Internet-Zensur - und wie mensch sie umgeht

PigBrother 09.02.2003 03:08
Die neue schweizer Zensur-Offensive nimmt überhand. Seit Anfang Februar haben bis auf einen alle unter Druck gesetzten CH-Provider nachgegeben und die bemängelten justizkritischen Sites gesperrt -- der Letzte wird nun verklagt. Auch google.ch/de/at/fr filtern. (Siehe auch Link-Sammlungen am Ende des Artikels.)
>> Trotzdem ist es mit ein paar Tipps & Tricks (noch?) relativ einfach, von überallher auch gesperrte Sites aufzurufen und Google zensurfrei zu nutzen ...
Seit Dezember 2002 verlangt die Waadtländer Staatsanwaltschaft «vorsorgliche Sperrung» (1) u.a. der Homepage  http://www.Appel-au-Peuple.org, die inzwischen von den meisten schweizer Internetprovidern zensuriert wird bzw. nicht mehr aufgerufen werden kann. Nachdem sich anfänglich noch viele Provider gegen diese speziell dreiste Form von Zensur wehrten (2), gaben ab 31.1.03 alle bis auf green.ch klein bei -- letzterer wird nun promt verklagt (3). Und auch google.ch zeigt längst nicht mehr alle Suchresultate und spiegelt auch die gesperrten Seiten wohl demnächst nicht mehr im Cache ... (4)

>> Auch in diesem Fall kommt die Zensur nicht von ungefähr, sondern als klare Reaktion auf unliebsame kritische Meinungsäusserung: So leitet z.B. Gerhard Ulrichs pdf-download «Das Justizverbrechen in der Schweiz» (5) auf der gesperrten Page ausgehend von 3 (Fehl-)Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen in Indizienprozessen allgemeinere Gesetzmässigkeiten der landläufigen Justizkriminalität ab und fordert praktische Massnahmen zu deren Behebung. Dass Ulrich im Gegensatz zu Prof. Franz Riklin, der mit seiner bahnbrechenden Untersuchung «Von der Aufklärung verschont» (6) in eine ähnliche Richtung zielt, nicht "bloss" schikaniert wird, sondern gleich mit mehreren Ehrverletzungsklagen vor den Richter gezerrt inkl. der erwähnten Homepage-Sperrung, verdeutlicht lediglich Ulrichs These, dass weniger integrierte Menschen in der Regel umso drastischer von Justizverbrechen betroffen sind. Mit seinen treffsicheren Bemerkungen über die wenig ruhmreiche, dafür aber umso karrierebewusstere Rolle der Anwälte in solcherlei Machenschaften dürfte sich Ulrich weitere einflussreiche Feinde geschaffen haben. Dass Menschen, die hierzulande öffentlich aus Missstände hinweisen und sie beim Namen nennen als erstes mundtot gemacht und kriminalisiert werden, ist schlicht ein Skandal!! Umso wichtiger, dass möglichst viele sich (solange sie noch dürfen ...) eine eigene Meinung bilden und entsprechend handeln!
Im selben Aufwasch wurde übrigens mit  http://www.Swiss-Corruption.com eine weitere Site gesperrt – obwohl diese mehrheitlich "under construction"-Seiten beinhaltet letztlich kein Wunder bei diesem Namen ...

1) Siehe z.B.  http://www.heise.de/newsticker/data/hob-12.12.02-000/
2) Siehe z.B.  http://www.pctip.ch/topthema/tt/22823.asp
3) Siehe  http://ch.indymedia.org/de/2003/02/4136.shtml
4) Siehe z.B.  http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/13486/1.html
5) pdf-download jetzt neu via  http://www.freejustice.de
6) pdf-download auf  http://www.FRinjuria.com


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TIPPS & TRICKS ZUR UMGEHUNG DER ZENSUR

Was aber tun, wenn Dein Provider die Seiten sperrt? (Kommt nicht nur in der Schweiz vor ...)

>>> Oeffnen gesperrter Seiten mit Anonymizern - zur Zeit die einfachste und beste Methode

Meldet ein Browser, eine Seite könne nicht geöffnet werden, kann eine mögliche Ursache sein, dass diese Seite vom Provider gesperrt wurde. Eine solche Sperrung kann oft mit Hilfe der anonymisierenden Surftechnik umgangen werden. Folgende Sites bieten diese Möglichkeit z.Zt. gratis an. Dort einfach die gesuchte Adresse eintippen und schon ist die Zensur umgangen:
 http://www.pureprivacy.com
 http://www.nonymouse.com
 http://www.anonymizer.com
(Achtung: Es gibt Zensur-Provider, die auch den Zugang zu Anonymizern sperren!)

