medienstrategie des pentagon

mr.x 10.02.2003 21:05 Themen: Medien Militarismus Netactivism
Der amerikanische Truppenaufmarsch an einer möglichen Front im Persischen Golf wird von einer ebenso resoluten Aufrüstung an der Heimatfront begleitet. Das Militär erkennt die Unterstützung durch die eigene öffentliche Meinung als gewichtigen Faktor an.
«Effektive Öffentlichkeitsarbeit ist im Informationszeitalter ausschlaggebend für erfolgreiche Operationen der Armee», stellt das Reglement (field manual) für PR-Taktiken und Techniken der US-Army fest. «Die Heimatfront», formulierte General Clark, Nato-Oberbefehlshaber im Kosovo-Krieg, überspitzt, «ist der wichtigste Kriegsschauplatz, und Worte und Bilder sind die entscheidenden Waffen.» Die Handhabung der Presse in den Operationen «Desert Storm» im vergangenen Golfkrieg und «Enduring Freedom» in Afghanistan wurde heftig kritisiert. Zudem schwindet eineinhalb Jahre nach dem 11. September 2001 allmählich die Kriegsbereitschaft in der Bevölkerung. Daher hat das Pentagon die Taktiken und Strategien der Medienarbeit im Vorfeld eines Krieges im Irak grundlegend verändert.

Zensur und Zugangskontrolle
Im Golfkrieg sowie in Afghanistan hatten Journalisten weder ungehinderten Zugang zum Kampfgeschehen noch zu den kämpfenden Soldaten. Im Golf unterband 1991 ein «Medienpool» eine freie Berichterstattung. Reporter konnten sich nur eingeschränkt bewegen, ihre Entwürfe wurden einer «security review» unterzogen. Am Hindukusch wurde ein solcher Pool sogar erst verspätet eingerichtet. Journalisten wurden daran gehindert, von den «verdeckten Operationen» und ihren Ergebnissen zu berichten. Ein abgelegenes Kriegsgebiet erleichtert solche Kontrollen. Dies soll sich nun ändern. «Wir haben gelernt, dass man entweder die Nachrichtenwelle lostritt oder von ihr überrollt wird», sagt Jim Wilkinson, Leiter eines amerikanischen Medienoperationszentrums in Afghanistan. Damit weist er auf eine neue Medienstrategie des Pentagon hin. Anstatt nur reaktiv auf die Medienberichterstattung zu antworten, will man nun aktiv vorgehen.

Der Initiative in der Öffentlichkeitsarbeit wird eine gesonderte Bedeutung beigemessen. Mit «Gegenpropaganda» soll verhindert werden, dass die gegnerische Sichtweise und Propaganda in den amerikanischen und internationalen Medien verbreitet wird. Die «Informationsinitiative zu behalten und zu bewahren», sei eine «mächtige Waffe», um Propaganda abzuwehren und die Unterstützung durch die Bevölkerung zu gewährleisten, argumentiert die Air Force in ihrer jüngsten Doktrin zur Informationskriegführung. Besonders die Berichterstattung durch überzeugende Fotos und Videos wird heute als wichtig erachtet. Spezielle «Combat-Camera»-Einheiten, im militärischen Jargon Comcam genannt, werden für die visuelle Dokumentation des Krieges sorgen: «Gun camera footage» heissen die Bilder aus dem Blick der Bombe, welche die Berichterstattung im Golfkrieg so einseitig dominiert hatten.

Vorgestellt und präsentiert werden die Bilder und Pläne auf offiziellen Pressekonferenzen. Diese haben den Vorteil, dass gleichzeitig eine grosse Zahl von Pressevertretern und durch Live- Übertragungen eine noch grössere Zahl von Zuschauern erreicht werden kann; und all dies, ohne dass eine journalistische Aufbereitung der Ereignisse die militärische Version «verfälscht». Populäre Sprecher sollen die Pressekonferenzen attraktiver machen sowie persönliches Engagement und Anteilnahme demonstrieren - besonders dann, wenn Hiobsbotschaften zu vermelden sind. Das den Journalisten präsentierte Anschauungsmaterial wird ihnen vor der Konferenz als sogenanntes Media-Kit ausgehändigt.

Medienoperationszentren im Einsatzraum
Ein «media operations center» ist eine Drehscheibe für die Medienarbeit im Konfliktgebiet. Es stellt sowohl Informationsquelle, logistische Unterstützung kommerzieller Medienorganisationen als auch Koordinationszentrum dar. Solche Zentren werden eingerichtet, wenn eine grosse Zahl von Journalisten anlässlich einer Krise erwartet wird. Wegen der Zeitverschiebung wurden im Afghanistan-Krieg und in Kosovo Medienoperationszentren von den Alliierten an Ort und Stelle eingerichtet. Damit sollte dem Gegner der zeitliche Vorteil geraubt werden. Die Pressemeldungen Milosevics oder jene der Taliban waren nämlich zeitlich ideal placiert, um in den amerikanischen Morgennachrichten aufzutauchen, womit eine Nachrichtenwelle ins Rollen gebracht war. Ein Medienzentrum analysiert 24 Stunden lokale und internationale Medien und kann bei Bedarf «korrigierend» durch Pressekonferenzen und Pressemitteilungen eingreifen.

