Bericht Berlin-Demo 15.2.

Thomas Kratz 18.02.2003 19:38 Themen: Militarismus
Zur wohl größten Friedensdemo der Nachkriegsgeschichte Deutschlands kamen am 15.2.03 gut 500.000 Leute nach Berlin.
Ein kurzer Bericht von Thomas Kratz/Strasbourg
Habe kurzentschlossen die lange, lange Reise von Strasbourg (wo ich arbeite) über Marburg (wo ich vorher studiert habe) nach Berlin auf mich genommen, um an der Demo am 15.2. teilzunehmen.
Erstes Problem war, überhaupt Karten für den Bus zu bekommen, da die Ratz-fatz ausverkauft waren und das Marburger Friedensbündnis neue besorgen mußte.
Schließlich gelang es ein paar Freunden und mir doch noch, Karten zu ergattern.
Freitagnachmittags von Strasbourg nach Marburg getourt, Samstag dann das Frühaufstehen um 4.30 Uhr mit viel Kaffee versüßt -
Demonstrieren kann ganz schön hart sein :-)).
Als wir dann um 6 Uhr an den Bussen bei der Mensa standen, fielen mir als erstes die Menschenmassen auf, die so normalerweise nur bei größeren Veranstaltungen in der Marburger Disco "KULT" oder beim mittäglichen Mensa-Essen anzutreffen sind.
Eine Reihe von 9 (!) gemieteten Bussen erschien auch recht imposant. Später erfuhr ich, daß Kassel 20, Frankfurt sogar 40
Busse nach Berlin geschickt hatte; sogar Kuhkäffer wie Herborn
hatten einige Busse.
Dank superglatter Autobahn kamen wir leider erst 13.30 Uhr, also 1 1/2 Stunden nach Demobeginn, in Berlin an. Der Busfahrer von "MR-1", so war unser Bus gekennzeichnet, fand dennoch ein lauschiges Plätzchen direkt neben der US-Botschaft, und so kamen wir gleich in die richtige Stimmung, als wir ca. 100 Meter neben dem Sicherheitskordon der "Embassy"; des "Gods own
country" ausstiegen.
Der Demozug begann eigentlich um 12 h zeitgleich am Alexanderplatz sowie am Rudolf_Breitscheid-Platz - - Ziel war die Siegessäule. Ursprünglich sollte die Abschlußkundgebung vor dem Reichstagsgebäude stattfinden, - das Berliner Ordnungsamt wollte aber nicht, daß eine Horde von Friedensaktivisten den Rasen zertrampelt. Wir stießen etwa auf Höhe Friedrichstraße auf den Demozug, der sich dann ominös durchs Brandenburger Tor quetschte. Meinungsbekundungen und Plakate aller Ausrichtungen waren zu sehen, - von "Make Peace, not war", über "Merkel, Merz und Co: Geht doch nach Amerika, als BUSHkriecher", "No blood
for oil" bis hin zu "Drop Bush, not bombs".
Auffällig war, daß die teilnehmenden Organisationen/Parteien ein buntes Bild boten, Sticker der "Grünen" ("Old Europe") waren genauso zu sehen wie Luftballons von ATTAC, ver.di und Flyer der Splitterpartei MLPD. Ein Block von ca. 200 Kurden, die "Freiheit für Öcalan" proklamierten, wirkte dann doch etwas deplaziert.
Die netten Männchen in Grün in Form von Polizei oder BGS hätten unter Minderheitenschutz gestellt werden sollen, - einige standen mit Polizeibussen vereinzelt vor Botschaftsgebäuden und ähnlich sicherheitsrelevanten Punkten herum. War ja auch absehbar, daß die Demo friedlich wird ... .
Wir, Sibylle, Martin, Nina, Nashri und ich, versuchten uns, quasi durchs Gebüsch des Tiergartens an der Menge vorbei zur Bühne an der Siegessäule durchzuschlagen. Dies gelang nur bedingt, da tausende Menschen genau dieselbe glorreiche Idee hatten.
Die Abschlußkundgebung an der Siegessäule wurde schließlich imposant von Konstantin Wecker eingeleitet, der einige sehr deutliche Worte über die Doppelmoral und keine Grenzen kennende Verlogenheit der Rüstungsindustrie und kriegslüsterner Politiker fand. Bsirske von ver.di trat ebenso auf wie später TATORT-Kommissar Sodann und eine palästinensische Friedensaktivistin.
Musikalisch wurde das Ganze von K Wecker, Reinhard Mey, Hannes Wader, der Ex-Ossi-Kombo "Die Puhdys" sowie Kelly-Family-Sprößling Paddy Kelly abgerundet.
Etwas komisch wirkte es dann doch, als Paddy Kelly für sein Friedenslied "Pray for a happier day" auf der Bühne seine Gitarre
malträtierte.
Nichtsdestotrotz war das Ganze ein sehr ergreifender und eindrucksvoller Augenblick, der gezeigt hat, daß wir stolz darauf sein können, endlich (!!) wieder eine richtige weltweite Friedensbewegung zu haben. Die Presse sprach nachher von der größten Friedensdemonstration, die Deutschland je in der Nachkriegsgeschichte gesehen hat: 500.000 TeilnehmerInnen
wurden geschätzt.
Das letzte Mal fand eine ähnlich imposante Demonstration 1983 im Bonner Hofgarten statt, damals kamen zu Hochzeiten der von Grünen und Kirchen unisono mitgetragenen Friedensbewegung 350.000 Leute nach Bonn.

