Vom Bolschewismus bis zu staatlichen Repressionen unter Stalin Teil 2

Svennie d. R. 08.01.2003 02:04 Themen: Repression Weltweit
In den zwanziger Jahren hatte die Tscheka ausgedient. Die GPU trat mit abgespeckten Vollmachten an deren Stelle. Doch spätestens nach Gründung der UdSSR erhielt der neue Geheimdienst OGPU die gleichen Vollmachtenwie einst die Tscheka. Das GuLag war eine Unterabteilung des OGPU und durch die Zwangsarbeitskräfte volkswirtschaftlich von Bedeutung bei derUmsetzung der Kollektivierung und des 1. Fünfjahrplans. Oft wurden Zwangsarbeiter auf den Großbaustellen des Landes eingesetzt. Stalins Anti-Kulaken-Kampagne überfüllte Lager, Sondersiedlungen und Gefängnisse. Oft schon auf dem Weg dorthin fanden etliche tausend Menschen den Tod. Die Repressionen Stalins gingen jedoch durch alleBevölkerungsschichten. Eliten waren genauso betroffen wie Minderheiten und das einfache Volk. Das Ziel: Die Schaffung des sozialistischen Menschen in einer sozialistischen Gesellschaft. Um jeden Preis. Alle Mittel schienen recht zu sein.
Der Plan wurde mit polnischer Hilfe von einem Amerikanischen Verlag erstellt und kennzeichnet die bekannten Arbeitslager der Hauptverwaltung der Lager.


TSCHEKA, GPU UND OGPU

Der Tscheka-Apparat war riesig geworden. Solch ein Riese hatte auch seinen Preis. Bevor man in den Kosten für diesen Geheimdienst zu ersticken drohte, beschloß man im Politbüro, daß man Andersdenkende und vermeintliche Staatsfeinde in Zukunft nur noch kostengünstig durch Verbannung oder Haft von der Umwelt fernhalten sollte. Damit war auchdas Ende der Tscheka besiegelt. Im Februar 1922 beschloß das Politbüro die Neuorganisation eines Geheimdienstes. Die GPU (gosudarstvennoe politic'eskoe upravlenie), die Staatliche Politische Verwaltung war geboren. Ihre Befugnisse hatten anfangs nicht den Umfang derer der Tscheka. Erschießungen ohne einen vorangegangenen Gerichtsprozeß waren nun offiziell nicht mehr möglich. Doch verschiedene Sondervollmachten zur Bekämpfung der sozialen Gefährlichkeit machten diese Beschneidungenschnell wieder rückgängig. Nach der Gründung der UdSSR am 30. Dezember 1922 wurde die GPU zur OGPU, zur Vereinigten Staatlichen Politischen Verwaltung. Im Jahre 1927 hatte die OGPU wieder die gleiche Machtfülle wie einst die Tscheka erlangt.
(Dies geht auch hervor aus den Akten des Russischen Zentrums zur Aufbewahrung und Erforschung von Dokumenten der neuesten GeschichteRZAEDNG 17/3/290, BI 4, dem ehemaligen Zentralen Parteiarchiv der KPdSU hervor)
Interessant ist, daß die Tscheka damals nicht überall aufgelöst wurde.
Sie agierte zum Beispiel noch im Kaukasus, wo nach wie vor Bürgerkrieg herrschte. Markus Wehner beschrieb 1995 in "Le soulement géorgien de 1924 et la réaction des Bolcheviks", (Communisme. Les archives: La nouvelle histoisre de l'URSS) auf Seite 155-169, daß 1924 einBauernaufstand als Anlaß genommen wurde, 12000 Gefangene zu erschießen, um damit auch den letzten georgischen Sozilademokraten verschwindenzulassen. Ein Jahr darauf, 1925 soll durch die Tscheka-Reste die extrem resistenzfähige tschetschenische Bevölkerung entwaffnet worden sein. Nur durch heftige Attacken auf deren Siedlungen konnte deren Widerstand gebrochen werden. In den Folgejahren kann man von einer Militarisierungvon oben sprechen. Hierbei spielte auch die Arbeit des Kommunistischen Jugendverbands Komsomol eine tragende Rolle. Bürgerliche Moral und Religiösität bildeten die ideologischen Hauptangriffspunkte. "Für einenGroßteil der jungen sowjetischen Generation war der Krieg offenbar zur Lebensform geworden." (Arbeitsthese des Forschungsprojekts "Jugend undGewalt in der Sowjetunion 1917 bis 1932" von Professor Stefan Plaggenburg an der Universität Jena).


