Wut und Verzweiflung: MigrantInnen fackeln 5 Lager ab

no.boder.no.nation 03.01.2003 00:10 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
Aus Protest gegen den unmenschlichen Lageralltag und die Politik der Regierung zünden MigrantInnen in Australien fünf Lager an. Die Polizei und Politik reagieren mit Repression und Folter.
Protest als Reaktion auf unmenschlichen Lageralltag

Die Proteste und Riots brachen am 29. Dezember im MigrantInnenlager Baxter in Süd-Australien aus. Danach verbreiteten sie sich nach Woomera, Villawood, Port Hedland und Christmas Island. MigrantInnen, die in den Lagern eingesperrt sind, setzten in der letzten Woche mehrere Gebäude in den fünf Lagern in Brand, um gegen die unmenschlichen Bedingungen, unter denen sie festgehalten wurden und gegen die Einwanderungspolitik Australiens zu protestieren. Anwälte der MigrantInnen bezeichneten den Protest als "Wut und Verzweiflung". Derartige Vorfälle seien angesichts der Lebensbedingungen und der zum Teil jahrelangen Verweildauer in den Lagern unvermeidlich, erklärten Sprecher von Gefangenenhilfsorganisationen. Unabhängige Medien melden, dass die Feuer ein direktes Resultat der unmenschlichen Politik der Australischen Regierung waren. Es wird in den Lagern gefoltert und der Zugang zu Informationen oder Unterstützung verweigert. MenschenrechtsaktivistInnen werden in Australien von Mitgliedern der australischen Regierung öffentlich bedroht und die Presse wird davon abgehalten, die Lager zu betreten, um über die Zustände darin zu berichten und Interviews mit den Gefangenen zu führen.

Repression und Folter als Reaktion auf die Proteste

Den Schaden durch die Brände beziffert die australische Regierung auf mehr als 4 Millionen US-Dollar. Fünfzehn MigrantInnen des Lagers Villawood wurden in ein Hochsicherheitsgefängnis gesteckt, weil sie beschuldigt wurden, an der Revolte im Lager beteiligt gewesen zu sein. Sieben MigrantInnen des Lagers in Woomera wurden vor Gericht geladen und beschuldigt an dem dortigen Riot beteiligt gewesen zu sein, während dem 43 Gebäude im Lager brannten. Unabhängige Medien in Australien melden, dass an Sylvesterabend alle Gefangenen des Abschiebeknastes Woomera mit Tränengas misshandelt wurden.

Ausschnitte eines Interviews mit einem Migranten, gefangen in einem der Lager in Australien (sinngemäße Übersetzung):

Interviewer (I): Kannst du mir bitte erzählen, was letzte Nacht, Sylvesternacht, passiert ist?
Gefangener (G): Ok. Letzte Nacht kamen ungefähr 12-16 Polizisten hier her. Sie waren sehr betrunken und lachten über uns. Sie lachten und kamen in jeden Raum und sie hatten Stöcke dabei.
I: Sie hatten Stöcke?
G: Sie schlugen gegen jede Tür, wie Betrunkene und alle wachten auf und sagten ihnen: Bitte, wir sind hier seit 4 Jahren, 5 Jahren, und unser Haar wird grau und wir werden verrückt. Warum stört ihr uns so? Was wollt ihr? Und sie lachten und sagten: Wir können tun, was wir wollen.
I: Das war, was sie gesagt haben? "Wir können tun was wir wollen?"
G: Ja, das kann ich auch vor ihnen bestätigen.

(...)

I: Woher weißt du, dass sie betrunken waren?
G: Wegen des Geruchs. Ich kann riechen. Und sie lachten und als ich zu ihnen ging und fragte: Warum stört ihr uns? Als der Polizist sprach, habe ich gerochen, dass er sehr betrunken war.


(...)

G: Das Verhalten der Polizei ist nicht nett. Letzte Nacht, als wir schliefen, kickten sie gegen die Tür und weckten alle auf.
I: Erinnerst du dich an die Zeit?
G: Halb vier
I: Halb vier in der Nacht?
G: Ja. Und weisst du, jede Stunde ab Mitternacht kamen sie, stürmten in das Gebäude und liefen mit ihren Schlagstöcken herum und schlugen damit auf Türen und Wände.

(...)

