Barcelona: Kollektiver Ladendiebstahlstango

meau 21.12.2002 00:07 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Argentina Global Piquet: Aktion in Barcelona heute, 20.12., 17.00 Uhr

100 Leute haben einen Supermarkt in der Innenstadt besetzt, Soundsystems und Tango-TänzerInnen nahmen cava (prickelnder Wein) aus den Supermarktregalen. Die Polizei sah teilnahmslos zu. Danach gingen die Leute in das besetzte ehemalige Krankenhaus 'Can Masdeu' am Stadtrand von Barcelona, um dort zu feiern, dass dieses schon seit einem Jahr erfolgreich gegen versuchte Räumungen Widerstand geleistet hatte.
Die Aktion wurde organisiert vom Kollektiv YOMANGO - spanisch für "ich stehle" - der Schriftzug ist angelehnt an das Logo der Kleidermarke "mango". Die Gruppe propagiert Einklauen statt Einkaufen - als direkte Widerstandsform gegen Kapitalismus:

Essen und Kleidung sind Grundrechte, die Menschen nicht verwehrt werden dürfen, auch wenn sie wenig oder gar kein Geld haben. Die Gruppe tritt ein für einen direkten Austausch, der auf gegenseitiger Achtung und Vertrauen zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen basiert, auf freien Vereinbarungen statt Zwangsverpflichtungen - ein Austausch, bei dem die Akteure nicht sehen müssen wo sie bleiben, sondern freiwillig Arbeit verrichten, die ihnen Spass macht - und ein Austausch, bei dem nicht grosse Teile der Menschheit aussen vor bleiben. Also das direkte Gegenteil von unserer Markt+Warenwirtschaft ...

Ein schöner Text darüber, wieviel Spass Ladendiebstahl macht und warum er so sinnvoll ist, findet sich auf den Seiten des CrimethInc-Kollektivs. Der Text ist leider auf englisch, durchbeissen lohnt sich aber ....

Im Programm des weltweiten Aktionstages heute und morgen wird über die Aktion noch folgendes berichtet:

Ein paar Leute von den "YOMANGOs" diskutieren über die nächste Aktion am 20. & 21. Dezember (wir machen die "YOMANGO" -Essen weiter - das Essen wird aus geklauten Zutaten gekocht - alle zwei Wochen - immer mehr Leute nehmen teil, beim letztenmal waren es über 70). Die Idee des "YOMANGO-Tango" findet immer mehr Zuspruch. Im Moment erkunden ein paar Leute schon geeignete Örtlichkeiten (Einkaufszentren), wo die Aktion stattfinden könnte, andere Leute kümmern sich um den graphischen Teil, andere kümmern sich um die Presse und ein Teil kümmert sich um den Sicherheitsaspekt (evtl. anrückende Polizei blockieren etc.).
Der aktuelle Plan ist, die Aktion auf die zwei Tage zu verteilen. Am ersten Tag wird getanzt und das Essen aus einem großen Supermarkt geklaut, am zweiten Tag soll in einer großen Bank gekocht werden - einer BBW Bank, welche die Hauptverantwortlichen für die wirtschaftliche Krise in Argentinien ist. In ein paar Wochen wird ein Wochenend-Workshop stattfinden, eine Mischung aus klassischem zivilem Ungehorsam und Dynamiken in der Art des Tango-Tanzes: "wie die Tango-Bewegungen genutzt werden können, um Sachen zu klauen".

Mehr dazu auf yomango.net.

Für Samstag, 21.12., 12 Uhr, wird zu einer Kochtopf-Demo in der Innenstadt von Barcelona aufgerufen: man soll alles mitbringen, was irgendwie Lärm macht ....

