Projektwerkstättler zur Gefahrenabwehr in Gewahrsam

2 Menschen aus der Projektwerkstatt 13.12.2002 12:07 Themen: Repression
Am Donnerstag wurde im Gießener Stadtparlament die Gefahrenabwehrverordnung verabschiedet - begleitet von Protesten und einem (trotz Bemühungen parlamentsnaher Kreise) erfreulich frechen Verhalten vor den von Polizeiaufgeboten gesicherten Eingang zum Stadtverordnetensaal. Doch für zwei Aktivistis aus der Projektwerkstatt in Saasen war der Tag eher langweilig - sie wurden von der Polizei schon am Abend vorher verhaftet und bis zum Ende der Proteste in Unterbindungsgewahrsam gesteckt. Eine Richterin bestätigte das - siehe Abbildungen.
Kurz vorweg:
Zum Verlauf der Aktionen und vieler Hintergründe siehe:  http://www.abwehr-der-ordnung.de.vu. Leider fehlte durch die Ingewahrsamnahmen auch die mobile Internet-/Medienplattform der Projektwerkstatt in Gießen, so daß nicht sofort Aktionsberichte z.B. auf Indymedia gelangen konnten.

Hier ein erster kurzer Bericht der Inhaftierten:
Gestern gegen Mitternacht hat die Pozilei mal was Neues gemacht. Zwei Projektwerkstättler wurden ohne Zusammenhang zu irgendeiner Aktion in Giessen einfach verhaftet und bis zum Ende der Stadtverordnetensitzung nicht mehr freigelassen. Am Donnerstag gegen 20 Uhr sind wir gegen unseren Willen nach Saasen verbracht worden - direkt aus den sterilen Einzelzellen des Polizeipräsidiums.
Die Verhaftung erfolgt in der Gießener Innenstadt auf der Fahrt von Gießen nach Saasen. Es gab keinen konkreten Anlaß, sondern offenbar war unsere Unschädlichmachung das Ziel. Im ?Beschluss? des Amtsgericht (nach kurzem peinlichen Prozeß) werden als Gründe im Absatz 2 ausschließlich (!) Straftaten aufgeführt, die überhaupt noch nicht vor Gericht verhandelt wurden. Da aber zu lesen ist ?sind ... in Erscheinung getreten?, wir die Anklage bereits zur Vorverurteilung. This is, what democracy looks like?! Von diesem Rechtsstaat wollen wir nicht mehr, sondern nix mehr!!!
Die Haftzeit war im üblichen Rahmen: Sterile Einzelzellen, weiß gefliest rundherum, die ganze Nacht durch helles Neonlicht, dumme Sprüche einiger Beamten (?hier sind schon mal welche die Treppe runtergefallen? oder ?kannst auch mal mehr für Deine Körperpflege tun? usw.). Wir haben einzeln oder auch zusammen (vor und nach der Fahrt zum Gericht auf den Fluren, sonst waren wir immer getrennt) vor allem die Struktur des Polizeisystems thematisiert und die BeamtInnen recht erfolgreich dazu gezwungen, eine deutliche Herrschaftssprache zu sprechen - indem wir auf ?Können Sie bitte mal mitkommen? oder ?Es ist besser für Sie, wenn Sie ...? nicht reagierten, sondern verlangten, daß sie einen Befehl bitte auch als Befehl formulieren, damit wenigstens die Situation der Herrschaftsausübung klar ist. Ein bißchen Vorsicht war allerdings nötig, da immer mal wieder welche dazwischen waren, die zum direkten Sprung von demokratischer Befehlsverschleierungsrhetorik zum Faustschlag ansetzten.
Ca. 20 Stunden nur Fliesen und das Geräusch der Klimaanlage sind genug, um die Birne ganz schön matsch werden zu lassen ...

