In Kontakt mit Bagdad - Update 46

--- 03.04.2003 23:01 Themen: 3. Golfkrieg Militarismus
Es ist kaum möglich, mit Bagdad zu kommunizieren - Telefonverbindungen halten maximal drei Minuten - Weiter Bomben, weiter viele Tote, kein Strom, weiter kein Wasser - An den Grenzen aller möglichen Nachbarländer stehen Hilfsgüterkonvois bereit, die aufgrund anglo-amerikanischen Widerstands nicht ins Land können - Der Leiter des UN-Büros für humanitäre Hilfen Ross Mountain hat sich nach gescheiterten Versuchen, die Hilfsaktionen in die Wege zu leiten, für hilflos erklärt - Unicef-Mann Mark Vergara warnt vor den gelben Hilfspaketen vom Himmel im Süden Iraks, weil sie einigen Minentypen täuschend ähnlich sind.
In Kontakt mit Bagdad - Update 46

Stand: Thursday April 03, 2003 at 08:15 PM

 http://italy.indymedia.org/news/2003/04/245109.php

Humanitäre Hilfen

Heute zum ersten Mal seit beginn der Korrespondenzen, ist es praktisch unmöglich gewesen, mit Bagdad zu kommunizieren. Ich sage praktisch, weil es mir tatsächlich mehrmals gelungen ist, die Verbindung herzustellen, aber jedes Mal nie für länger als eine bis drei Minuten, seit sieben Uhr heute morgen bis acht Uhr heute Abend.

Zerrissene Worte, unterbrochene Gedanken: die Bomben fallen weiter... der Markt von Nahrawan wurde getroffen... weitere Opfer, viele...Soldaten überall..., Schützengräben in den Straßen und Plätzen...mein Hotel hat die Fensterscheiben durch Holzbretter ersetzt...bewaffnete Zivilisten auf der Straße...es gibt keinen Strom mehr...alle zivilen Objekte (die, die unter Beobachtung der Human Shields standen) getroffen....unmöglich, die Stadt zu verlassen.

Und dann die Fragen, die ich nicht schaffte, zu beantworten, die sich mit den Stimmen meiner Kontakte überschlagen: Aber die Amerikaner, wie weit sind sie von Bagdad? Was passiert in den restlichen Landesteilen? Was sagen CNN, Sky News? Ist die Straße um nach Jordanien zu kommen geöffnet? Sagt allen, dass sie nicht hierher kommen sollen, es ist nicht möglich in die Stadt zu gelangen. Alles gesperrt...sämtliche Stadtrandgebiete sind unter dem Feuer der Bomben und der Raketen. Wann kommen die Hilfen für die zivile Bevölkerung? Sind humanitäre Korridore geöffnet worden? Und die Medikamente? Hier sind wir immer noch ohne Wasser!

Aus Genf, auf der anderen Seite der Welt, kam inzwischen die Antwort auf eine der Fragen, die ich geschafft hatte, aufzunehmen, ohne dass ich die Zeit gehabt hätte, um zu antworten.

Ross Mountain, der Leiter des UN-Büros, das sämtliche humanitäre Hilfen Koordiniert und sich in der schweizerischen Stadt befand, um zu versuchen, des Problems der zivilen Hilfen für den vom Krieg verwüsteten und von den anglo-amerikanischen Invasoren-Heeren okkupierten Irak Herr zu werden, gab der Presse eine Erklärung von außergewöhnlicher Heftigkeit ab, für einen, der es gewöhnt ist, sich auf den dünnen diplomatischen Kommunikationsparketts zu bewegen.

"Zehntausende Tonnen Lebensmittelhilfen,, logistischer Materialien zur Errichtung von Flüchtlingscamps und Impf- und Medizinvorräte gegen Cholera, Typhus und Kinderdhiarrhöe (A.d.Ü.: Durchfall) sind nebst Ausstattungen für Operationssäle seit Tagen an den Grenzen der Türkei, Syriens, Jordaniens, Irans und Kuwaits blockiert. Die Leitstäbe der Vereinigten Staaten und Englands verhindern die Einfahrt in den Irak weil sie sich weigern, humanitäre Korridore zu den Städten und zu den Dörfern zu öffnen, im denen sich die größten Entbehrungen für die Zivilbevölkerung herauskristallisieren. Und sie denken nicht einmal daran, Eskorten zur Verfügung zu stellen, um die humanitären Konvois in Sicherheit reisen zu lassen."

Ross Mountain eröffnet dann, mit polemischer Präzision, einige der Mengen und Typologien der von den anglo-amerikanern blockierten Hilfen:

25.000 Tonnen Lebensmittel, Trocken- und Pulvernahrung und Mehlsäcke für die Kinder.
15.000 Zelte um die ersten Flüchtlingscamps zu errichten.
100.000 Wolldecken.
25.000 Packungen Trinkwasser.
15.000 Impfkits gegen Cholera und Typhus.
350.000 Binden und Windeln.

Immer stärker irritiert, verlieh Mountain seinen Äußerungen mit einer tragischen, aber einfachen Prophezeiung noch weiteres Gewicht: "Ich fühle mich mittlerweile der wahrhaftigen humanitären Katastrophe gegenüber, die in Irak im Gange ist, ohnmächtig"

Am Nachmittag ist die Anklage Mark Vergara eingetroffen, dem Verantwortlichen für die humanitären Hilfen der Unicef, der mit dem Finger auf die Essensportionen, die zu rein propagandistischem Zweck von den US-Flugzeugen über die zivilen Bevölkerungen im Süden des Landes abgeworfen werden: "Vorsicht" mahnt Vergara, "diese Nahrungspakete befinden sich im Inneren von halbfesten Hüllen in gelber Farbe, die den, der sie in die Hand nehmen sollte, irreführen können. Die Behälter sind vom Aussehen her nämlich einigen Minentypen, die auf dem Boden gestreut werden, und nur knapp von der Erde bedeckt sind, praktisch identisch. Mit Folgen, die leicht vorstellbar sind".

Die telefonleitungen greifen nicht, die mails kommen zurück. Das Gefühl der Ohnmacht ist nah dran, stärker zu werden, als die Dinge, die zu tun sind.
Aber was, was tun?
Und ich fahre fort damit, immer wieder zu versuchen, diese Nummern zu wählen, die ich inzwischen auswendig kann.
Und ich werde es den ganzen Abend so weiter machen. Bis dieses verfluchte Zeichen nicht klar und frei sein wird, und ich nicht die Stimme eines der Kontakte hören werde.
Ich werde bis in die Nacht weitermachen.

Möge die Nacht leicht sein.

r.
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Ergänzungen

pepe 04.04.2003 - 13:50
danke

keine worte

horst 04.04.2003 - 21:51
Der Irak-Krieg ist das erste Megaverbrechen dieses neuen Jahrtausends aber was die Verweigerung bzw. Blockierung der humanitären Hilfe ist, dafür gibt es noch kein Wort.

GB und USA, ihr macht es wirklich verdammt schwer, nicht zu hassen!

Update

Sandra Bullock 07.04.2003 - 15:00

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Rations, bomblets a different color
Thursday, April 3, 2003 Posted: 10:23 PM EST (0323 GMT)

NEW YORK (CNN) -- After concerns were raised about the potential of Iraqi children confusing yellow packets of food rations with yellow bomblets being dropped there, the color of all future food rations will be changed, a U.S. official said Thursday.

 http://www.cnn.com/2003/WORLD/meast/04/03/sprj.irq.aid.bomblets/index.html

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