Neo-Nazi Treffpunkt in Bad Nauheim (Hessen)

Schon seit einigen Monaten treffen sich in der Bad Nauheimer Kurkneipe "Vati's
Bierkrug" (Hauptstr.12a) bekannte Rechtsextreme aus ganz Hessen.
Jeden Freitag versammeln sich dort ältere Neo-Nazi-Funktionäre, junge
Naziskinheads und anpolitisierte Jugendliche, die in Stammtisch-Atmosphäre neue
Kontakte knüpfen und alte Freundschaften festigen.
Sie sind durch ihr Outfit (Glatze, Bomberjacke Springerstiefel) und vorallem
durch szenetypische
Accessoires wie z.B. Aufnähern mit den Zahlenkombinationen "18", "28", "88",
Reichskriegsadlern, Keltenkreuzen und White-Power-Symbolen bzw.
Bekleidungsstücken rechtsextremer Lifestylemarke (z.B. "CONSDAPLE", ?Doberman
Deutschland? oder "MASTERRACE EUROPE"), eindeutig als Neo-Nazi-Skinheads zu
identifizieren.

"Die Aussagen einiger Jugendlicher geben Aufschluss darüber, was es für sie
bedeutet, Skinhead zu sein:
'...Zusammenhalt, Spaß haben, nationales Bewußtsein haben, Politik zum Kotzen
finden, gute Konzerte besuchen, saufen, den Alltag vergessen, [...] Deutsch
sein. [...] Durch mein Aussehen und Auftreten zu zeigen, daß es noch Leute in
Deutschland gibt denen nicht egal ist, ob hierher immer mehr Ausländer kömmen
[..] und daß ich mein Vaterland, wenn nötig mit Gewalt, immer und Überall
verteidigen werde. [...] Prellbock sein gegen Ausländer und Rotfrontterror.
[...] Den Stolz auf meine Heimat und Rasse zu zeigen. Skinhead & Nationaler
Sozialismus ist für mich nicht mehr zu trennen'
Klaus Farin / Eberhard Seidel-Pielen:skinheads. München 1995, S.6-12

Die Kneipe fungiert als Informations- und Kontaktbörse für Neo-Nazi-Aufmärsche,
illegale Konzerte und andere szeneinterne Neuigkeiten. Des weiteren werden im
hinteren Teil relativ offen - teilweise verbotene ? Cds, T-Shirts, Fahnen,
Aufnäher und
Er war Herausgeber des Skinheadfanzines "Bembelsturm", wegen dessen
verfassungsfeindlicher Inhalte er sich vor dem Landgericht Frankfurt
verantworten musste und dort zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt wurde.
Schon zu dieser Zeit versuchte er sich im rechtsextremen Versandhandel zu
etablieren. Dies ist ihm inzwischen gelungen. Über seinen "Molokoplus Versand",
vertreibt er ausschließlich legale Ware. Illegale Artikel
verkauft er unter der Hand, wie z.B. in Bad Nauheim oder auf Blood&Honour
Konzerten.

"Die Konzerte benutzen die Skinheads nicht nur als 'Spaßfaktor'[...] Außerdem
nutzen 'mobile Händler' die Gelegenheit, um einschlägige CDs und andere
Szenematerialien zu verkaufen. In Hessen betrieb besonders ein Skinhead aus
Graevenwiesbach (Hochtaunuskreis), der auch einen Versandhandel besitzt, dieses
Geschäft."
Hessischer Verfassungsschutzbericht 2001, S68

Eine weitere zentrale Rolle für das Entstehen des Bad Nauheimer Nazi-Treffpunkts
spielt der aus der Wetterau stammende Möbelpacker Thomas Biegel. Schon vor
Jahren kündigte er an, eine lokale Nazi-Szene aufbauen zu wollen.
Dies ist ihm offensichtlich gelungen, und er scheint sich weiterhin der festen
Einbindung anpolitisierter Jugendlicher in die rechte Szene verschrieben zu
haben - wofür ihm "Vati's Bierkrug" beste Voraussetzungen bietet.
In Vati's Bierkrug verkehren z.B. Auch Perter Wohlfahrt, Doris Zutt und Van
Dalen, der Ende der Neunziger in Lich-Langsdorf ein großes Rechtsrock-Konzert
mit über 500 Besuchern organisierte.
Auch andere regelmäßige Gäste sind dem Spektrum der Freien Kameradschaften
zuzuordnen, u.a. der Kameradschaft Frankfurt, den Freien Nationalisten
Rhein-Main, und der "Nachwuchskameradschaft" Friedrichdorf / Hochtaunus.

Man kann also zu recht behaupten, daß "Vati's Bierkrug" der rechtsextremen Szene
in Hessen als zentraler Organisations und Vernetzungsort dient.

Diese bisher von der Öffentlichkeit noch nicht wahrgenommenen Umtriebe stellen
vor allem für die Anwohner - darunter viele MigrantInnen - , aber auch alle
anderen die nicht in das rechtsextreme Weltbild passen, eine real existierende
Gefahr dar. Bisher blieb es zwar bei einigen Spühereien (z.B. Am Sprudelhof und
im Bereich der Karlstrasse) und einem gewalttätigen Übergriff auf einen
alternativen Jugendlichen.Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis es zu
größeren Auseinandersetzungen in der näheren Umgebung kommen wird. Gerade die
hier vorhandene Mischung aus Alkohol, Rechtsrock und Gruppengefühl ist
hochexplosiv.

Der Bad Nauheimer Polizei ist diese Lokalität bereits einschlägig bekannt -
eingegriffen wurde jedoch bisher nur
halbherzig. Gleichzeitig werden in Bad Nauheim basisdemokratische Strukturen,
wie zum Beispiel das selbstverwaltete
Jugendzentrum "Alte Feuerwache", in ihrer Arbeit behindert. Die (sogenannten)
"Vorschläge" des Magistrats für eine neue Nutzungsvereinbarung würden
empfindliche Einschnitte u.a. in die Selbstverwaltung bedeuten.
Den ehrenamtlich arbeitenden, engagierten Jugendlichen, die in ihrer Freizeit
das Juz renovierten, werden somit weiterhin unnötig Steine in den Weg gelegt.

Abschließend kann man sagen, dass mit Vati's Bierkrug ein im Konzept der Freien
Kameradschaften bedeutsamer
Treffpunkt aufgebaut werden konnte. Dies ist der zweite Versuch in Bad Nauheim,
nachdem Anfang 2000, durch antifaschistisches Intervenieren, ähnliche
Bestrebungen im "Parkhouse" (Parkstrasse 48) erfolgreich unterbunden wurden.

Wie die Erfahrungen aus anderen Städten und Regionen zeigen sind die
Bestrebungen sogenannte "National Befreite Zonen" auch in Westdeutschland zu
errichten auf dem Vormarsch. Wenn in absehbarer Zeit nicht entschlossen
eingegriffen wird, dann können sich in naher Zukunft migrantische oder
alternative Jugendliche und Familien in Bad Nauheim genauso (un)sicher fühlen
wie z.B. in Rostock, Guben oder Solingen.

Angesichts der Haltung von Polizei und Stadt heisst es nun selbst die offensive
zu starten um deutlich zu machen, dass
solche faschistischen, menschenverachtende Tendenzen in Bad Nauheim und auch
sonst nirgends gedulded werden können.

Antifaschistisches Bündnis Mitelhessen / Antifa Recherche Wetterau