Krieg nach außen für Krieg nach Innen?

Ralf Streck 19.03.2003 13:47
Am Montag hat die Sonderkammer am Obersten Gerichtshof in Madrid die baskische Partei Batasuna (Einheit) verboten. In Madrid wurde das Verbot euphorisch begrüßt. Mit Blick auf den kommenden Krieg im Irak, sagte Aznar, Terroristen dürften weder "innerhalb noch außerhalb Spaniens" die Regeln diktieren.

Mit dieser Logik zieht er auch gegen den Irak in den Krieg. 900 Soldaten, Kriegschiffe und Flugzeuge werden die USA bei dem Feldzug "humanitär" unterstützen. Während Hunderttausende am Wochenende erneut ihre Ablehnung in Spanien auf die Straße trugen, verabschiedete Aznar mit George Bush und Tony Blair auf den Azoren den kriegerischen Zeitplan. Dass 90 Prozent in Spanien gegen den Krieg sind und Aznars Schwesterpartei in Navarra sich gegen den Krieg stellt, stört seine Volkspartei (PP) offenbar nur gering
Am vergangenen Montag hat die Sonderkammer am Obersten Gerichtshof in Madrid die baskische Partei Batasuna (Einheit) verboten. Betroffen ist auch die Vorgängerin Herri Batasuna (HB/Volkeinheit) und das Wahlbündnis Euskal Herritarrok (Baskische Bürger). Auch kleine Parteien, wie Zutik, Batzarre und Aralar, die in dem Bündnis kandidiert haben, sind bedroht. In Madrid wurde das Verbot euphorisch begrüßt. Ministerpräsident, José María Aznar zeigte sich "erfreut" und "zufrieden" mit seinen Richtern: "Man kann keine terroristische Organisation zerschlagen, wenn man einem ihrer Teile erlaubt, legal zu leben." Mit Blick auf den kommenden Krieg im Irak, fügte Aznar an, Terroristen dürften weder "innerhalb noch außerhalb Spaniens" die Regeln diktieren.

Mit dieser Logik zieht er nun auch in den Krieg gegen den Irak. 900 Soldaten, Kriegschiffe und Flugzeuge werden die USA bei dem Feldzug "humanitär" unterstützen. Während Hunderttausende am Wochenende erneut ihre Ablehnung in Spanien auf die Straße trugen, verabschiedete Aznar mit George Bush und Tony Blair auf den Azoren den kriegerischen Zeitplan. Dass 90 Prozent in Spanien gegen den Krieg sind und Aznars Schwesterpartei in Navarra sich gegen den Krieg stellt, stört seine Volkspartei (PP) offenbar nur gering. Bisher kam es hier nur zu Austritten an der Basis.

Ähnlich wie im Fall des Irak bauen auch die Verbote gegen baskische Parteien und Medien auf Manipulationen und schlichten Lügen auf. Sein Bündnis mit US-Präsidenten, George Bush, begründet er, mit einer angeblichen terroristischen Bedrohung durch den Irak und den angeblichen Massenvernichtungswaffen. Doch bisher konnten die nicht gefunden werden und etliche Geheimdienste bestreiten, dass es eine Verbindung zwischen Al Kaida und dem Irak gibt, wie Bush und Aznar behaupten.

So konnten eben auch in 25 Jahren keine Beweise beigebracht werden, dass es eine Verbindung zwischen den Parteien der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung zur ETA gibt. Sonst hätte seine PP, mit Unterstützung der Sozialisten, auch kein neues Parteiengesetz gebraucht. Das neue Gesetz wurde extra zum Verbot von Batasuna im letzten Sommer in Eile durchs Parlament gepeitscht. In der Verbotsverhandlung bestätigte sogar der Geheimdienst der Guardia Civil, es sei falsch, dass die ETA einst HB gegründet habe. Die Agenten sagten, das Gutachten, worauf die Regierung den Verbotsantrag stützte, sei auf deren Wunsch erstellt worden und enthalte "etliche Fehler" und "unhaltbare Vorwürfe". 15 Seiten seien aus einer Expertise von 1997 heraus kopiert worden. Doch dessen Inhalt wurde einst vom Staatsanwalt verworfen, weil er "keine strafrechtliche Relevanz hat".