GULAG UND INDUSTRIALISIERUNG 1925-1927

Die zweite Hälfte der zwanziger Jahre war in der SU geprägt durch die voranschreitende Industrialisierung. Die technische und wirtschaftliche Rückstandigkeit betrachtete man sogar als Vorteil. Man glaubte, viel schneller auf einen grünen Zweig zu kommen, da man ja aus den Fehlern der westlichen Industriestaaten lernen könne und im Gegensatz zu ihnenein Heer von billigen Arbeitskräften zur Verfügung zu stehen hatte.
Während Maschinen aus den Industrieländern eingeführt wurden, wurde aufgenau den gleichen Großbaustellen daneben "traditionell" mit Hacke,Spaten und Muskelkraft gearbeitet. Dies war bereits im erstenindustriellen Boom in Rußland zwischen 1870 und 1900 so. (Wynn Charters:Workers, Strikes and Pogroms: The Donbass-Dnepr Bend in late imperialRussia, 1870-1905, Oxford 1992).


STALIN IM KAMPF GEGEN KULAKEN UND SABOTEUREDER BEGINN DES STALIN-KULTS

Währenddessen erhöhte Stalin den Druck auf die Bauern. Er selbst stelltesich im Januar 1928 an die Spitze einer "Anti-Kulaken-Kampagne" inSibirien. Man dürfe den Aufbau der Industrialisierung nicht von denLaunen der Kulaken abhängig machen. Der Aufbau der Kolchosen undSowchosen müsse ohne Kräfte und Mittel zu schonen vorangetrieben werden.(Joseph Stalin, Werke, Bd. 11, Berlin 1953. S.5). Gleichzeitig lief eineKampagne gegen tausende Parteifunktionäre, die als Saboteure diffamiertund ihrer Ämter enthoben wurden, da sie sich gegen bürgerkriegsähnlicheMethoden aussprachen. Rykow, Tomski und Bucharin, Opfer des 3.Schuprozesses 1938, wurden zu den neuen Buhmännern und als rechteStrömung aus dem Politbüro ausgeschlossen.
Nun, da auch Grigori Sinowjews (Angeklagter im 1. Schauprozeß 1937) undLeo Trotzkis linksoppositionelle Strömungen längst linientreu gemachtwurden, hatte Stalin von nun an freie Bahn. Sein 50. Geburtstag im Jahre1929 gilt als Beginn des Stalin-Kults (Markus Wehner: StalinistischerTerror. Genese und Praxis der kommunistischen Gewaltherrschaft in derSowjetunion 1917-1953. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B37-38/96)


