Die Lehren aus Guernica

loeti 13.02.2003 11:30 Themen: Militarismus
Aus Toronto Star, Sonntag 9. Februar 2003; deutsch loeti

"Tiefsinniger Symbolismus" als die U.N. Picassos anti-Kriegs Meisterwerk fuer Colin Powells Ruf zu den Waffen versteckt. Bushs Bemerkung, "Das Spiel ist aus", macht es klar: Die U.S.A. werden angreifen.
VEREINTE NATIONEN - In der zweiten Etage des Vereinte Nationen Gebaeudes in Manhattan, gerade auszerhalb des Eingangs zum Sicherheitsrat, haengt ein bahnbrechendes Werk der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts, das eine anschauliche und gruselige Erinnerung an die Schrecken des Krieges bietet.

Eine Kopie von Picassos Guernica wirkt als stumme Widerlegung der zwei pro-Kriegs Demonstratoren die am Mittwoch auszerhalb des Vereinte Nationen Hauptquartiers in New York nach einer U.S. Aktion gegen Saddam Hussein rufen. (Photo/Graham Morrison) Aber als U.S. Auszenminister Colin Powell letzte Woche Platz nahm, um eine historische Rede darueber zu halten, warum Amerika Krieg gegen Irak fuehren musz, wurde Pablo Picassos Guernica von einer groszen blauen Fahne ueberdeckt.

Um einen alten Spruch zu verdrehen: Diejenigen die die Schrecken der Geschichte ignorieren - oder verdecken -, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen.

"Das Spiel ist aus", erklaerte Praesident George W. Bush, gerade 24 Stunden nachdem Powell's
Praesentation darin versagte, zweifelnde Mitglieder des Sicherheitsrates zu ueberzeugen.

* "Saddam Hussein wird gestoppt werden."

Seit der Nacht seiner Rede zur Lage der Nation am 28. Januar haben Bush und seine Regierung die
Schraube enger und enger gezogen und intensiv Druck auf die U.N. ausgeuebt, eine zweite Resolution zu
verabschieden, die einen Krieg gegen Irak authorisiert, und sich auch stark auf befreundete Laender wie
Kanada gestuetzt, einer Teilnahme an einer Militaeroperation auch ohne U.N. Unterstuetzung
zuzustimmen.

Aber es waar erst letzte Woche, dasz der Welt endgueltig klar wurde: Bush wird in den Krieg ziehen.

Der Praesident brachte dies zum Ausdruck, waehrend er grimmig in einem Pressesaal des Weiszen
Hauses neben Powell stand, der einstigen Taube der Regierung, dessen politische Aktien in der
Republikanischen Partei rasant angestiegen sind, nachdem er Bushs Kriegskurs unterstuetzt.

Diejenigen, die Bush genau beobachten, konnte es nicht ueberraschen, sich am Vorabend eines Krieges
wiederzufinden. Einige fragen sich sogar, wie er es geschafft hat, so lange abzuwarten.

"Wer in der letzten Zeit das Oval Office besuchte, dem fiel die Fixiertheit des Praesidenten auf dieses
Thema auf", sagt Strobe Talbott, Praesident des Thinktanks Brookings Institution und Vizeauszenminister
der Clinton-Regierung. "Egal, was man kommt zu diskutieren... Bush bringt das Gespraech schnell auf
Irak und die Dringlichkeit, wie er es manchmal privat ausdrueckt, 'diese Sache zu erledigen'."

Mehr und mehr aehnelt Bush, der 43. Praesident, Bush dem 41. Praesidenten, einem Mann der von
(Oelbezogener) Auszenpolitik besessen schien, waehrend die Wirtschaft seines Landes lahmte. Bushs
Vater wurde abgewaehlt, nachdem er den 1991'er Golfkrieg gewonnen hatte, vor allem weil die
Amerikaner fanden, er ignoriere die wirtschaftlichen Probleme des Landes.

Mit seinen zahllosen Warnungen ueber die letzten Monate, dasz die Zeit auslaufe fuer Saddam, und
angstschuerenden Hinweisen auf Massenvernichtungswaffen und Iraks Verbindungen zu den
Terroranschlaegen des 11. September auf Amerika, scheint es vielen, als sei der juengere Bush aehnlich
besessen von Irak.

Der Praesident hat "den Punkt erreicht wo er findet, er hat genug Argumente gegen das gehoert, was
seine Instinkte ihm sagen dasz er machen musz", sagt Talbot. "Er ist der Meinung, es seien die
Konsequenzen einer Entscheidung, nicht die Gruende dafuer, die bestimmen, wie sie bewertet werden
wird. Er will die Debatte mit Taten beenden, und die Zweifel durch Erfolg zerstreuen."

Dasz Irak die U.N. Waffeninspektoren verwirrt hat, wie Powell vor der U.N. ausfuehrte, sollte nicht
ueberraschen.

Saddam hat mit Washington ueber eine Dekade lang gespielt, manchmal offen aufsaessig, dann wieder
ploetzlich gnaedig kooperativ.