Schade war wohl, dass bei den Aktionen auch die meisten Politgruppen unsere Verhaftung gar nicht registriert
hatten - mal hören, wie die Gruppen damit umgehen, die im Vorfeld ständig radikale Aktionsformen aus dem ?Bündnis? ausgrenzen wollten u.a. mit der Behauptung, die Pozilei hätten ihnen zugesichert, selbst nicht eskalierend zu agieren, solange der Protest friedlich bleibt. Diese Spalte-und-herrsche-Strategie ist mit den Vorabverhaftungen deutlich demaskiert worden. Ebenso wird dadurch deutlich, wie gefährlich es ist, wenn in Protest?bündnissen? einzelne Politkarrieristen über ihre intransparenten Kanäle zu Exekutiven der Herrschaft soviel Einfluß haben können. Welch Glück, daß trotzdem am Donnerstag mehr gemacht wurde als diese Nachwuchsdemokraten zulassen wollten!

Ein bemerkenswerter Vorgang am Rande: Der Rechtsanwalt (aus der Anwaltskanzlei Asterweg 9 in Gießen), den Leute absprachegemäß bemühten, unseren Aufenthalt festzustellen und die Freilassung zu versuchen, meinte nur, er könne im Gericht niemanden erreichen (an einem Werktag - den ganzen Tag über!!!). Abends wurde er dann in der SPD-Fraktion gesehen ... igitt!

Weitere Links:
- Kreative Antirepression, Anti-Knast usw.:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression
- Gegen Herrschaft:  http://www.herrschaftsfrei.de.vu
- Direct-Action-Tipps und mehr:  http://direct-action.de.vu


ACHTUNG!
Ab sofort jeden Samstag kreative Innenstadtaktionstage in Gießen - Treffpunkt um 12 Uhr an den "Drei Schwätzern", ein Denkmal in der Mitte des Selterswegs (FußgängerInnenzone). Infotelefon: 06401/903283.
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Ergänzungen

Nachgerade klassisch, das Ganze!

Polit-Hool Rocky 13.12.2002 - 12:20
Warum lasst ihr euch überhaupt auf ein Bündnis mit Parlamentariern, die Teil der Herrschaftsausübung sind, ein???

Es ist doch längst bekannt, dass man damit nur auf die Schnauze fallen kann!

Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!!!

Solidar. Grüße nach Saasen,
Rocky

13.12.2002 - 12:23
wollt ihr das die namen weltweit bekannt werden oder was soll die ungeschwärzte veröffentlichung?

Pressetext zu den Aktionen

AbwehrspielerIn aus Giessen 13.12.2002 - 12:25
Oberflächlicher Bericht aus dem Gießener Anzeigen unter  http://www.giessener-anzeiger.de/sixcms/detail.php?id=701856&template_id=996&_next=GA_Schlagzeile.

Bericht von Aktionen vorher und dort bei Kommentaren auch ein erster Aktionsbericht:  http://www.indymedia.de/2002/12/36642.shtml

Verrückte Stadt

Me 13.12.2002 - 12:26
Giessen scheint wohl den Berlusconi-Preis gewinnen zu wollen oder Teil von Bayern werden zu wollen? Heftig, was ab geht. Wie siehts mit dem Grundgesetz aus?
An den über mir: Die Namen sind eh schon allen bekannt, daher...

jetzt ist jörg doch da

13.12.2002 - 16:26
wo er sich sieht: total staatsfeindlich und krass.
war ja wohl nur eine frage der zeit bis sich die bullen auf ihn einschiessen.
aber wer sich für schlauer als die bullen hält kann mal auf die nase fallen...

ich bin ein linker vogel, sperrt mich bitte ein

Schlimme Burschen

DB_smasher 13.12.2002 - 16:50
Verunglimpfung der Verfassungsorgane, Beleidigung, Sachbeschädigung an Bullenwagen, mitführen von Sprühschablonen....
Das scheinen ja echt gefährliche Burschen zu sein. Wie gut das unser Rechts(außen)staat sowas einsperrt, bevor sie noch mehr so schlimme Dinge tun können. Schließlich ist das Recht auf saubere Wände doch höher zu schätzen als das Grundrecht auf Freizügigkeit, oder?