ENTKULAKISIERUNG UND KOLLEKTIVIERUNG

1929 wurden die Kulaken (Großbauern, und erfolgreiche Bauern, die alssolche bezeichnet wurden) zum Hauptfeind der Sowjetunion erklärt. DieLandwirtschaft des riesigen Landes sollte bis in den letzten Winkelkollektiviert werden. Enteignungen, Verhaftungen, Vetreibungen von denHöfen, sogenannte "freiwillige" Beitrittsverpflichtungen in Kolchosenund Verbannungen von insgesamt 1,8 Millionen Menschen nach Sibirien undin den Ural standen in den Jahren 1930 und 1931 an der Tagesordnung. Daeine bestimmte Quote erfüllt werden mußte, wurden auch mittlere Bauernderartigen Repressionen ausgesetzt. Der Abtransport in dieSondersiedlungen fand meist in geschlossenen Güterwaggons statt. Zirka600 000 Menschen sollen allein bei den Transporten das Leben verlorenhaben. (Stefan Merl: Das System der Zwangsarbeit und die Opferzahl imStalinismus, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 46 (1995)5/6, S. 282-289; I.E. Selenin "Revoljucia sverxu": savers'enie itragic'eskieposledstvia [Revolution von oben": Realisierung undtragische Folgen, in Voprosy istorii [Fragen der Geschichte], (1994) 10,S.28-42.). Eine riesige Landflucht setzte ein. Mehr als 12 MillionenMenschen flohen in die Städte.
Es kam zu immer mehr Verhaftungen und die Kosten für Lager undGefängnissen stiegen immer mehr. Um dies zu ändern, sollte nachVorstellungen der OPGU nun das Lagernetz noch weiter ausgebaut werden.Außerdem hielt man es für sinnvoll, Zwangsarbeiter an den Großbaustellendes ersten Fünfjahrplans einzusetzen. Dazu zählten zum Beispiel derMoskau-Wolga-Kanal oder der Weißmeerkanal. Die Kollektivierung galt 1934als abgeschlossen. Über 3.000.000 Menschen sollen sich zu dieser Zeit inSondersiedlungen, Gefängnissen und Lagern, die größtenteils der OGPUunterstanden, befunden haben. Der OGPU war die Hauptverwaltung der LagerGuLag (Abkürzung für glavnoe upravlenie lagerej) untergeordnet. DieHauptverwaltung der Lager hatte einen wirtschaftlichen Zweck. OhneZwangsarbeit wären Kollektivierung und Industrialisierung nichtrealisierbar gewesen.
Nachdem die unabhängige Bauernschaft zerschlagen war, holte man aus zumgroßen Schlag gegen "kleinbürgerliche" Wissenschafter, Fachleute,Ökonomen wie N. Kondrat'ev, Agrarsoziologen wie A. Tschaianov undFunktionäre im Staatsapparat und in der Handelsorganisation. DieVorwürfe reichten von verfehlter Preispolitik bis zu Sabotage undOppositionsbildung. Ein wichtiger Eckpunkt hier ist der Schauprozeßgegen die Führungsriege der Kohlegruben von Schachty im Donezbecken imJahr 1928.


DIE HUNGERSNOT VON 1932/33

Die Landwirtschaft in der Sowjetunion lag nun am Boden, doch mußte dieVersorgung der Armee und der Städte aufrecht erhalten werden. Deshalbwurde von der Parteiführung beschlossen, daß alles Getreide ausnahmsloszu beschlagnahmen sei, was für viele Bauern einem Todesstoß gleichkam.(Gesetz über den Schutz des Staatseigentums vom 7. August 1932). Wer desDiebstahls von Getreide in auch noch so kleinen Mengen überführt wurde,hatte mit sofortiger Erschießung oder 10 Jahren Lagerhaft zu rechnen.Die international verheimlichte Hungerkatastrophe soll insgesamt fastsieben Millionen Menschen das Leben gekostet haben (I.E. Selenin"Revoljucia sverxu": savers'enie i tragic'eskieposledstvia [Revolutionvon oben": Realisierung und tragische Folgen, in Voprosy istorii [Fragender Geschichte], (1994) 10, S.38). Die Hungergebiete wurden abgeriegeltund Bauern der Zutritt zu den Städten verweigert. (Robert Conquest,Ernte des Todes. Stalins Holocaust in der Ukraine 1929-1933, München1988). Erst 1934 begann sich die Lage zu verbessern. Das ersteStalinsche Tauwetter schien angebrochen zu sein. Dies machte sichdadurch bemerkbar, daß der Rubel wieder stabiler wurde und in denStädten die Lebensmittelmarkenpflicht aufgehoben wurde. Sport und Kulturerlebten einen leichten Aufschwung. Die Zeit des zweiten Fünfjahrplanswurde als Phase der Erholung und des Auflebens von Kunst und Kultur propagiert.