Eine weitere Massnahme, um eine vorteilhaftere Berichterstattung über Militäreinsätze zu erwirken, ist das «Einbetten der Medien». Einzelne Reporter sollen sich zusammen mit militärischen Einheiten in den Einsatz begeben, etwa in Flugzeugen, auf Kriegsschiffen oder mit Verbänden der Armee. Walter Isaacson, Vorstand von CNN, hat jedoch die Befürchtung geäussert, «eingebettete Journalisten könnten dazu verleitet sein, ein freundliches Verhältnis mit ihrer Einheit zu wahren, um sich den Zugang zu sichern». Mehr noch: Auch eine emotionale Befangenheit der Berichterstatter wäre keine Neuigkeit. Joe Galloway, ein Reporter, der in Vietnam und im Golfkrieg im Einsatz war, verdeutlicht dieses Risiko, wenn er bei einem Vortrag ins Schwärmen über die gemeinsame Kriegserfahrung gerät, über «diese Art von Freundschaft, die in keinem anderen Bereich menschlichen Zusammenlebens erworben werden kann - Bindungen, die ein Leben lang halten».

Um die Presseleute auf die enge Zusammenarbeit vorzubereiten, fanden in den letzten Monaten vier sogenannte Media Boot Camps statt. In den einwöchigen Übungen absolvierten etwa 240 bis 300 Journalisten eine elementare militärische Ausbildung. Sie trainierten das Marschieren mit Gepäck oder lernten, wie sie sich bei einem bewaffneten Angriff zu verhalten haben. Zum Veranstaltungsprogramm gehörten Aufenthalte in Gaskammern der Marines, um mit Tränengas die Handhabung der Ausrüstung zu üben, ein simulierter Raketenangriff auf den Zerstörer USS «Iowa», ein Nachtmarsch sowie Rettungsübungen, bei denen die Teilnehmer mit schweren Rucksäcken in Helikopter einsteigen mussten.

Richtungweisende Medienstrategie
Von einem lediglich passiven und restriktiven Ansatz scheint das Pentagon mit Blick nach Bagdad abzurücken zu wollen. Stattdessen verfolgen die Medienexperten der amerikanischen Streitkräfte gemäss ihrer eigenen Begriffsbildung eine proaktive Strategie in der Öffentlichkeitsarbeit. Wichtig ist dabei für das Pentagon, selbst einen Einfluss darauf zu haben, wann, wo und vor allem wie und aus welchem Blickwinkel Nachrichten verbreitet werden. «Diese Art der Kommunikation», wie sich die neue Air-Force-Doktrin zu «information operations» ausdrückt, «gibt den US-Befehlshabern eine Möglichkeit, die Wahrnehmung von Ereignissen zu beeinflussen, das öffentliche Verständnis zu klären und die öffentliche Debatte einzurahmen.»

* Der Autor ist Mitarbeiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
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Ergänzungen

alles im arsch

weist 10.02.2003 - 21:58
Die 'Iowa' ist 'n Schlachtschiff, aber sonst hat der Typ Recht.

Stehen schon Strategien für unsere 'Gegenattacke'?
(Ich hab meine schon, aber weil ich euch euer Abendessen gönne, erzähl' ich jetzt nix ;-P)

11.02.2003 - 16:37
Die SWP ist ein Thinktank der Schröder-Fischer-Regierung.

wilde Idee

elfboi 11.02.2003 - 16:41
Theoretisch müßte es einer Gruppe von 5-10 technikbegeisterten Enthusiasten möglich sein, mit elektronischen Bauteilen, wie man sie überall bekommt (Conrad, Völkner etc.), und geeigneter Software (selbstgeschrieben) eigene ferngesteuerte Kameradrohnen zu bauen, zu einem Materialpreis von weniger als €2500 pro Stück, was durch Spendensammlungen durchaus aufgebracht werden könnte. Die Software und die Baupläne könnte man gleich noch im Internet verbreiten, als Open-Source-Projekt, bei dem sich mehrere Entwicklungsteams vernetzen könnten...
Wenn es Kameradrohnen für jedermann gibt, dann kann das Militär auch nicht mehr komplett verhindern, daß unabhängige Berichterstatter Livebilder von den Schlachtfeldern senden. Das wäre schon einmal ein Anfang.

Link zum Pentagon-Text??

nicht wichtig 12.02.2003 - 13:03
Gibt es einen Link zu den im Text zitierten Stellen aus dem Pentagon-Papier? Irgend jemand ne Ahnung?

Ja, die Stiftung Wissenschaft & Politik

Marat&Kumpanei 12.02.2003 - 17:05
Dieser Stiftungs-"Wissenschaftler" hat zwar recht, er würde aber genau das Gegenteil behaupten, wenn er bei 'ner anderen Stiftung für Wissenschaft & Politik wäre - beim Aspen-Institut zum Beispiel!
Der Experten- & Wissenschafts-Schwindel ist ja bekannt und berüchtigt - auch wenn einer dieser Schwindler mal die Wahrheit sagt!
"Wissenschaftler", "Journaile" und "Volljuristen" sind genauso käuflich wie Huren, Politiker & Politiker-Gattinnen!
Der Unterschied ist nur: Die Huren tun es aus Not - der Rest aus Gier!

Aber hallo, elfboi!

Homo Faber 13.02.2003 - 14:38
Modellflieger, Minikamera, Funksender.

Problem schaetz ich wird die Reichweite eines entsprechend kleinen leichten Funksenders sein, die vermutlich bedeutet, dasz du mit der Empfaengerstation irgendwo sitzt wo Kriegsrecht gilt und auf ein biszchen Collateral Damage, wenns denn der Propaganda hilft, auch nicht mehr ankommt...