Marburger Provinzpossen - Trillern kostet 360 Euro!

MarktfrühschoppengegnerIn 30.01.2003 14:59 Themen: Repression
Heute wurde vor dem Marburger Amtsgericht eine Frau zu einer Geldstrafe von 360 Euro verurteilt, weil sie angeblich mit einer Trillerpfeife gegen den Marburger Marktfrühschoppen im Juli 2002 protestiert hatte.
Richter Taszis befand, daß die Protestierende, wenn ihr auch nicht nachgewiesen werden konnte, daß sie überhaupt eine Trillerpfeife dabei gehabt hat, versucht habe mit anderen Trillernden den Marktfrühschoppen zu sprengen, die Festgäste genötigt habe und somit gegen das Versammlungsgesetz verstossen habe. Und das kostet nunmal ein Monatseinkommen.
Der Marktfrühschoppen ist ein reaktionäres Fest, was jeden ersten Sonntag im Juli auf dem Marburger Marktplatz stattfindet. Neben schlechter Blasmusik und saufenden Bürgern nehmen insbesondere die Verbindungsstudenten daran teil - darunter auch die rechten Normania Leipzig, Rheinfranken und Germania.
Das besondere am diesjährigen Marktfrühschoppen war nun, daß es tatsächlich zu Gewalttaten kam - ein alter Festgast hatte einer Frau zweimal ins Gesicht geschlagen. Ein Bulle filmte das alles, die Frau stellte Strafantrag und viele machten ZeugInnenaussagen -aber Oberstaatsanwalt Jörg stellte das Verfahren ein, wegen "mangelndem öffentlichen Interresse". Kurze zeit später hagelte es Strafbefehle gegen GegnerInnen des Marktfrühschoppens- mit Gewalt sollte angeblich eine Versammlung gesprengt werden. Gewalt, das waren diesmal keine Schläge, sondern Trillerpfeifen.
Auch der Richter im Amtsgericht hat heute so schön gesagt "und dann haben die die Trillerpfeifen gezückt" Böse böse....
Der Versantalter des letztjährigen Marktfrühschoppens war bezeichnenderweise auch Oberstaatsanwalt, nämlich OStA Wölk, der mit Bierkrug auf dem Marktplatz stand und immer meinte: "Die weg, Du hast einen Platzverweis...." Oberstaatsanwalt Wölk sieht sich auch außerstande, explizit die rechten Verbindungen auszuladen ("woran soll man das denn erkennen?") oder den Schläger, der ihm sogar schon vorher namentlich bekannt war, des Platzes zu verweisen. Denn "man sollte sowas schon lieber der Polizei überlassen, aber verstehen konnte man die Aggression ja schon."
Die Staatsanwältin wollte sich im Gericht schonmal gar nicht mit der Weltanschauung der Burschen beschäftigen, mußte dann aber doch zuhören und wollte anschließend eigentlich eine Einstellung des Verfahrens.
Der Richter aber, getreu dem RECHTsstaatprinzip, verurteilte die Angeklagte, auch wenn er noch mal explizit betonte , daß "sie nicht kriminell aussieht" und man ihr das Trillern auch nicht nachweisen kann. Aber Rechts ist sowieso gleich links und die Linken sind kein deut besser als die Nazis, weil die haben ja die Juden ausgeschlossen und wenn die Linken die rechtsextremen Burschen ausschließen wollen, ist das ja das gleiche.
Bei solch tollen Vergleichen durch einen Richter Taszis am Amtsgericht Marburg kann man nur noch schnell den Raum verlassen, kräftig von der Trillerpfeife Gebrauch machen und hoffen, daß das im Landgericht bessere kommen. Aber auch die haben Jura studiert, wo bekanntlich ja der Anteil der Verbindungsstudeneten besonders hoch ist und an die Gerechtigkeit der Gerichte zu glauben traut sich ja wohl hoffentlich auch niemand mehr.
Soviel also zu den Marburger Provinzpossen. Backpfeifen statt Trillerpfeifen und der nächste Marktfrühschoppen ist am 6. Juli!
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Ergänzungen

Nachfrage:

Jörg Wölk 30.01.2003 - 17:50
Gab es denn wenigstens heftige Proteste im Saal? In der BRD wird gemunkelt, dass in Marburg vor nicht all zu langer Zeit dank 80-90 solidarischer Menschen verschieden Verfahren nicht stattfinden konnten.
Euch viel Power und ladet viele ein für den Protest 2003

Backpfeifen statt Trillerpfeifen klingt gut!!!