Insbesondere Blair (1 Mio. Demonstranten in London), Berlusconi (ca. 2 Mio. Demonstranten in Rom) und Aznar (4 Mio.Demonstranten in ganz Spanien, davon 1,3 Mio. in Barcelona) wünsche ich viel "Spaß" beim Regieren ihrer Landsleute, - diese drei Herren wären wohl als Wärter in einem Kriegsmuseum besser aufgehoben. Schade, daß es in den USA selber wenig Protest gegeben hat, - wohl einerseits, weil die öffentliche Meinung - noch - nicht so deutlich gegen den Krieg ist wie z.B. in England oder Italien, - andererseits, weil es die Polizei in New York wohl mit brutalen Mitteln à la mit-berittener-Polizei-auf-die-Menge-knüppeln, Straßensperren und diversen Festnahmen geschafft hat, wieder einmal zu beweisen, daß es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten derzeit mit (Meinungs-)Freiheit und Demokratie nicht gerade weit hergeholt ist.
Es ist schon beeindruckend, für WIE dumm Bush/Blair/Aznar und Co. die Menschen zu verkaufen versuchen, selbst gemessen an dem zahlenmäßig wohl unterm Siedepunkt angesiedelten IQ von Double-U und Rummm-sti.

> Thomas Kratz/Strasbourg
> 18. Februar 2003
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Ergänzungen

die proteste...

christ 19.02.2003 - 13:19
...waren so groß, dasz sie teil der summe sind gegen die das pack der kriegstreiber immer weniger ankommt. die angst darf nicht lähmen. krieg muß mit allen (friedlichen) mitteln verhindert werden.

wieso gewaöltfrei?

friedenskämpfender Atheist 19.02.2003 - 16:02
Wieso mit friedlichen Mitteln?
Auch Gewalt kann eine Antwort sein.
Stellt euch eine bundes-/ europa-/ weltweite militante Demo gegen den Krieg, gegen Kapitalismus, gegen Imperialismus und gegen Faschismus vor.

Um es mit den Worten der Troopers zu sagen:

"...
Gewalt ist nicht angeboren,
Gewalt wird provoziert,
Gewalt ist die Antwort
auf diesen Scheiß der hier passiert!"

gewalt für den frieden?

ich 19.02.2003 - 16:36
an mr. friedenskämpfer atheist:
die amerikaner glauben auch, mit krieg den weltfrieden herzustellen.
wie soll man denn mit gewalt frieden herstellen? der zweck heiligt doch nicht die mittel. wer meint, dass eine gewalttätige aktionen dem frieden nützt, soll auch nicht staaten kritisieren, die genau dieser ansicht folgen.

weiter gehts

www.netdemo.de 19.02.2003 - 16:57
weitere Veranstaltung im Berlin zum Thema Irak-Krieg:  http://www.netdemo.de

Krieg dem Krieg

Interessierter 20.02.2003 - 21:03
Rosa Luxemburg hat einst sehr treffend Krieg dem Krieg gefordert. Ich glaube sie hat damit nichts unkluges gesagt.
Endgültig schlußmachen und sicherzustellen, dass es nie wieder Krieg geben wird, kann meiner Meinung nur mit begrenzter Waffengewalt erfolgen und mit einer Reihe anderer Dinge.
Die deutsche Revolution 1918/19 hat doch genau das gezeigt, die Spartakisten hatten die Armee nicht auf ihrer Seite, und haben auch deshalb verloren. Der 2. Weltkrieg folgte nur 20 Jahre später.