Le Syndicaliste vom 15. November 1952
Der Artikel gibt Aufschluß über die Verteilung von Arbeitslagern in der Region um den Danube-Schwarzmeerkanal zwischen 1949 und 1951

--> Vom Bolschewismus bis zu staatl. Repressionen unter Stalin Teil 1
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Ergänzungen

Vielleicht noch ganz interessant

Bücherwurm 08.01.2003 - 02:15
Die Berichte über das Ausmaß der Repressionen in der Sowjetunion von russischen Emigranten, dem Sozialrevolutionär Isaac Steinberg oder anarchistischen Autoren wie Emma Goldmann oder Aleksander Berkman blieben in westlichen Ländern nahezu unbeachtet. (Emma Goldmann: "Die Ursachen des Niedergangs der Russischen Revolution" Berlin 1922; Aleksander Berkman, Die Russische Tragödie, Ein Rückblick und Ausblick" Berlin 1923). Große Teile der Linken und der Liberalen waren Befürworter der neuen Gesellschaftsordnung, die dort geschaffen werden sollte.
Insgesamt war die Reaktion des Westens auf Stalins Politik von Zurückhaltung geprägt. "Ein stabiler aber radikaler Stalin ist besser als ein gemäßigter, aber autoritätsloser X." meinte der deutsche Botschafter in Moskau Dirksen. (Christoph Mick, Sowjetische Propaganda, Fünfjahrplan und deutsche Rußlandpolitik 1928-1932, Stuttgart 1995, S. 416).

Noch ein Kommentar allgemein

Bücherwurm 08.01.2003 - 02:21
Ohne Gulag hätte die SU nicht funktioniert.
Das GuLag wurde von der Sowjetunion als Wirtschaftsstütze benötigt. Trotzdem ergibt die Vernichtung von so vielen Menschen wenig Sinn und ist zu keiner Zeit ethisch vertretbar. Die Parteiführung war sensibel genug um zu merken, wann die Gefährdung ihrer Herrschaft hoch und wann sie niedrig war. Fühlte sie sich bedroht, wurde die Gewaltschraube gelockert. Ein Beispiel ist die Hungerkatastrophe 1934 oder das Jahr 1938, als sich die Machthaber untergraben fühlten. Die großen Terrorwellen fanden wirklich zu den sichersten zeiten statt. Das waren
die jahre 1929-1939, 1936, 1948 und 1949. Alle potentiellen Gegner sollten in den ruhigen Zeiten weggefegt werden. Außerdem fürchtete man sie anscheinend unbeugsame bauernschaftund wollte sie mit allen Mitteln zerschlagen. Auch unbewußte Gegener sollten vernichtet werden. Im Gegensatz zum NS-System wurde keine soziale Gruppe vom Terror des Staates verschont.

mhhh ...interessant

ich 08.01.2003 - 02:26
interessant daß in politisch sicheren und ruhigen zeiten, der staatliche terror seine höhepunkte erreicht, während er in unsicheren zeiten abnahm...

@ ich

EineR 08.01.2003 - 02:38
Vielleicht liegts daran, daß in "sicheren" Zeiten weniger Aufruhr bei Repressionen zu spüren ist? Wenn das so ist, kanns vielleicht auch umgekehrt zumindest als einen Indikator (unter vielen) gesehen werden: Wenn wenig Repression ist, scheint sich der Staat entweder unsicher (oder zu sicher) zu sein.

Ich finde diese Reihe hier übrigens ganz interessant. Auch wenn sicher die Zeiten der Ideologien ein wenig vorbei ist und heutige Bewegungen eher durch Offenheit auffallen (Zapatistas: "Bewegung der Bewegungen" oder "Für eine Welt, in der viele Welten möglich sind" oder "Fragend gehen") und viel sich aus allen möglichen Ideologien das Gute nehmen und den Rest wegwerfen (geschlossene Gedankengebäude, bestimmte Denkstrukturen etc), kann nicht genug aufgeklärt werden. Gerade Ideologien, die keine Kritik zulassen und zu unkritisch Hierarchien und Verboten gegenüber sind, laufen Gefahr so zu enden. Auch wenn ich meine Kritik an Bakunin hab, finde ich doch beachtlich, daß er schon 18?? voraussagte, was passiert, wenn ein Sozialismus ohne Demokratie geschaffen würde. Rätklommunisten kritisierten später an Lenin und Co, daß er zwangsweise zu Stalin führen musste. Die blutigen Säuberungen (etwa die vom 12.April 1918, als 5000 Rotarmisten durch Moskau zogen, um Mitglieder anarchistischer Clubs zu jagen und zu killen) begannen ja gleich nach der Übernahme und Ausschaltung der Sowjets durch die Bolschewisten im Winter 1917/18...

