NOlympia-Kundgebung in Frankfurt

AOK-Frankfurt 02.02.2003 13:26 Themen: Soziale Kämpfe
Gestern abend fand zeitgleich mit dem Ball des Sports, der größten Benefiz-Veranstaltung Europas "zum Wohle der Deutschen Spitzensportler" in Frankfurt eine Kundgebung gegen Olympia statt. 150 Menschen machten ihrem Unmut gegen die sozialen Folgen Olympias und der "normalen" Stadtpolitik Luft.
Unter dem Motto „Olympische Welten“ fand gestern abend der 33.Ball des Sports in der Frankfurter Festhalle statt.
Gaststar der Mitternachts-Show, zu der 2.000 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Spitzensport und Prominenz erwartet wurden, war der Entertainer Udo Jürgens. Eine der begehrten Eintrittskarten kostete wie im Vorjahr 1.000 Euro, 400 Euro Spende zum Wohle der Deutschen Spitzensportler inklusive.
Neben dem Schirmherrn der Stiftung „Deutsche Sporthilfe“, Bundespräsident Johannes Rau, und Vertretern der Bundesregierung ist erstmals auch IOC-Präsident Dr. Jacques Rogge in die Festhalle eingeladen worden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) entscheidet 2005 endgültig, welche Stadt die Olympischen Spiele bekommt.
Letztes Jahr erzielte die erfolgreichste Benefiz-Veranstaltung Europas einen Reinerlös von 1,2 Millionen Euro.
Der „Ball 2003“ bietet den fünf Bewerberstädten noch einmal ein geeignetes Forum, sich mit ihrer Bewerbung bei den nationalen Entscheidungsträgern werbewirksam zu präsentieren. Sie haben jeweils 48 Sekunden Zeit, ihre Bewerbung für Olympia 2012 vorzustellen.

Ein geeigneter Ort, nolympischen Protest zu zeigen.
Das gelang auch ziemlich gut dank großer Anlage, wärmenden Getränken und sportlichen Einlagen wie Sackhüpfen.
Die Deutsche Sporthilfe (www.sporthilfe.de) wurde parodiert, indem ihre Angebote für Unternehmen im richtigen Tonfall aber mit Originaltext(!)vorgetragen wurden:
"Patenschaftsprogramm für Athleten:
Mit dem Patenschaftsprogramm können Sie ausgewählte Nachwuchstalente mit Medaillenchancen bei künftigen Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften fördern. Sie begleiten den Athleten Ihrer Wahl auf dem Weg zu Olympischen Spielen - dies für eine Jahresspende von 3.000 EUR - auch hier gegen entsprechende steuerlich abzugsfähige Zuwendungsbescheinigung.
In Ihrer Rolle als Pate profitieren Sie oder Ihr Unternehmen unmittelbar vom wachsenden Bekanntheitsgrad Ihres Sportlers.
Verfolgen Sie den Werdegang Ihres Athleten vom Junior-Sportler zum Top-Olympiasportler hautnah mit.
Der persönliche Kontakt zu Ihrem Sportler lässt sich auch für Ihre Unternehmenszwecke optimal nutzen."

"Bereitstellung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen:
Als die Athleten Service Gesellschaft Deutschlands sind wir Partner der Sportler, gerade wenn es um die Vermittlung von leistungssportgerechten Arbeits- und Ausbildungsplätzen geht.
Auch Ihrem Unternehmen bieten leistungsorientierte Mitarbeiter besondere Vorteile. – Für einen Sportler sind Leistung, Einsatz und Motivation die Grundlage für seinen Erfolg. Eine Einstellung, die er auch auf den Beruf übertragen wird.
Durch Trainingslager und Wettkämpfe verursachte Ausfallzeiten können Sie bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe geltend machen."

Die Sporthilfe ist, wie mensch sieht, ein geeignetes Beispiel für die Kommerzialisierung aller lebensbereiche im Kapitalismus.