Eben

Anna oder Arthur? 13.12.2002 - 16:54
eben, wie immer gilt: angeklagt sind einige, gemeint sind wir alle...

erstmal klären

fwe 13.12.2002 - 17:55
"Der Rechtsanwalt (aus der Anwaltskanzlei Asterweg 9 in Gießen), den Leute absprachegemäß bemühten, unseren Aufenthalt festzustellen und die Freilassung zu versuchen,"

keine ahnung, was nun los war, ich war noch nie in gießen. aber sowas zu veröffentlichen, ohne daß es eine konkretere klärung gegeben hätte [zumindest wird das hier nicht formuliert], wäre ich mit sowas doch ein bischen vorsichtiger.
wenn die cops/gerichte den ra z.b. voll haben auflaufen lassen würde ich das erstmal klären.
ansonsten ist das denunziatorischer müll! [und zumindest der eine von euch ist alt genug, um zu wissen, daß im leben nicht immer alles so läuft, wie mensch es gerne hätte...]

Widerliche Hofberichterstatter in Presse

Allgemeine-Leser 13.12.2002 - 22:15
In der Gießener Allgemeine steht heute:

"Einer der Haupträdelsführer des Autonomenprotestes konnte nicht am oder im Stadthaus sein: Der Reiskirchener war in der Nacht zuvor beim Sprayen in der Innenstadt ertappt und bis gestern Abend in Unterbindungsgewahrsam genommen worden".

Erstens waren es zwei. Zweitens ist die Rädelsführerschaft mit nix begründet. Und drittens behaupten nicht mal Polizei und Richterin, daß gesprayt wurde. Aber die Pressearschlöcher. Haben mal verdient, auf ihrer Fensterscheibe zu erfahren, wie echtes Sprayen aussieht!

Den ganzen Mist schreibt Guido Tamme, Stadtredaktionschef und immer wieder auffällig mit Anmachen gegen Projektwerkstättler (bezeichnete mal eine Aktivistin in der Zeitung als "Blondine" und ähnlicher Würgkram).

Presse packt noch Lügen dazu ...

Ein Irrer aus Saasen 13.12.2002 - 22:55
Unter dem Link findet sich der Text des Gießener Anzeigers zu den Festnahmen. Widerliche Ekelredaktionen ... erstens lassen sie die zweite verhaftete Person einfach weg (Personenkult der widerlichen Art) und zweitens denken sie sich das mit dem Sprayen komplett aus. Bullen und Richterin (siehe den Beschluss oben) haben vom Sprayen nix geschrieben (das hätten sie ja wohl, wenn es so gewesen wäre ...). Die Presse denkt sich das selbst aus.


Hier meine Gegendarstellung (wird sicherlich nirgends abgedruckt - wer die Macht hat, hat das Recht):

Gegendarstellung

Die Behauptung der Gießener Allgemeine (wahlweise: Anzeiger), daß „einer der Haupträdelsführer“ beim „Sprayen ertappt“ worden sei, ist eine Lüge. Tatsächlich sind zwei Aktivisten aus der Projektwerkstatt ohne Bezug zu einer Aktion verhaftet und in Unterbindungsgewahrsam genommen worden, damit sie an den Protesten nicht teilnehmen können. Weder Polizei noch Amtsrichterin haben behauptet, daß die Verhafteten beim Sprühen ertappt worden seien. Das hat sich die Gießener Allgemeine komplett selbst ausgedacht, um Regierende zu schützen und Protest zu verunglimpfen. Infos ohne Staatshörigkeit: www.abwehr-der-ordnung.de.vu.

Neue Aktionen am 14.12.

Abwehrende der Ordnung 14.12.2002 - 19:43
Beschreibung der Methode Fish-Bowl (für die Veranstaltung zu Aktionsformen usw. gegen die Gefahrenabwehrverordnung am Di, 17.12. mit Vokü ab 20 Uhr im Infoladen Gießen):  http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/hierarchNIE/fishbowl.html

Neue Infos vom Innenstadtaktionstag am 14.12. in Giessen:  http://www.indymedia.de/2002/12/36905.shtml

Beschwerde einlegt

Einer der beiden Eingesperrten ... 14.12.2002 - 23:32
Beschwerde


Gegen den Beschluss vom 12. Dezember 2002 des Amtsgerichts mit Aktenzeichen 56 Gs 2933/02 lege ich hiermit Beschwerde ein.