Zu ich und EineR

Studi 08.01.2003 - 03:02
Erst mal: Daß der Stalinismus nicht nur durch die Repressionen beschriebe nund bewertet werden kann ist wohl klar...
Natürlich stellt sich nicht nur die Frage, ob der Terror allein das System am Leben erhalten hätte, sondern auch wann und wie er auftrat. Der Unmut in der Bevölkerung gegenüber dem System wuchs ja immer mehr - so gab es ja auch Befürchtungen für die innere Sicherheit, wenn in Spanien die Anarchosyndikalisten siegen würden. Was man sehen muß, ist, daß die Säuberungen, wenn man es pragmatisch betrachtet, auch vielen in neue Positionen auf der Karriereleiter verhalfen - das ist wohl in den meisten hierarchischen und repressiven Systemen so.

Natürlich kann man andererseits nicht von der hand weisen, daß eine überwältigende Industrielandschaft und ein vollkommen neues Bildungssystem geschaffen wurde, doch zu welchem Preis?

Man darf auch nicht vergessen, daß die
Bolschewiki im Bürgerkrieg großgeworden sind und immer nur von Gewalt umgeben waren, doch auch dies rechtfertigt deren Vorgehen nicht.

Man muß die Sache sowohl sozialgeschichtlich, als auch kulturgeschichtlich betrachten.

Noch viel offen

Svennie 08.01.2003 - 03:43
Es wäre sicher noch notwendig gewesen auf die Rolle Stalins einzugehen. Man darf nicht vergessen, daß in der Sowjetunion tausende kleine Stalins rumrannten. Verängstigte Spießer und Denunzianten und informelle Mitarbeiter der gehimdienste. Die Terrorkampagnen wurden von unten aufgenommen, wie sie von oben diktiert wurden. Die Schauprozesse waren durchgeplant wie Theaterstücke und Stalin führte Regie. Er legte fest, welche Geständnisse aus den prominenten Angeklagten herausgepresst werden sollten und wer erschossen werden sollte. In den dreißiger Jahren erstellte der NKWD Prominentenlisten. Der NKWD legte mit fest, wer liquidiert werden sollte. Anfangs wurde in zwei Kategorien unterschieden. Haft, Verbannung oder Todesstrafe. Später war diese Unterteilung nur noch formell oder ganz unwichtig. Die Unterschriften auf den hunderten von Listen leisteten nicht nur Stalin, sonder auch Molotow, Kaganowitsch, Schdanow und Woroschilow. Im Grunde kann man sagen, daß alle regionalen Parteiführer Mitverantwortung trugen. Wäre es nach Berija gegangen, hätte man die Verhaftungen und Erschießungen nach dem Tode Stalins einfach ohne Abstriche weitergeführt. Doch konnte der Stalinismus ohne Stalin noch weiter funktionieren?

Bald also Teil 3.....

lest doch nicht nur hier sondern bücher

y 08.01.2003 - 06:11
lest doch solchenizyn, den alexander, der selbst in den lagern war und auch danach noch von repressionen und verfolgung nicht verschont blieb. er beschreibt das alles sehr eindrucksvoll und kritisch, hat zahlen und fakten und auch die stimme derer die nicht mehr sprechen konnten damals.

mfg y

Vorsicht vor dem "neuen Menschen"

08.01.2003 - 11:15
Immer wieder heißt es, das Regime hätte "mit allen Mitteln einen sozialistischen Menschen" schaffen wollen. Der GULag erscheint damit auch als eine große Erziehungsanstalt.