>>> Zugriff über zensurfreie Proxy-Server

Dafür musst Du Deinen Browser konfigurieren. Das Verfahren wird (für Windows) beschrieben unter  http://www.ioz.ch/zensurschutz.htm#Proxy . Leider sind mittlerweile die dort angegebenen Proxies bzw. Proxy-Suchmaschinen nicht mehr in Betrieb bzw. kostenpflichtig. Wenn Du hier Abhilfe weisst, poste dies bitte unten!

>>> Zugriff über einen zensurfreien DNS-Server

Viele Provider zensieren, indem sie missliebige Seiten in ihrem DNS-Server (verbindet den angewählten Namen einer Site -- zB xyz.com -- mit dem Server mit der entsorechenden IP-Nummer) sperren oder auf leere Seiten umleiten. In diesem Fall kannst Du Deinen Browser konfigurieren, dass er auf einen zensurfreien DNS-Server zugreift. Eine genaue Anleitung für alle Betriebssysteme findest Du unter  http://www.ccc.de/censorship/dns-howto/index.html

>>> Umgehung der nationalen Google.ch/de/at/fr-Zensur durch Zugriff direkt auf Google.com

Neuerdings guckt google.com, woher Du kommst, und leitet Dich dann automatisch um (7) auf die (zensurierte) Länderdomain (.ch, .de, .at). (8)
>> Die einfachste Methode, dies zu verhindern, ist (momentan noch?) der direkte Zugriff auf die INTERNATIONALE ENGLISCHE PAGE  http://www.google.com/intl/en/
>> Eine andere Möglichkeit ist der Zugriff auf google.COM von einem AMERIKANISCHEN Anonymizer aus (siehe oben).
>> Eine weitere Methode besteht darin, im nationalisierten SUCHRESULTAT manuell auf google.COM zu wechseln. Dazu musst Du in der Adress-Leiste oben in Deinem Browser die Suchresultat-Adresse (z.B. " http://www.google.CH/search?q=zensur&ie=ISO-8859-1&hl=de&meta=") manuell ändern (in z.B. " http://www.google.com/search?q=zensur&ie=ISO-8859-1&hl=de&meta="), anschliessend drückst Du die Enter- bzw. Neue-Zeile-Taste oder bei Deinem Browser auf AKTUALISIEREN; oder Du setzst statt "google.com" gleich manuell eine IP ein (z.B. "216.239.53.100") und aktualisierst dann.
>> (Es gibt eine Liste von bei google.de und google.fr zensierten Pages (9), von denen viele auch bei google.ch zensiert werden. So kannst Du schauen, obs mit dem unzensierten Zugriff auch wirklich klappt.)

7) Siehe  http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/13486/1.html
8) Siehe  http://cyber.law.harvard.edu/filtering/google/
9) Siehe  http://cyber.law.harvard.edu/filtering/google/results1.html

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LINKSAMMLUNG ZUR AKTUELLEN CH-INTERNETZENSUR:

SIUG will Klarheit über gesperrte Internetangebote (pcTip 05.06.01)
>>>     http://www.pctip.ch/topthema/tt/18591.asp
Wenig freie Internetzugänge in der Schweiz (pcTip 29.06.01)
>>>     http://www.pctip.ch/webnews/wn/18768.asp
«Freiheit und Internet» - wie viel soll erlaubt sein? (pcTip 05.07.01)
>>>     http://www.pctip.ch/topthema/tt/18806.asp
Freies Internet – quo vadis? (pcTip 05.08.02)
>>>     http://www.pctip.ch/topthema/tt/21694.asp
Schweizer Richterin verlangt Website-Sperrung von Providern (heise 12.12.02)
>>>     http://www.heise.de/newsticker/data/hob-12.12.02-000/
Sperrt das Internet! (pcTip 13.12.02)
>>>     http://www.pctip.ch/topthema/tt/22798.asp
Sperrverfügung gegen Provider: Was hat sich getan? (pcTip 18.12.01)
>>>     http://www.pctip.ch/topthema/tt/22823.asp
Websitesperrung: Provider-Chef verklagt (indymedia 05.02.03)
>>>     http://ch.indymedia.org/de/2003/02/4136.shtml

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LINKSAMMLUNG ZUR GOOGLE-ZENSUR

Google filtert (telepolis 22.07.02)
>>>     http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/12948/1.html
Die Welt ist keineswegs alles, was Google auflistet (telepolis 25.10.02)
>>>     http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/13486/1.html
Localized Google search result exclusions (harvard 24.10.02)
>>>     http://cyber.law.harvard.edu/filtering/google/
Specific Sites Excluded from Google.fr and/or Google.de (harvard 24.10.02)
>>>     http://cyber.law.harvard.edu/filtering/google/results1.html
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Ergänzungen

...