Begründung:
In der Begründung des AG-Beschlusses wird behauptet: „Die Betroffenen sind ... in Erscheinung getreten“. Das ist eine Tatsachenbehauptung, keine Vermutung mehr. Als konkrete Fälle werden dann allerdings ausschließlich Fälle benannt, für die nur Anzeigen vorliegen, noch nicht einmal Anklagen, geschweige denn Verurteilungen.
Somit macht der Beschluss eine Anzeige zu einer Vorverurteilung, weil er aus Vermutungen bereits konkreten Freiheitsentzug konstruiert.

Wie dünn die Argumentation mit Vermutungen ist, wurde ja auch in der späteren Öffentlichkeitsarbeit aus den Herrschaftseliten deutlich. So fand sich in der Zeitung am Folgetag der Bericht, ich sei beim Sprühen auf frischer Tat ertappt worden. Das widerlegt ja bereits der Beschluss selbst – denn eine solche Handlung wäre dort wohl erwähnt worden. Offenbar war Polizei-Presseabteilung oder Presse selbst aber der Beschluss selbst ziemlich schlecht begründet und dubios erschienen, so daß eine komplette weitere Story hinzugedichtet wurde.

Insofern ist der Beschluss eindeutig Rechtsbeugung. Zwar ist auch ungebeugtes Recht in diesem Land nichts als Herrschaft und Unterdrückung, nichtsdestotrotz möchte ich mit diese Beschwerde festgestellt wissen, daß es für die Freiheitsentziehung genau KEINEN Grund gab außer der reinen Willkür beim Erhalt der Macht.

Mit freundlichen Grüßen

Presse bestätigt Lügen +++ neueste Infos

Wehret den Ordnungen! 16.12.2002 - 23:00
Hier folgen:
- Gießener-Allgemeine-Text zum Stand der Dinge ... unter anderem mit der klaren Aussage, daß es rund um den Donnerstag nach Aussagen der Polizei KEINE Anzeigen u.ä. gegeben habe – die Behauptung, daß zwei Projektwerkstättler beim Sprühen erwischt wurden, also von den beiden Tageszeitungen ERLOGEN wurde, um deren grundloses, eintägiges Unterbindungsgewahrsam zu kaschieren.
- Link zu Anzeigertext mit historischer Parallele in Gießen.

Achtung!
Es gibt viele neue Ideen für Innenstadtaktionen, u.a. die, jeweils Samstag auch einige Kurz-Demos anzumelden, um z.B. die Verhaftung von bekannten Kneipenschlägern (wie CDU-Chef Möller) jeden Freitagabend für 24 Stunden zu fordern usw. – so als interessante subversive Nutzung des Demorechts für die Samstagsaktionen. Das alles und noch viel mehr .... tiri ... gibt’s zu Besprechen am Dienstag, 17.12. um 20 Uhr nach der Vokü im Infoladen Gießen (also nachher!!!).

Alle kommen!


Keine polizeilichen Ermittlungen nach
denkwürdiger Stadtverordnetensitzung Auch vier Tage nach der denkwürdigen Stadtverordnetensitzung vom vergangenen Donnerstag geht die Diskussion um den außergewöhnlichen Rahmen der Versammlung, die von einem großen Polizeiaufgebot geschützt wurde, weiter. War ein Polizeieinsatz in dieser Größenordnung gerechtfertigt? War der Auszug der Opposition auf diese Präsenz der Polizei eine verhältnismäßige Reaktion? War die Öffentlichkeit bei der Sitzung hergestellt oder nicht? Fragen, die die Gemüter der Stadtpolitiker und anderer Beteiligter weiter erregen. Fest steht: Nach dem Erkenntnisstand von Montagvormittag sind die Vorgänge polizeilich abgearbeitet. Bei Polizei und Staatsanwaltschaft sind keine Ermittlungsvorgänge anhängig oder Strafanzeigen eingegangen. Allerdings war es noch am Wochenende zu Schmierereien im Bereich des Stadthauses gekommen. Gegen den Glasbau im Untergeschoss waren Farbbeutel geworfen worden. In diesem Zusammenhang ging bei der AZ-Stadtredaktion ein anonymes Bekennerschreiben ein.

Gießener Allgemeine im Internet, 16.12.2002, 22.45 Uhr


 http://www.giessener-anzeiger.de/sixcms/detail.php?id=704738&template_id=996&_next=GA_Stadt