Dem möchte ich vorsichtig widersprechen. Mir scheint diese Auffassung eine westliche Projektion zu sein. Im Gegensatz zu intellektuellen europäischen Revolutionstheoretikern hatten die Bolschewiki und der sowjetische Staatsapparat kaum eine Vorstellung vom "neuen Menschen". Der Begriff des "neuen Menschen" kam in der internen Propaganda zur Stalinzeit so gut wie überhaupt nicht vor und wurde erst zu Chrustschew-Zeiten wiederbelebt.
Die Bolschewiki wußten anfangs gar nicht, ob sie nun tatsächlich die Familie abschaffen sollten oder nicht. Es stellte sich heraus, daß sie es doch nicht wollten. Auch die Haltung gegenüber dem Alkoholismus war keineswegs eindeutig. Der Taakanbau wurde niemals unterbrochen. Dei Abtreibung wurde erst legalisiert, dann wieder verboten. Schicke Kleidung, Schminke und symbolistische Literatur war erst völlig verpönt, wurde anschließend wieder zugelassen. Die "unvernüftige" Existenz verschiedener Völker und Kulturen wurde ebenfalls akzeptiert.
Auch die Frage der Bildungs- und Religionspolitik konnte niemals kohärent beantwortet werden. Am Ende kehrte man zur klassischen Paukschule zurück und die Priester segneten 1941 die Waffen.
Kurz gesagt: Die Erneuerung des Menschen war den Bolschewiki unter Stalin sehr viel gleichgültiger, als westliche Interpreten normalerweise wahrhaben wollen.

Nix für ungut...




@ Bücherwurm

Terrorwellen 08.01.2003 - 11:28
Daß die großen Terrorwellen in sicheren Zeiten stattgefungen hätten, spiegelt nicht die subjektive Wahrnehmung des Regimes wider.
Die erste große Terrorwelle gab es mitten im Bürgerkrieg -- keine "sichere Zeit".

Auch die Phase der Zwangskollektivierung (1930-32) war aufgrund der Aufruhrstimmung unter den Bauern nicht besonders sicher. Das Regime überlebte, weil die Bauern keine Waffen besaßen. Aber auf dem Dorf wurden viele Kommunisten von den Einheimischen getötet.

Die Massenverhaftungen und -erschießunen 1937-38 waren eine prophylaktische Panikreaktion Stalins angesichts des heraufziehnden Weltkriegs. Diese Jahre waren zwar für sich "sicher", aber in Europa konnte es jederzeit losgehen. Ging es ja dann auch am 1.9.39.

Und ab 1947 gab es den "kalten Krieg": Die USA hatten die Atombombe, die UdSSR noch nicht. Auch das sorgte für Nervosität.

Das soll alles keine REchfertigung sein, nur muß man beachten: Aus der Sicht von Diktatoren wie Stalin gibt es überhaupt keine "sicheren Zeiten".

hääähhhh

Bolschewik 08.01.2003 - 20:34
Also, wenn Du, der Autor, Stalinismus mit Bolschewismus gleichsetzt, machst Du einen großen Fehler! Der Bolschewismus ist eine Richtung, die Anfang des 20 JH. entstand, als eine Abspaltung von der opportunistischen und später kriegstreibenden Sozialdemokratie.

Der russische Bolschewismus ist die kommunistische Bewegung in Russland, der Kampf für eine klassenlose Gesellschaft, der 1917 in der von den Bolschewiki angeführten Oktoberrevolution seinen Höhepunkt fand und in der Diktatur des Proletariats endete, die jedoch wieder aufgrund der beschissenen ökonomischen Verhältnisse und aufgrund der Isolation der russischen Revolution mehr und mehr geschwächt wurde und entartete, bis schließlich Stalin den Bolschewiki einen Todesstoß versetzte!

Das bedeutet nicht, dass das Scheitern der russischen Revolution am Namen Stalin festgemacht werden darf, wie es trotzkistische Leute gerne behaupten, es war die Situation als solches, die auswegslos blieb, wegen dem Versagen des deutschen Proletariats. Der Stalinismus war nur die konkrete Form, die die Konterrevolution dann angenommen hatte, und die in ihrer letzten Konsequenz mit der Abschaffung des östlichen Staatskapitalismus und der Wiedereinführung des Kapitalismus des Westens endete.

Es ist aber auch schwachsinnig, wie es uns Opportunisten und Anarchos versuchen einzureden, dass die Revolution als solches nicht funktioniere, weil der Mensch als solches böse sei oder weil Organisierung immer zu Macht führe, dürfe mensch sich nicht organisieren, sondern alles dem Zufall der Spontanität überlassen.