Ein Beispiel des letzteren kam, nachdem Saddams Kongresz letzten Herbst einstimmig beschlossen hatte,
eine Rueckkehr irgendwelcher U.N. Waffeninspekteure ins Land nicht zuzulassen.

Per "Praesidentialerlasz" unterzeichnete Saddam dann den Befehl, die Inspektoren zurueckkehren zu
lassen.

Laut Powell hat Saddam seitdem seine biologischen und chemischen Waffen versteckt, die U.N.
Inspekteure unter Beobachtung gestellt, sie als amerikanische Spione beschuldigt und ihnen Zugang zu
irakischen Waffenwissenschaftlern verweigert.

Meinungsumfragen nach der U.N. Rede am Mittwoch zeigen, dasz Powells Auftritt mehr Amerikaner zur
Zustimmung zum Krieg gegen Irak ueberzeugt hat. Doch eine entschlossene Minderheit ist klar dagegen
und bietet den Kondensationskeim fuer eine potentielle anti-Kriegsbewegung wie wir sie seit Vietnam
nicht gesehen haben.

Gestern nutzte Bush seine nationale Radioansprache, um die Botschaft betreffend Irak einzuhaemmern.

Heute entsendet er sowohl Powell als auch die nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice zu den
sonntaeglichen politischen TV Talkshows.

Diese Woche wird Bush politische Fuehrer der Welt telephonisch und persoenlich unter Druck setzen, sich
seiner Kampagne fuer einen Regierungswechsel im Irak anzuschlieszen - auf den Hoehepunkt am Freitag
hinarbeitend, wenn U.N. Waffeninspektor Hans Blix seinen endgueltigen Bericht an den U.N.
Sicherheitsrat abgibt.

Mit mehr als 125.000 amerikanischen Soldaten in Reichweite des Irak - einschlieszlich der beruehmten
101. Fallschirmspringer Elitetruppe "Screaming Eagles" - sagen die meisten Beobachter in Washington,
dasz der Krieg innerhalb von 20 Tagen nach Blix' Bericht beginnen wird.

* Pablo Picassos kraftvolles anti-Kriegsbild "Guernica"

"Ein Diplomat sagte, es waere kein passender Hintergrund, wenn der Botschafter der Vereinigten Staaten
bei den U.N., John Negroponte, oder Powell, ueber Krieg reden, umgeben von Frauen, Kindern und Tieren
die vor Entsetzen schreien und das Leiden der Bombardements zeigen."  http://www.artdaily.com

Nachdem Powell seinen 85-minuetigen Vortrag vor dem Sicherheitsrat beendet hatte, gingen er und die
anderen Mitglieder hinaus in den Flur der zweiten Etage und an der verdeckten Tapisserie von Picassos
Meisterwerk Guernica von 1937 vorbei.

Dieser Wandteppich war den Vereinten Nationen 1985 von Nelson Rockefeller uebergeben worden als
Tribut an das Mandat der internationalen Behoerde.

Picasso lebte in Paris waehrend des Buergerkrieges in seinem Heimatland Spanien, als Adolf Hitler
beschlosz, General Francisco Francos nationalistischem Regime zu helfen.

Hitler schickte seine Luftwaffe, um das kleine baskische Dorf Guernica in Nordspanien zu bombardieren.

In drei Stunden ununterbrochenen Bombardements wurde 1.600 Zivilisten in Guernica getoetet, viele von
ihnen Frauen und Kinder.

Das war die Art von Graeueltat, zu deren Verhinderung die Vereinten Nationen gegruendet wurden.

Und das ist die Art von Graeueltat, die, wie viele vorhersagen, sich in Irak wiederholen wird, wenn
Saddams Soldaten sich unter der Zivilbevoelkerung von Baghdad und anderen Staedten verstecken, in der
Hoffnung, diese zu opfern um die Meinung in der Welt gegen die von Amerika angefuehrte
Militaerkoallition zu wenden.

Die offizielle Begruendung weshalb Picassos Meisterwerk ueberdeckt wurde? Es haengt genau an der
Stelle, wo Sicherheitsratsmitglieder stehenbleiben und vor den Fernsehkameras reden. Es wurde
beschlossen, dasz grausame anti-Kriegsbilder nicht der passende Hintergrund waeren fuer Gerede ueber
einen neuen Krieg.

"Es ist, glauben wir, hoffen wir, nur temporaer", sagte Faustino Diaz Fortuny, ein spanischer Abgesandter,
dessen Regierung das Originalbild besitzt und in einem Museum in Madrid zeigt.

"Es ist nur temporaer. Wir tun das nur bis die Fernsehkameras weg sind," sagte Abdellatif Kabbaj, der
Haupt U.N. Medienbeauftragte.

Es war nicht das erste Mal, dasz die Lehren der Kunst ignoriert wurden, waehrend die Regierung Bush
ihre post-11.-September Krieg-gegen-den-Terror Agenda verfolgt.