Für den Batasuna Chef, Arnaldo Otegi, handelt es sich um einen neuen Akt des "spanischen Faschismus" mit dem die Basken "ausgelöscht" werden sollen. Die Legitimität für einen solchen Schritt hätten nur die Basken. Für die Basken bricht unter dem Kriegsschleier eine harte Zeit an, dann wird die Offensive aus Madrid erst richtig losgehen. Da Spanien keine besonderen Interessen im Irak hat, könnte die Eroberung des Baskenlandes das eigentlich Ziel für Aznars Engagement mit Bush sein.

Für die moderaten Nationalisten im Baskenland, ist es kein Zufall, dass jetzt die Baskische Tageszeitung geschlossen und die Entscheidung über die Parteienverbote in kürzester Zeit durch alle Instanzen gedrückt wurde. Rechtsnormen, wie die "Organisationsfreiheit" blieben auf der Strecke, beklagt die Baskisch Nationalistische Partei (PNV) die nun dazu aufruft dieses Recht zu verteidigen. Von Meinungs- und Pressefreiheit, die im Krieg das erste Opfer ist, kann bei den rechtswidrigen Schließungen von vier baskischen Medien in nur fünf Jahren nicht gesprochen werden. Wie die größte Gewerkschaft ELA richtig feststellt, hat sich die Gewaltenteilung, im Fall der Basken, verflüchtigt. Ein Generalstreik wird diskutiert, erst letzte Woche haben Hunderttausende für eine Stunde gegen die Schließung der Zeitung gestreikt.

ELA wertet das Urteil als "Höhepunkt einer peinlichen institutionellen Vermischung", in der nicht einmal "der äußere Schein" gewahrt worden sei. Die Regierung habe das "Drehbuch geschrieben, den Rhythmus und das Ergebnis vorgeben." Anders erklärt sich kaum, warum die Richter über das Wochenende, in nur vier Tagen, zu einem Urteil kamen. Warum das Verfassungsgericht, mit einem Aznar Freund an der Spitze, in nur einem halben Jahr die Verfassungsklage gegen das Parteiengesetz abgewiesen hat, wo es sonst für jede Entscheidung Jahre braucht. Haarsträubend ist auch, dass mit dem neuen Parteiengesetz auch Parteien verboten wurden, die gar nicht mehr bestehen, obwohl die spanische Verfassung ausdrücklich eine rückwirkende Anwendung von Gesetzen verbietet. Man darf gespannt sein, wie das Verfassungsgericht, wenn es in einigen Jahren über die Klage gegen die Verbote entscheidet, damit umgeht.

Auf den Kopf gestellt, aber vom Verfassungsgericht erlaubt, hat das Parteiengesetz simple Rechtsnormen. Eine Demokratie sanktioniert Handlungen und keine Unterlassungen: Batasuna wurde verboten, weil sie die Anschläge der ETA nicht ausdrücklich verurteilt. Sie bedauert sie nur als Ausdruck eines politischen Konfliktes, der über einen Dialog gelöst werden müsse. Das ist das einzige Vergehen dass der Partei selbst nach dem neuen Parteiengesetz vorgeworfen werden kann, nach spanischem Recht nicht einmal eine Straftat.

Doch schon wieder schreiet die PP und die Sozialisten nach einem Verbot, nachdem am Samstag die Wahlplattform Autodeterminaziorako Bilgunea (AuB/Plattform für die Selbstbestimmung) angekündigt hat, an den Kommunalwahlen im Mai teilzunehmen.
Weil Batasuna die Kandidatur von AuB gut heiße, sei es ihr Nachfolger. Die PSOE, die im Fall Irak auf Kriegsgegner macht, stimmt ein. Das Führungsmitglied, Juan Fernando López Aguilar, sagte: "Es war zu erwarten, dass sich das ETA-Umfeld neu strukturiert und dafür alle Tricks benutzt". Das Parteiengesetz biete "genug Instrumente, um darauf zu reagieren". Wie die rechtsradikale Zeitung ABC am Mittwoch meldet, soll schon am 31. März über Schritte gegen AuB entschieden werden.

© Ralf Streck den 19.03.2003
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