Der richtige Weg, den uns Lenin, Luxemburg und Liebknecht gezeigt haben, liegt in der Gründung der kommunistischen Organisierung, der kommunistischen Partei. Wir müssen aus den vergangenen Fehlern lernen und müssen in der heutigen Zeit eine Strategie für die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft entwickeln. Kommunismus ist keine Religion, sondern der revolutionäre Kampf gegen jede Form von Unterdrückung und Ausbeutung, vor allem gegen die kapitalistische Gesellschaft!

Vorwärts Bolschewik! Gegen Hunger und Blut, für Sowjet und Republik!

Kommt alle zur LLL-Demo am Sonntag, 12. Januar, 10 Uhr Frankfurter Tor in Berlin-Friedrichshain!

Für den Kommunismus, hinein in den revolutionären Antikriegsblock!

An Bolschewik

Kommunismus bedeutet Anti-Bolschewismus 08.01.2003 - 21:50
"Also, wenn Du, der Autor, Stalinismus mit Bolschewismus gleichsetzt, machst Du einen großen Fehler"
Wird ja nicht gleichgesetzt - eines ist nur das Ergebnis des anderen. Die Bolschewisten herrschten von anfang an diktatorisch. Der Stalinismus ist so etwas wie "Vollendung" bolschewistischer Ideen.

Der Rest, den Du da von Dir gibst ist Geschichtsverfälschung und nachplappern irgendwelcher DDR-Bücher (hast Du die DDR mal von innen gesehen?)
LLL zur LL-Demo zu sagen ist noch mal Geschichtsfälschung!

Communism stole my virginity

Daniel Kulla 09.01.2003 - 16:34
Ich habe große Probleme mit einseitigen Darstellungen zum Thema und versuche mich lieber an CutUp:

"Marx und Fischer und die Glocken von Katyn"

 http://www.systemausfall.de/samples.html

Vom Bolschewismus zum Stalinismus

Menschewik 09.01.2003 - 16:49
Laut Trotzki (1935):

Diktatur des Proletariats und Diktatur der Bürokratie

In einer Reihe von früheren Arbeiten haben wir festgestellt, daß die Sowjetgesellschaft trotz der durch die Nationalisierung der Produktionsmittel ermöglichten Wirtschaftserfolge durchaus ihren widersprüchlichen Übergangscharakter bewahrt hat und – hinsichtlich der Lage der Arbeiter, der Ungleichheit der Lebensbedingungen und der Privilegien der Bürokratie – dem kapitalistischen Regime noch immer viel näher steht als dem künftigen Kommunismus.

Gleichzeitig haben wir festgestellt, daß der Sowjetstaat trotz der ungeheuerlichen bürokratischen Entartung noch immer ein geschichtliches Werkzeug der Arbeiterklasse bleibt, insofern er die Entwicklung von Wirtschaft und Kultur auf der Grundlage der nationalisierten Produktionsmittel sichert und dadurch die Voraussetzungen für eine wirkliche Emanzipation der Arbeiter durch die Beseitigung der Bürokratie und der sozialen Ungleichheit vorbereitet.

(...)

Der Sowjet- (richtiger wäre: Antisowjet-) Bürokratismus ist das Produkt der gesellschaftlichen Widersprüche zwischen Stadt und Land, zwischen Proletariat und Bauernschaft (diese beiden Widerspruchspaare sind nicht identisch), zwischen den nationalen Republiken und ihren Distrikten, zwischen den verschiedenen Gruppen der Bauernschaft, zwischen den verschiedenen Gruppen des Proletariats, zwischen den verschiedenen Verbrauchergruppen und schließlich zwischen dem Sowjetstaat insgesamt und seiner kapitalistischen Umgebung. Gegenwärtig treten die wirtschaftlichen Widersprüche durch ihre Übersetzung in die Sprache der Geldwirtschaft besonders drastisch hervor.

Die Bürokratie reguliert diese Widersprüche, indem sie sich über die arbeitenden Massen erhebt. Sie nützt ihre Funktion zur Festigung der eigenen Herrschaft aus. Durch ihre unkontrollierte, willkürliche, keinen Einspruch duldende Führung häuft sie neue Widersprüche an. Indem sie sich diese zunutze macht, errichtet sie ein Regime des bürokratischen Absolutismus.