G: Er machte total blöde Dinge mit seinem Stock. Er klopfte an die Tür und schrie, sehr laut und mein Herz ging bum-bum-bum-bum-bum, weisst du. Ich wachte schnell auf. Mein Blutdruck wurde hoch und ich begann mich zu fürchten und ich - ich will hier raus, alle haben Streit mit den Wächtern

(...)

G: Aber weisst du, letzte Nacht, als die Polizei hier war, sagten alle zu ihnen: Wir zünden dieses Feuer, weil wir müde sind. Seit vier Jahren sind wir hier. Alle sagten zu ihnen: Wenn ihr uns einkasten wollt, dann tut das, aber ärgert uns nicht so.
I: Was sagten die Polizisten?
G: Sie sagten: Das ist unser Job.

(...)

I: Mit den Feuern - als das mit den Feuern geschah, war die australische Regierung sehr glücklich, dass das passierte - weisst du warum? Weil die australische Bevölkerung denken wird, dass Flüchtlinge Kriminelle sind, deshalb ist es für die Regierung gut, diese Feuer.
G: Niemand hier ist kriminell. Niemand hier, das Einzigste ist, dass sie Flüchlinge sind und alle sind in ihren Räumen, zu viel Polizei hier.
I: Die Polizei ist immer noch da?
G: Ja.


News aus den MigrantInnenlagern:

 http://www.baxterwatch.net - OPEN POSTING SYSTEM - BAXTERWATCH is an open forum for anyone to freely publish material about Baxter IDC

 http://www.porthedland.nomasters.org - about Port Hedland Immigration Reception and Processing Centre

 http://www.woomerapost.com - news


weiteres auf Indymedia.de:
 http://www.indymedia.de/2002/12/37883.shtml
 http://www.indymedia.de/2003/01/37942.shtml
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Ergänzungen

keine Missverständnisse

author 03.01.2003 - 00:27
Das Interview hat nichts mit dem Tränengasangriff zu tun, sondern beschreibt "mehr oder weniger" normale Behandlung durch die Polizei in den Lagern, die sich natürlich aufgrund der Feuer noch zugespitzt hat. Der Tränengasangriff (ebenso gibt es Berichte nach denen Flüchtlinge auf einem Basketballplatz in brennender Sonne zusammengepfercht wurden, sich komplett entkleiden mussten und mehr...) war direkte Reaktion auf die Feuer. Wenn noch jemand dazu kommt, mehr zu übersetzen, kann das nicht schaden, Material gibt es genug, klickt euch durch!

SOLIDARITÄT MIT ALLEN LAGERINSASSEN WELTWEIT!
FREIHEIT FÜR ALLE UND FEUER UND FLAMME DEN LAGERN!

Wer weiss mehr?

Interessierter 03.01.2003 - 01:59
Es gab ja in der Vergangenheit mehre Aktionstage zu Woomera. Soweit ich weiß, haben diese Proteste dafür gesorgt, daß auch weite Teile der Gesellschaft überhaupt erst einmal wahrnahmen, was dort in der Wüste vor sich geht. Könnte es sein, daß die Flüchtlinge auch nach der erfahrenen Solidarität eher den Mut aufbrachten, aktiv zu werden oder ist der Aufstand eine einfache Wut-Reaktion (wobei es wohl ein bischen Absprache gegeben haben muss, weil ja in mehreren Lagern gleichzeitig...)? Wie schätzen australische Menschenrechtsgruppen die jetzige Situation ein? Wie präsent ist das in den Medien dort und wie ist die Berichterstattung gepolt? In deutschen Medien wurde überraschenderweise immerhin ein bischen berichtet.

Mittelspalte?

Anreger 03.01.2003 - 02:05
Wär doch glatt was für die Mittelspalte oder? Dann wäre Indy.de schneller als Indy.Melbourne ;-)

Noch 1 Link:
 http://brisbane.indymedia.org/front.php3?article_id=3600&group=webcast

Solidarität muss praktisch werden!!!!!!!

03.01.2003 - 13:57
Solidarität muss praktisch werden!
Feuer und Flamme den Abschieberbehörden!

@Interessierter

surferpoet 03.01.2003 - 14:14
Ja, der Protest in Woomera hat sehr viel dazu beigetragen, dass sich die Leute in den Lagern nicht mehr alles gefallen lassen, bzw. wissen, dass es Möglichkeiten des Protests gibt und Unterstützung draussen da ist. Wahrscheinlich ist das aber immer noch ein schwacher Trost, wenn du tagtäglich von den Bullen mißhandelt wirst und ihnen ausgeliefert bist...