Jörg Wölk

@jörg wölk

... 30.01.2003 - 19:18
diesmal gab es keinen protest. es waren allerdings 30- 40 menschen anwesend und haben das spektakel verfolgt.
beim ersten verfahren aus der reihe (welches ausfiel) waren so 50leute da und haben ne demo durch die stadt gemacht.

Schauprozess !!!

muss ausgefüllt werden 30.01.2003 - 20:30
Dieses bemerkenswerte Urteil dient ausschliesslich dazu, die Protestierer einzuschüchtern; es handelt sich damit um ein politisches Urteil. Wer traut sich zukünftig noch während des Marktfrühschoppens seinen Protest lautstark zu verbreiten? Zwischen Trillerpfeiffen, Trommeln oder lautem Rufen ist kein besonderer Unterschied, so dass ein Unterlassen jeglichen lautstarken Protestes aus Angst vor Repression zu erwarten ist. Die "Linke" sollte sich gut überlegen, wie diesem zunehmenden Repressionsdruck angemessen entgegnet werden kann.
Besonders bedenkenswert ist es auch, wenn der Richter Taszis das Verhalten der "Störer" mit dem Verhalten von Nazis gegenüber Juden vergleicht. Nicht nur das dies eine Verharmlosung des Holocaust darstellt - sondern es waren gerade die Nazis, welche Schauprozesse veranstalteten um die Bevölkerung einzuschüchtern und den Protest im Keim zu ersticken.
Besonders brisant wird dieses Gerichtsurteil ausserdem dadurch, dass es keinen einzigen Beweis für die Erfüllung irgendeines Tatbestandes durch das Verhalten der Angeklagten gibt. Angeblich soll hier eine Nötigung vorliegen, es gibt aber keine Zeugen, welche diese Nötigung im konkret vorliegenden Fall bestätigen können.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass heute eine Person ohne Vorlage von Beweismitteln verurteilt wurde (sie ist damit "vorbestraft") und in Folge dessen zu erwarten sein wird, dass zukünftige Proteste gegen den Marktfrühschoppen unter einem enormen Repressionsdruck stehen.

Einfach schade ...

Kreative Antirepression! 30.01.2003 - 21:04
Einfach schade ... zum x-ten Mal sitzen "Linke" herum, verfolgen gutmütig Herrschaftsausübung und sind brav. Unfaßbar. Sch(l)afherdig.

vorgehen gegen Urteil und Richter

Ninguno 30.01.2003 - 22:57
gegen solch ein Urteil muß natürlich augenblicklich Berufung eingelegt werden, gegen den Richter sollte ein Disziplinarverfahren wegen schweren Dienstverfehlungen (Verurteilen ohne Beweise, Amtsmißbrauch) und natürlich ein Verfahren wegen übelster Beleidigung

wenn das nicht funzt kann man den Rechtsstaat als ausgehebelt betrachten und somit zur sozialen notwehr greifen, sogar das Grundgesetz erlaubt es meines Wissens nach gegen Versuche dieses Auszuhebeln (was im Falle einer Verurteilung ohne Beweise wohl der Fall ist) eigenmächtig auch physikalisch vorzugehen
wenn schon die Gerichte den "Rechtsstaat" beenden, so ist die BRD zu beenden


alle Macht dem Volke

@ Kreative Antirepression

Trillernde 31.01.2003 - 12:44
Zur Antirepressionsarbeit gehört auch, daß man auf die Wünsche der Betroffenen Personen eingeht und ggf. die eignen Ideen von Antirepressionsarbeit diesen Wünschen unterordnet. das hat etwas mit Respekt vor der anderen person zu tun und es ist auch völlig legitim, wenn man statt immer das Maul aufzureißen auch eine andere Art von Antirepressionsarbeit bevorzugt. das mag vielleicht in Deinen Augen nicht kreativ sein, ist aber vielleicht auch effektiv, und der Herr Richter Taszis hatte sichtliches Vergnügen an Zwischenrufen und Protest aus dem Publikum. Dieser Art von Mensch kann man dieses Vergnügen an solch einem Prozeß nur nehmen, wann man ihm nicht mehr zuhört und den Saal verläßt. Konfettiwerfende Leute und Trillerpfeifen hätten dem nur noch mehr Spaß gemacht und verurteilt hätte der so oder so. Still sein und still halten ist ja auch nicht das gleiche. Deswegen Backpfeifen statt Trillerpfeifen und am 6. Juli ist wieder Marktfrühschoppen in Marburg.

Backpfeifen statt Trillerpfeifen

Kappa 02.02.2003 - 14:28
Na ja ,und wenn es dann bei Projekt "Backpfeifen statt Trillerpfeifen" Menschen trifft , die gar nix gemacht haben , außer auf dem Marktplatz zu stehen , ist das dann ein Kollateralschaden?