Die Widersprüche innerhalb der Bürokratie selbst haben zur Auslese eines kommandierenden Ordens [9] geführt; die Notwendigkeit der Disziplin innerhalb dieses Ordens hat zur Herrschaft einer einzelnen Person und zum Kult um den unfehlbaren Führer geführt. Im Betrieb, im Kolchos, auf der Universität, in der Regierung, überall herrscht cm und dasselbe System vor: Der Führer und sein treues Gefolge – alle anderen folgen dem Führer. Stalin war nie Massenführer und konnte seiner Natur nach nie Massenführer sein; er ist der Führer der bürokratischen „Führer“, ihre Krönung, ihre Personifizierung.

Je komplizierter die Wirtschaftsaufgaben und je größer die Forderungen und Ansprüche der Bevölkerung werden, desto akuter werden auch die Widersprüche zwischen dem bürokratischen Regime und den Erfordernissen der sozialistischen Entwicklung, und desto brutaler kämpft die Bürokratie um die Erhaltung ihrer Positionen, desto zynischer greift sie zu Gewalt, Betrug und Bestechung.

Thema Trotzkismus

10.01.2003 - 03:01
Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus

Erstmals erschienen in der amerikanischen Zeitschrift "Politics" März 1947; Übersetzung von Jörg-Anselm Asseyer, erschienen in Willy Huhn "Trotzki - der gescheiterte Stalin", Karin Kramer Verlag, Berlin 1973.

Der angebliche Zweck der Stalin-Biographie Trotzkis (Leo Trotzki: Stalin. Eine Biographie. Erstveröffentlichung 1946 in englisch, USA; geschrieben 1940, z.T. fragmentarisch geblieben wegen Ermordung. Neu veröffentlicht bei Rororo, Texte des Sozialismus und Anarchismus - Nr. 284/85) besteht darin, zu zeigen, "wie eine Persönlichkeit dieser Art sich herausbildete und wie sie durch widerrechtliche Aneignung zu einer solchen Ausnahmestellung gelangte". Der wahre Zweck des Buches ist jedoch, zu zeigen, warum Trotzki die Machtstellung, die er zeitweilig innehatte, verlor und warum er - Trotzki - eher als Stalin Lenins Nachfolger hätte sein sollen. Vor Lenins Tod hieß es gewöhnlich: "Lenin und Trotzki"; Stalins Name hatte ohne Ausnahme nahe oder vollkommen am Ende der Liste der führenden Bolschewiki gestanden.
Bei einer Gelegenheit hatte Lenin sogar vorgeschlagen, seine eigene Unterschrift hinter die Trotzkis zu setzen. Kurzum, das Buch hilft erklären, warum Trotzki der Ansicht war, "daß er der natürliche Nachfolger Lenins sei", und das Buch ist in der Tat eine Biographie von beiden, von Stalin und auch von Trotzki.

Alle Anfänge sind natürlich klein, und der Bolschewismus Lenins und Trotzkis unterscheidet sich vom heutigen Stalinismus ebenso, wie Hitlers brauner Terror von 1933 von dem Nationalsozialismus des zweiten Weltkrieges verschieden war. Daß es im "Arsenal" des Stalinismus nichts gibt, was nicht auch in dem Lenins und Trotzkis gefunden werden könnte, das wird durch die frühen Schriften Trotzkis selbst bezeugt. So stellte Trotzki - wie Stalin - Zwangsarbeit als ein "sozialistisches Prinzip" vor. Ebenso war auch er davon überzeugt, daß keinernsthafter Sozialist dem Arbeiterstaat das Recht streitig machen würde, seine Hand an den Arbeiter zu legen, der sich weigere, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Es war Trotzki, der sich beeilte, den "sozialistischen Charakter" der Ungleichheit zu betonen, da - wie er sagte - "diejenigen Arbeiter, die mehr für das Allgemeininteresse als andere täten, dadurch das Recht auf einen größeren Anteil am Sozialprodukt erhielten als die Faulen, die Nachlässigen und die Saboteure". Er - Trotzki - war der Überzeugung, daß alles getan werden müsse, "um die Entwicklung der Rivalität in der Sphäre der Produktion zu unterstützen

weiter:
 http://www.geocities.com/revolutiontimes/mattick1.htm