöl Uno gibts Keine Ausrede!

Knut 06.04.2003 - 01:35
Das ist ne Schweinerei was da läuft, die Kalition die eigentlich für die Versorgung der 5 Millionen Zivilisten zuständig ist kann sich da gar nicht heraus reden, wer mit einem B52 Bomben Zielgenau auf die Bagdader regnen lassen kann, der kann auch mit B52 Fress Pakete Zielgenau auf die Trümmer der Vorstädte regnen lassen!

Und das die Mineralöl UNO sich nicht regt und rührt, zeigt wer bei denen das Regiment hat, die hätten Schon längst vom ersten Bombentag auf der Versorgung durch die Agressoren bestehen müssen!

Aber was solls, was ich sage, das Humane Europa Geschlossen raus aus diesen Mineralöl Gangster Vereinen UNO und Nato!