Mehr Infos über Aktionen anlässlich des Global Action Days D20 auf www.indymedia.org, uk.indymedia.org, oder wer das Glück hat, spanisch zu verstehen: argentina.indymedia.org.
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Ergänzungen

In Berlin gabs auch eine Kaufhausaktion

Berliner 21.12.2002 - 00:14
Es wurde nach dem missglückten Karneval gegen Kapitalismus im Kaufhof am Alex eine nette Performance geboten. Mehr dazu aber später.

anti-emanzipatorisch

geben statt nehmen 21.12.2002 - 01:00
von crimethinc gibt es auf deutsch bessere texte:
 http://crimethinc.ainfos.de

und nochmal, was ihr da permanent propagiert ist unsoziales verhalten. eigentum ist diebstahl heißt es doch. in diesem satz ist unter anderem enthalten: diebstahl ist etwas negatives. warum? diebstahl heißt etwas unrechtmäßig wegnehmen. der kapitalismus basiert auf wegnehmen, aber auf verstecktem wegnehmen, etwa die lebenszeit der arbeitenden wegnehmen oder den armen wegnehmen damit die reichen im überfluß leben. wenn ihr jetzt anfangt offen wegzunehmen ist das nur reaktionär geht nämlich noch einen schritt zurück im vergleich zum kapitalismus in dem das wegnehmen verschleiert wird weil auch hier der konsens besagt wegnehmen sei negativ zu sehen.
wie der artikel korrekt feststellt geht es darum "direkten Austausch, der auf gegenseitiger Achtung und Vertrauen zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen basiert, auf freien Vereinbarungen" zu etablieren nicht einseitiges wegnehmen nach dem biologistischen motto nur die stärksten, wagemutigsten, gerissensten überleben, denn wer traut sich schon zu klauen? die leute die am rücksichtlosesten sind, die am schnellsten wegrennen, oder sicherheitsbeamte umhauen können, da werden noch viel mehr leute ausgeschlossen als beim kaufen. es geht darum wie in argentinien bei brukman produktionsmittel zu übernehmen:
 http://jungle-world.com/_2002/52/24a.htm
aneignung von kapitalistischen produkten ist affirmation des systems.
zu crimethinc: sie haben sehr gute ansätze und es ist leicht bei den texten mitzugehen, aber diese ideen wurden schon von anderen vor jahrzehnten zu ende gedacht. ich empfehle die frankfurter schule. aber nicht wie die adorno-linke einen meister anbeten.

b. 21.12.2002 - 02:01
"aber nicht wie die adorno-linke einen meister anbeten"...
Dafuer kenne ich wirklich kein Beispiel. Leider gibt es einige Dummkoepfe, die sich dauernd auf Adorno beziehen, und schrecklich schlechte Texte schreiben, weil ihnen das Abstraktionvermoegen fehlt, um mit den Kategorien umzugehen, die sie dauernd allen um die Ohren hauen. Und ohne dieses Abstraktionsvermoegen kann man Adorno halt nur zum Phrasendreschen benutzen.

@geben statt nehmen

krümelmonster 21.12.2002 - 03:16
Ich stimme Dir in Deiner Kritik zu großen Teilen zu. Aber diese Debatte gab es auch bezüglich des "pay-not-day" und auch darin sind Deine Argumente bereits ausgetauscht worden.

Ich gebe zu bedenken, dass Adorno bzw. die Frankfurter Schule keine wirkliche Revolutionsstrategie entwickelt hat. Insofern sollte man theoretisch eher an den originären Marx weitere Revolutionäre anknüpfen. Auch viele Weisheiten der Anarchisten sollten darin einfließen.

Ich gebe auch zu bedenken, dass jede Revolution/Revolte zuerst einmal damit beginnt, dass die Menschen sich das Notwendigste - was ihnen fehlt - nehmen: Lebensmittel.
Aber Du hast recht: bei Hungerrevolten und der Aneignung des Brotes darf es nicht stehen bleiben, sondern wir müssen uns auch die Brotfabriken aneignen.
Aber auch dabei darf es nicht stehen bleiben: wir müssen uns in Besitz des Saatgutes, des Korns bringen.
Aber auch dabei dürfen wir nicht stehen bleiben: wir brauchen auch die Böden, wo das eingepflanzt wird.