Später folgte der ultimative Kampf der Wettbewerber-Standorte: Frankfurt, Hamburg, Leipzig und Düsseldorf lieferten sich harte Kämpfe beim Sackhüpfen und Fußball. Nachdem Hamburg als klarer Sieger aus dem "Kampf Aller gegen Alle" hervorging und schon auf dem Treppchen stand, tauchte eine Maske namens Roland Koch (RoKo...) auf und drückte hamburg einen schwarzen Koffer in die Hand. Daraufhin trollte sich Hamburg und RoKo setzte Frankfurt aufs Treppchen. Seine lang vorbereitete (und sehr lustige) Rede musste er aber leider abbrechen und flüchten, weil er von übermütigen Protestierern mit Eiern beworfen wurde...

Der Protest war organisiert worden vom 2.Anti-Olympia-Komitee Frankfurt(DAS SICH ÜBER KONTAKT ZU ANDEREN NOLYMPIA-GRUPPEN FREUEN WÜRDE!!!) mit Unterstützung von der Bürgerinitiative „NOlympia in Frankfurt 2012“, der Jugend Antifa Frankfurt, der Antifaschistischen Aktion Bad Homburg, autofrei leben e.V. – Ortsverband Frankfurt, der Bunten Bande Frankfurt, der Bürgerinitiative „Gegen die Zerstörung der Grünen Mitte“ in Maintal, dem Autonomen Kulturzentrum Metzgerstraße Hanau, dem Arbeitskreis Umwelt (AKU) Wiesbaden, der Bürgerinitiative Bornheim und anderen Einzel-BI´s des Bündnisses gegen den Flughafenausbau, der Freien ArbeiterInnen Union (FAU) Frankfurt, dem Deutschen Gewerkschaftsbund – Ortsverband Maintal und Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V.

Und warum das alles?
Gründe gegen Olympia und die gesellschaftliche Funktion von Sport im Kapitalismus

1. „Müll macht schlechte Laune!“ und nicht nur Müll: Auch sogenannte Randgruppen, die den reibungslosen Ablauf der Konsumgesellschaft stören machen „schlechte Laune“.
Wegen der vermeintlich nötigen Imagepflege der Stadt Frankfurt als Metropole und Olympiastadt wird die Vertreibung von „Randgruppen“ wie Punks, Drogenabhängigen oder Wohnsitzlosen aus den polierten Innenstadtbereichen weiter zunehmen. Frankfurter Bauwagenplätze und andere alternative Wohnprojekte werden in einer Olympiastadt noch stärker als heute schon von Räumung bedroht sein, enn auch sie passen natürlich nicht ins Bild der durchgestylten Stadt von Welt.
Dies alles wird eher schon vor Olympia selber und auch unabhängig davon aktuell sein, denn schließlich soll dem NOK bereits in der Bewerbung die saubere Stadt vorgeführt werden und die Stadtplaner treiben ihr Plan-Spiel auch unabhängig von Olympia voran, denn potentielle Investoren und ihre Angestellten in den Büro-Bunkern sollen natürlich ein „ansprechendes“ Frankfurt vorfinden.

2. Die Erfahrungen in anderen Olympia-Städten zeigen: Mieten steigen rasant an und ganze Stadtviertel werden mit der Begründung Olympia fundamental umstrukturiert. Quartiere werden luxussaniert und Wohnungen so für immer mehr Menschen unerschwinglich – sie werden in Ghettos am Stadtrand vertrieben, während die Innenstadt (wie oben bereits erwähnt) für die einkommensstarken „Global Player“ attraktiv gemacht werden soll (siehe FR, 21.01.2003: Zwei Immobilienmakler stellen ihr Konzept von Frankfurts Zukunft vor).

3. Die Umweltzerstörung wird durch den Bau von Sportstätten, wie zum Beispiel des Wassersportzentrums in Maintal, das das Biotop und Naturschutzgebiet „Grüne Mitte“ (www.gruenemitte.de.vu) vernichten wird, vorangetrieben. Ein weiteres Beispiel ist der rücksichtslose Ausbau der Infrastruktur, von Autobahnzubringern über neue S-Bahnlinien zwischen Sportfeld und Olympiagelände bis zum Flughafen, der „für Olympia“ natürlich erst recht ausgebaut werden muss. Die Jugend der Welt kommt laut Unternehmerverband Frankfurt schließlich „nicht zu Fuß nach Frankfurt“.