Bundesanwalt John Ashcroft warf ein aehnliches blaues Tuch ueber die Geist-der-Gerechtigkeit Statue
letztes Jahr im Hauptquartier des Justizministeriums, um eine nackte Marmorbrust zu bedecken,
waehrend er eine Fernsehkonferenz hielt. Zu der Zeit war Ashcrofts FBI dabei, junge muslimische
Maenner ueberall in Amerika zu verhaften und wegzusperren, viele ohne irgendwelche kriminellen
Vorwuerfe.

Im Unglauben, der die Koepfe vieler in den Tagen nach den Terrorattacken des 11. September
umwoelkte, haetten nur wenige solch eine Kette von Ereignissen vorhersehen koennen: ein Krieg mit Irak
der einen ausgeweiteteren Krieg im chaotischen Nahen Osten ausloesen koennte; das Auftauchen
Nordkoreas als Land einer "Achse des Boesen", das wegen seines Nuklearprogramms mit
Gegenangriffen gegen Amerika droht; Bushs Erstschlagdoktrin prae-emptiver Militaerschlaege, die jetzt
in das Blickfeld von Laendern wie Indien und Pakistan geraet, beides Nuklearmaechte.

Autor Russell Martin stand in einem Museum in Madrid und betrachtete das Original Guernica am Tag als
die Terroristen Amerika trafen. Er recherchierte fuer sein neues Buch, Picassos Krieg.

Martin sagt jetzt: "Im Nachhinein des 11. Septembers, und in seiner Ungeduld mit dem globalen Ansatz
der U.N. um Saddam Hussein zu entwaffnen, fuehrt George Bush eine U.S. Regierung die Beobachtern in
anderen Laendern als kriegerisch erscheint und als voellig uninteressiert in anderslautenden Perspektiven
und entschlossen, einen Krieg um jeden Preis zu fuehren."

Dennoch, diejenigen die Bush unterstuetzen, argumentieren dasz wenn die Fuehrer der Welt eingegriffen
und Hitler beseitigt haetten nach seiner Intervention im spanischen Buergerkrieg, es vielleicht keinen
Zweiten Weltkrieg gegeben haette.

Sie sehen die Parallele jetzt in Saddams Invasion 1991 in Kuwait, und die Notwendigkeit, den irakischen
Diktator zu stoppen, bevor er sich neu formiert und sein angebliches Ziel wiederaufnimmt, den Nahen
Osten zu dominieren.

Mehr ein Kunst- als ein politischer Kritiker, beschreibt Martin Guernica als darstellend: "Ein schreiendes
Pferd, das gefallen ist, durchbohrt von einer Lanze; eine heulende Frau, die ein totes Kind in ihren Armen
haelt; noch eine Frau, deren Kleider brennen, und die versucht, aus einem brennenden Gebaeude zu
entkommen; den abgetrennten Kopf eines Soldaten.

"Es sprach von den Schrecken, die Menschen seit Jahrtausenden aufeinander losgelassen haben, und
deshalb wurde das Bild erstaunlich schnell nach seinem Entstehen ein Symbol des Krieges," sagt er.

"Guernica ist fuer Menschen auf der ganzen Welt plastischer, sichtbarer Beweis fuer die wahre Natur des
Krieges, eine ganz andere Perspektive als die heroischen und optimistischen die so oft von Politikern
bemueht werden, die den Krieg nie aus der Naehe gesehen haben."

Laurie Brereton, australische Labour-Abgeordnete und Mitglied der U.N.Delegation, sann nach Powells
Rede am Mittwoch ueber den verhaengten Picasso.

"Das hat einen tiefsinnigen Symbolismus, einen Schleier ueber dieses groszartige Kunstwerk zu ziehen,"
sagte sie.

"Denn durch die ganze Debatte ueber Irak hindurch... gab es einen bemerkenswerten Grad von
Verdunkelung, Ausweichen und Verleugnung, und nirgendwo mehr als wenn es um die grausame
Realitaet von Militaeraktionen geht.

"Wir leben vielleicht im Zeitalter der sogenannten 'intelligenten Bomben', aber der Schrecken am Boden
wird genau derselbe sein, der auf die Dorfbewohner von Guernica losgelassen wurde...

"Unschuldige Iraker - Maenner, Frauen und Kinder - werden einen schrecklichen Preis bezahlen. Und es
wird unmoeglich sein, davor einen Vorhang zu ziehen."

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Ergänzungen

Bericht dazu vom Wochenende

- 13.02.2003 - 12:12
UN-Hauptquartier: Picasso für Blix-Auftritt zensiert
 http://de.indymedia.org/2003/02/40584.shtml

Quellenlink

einem, der die Quelle gefunden hat 13.02.2003 - 18:57
Die Quelle (sollte man imemr angeben)

 http://www.thestar.com/NASApp/cs/ContentServer?pagename=thestar/Layout/Article_ Type1&c=Article&cid=1035777604304&call_page=TS_News&call_pageid=968332188492&call_pagepath=News/News