Aber auch darüber müssen wir hinausgehen: wir brauchen Weizen, Korn, was nicht so genetisch verändert wurde, dass es diesen oder jenen Dünger und zusätzlich noch "Schädlingsbekämpfungsmittel" braucht, sondern müssen uns neuen besorgen...
UND die Art und Weise der Arbeit darf nicht so bleiben, wie sie ist...

Es gibt viel zu tun.
Aber wer die Produktionsmittel übernehmen will, der braucht Kraft und einen langen atem. Und dazu muss er/sie nun einmal gut essen !

Zustimmung? Ablehnung ? Ergänzungen ?

Pay not ! Diebstahl ist Wirklich Käse!

Inge 21.12.2002 - 09:47
Aber wie wäre es wenn man mal Pay what you want! dafür einsetzen würde!

Oder The Real Price Days! Menschenmengen die da an den Verkaufstresen herum feilschen was das Zeug hält, für viele wird bestimmt noch was heraus springen, und Verkäufer müssen sie auch Neu einstellen, wenn die dann ne Stunde brauchen um eine Hose zu verkaufen.

@Inge

Anarcho 21.12.2002 - 13:40
Was soll das jetzt für ein Konzept sein???? Ich dachte gegen Kapitalismus zu sein, heißt gegen die Warenform zu sein, gegen Tausch, Handel,... Über einen anderen Konsum läßt sich nichts verändern, der Kern des Kapitalismus die Produktionssphäre nicht angetastet wird. Die Kraft zur Veränderung liegt bei der Macht der Produzenten sich selbst zu befreien um eine selbstverwaltete Ökonomie in ihrem Umfeld aufzubauen.

Ähh?

Inge 21.12.2002 - 17:34
Ungeliebten Kapitalismus ausbremsen?
oder
Arbeitsplatz Beschaffung im Einzelhandel?
oder
Selbst Bewußtsein durch Selbst Behauptung?
oder?

@ Anarcho

Inge 21.12.2002 - 17:47
Du kannst doch nicht zerhämmern, wenn du keine Echte Alternative hast, solange bis die Warentausch Infrastruktur steht, wirste auf den Einzelandel vor Ort angewisen sein, bis die dann auch Langsam weg sind, weil die Warentausch Einrichtungen Effektiver und Günstiger arbeiten.

Revolutionäre Umorientierung!

Che 21.12.2002 - 17:58
Die Armee wird umgebaut, die Soldaten werden in der Sozialen Infrastruktur untergebracht, damit wird das Gesundheitswesen, das Öffentliche Personaltransportwesen, das Öffentliche Kommunikationswesen sowie Andere vom Spekulativen Kapitalismus Geschädigte Infrastruktur wieder aufgebaut.

Die Böden nehmen

Warhead 22.12.2002 - 04:45
Das heisst mit anderen Worten die Bauern enteignen.
Die Schicht die am allerwenigsten mit revolutionären Ideen am Hut hat.
Und wenn sie dann enteignet sind...wer baut das Korn an??
Gibts hier ein paar revolutionäre Landwirte??
Nee,hier gibts nur revolutionäre Grossmäuler,die beim ersten Versuch eine Kuh zu melken,von selbiger mit dem Huf eins auf die Mütze kriegen.
Und eine Frage an die revolutionären Spargelbauern hier...Spargel stechen...Knochenjob,was für Leute die das süsse Stadtleben gewöhnt sind,Heuernte...ist so einfach wie Wände tapezieren.
Morgenthauplan für Deutschland

@warhead

krümelmonster 24.12.2002 - 01:11
"kriegskopf", hast Du auch einen Stahlhelm auf? Dann nimm ihn ab zum Denken:

Ich beschränkte mich hier in der Darstellung auf den Agrarmittelsektor innerhalb Übernahme der Produktionsmittel und Transformation der Gesellschaft. Aber es ist dürfte wohl klar sein, dass es auch dabei nicht stehen bleiben darf...