4. Die Stadt ist angeblich pleite und spart an allen Ecken und Enden – vor Allem bei den Sozialausgaben – trotzdem ist scheinbar Geld für Großprojekte von mehr als zweifelhaftem Nutzen vorhanden.
Auch einzelne (Breiten-)Sportvereine wie der PSV Blau-Gelb wenden sich gegen die Olympia-Planungen und weisen darauf hin, dass sie kurz vor dem Ruin stehen, während Olympia und der Spitzensport das Geld hinterher geschmissen bekommen.
Sozialausgaben werden gekürzt, der Frankfurt-Pass eingeschränkt, aber Olympia ist eben immer eine Investition wert. Nicht unlogisch in einer Gesellschaft, in der die Ver(m)ehrung der Profite vorrangiges Ziel ist.

5. Roland Koch und anderen zufolge brauchen die Menschen in der Region und Deutschland allgemein eine Vision, die sie aus der ständig beschworenen Lethargie „befreit“. Olympia soll ein „Rhein-Main-Regionalbewusstsein“ (O-Ton Koch) schaffen, dass mit Nationalismus durchaus vergleichbar ist: Eine Ideologie, die Standort und Bevölkerung vereinen soll. Die Menschen sollen durch das „wirtschafts-nationalistisches“ „Regionalbewusstsein“ bereit sein, Einschränkungen wie Sozialabbau und ähnliches in Kauf zu nehmen.
Sylvia Schenk (NOK-Mitglied und Ex-800-Meter-Läuferin) ist schon deutlicher und denkt nicht nur in wirtschaftlichen, sondern auch in weitergehenden Kategorien: „Derzeit läuft unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eine Kampagne, die mit den Worten `Durch Deutschland muss ein Ruck gehen! Worauf warten wir?` dazu auffordert, aktiv zu werden. Aber mit was für einem Ziel? Was jetzt noch inhaltsleer auf Plakatwänden und in Zeitungsanzeigen zu überzeugen sucht, bekäme mit Olympia ein Thema, das die ganze Nation hinter sich vereinen und tatsächlich dazu führen kann, Deutschland zu einem neuen Selbstbewusstsein zu verhelfen. [...] Dabei wären wir gezwungen, uns selbst Rechenschaft über unsere Rolle in der Welt zu geben und die Verantwortung als führende Weltmacht anzunehmen.“

6. Die Olympischen Spiele fördern auch den „stinknormalen“ völkischen Nationalismus: Die AthletInnen werden zu Statussymbolen der Nation aufgeputscht, die Deutschlands Ansehen in der Welt erhöhen sollen. Der Medaillenspiegel wird zum Maß des nationalen Stolzes.
Durch den scheinbar nur sportlichen Nationalismus „dürfen“ die Menschen den Stolz auf ihr Land endlich wieder richtig ausleben und übernehmen dies auch in das alltägliche Verhältnis zu ihrem Staat. Neben den Beweisen aus der Geschichte, zu was Nationalismus führt, dient der „normal-nationale Nationalismus“ wie der regionale „Wirtschaftsnationalismus“ dazu, die Bereitschaft der Menschen zu erhöhen, Opfer für ihr Land, für ihren Standort zu bringen.