An den Protest in Woomera anknüpfen will ein Protest in Baxter dieses Jahr an Ostern, hier die Infos auf Englisch:

In the spirit of Woomera 2002, next Easter, converge on Baxter to show your solidarity with people imprisoned simply for applying for their lawful right to protection and asylum. Join with the detainees inside Baxter in struggling for their freedom - and for our own.

Baxter 2003 will be part protest, part liberation camp, and a powerful convergence of those who seek to put an end to Australia's racist and xenophobic policies.

The protest will include a myriad of actions and workshops, in solidarity with the detainees across Australia and their struggle for freedom.

APROPOS: Wenn wir unseren Blick nach Australien wenden, dann können wir auch erkennen, wie wenig wir hier in Deutschland die Leute in den Lagern unterstützen. Klar gibt es einige Leute und Gruppen, die echt sinnige Dinge tun (ein grosses Lob!) - es gibt aber noch weitaus mehr Möglichkeiten. Gut finde ich zum Beispiel auch das Open Posting System von  http://www.Baxterwatch.net - eine Art Indymedia für die wo drinnen sind, um uns, die draussen sind, Nachrichten zu übermitteln bzw. in Kontakt zu kommen ...und und und...

Wut tut Gut

*** 03.01.2003 - 14:38

Tut einfach mal gut zu sehn wie so ein scheiß Teil am abbrennen ist.

03.01.2003 - 14:51
Beim Lesen hab ich spontan gedacht - Ja da war gewalttätiger Wiederstand sinnvoll - aber auch hier muß man 2 mal denken:

" (..) als das mit den Feuern geschah, war die australische Regierung sehr glücklich, dass das passierte - weisst du warum? Weil die australische Bevölkerung denken wird, dass Flüchtlinge Kriminelle sind, deshalb ist es für die Regierung gut, diese Feuer. "

Hier sehe ich paralelen zu Hamburg, WENN der Wiederstand gegen Schill gewalttätig(er) würde!

Der Beitrag gehört auch nach meiner Ansicht in die Mittelspalte!

Ich erinnere an die Situation in Deutschland: Flüchtlingen wird bis zum Entscheid das arbeiten und verlassen des Landkreises verboten.

Mittelspalte

Mittelspalt 03.01.2003 - 15:31
Mittelspalte!!!

Was können wir tun

HERP 03.01.2003 - 15:37
Aber was können wir von hier aus tun ???
Irgendwelche internetblockaden oder ähnliches????

AUF ZU DEN AUSTRALISCHEN BOTSCHAFTEN

taniwha 03.01.2003 - 15:47
Gibts in berlin keine australische Botschaft oder ein konsulat?

FEUER UND FLAMME DER AUSTRALISCHEN REGIERUNG!!

Botschaft in Berlin

anonym 03.01.2003 - 15:54
Ambassade d'Australie
Friedrichstr. 200
DE - 10117 Berlin

Telefon (von der Schweiz aus)
+49 30/880 08 80
Fax: +49 30/880 08 83 10


Die sollen keine ruhige Minute mehr haben!!!

@ Was können wir tun...

was WOLLEN wir tun?? 03.01.2003 - 16:05
Auf zur australischen Botschaft?! Das ist die reflexartige Antwort die ich hier so oft höre. Klar, okay, irgendwie macht das symbolischen Druck, doch meinst du, das wird etwas ändern? Wir sollten uns öfters mal die Frage stellen: Was bringt das, bevor wir agieren. Ist es nicht zum Beispiel sinnvoller, wenn wir (da wir ja priveligiert sind und bspw. das internet benutzen können) zum beispiel Infos sammeln, über den lageralltag in deutschland, über den lageralltag in australien, protest in deutschland, protest in australien, auf mehreren sprachen - zusammen mit migrantInnen (z.b. diese interviewen) - eine kleine zeitung machen und drinn und draussen verteilen... das wäre z.b. eine möglichkeit, die grenzen aufzureissen - zwischen uns privilegierten und migrantInnen in lagern - zwischen hier und australien. LASST UNS WIEDER GRENZEN EINREISSEN (UND NICHT NUR SYMBOLISCH!!)

anonym 03.01.2003 - 16:08
hab bereits einmal angerufen... es nervt die glaub ich ziemlich.