09.02.2003 - 13:33
einen weiteren anonymonizer findet ihr auf
 http://anon.inf.tu-dresden.de/ noch in der entwicklung und (noch)kostenlos ich weiß allerdings nicht ob sich damit die zensur umgehen läßt...

google

weist 09.02.2003 - 17:02
Die Suchfunktion von Opera (rechts neben der Adressleiste) geht direkt auf google.com, man braucht also nur in der Adreßleiste (in der man automatisch ist, wenn man - STRG-N - ein neues Fenster geöffnet hat) Tab zu drücken und kann seine Suchbegriffe direkt eintippen. Wer wie ich oft über Google.com suchen will, hat hier zumindestens in Deutschland/Österreich den Browser seiner Wahl (es sei denn, man verwendet Linux - Konqueror/Magellan rulez, aber dort muß man dann anonoymisieren!)

noch´n Tip!

Spyrou 09.02.2003 - 17:10
Ein überaus selten erwähntes Anonymisier-Portal ist die Website "www.allgemeiner-datenschutz.de"! Dort gibts nicht nur eine grosse Proxyauswahl sondern auch EMail-Anonymizer und jede Menge Surf-Verhaltenstips!!!

DANKE

selva 09.02.2003 - 21:47
schlicht:Danke
SPITZE

JAP - http://anon.inf.tu-dresden.de/

Olaf Schaefers 12.02.2003 - 23:18
>> einen weiteren anonymonizer findet ihr auf
  http://anon.inf.tu-dresden.de/ noch in der entwicklung und (noch)kostenlos ich weiß allerdings nicht ob sich damit die zensur umgehen läßt... desto weniger Bandbreite fuer den einzelnen).

Die Sache hat aber einen Haken: Schon jetzt sind einige URLs ueber den JAP nicht erreichbar. Weil die Webmaster mancher Angebote es nicht wuenschen, werden diese Zieladressen im JAP gesperrt. Sollte sich nun die Bezirksregierung Duesseldorf mit ihrer Position durchsetzen, duerften auch die Betreiber des JAP recht bald "Sperrungsverfuegungen" erhalten und muessten "unzulaessige" Ziele sperren - Wenn dies nicht schon der Uplink des JAP-Providers (Uni Dresden/Datenschutzzentrum), bzw. dessen Provider tut.

Ein weiteres Problem ist die Erreichbarkeit des Dienstes, schon jetzt ist der JAP hin und wieder ueber laengere Zeit nicht erreichbar, man spricht von massiven DOS-Attacken auf die Infrastruktur. Zusaetzlich duerfte man mit den ueblichen technischen Problemen eines Pilotprojektes zu kaempfen haben.

DOS-Angriffe und vermeintlich ueber den JAP veruebte Straftaten sind weitere Probleme, die die Betreiber unter (politischen) Druck setzen. Und auch wenn ich es mir wirklich anders wuenschen wuerde, die Foerdermittel sind leider begrenzt, die Chancen fuer eine Nutzung stehen damit zumindest mittelfristig nicht besonders gut ,(

Und letztendlich stellt sich auch die Frage, ob der eigene Provider - wenn die Filterschraube erstmal weiter angezogen wird - noch die Nutzung eines JAP gestattet bzw. gestatten darf (Buessow moechte explizit gegen "Umgehungsmoeglichkeiten" vorgehen!). Als zentral organisierter Dienst mit fester IP waere er recht leicht zu blocken.

Langfristig sollte man sich also auf dezentrale (p2p-)Systeme mit starken Verschluesselung konzentrieren - Solange Verschluesselung noch erlaubt ist ,) Oder auf Dinge, die auch gegen fortgeschrittene Sperrmethoden wie den ominoese Filterpilot (Nach einen Gutachten von Dezember 2002 ist der mittlerweile einsatzbereit, wenn auch mit Einschraenkungen) eine Chance haben ,)

Viel wichtiger als diese "Hase und Igel"-Spiele ist aber natuerlich politische Basisarbeit. Rezipienten-/Informationsfreiheit ist ein Grundrecht. Ohne dieses Grundrecht ist eine Demokratie nichts mehr wert.
Alternativ koennte man "dummen Menschen" auch gleich das Wahlrecht absprechen.

Ein technisches Wettruesten werden 90% der potentiellen Netznutzer verlieren. Egal wie cool und einfach Umgehungstools sind. Man wird sie nicht nutzen (siehe dazu  http://odem.org/insert_coin), weil die eigene Realitaet doch scheinbar in Ordnung ist. Auch wenn Papi halt nicht mehr heimlich Fickelbilder schauen kann ohne seine eigene Identitaet bei einem zertifizierten Ueberwachungssystem preiszugeben ..

MfG
Olaf, odem.org