7. Sport in dieser Gesellschaft führt teilweise dazu, dass ganz bestimmte Verhaltensmuster einstudiert werden. In den meisten Sportarten geht es um Leistung, Konkurrenz und Sieg über einen Gegner – „Ideale“, die sich ideal auf die Einstellung der Menschen zur Arbeit auswirken. Die Deutsche Sporthilfe (www.sporthilfe.de) wirbt um die Bereitstellung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für Leistungssportler mit folgendem Satz: „Auch Ihrem Unternehmen bieten leistungsorientierte Mitarbeiter besondere Vorteile. – Für einen Sportler sind Leistung, Einsatz und Motivation die Grundlage für seinen Erfolg. Eine Einstellung, die er auch auf den Beruf übertragen wird.“

8. Durch die Verbreitung von Olympia als Idee und Anregung sollen die Menschen zum selber Sport treiben animiert werden. Kranke Menschen arbeiten schlecht und kosten Geld. Es muss folglich ein Interesse des Staates, der privaten Krankenkassen und der Wirtschaft sein, dass die Menschen gesund sind. Nur mit gesunden „Arbeitnehmern“ können die Ausgaben im Gesundheitsbereich gesenkt werden. „Sport tut Deutschland gut“ und auch der Präsident des Deutschen Sportbunds von Richthofen hat klar erkannt: „Nicht am Sport sparen, sondern mit dem Sport sparen.“
Dass es uns einfach besser geht, wenn wir gesund sind, steht außer Frage, ist aber hier nebensächlich und nicht das Ziel der Kampagne. Der Mensch und sein Wohlbefinden ist in dieser Gesellschaft schließlich nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zur Vermehrung des Profits.

9. Die Förderung des Sports kann zur Befriedung sozialer Konflikte und der Integration der Austragung derselben beitragen: In Düsseldorf werden soziale Projekte, die einen kritischeren Ansatz verfolgen aus Spargründen dicht gemacht, an deren Stelle sportorientierte, unkritische und billigere Projekte treten.


10. Ein Punkt, den der organisierte Sport immer wieder positiv herausstellt ist der, dass "die Jugendlichen stark gemacht werden gegen Sucht und Drogen“. Es gibt jedoch die repräsentative Studie „Jugendarbeit in Sportvereinen – Anspruch und Wirklichkeit“ des sportnahen Sozialwissenschaftlers Brettschneider, die das Gegenteil belegt: „Die optimistischen Annahmen über den Einfluss des organisierten Sports auf die Entwicklung Jugendlicher müssen relativiert werden.“
Nun stellt sich die Frage, wie es mit der vielbeschworenen „Gewaltprävention“ („Sport statt Gewalt“) in Sportvereinen aussieht.

11. Kinder sollen „stark“ gemacht werden, denn offensichtlich ist das „unsägliche Härte-Ideal“ (Adorno) wieder gefragt: „Schattenparker, Weichei, Frauenversteher, Warmduscher“ und ähnliche Wörter haben Hochkonjunktur. Wie es scheint, wird das soziale Unbehagen auch in Zeiten des „Turbo-Kapitalismus“ an den üblichen Sündenböcken festgemacht.


Diese Gründe sprechen natürlich nicht nur gegen Olympia in Frankfurt, sondern betreffen die anderen Bewerberstädte in ähnlicher, in der Kritik der gesellschaftlichen Funktion des Sports in gleicher Form.

NO l y m p i a – Nie & Nirgends!

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Ergänzungen

gute aktion das ...

hallenmikadomeister 1976 02.02.2003 - 22:08
dank an die orgaleute für warme getränke und heisses feuer... der sound-turm war klasse und nicht nur zu hören wenn mensch direkt davor steht (wie bei manch anderen demos)... bei den vielen unterstützergruppen hättens aber noch ein paar leutchen mehr sein können, so kalt wars auch net leute :) abär immerhin für frankfurter verhäältnisse wars toll (dank umland)

gute aktion

ich 02.02.2003 - 22:54
War echt ne super Veranstaltung, hat irgentjemand bilder die er/sie online stellen möchte.
Ansonsten wollte ich mich nur bei allen bedanken für die gelungene aktion.



-- partnerschaft für spitzensportler (c) --

03.02.2003 - 12:33
Profi-Weltmeisterschaften nach Frankfurt!
Olympia nach Leipzig!

Der Führer sagt: Olympia ist Scheisse!
Und alle Kämpfer glauben das.
Wir nicht! Olympia nach Leipzig!