Hier eine Adresse für Protestbriefe:

The Hon
Philip Ruddock
Minister for Immigration
Parliament House

Canberra ACT 2600
Australia

Email vom Botschafter

03.01.2003 - 16:09
hatt vielleicht wer die E-mail adresse von der australische Botschaft in Berlin, mensch könnte ihnen ja Prostest E-mails schicken.
Nur ein kleiner Teil des Prostest aber warum nicht!

folter in woomera

australian refugee activist 05.01.2003 - 01:07
In Woomera wurden 70-80 Fluechtlinchen gefolterrt!
Man hatte Ihnen "Handcuffs" (de?) angeleft und sie
im Basketballfeld sitzen gelassen, dann hat man sie
mit Traenengass angegriffen.
Man hat sie so sitzengelassen von 10 Uhr morgens bis
19:00.
Die "Medical crew kann nur je eine halbe stunde im morgen
und abend arbeiten. Die Leute wurden mit verletzungen
einfach sitzen gelassen. Am 31. Dez. und dann am 1. Jan.

Die Presse in Australien berichtet dieses nicht, weil
es naturlich keine Zeugen gibt. Und die Art und Weise wie
diese Nachricht rausgekommen ist muss geheim bleiben um
die Sicherheit der Fluechtlinge in Woomera nicht weiter zu gefahrden.
Die Mehrheit der Australier ist hier auf der seite der
verdammten Regierung.
Bitte tut was und helft uns den Fluechtlingen zu helfen!

Macht einen Protest in der Australischen Botschaft,
spamt sie mit emails. Tut was!
Danke

Proteste in Baxter, 18.-21. April 2003

from at.indymedia.org 06.01.2003 - 17:19
Baxter - das ist jenes Internierungslager in Australien, in das viele Leute aus dem bekannten Internierungslager Woomera, aber auch aus anderen Lagern überstellt wurden. Es wurde noch weiter abseits errichtet und die Berichte von dort lassen auf eine zunehmende Verschärfung gegenüber den bisher aus den Lagern bekannten Verhältnissen schließen.

Nach den Protesten gegen das Internierungslager in Woomera zu Ostern 2002 gibt es nun einen Aufruf für ein Zusammentreffen und Protesten beim Lager Baxter. Refugee Rights AktivistInnen aus Australien laden dazu vom 18.-21. April 2003 ein.

Seit Beginn gibt es innerhalb des Lagers Widerstand gegen die Abschiebepraxis - wie auch in anderen Lagern (siehe oben) - die Leute, die zum Teil mehrere Jahre in den geshlossenen Lagern zwangsinterniert sind, kämpfen für ihre Freiheit und Rechte wie auf Aufenthalt in Australien.

Baxter2003 ist eine Fortsetzung der Proteste in Woomera im September 2001, zwei Touren des Freedom-Bus durch Australien im Jahr 2002 und der massiven Aktionen in Woomera zu Ostern 2002. Durch Aktionen wie diese, aber vor allem auch den anhaltenden Widerständen innerhalb der Lager wurde die Öffentlichkeit auf die Situation aufmerksam.

So veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) vor kurzem einen sehr aufschlussreichen Bericht über die Australische Flüchtlingspolitik mit dem Titel "By Invitation Only" ( http://hrw.org/reports/2002/australia).

Eine Reaktion der Regierung in Australien auf die anhaltende Kritik und die Proteste ist die Schließung Woomeras Anfang 2003.

Mit den Proteste zu Ostern 2003 in Baxter wollen die AktivistInnen ihre Solidarität mit den Internierten zeigen und gegen die rassistischen Australischen Einwanderungsgesetze protestieren.

"Baxter2003 will be part protest, part liberation camp, and a powerful convergence of those who seek to put an end to Australia's racist border control policies."


Aufruf auf englisch:
 http://at.indymedia.org/front.php3?article_id=18538



LINKS:

Woomera 2002:
 http://at.indymedia.org/front.php3?article_id=8809
 http://no-racism.net/deportatiNO/woomera_ausbruch290302.htm
woomera2002 scrapbook:  http://at.indymedia.org/front.php3?article_id=17339

Freedombus:
 http://www.refugeefreedombus.org
 http://porthedland.nomasters.org/videoteppista.htm

A brief summary of detention centre protests and responses (vom 01.01.2003):
 http://www.baxterwatch.net/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=32

BAXTERWATCH:
 http://www.baxterwatch.net